Gideon Spiro - An Ester Chajot -
Richterin am Obersten Gericht - 1.
August 2015 -
Meine Dame, die folgenden Zeilen
sind meine erste Reaktion auf Ihr
Urteil (4420/12 vom 14.5.2015), in
dem sie den Einspruch des
beduinischen Stammes Al Hukbi über
das Urteil der Bezirksrichterin S.
Dabrat abgelehnt haben, die die
Klage von Al Hukbi verworfen hat,
ihr Eigentum an den Boden auf dem
sie lebten anzuerkennen und von
diesem Boden durch Israels
Regierungen enteignet worden sind.
Das Urteil war keine Überraschung.
Als bekannt wurde, dass der
Vorsitzende beim Gericht Eljakim
Rubinstein ist, war klar, dass
Gerechtigkeit aus diesem Trio nicht
kommen wird. Seine sieben Jahre als
Rechtsberater der Regierung und
danach seine Entscheidungen als
Richter beim Obersten Gericht
begründeten seinen Ruf als treuen
Diener der Besatzung, Freund der
Siedler und Beschützer der
Militärgerichtsbarkeit mit all ihrem
Unrecht. Innerhalb des festen
Kreises derjenigen, die
Menschenrechte für Palästinenser
verweigern, hat er den Ruf eines
brutalen Richters, der seine
selbstgerechten Augen gen Himmel
verdreht, unter dem Schutz einer
gestrickten rassistischen Kippa.
Ich vermute, dass er sich bewusst
war über seine schwache Stellung
innerhalb der aufgeklärten
Bevölkerung und er deshalb dachte,
dass es besser wäre, wenn Sie das
Urteil schreiben würden, da ihre
politische Identität weniger bekannt
ist, was die Annahme des Urteils
erleichtern könnte. Im Grunde ist es
nicht wichtig wer das Urteil
schreibt; es gibt keinen einzigen
Richter in Israel, vom
Friedensrichter bis zum Richter im
Obersten Gericht, der zugunsten der
Beduinen urteilen würde. Israel ist
ein zionistischer Staat. Zionismus
ist eine Ideologie und in
ideologischen Staaten wie
Nord-Korea, Iran und so auch Israel,
gibt es keinen Richter, der gegen
die offizielle Ideologie urteilen
wird. In all diesen Staaten wird die
Treue eines Kandidaten für das
Richteramt zur herrschenden
Ideologie durch den Geheimdienst
strengstens überprüft. Alle Richter
sind dem zionistischen Gedanken
verpflichtet, auch in seinen
dunkelsten Augenblicken. Eines der
Grundsätze des Zionismus ist, je
weniger Boden für die Araber und
umso mehr Boden für die Juden.
Und was ist mit den arabischen
Richtern, wird man fragen, sind sie
auch Zionisten? Sie nicht, aber sie
sind die Diener des Zionismus. Sie
wurden gründlich vom
Sicherheitsdienst gescannt, wurden
untersucht und befragt, um sicher zu
sein, dass sie keine Feinde sind.
Salim Jubran, der einzige arabische
Richter beim Obersten Gericht, war
in der Besetzung, die den Einspruch
des Stammes Al Hukbi, die den Fall
verhandelte. Jubran ist zwar ein
„positiver Araber“, nach der
Beschreibung des
Sicherheitsdienstes, aber kein
Mensch hätte von ihm erwartet, dass
er das Urteil schreibt. Denn auch
ein „positiver Araber“ kann
plötzlich durchdrehen und ein
ehrliches Urteil abgeben, der die
Forderungen der Beduinen anerkennt
und die Regierung beauftragt den
Boden seinen rechtmäßigen Besitzern
zurückzugeben. Das wäre ein
tektonisches Beben, den die
Regierung nicht überleben würde.
Warum ein Risiko nehmen?
Das Urteil, das Sie geschrieben
haben erfüllte die ideologischen
zionistischen Erwartungen. Die
Enteigner haben wieder gesiegt. Sie
haben den rechtlichen Weg für die
Beduinen gesperrt. Sie gewannen das
Lob des Regimes. Die Regierung hat
Sie umarmt, die zionistische
Bewegung hat Sie geküsst, die KKL
wird einen neuen Wald nach Ihnen
nennen. Rubinstein strahlte vor
Glück als er das Urteil hörte und
nannte ihn beispielhaft. Nur die
Beduinen kehrten geschlagen nach
Hause, frustriert und gebeugt; wie
lange glauben Sie, wird man sie
weiter unterdrücken können, ohne
dass sie revoltieren? Unter diesen
Umständen wird eine beduinische
Intifada kommen.
Zusammen mit meiner Kritik begleitet
mich das Gefühl eines Versäumnisses.
Denn nicht jeden Tag hat ein
Richter/in die Möglichkeit die
Ordnung zu verändern, etwas im Sinne
der Entscheidung des Obersten
Gerichts der USA, Braun gegen die
Schulverwaltung in seinem
Wohnbereich, die ein Ende gesetzt
hatte der rassistischen Trennung im
Schulsystem. Wären Sie nur ein wenig
demokratischer gewesen, ein wenig
sozialistischer, ein wenig
liberaler, ein wenig gerechter, ein
wenig mutiger, etwas weniger
zionistischer, hätten Sie in der
Hand ein Goldschatz aus dem man ein
historisches Urteil hätte ableiten
können, das ein Ende gesetzt hätte,
der Benachteiligung der Beduinen,
ihnen die Ländereien zurückgegeben
hätte, die die Regierung ihnen
gestohlen hat, zusammen mit einer
ordentlichen Entschädigung und sie
hätten die Regierung zwingen können
in beduinischen Gegenden
gleichberechtigte
Erziehungseinrichtungen, alle nicht
anerkannten Siedlungen der Wasser
und Elektrizität Versorgung
anbinden, und die einsamen Farmen,
die nur für Juden vorgesehen sind,
als ungesetzlich erklären. Und das
ist nur eine vorläufige Liste. Ein
solches Urteil hätte nur geschrieben
werden können von einem Richter/in,
die Mut mit Verantwortung für
Menschenrechte vereinbaren. Ich
kannte einen solchen Richter, der
Richter Dov Etan s.A., der eine
Petition gegen den Libanonkrieg
unterschrieben hat und gezwungen
wurde zurückzutreten.
Das Lesen Ihres Urteils hinterlässt
einen traurigen Eindruck von
obsessiver Einseitigkeit, von der
Akzeptanz jedes Arguments der
Regierung und der Ablehnung jedes
Dokuments oder Zeugnis, ohne
vernünftiger Begründung, die die
Kläger vorgebacht haben.
1921 hat der britische
Kolonialminister Winston Churchill
vor den Beduinen erklärt, dass das
Britische Imperium ihre Rechte ehren
und beschützen würde. Churchill, ein
Meister der englischen Sprache, gab
eine eindeutige Erklärung ab und Sie
haben in ihrem Urteil geschrieben,
das seine Worte nicht klar genug
sind und so oder so interpretiert
werden können. Sie stellen fest,
dass die Beduinen Nomaden sind, die
niemals Boden bearbeitet haben und
sie deshalb auch nicht Eigentümer
von Boden sein können. Dennoch
verlangen die Mitglieder des Stammes
Al-Hukbi ein Dokument vorzulegen,
welches belegt, dass ihr Dorf Arakib
tausende von Dunam besessen hat,
aber Sie weigern sich das Dokument
anzunehmen. Die Zionistische
Gewerkschaft erwarb von den Beduinen
Ländereien in der Negev auf denen
die Kibbuzim Ruchama und Revivim
gegründet wurden. Diese
Vereinbarungen wurden im Grundbuch
eingetragen und vom Gesetz
anerkannt. Wie vereinbart sich das
mit Ihrer Behauptung, dass sie
niemals Boden besessen haben? Sie
haben keine intelligente Erklärung.
1951 kam ein Offizier der
Militärverwaltung im Rang eines
Obersten in das Haus vom Haupt des
Al Hukbi Stammes und bat, dass der
Stamm Alarakib für die Dauer von 10
Monaten verlässt; danach könnten sie
zurückkehren. Das Versprechen wurde
begleitet mit einer schriftlichen
Verpflichtung. Es vergingen mehr als
sechzig Jahre und das Versprechen
wurde nicht erfüllt. Ist denn die
Regierung nicht verpflichtet ihre
Versprechen einzuhalten? Man hat
betrogen und geraubt und Sie haben
dazu nichts zu sagen.
Die Affäre hat auch eine persönliche
Note. Nuri Al Hukbi ist mein Freund.
Viele Jahre kämpfte er darum in sein
Dorf, wo er geboren wurde,
zurückzukehren. Er achtet darauf all
die Jahre mit gewaltlosen Methoden
zu kämpfen: Briefe an Minister (die
nicht beantwortet werden), Streiks,
Hunger-Streiks, Gründung einer
Partei, öffentliche Versammlungen,
pflanzen in Böden von Al Arakib,
Veröffentlichung von Artikel und
Klagen vor Gericht. Sein nobler
Kampf hat ihn nicht vor Gewalt der
Polizei geschützt. Als jemand, der
an vielen seiner Aktionen
teilgenommen hat, riet ich ihm sich
nicht an die Gerichte zu wenden,
weil er dort keine Chance hat. In
Fragen von arabischem Land von
beiden Seiten der Grünen Linie, sind
die Gerichte in erster Linie
zionistisch, indem sie die
Korruption des Systems decken. Nuri
wollte es wissen und wurde von der
Einseitigkeit des Gerichts
überzeugt.
Man müsste die Erweiterung des
Widerstandes auf Methoden überlegen,
die noch nicht ausprobiert wurden,
bei Wahrung des Prinzips der
Gewaltlosigkeit.
Ihr Urteil, Ester Chajot, ist
korrupt, weil es Korruption
rechtfertigt. -
Übersetzt von Abi Melzer |