Dr. Abed Schokry -
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe
Freundinnen und liebe Freunde, seit
dem 20. August bin ich wieder in
Gaza. Die Heimreise verlief
weitgehend reibungslos. In Gaza
angekommen wird man sofort vom
Alltag überholt und überrollt und
zwangsläufig miteinbezogen. Nach den
zwei Wochen in Deutschland, einem
Land, in dem alles in geregelten
Bahnen läuft und es doch den meisten
Menschen relativ gut geht, erlebe
ich den Kontrast zu Gaza besonders
intensiv.
Hier
ist das Elend unübersehbar. Die
alltäglichen Wege führen an
zerstörten Häusern vorbei, an
Menschen, die sich in ihrer Not mehr
oder weniger provisorisch
eingerichtet haben.
Die Armut der Gesamtbevölkerung
steigt und steigt. Die
Arbeitslosenquote nimmt dramatisch
zu. Eine positive Perspektive ist
nicht in Sicht.
Die Wasserversorgung ist
katastrophal. Das Wasser ist in den
zwei Wochen, in denen ich in
Deutschland war, noch salziger
geworden. Ich habe richtig den
Unterschied zwischen dem Wasser aus
dem Wasserhahn in Deutschland und in
Gaza geschmeckt.
Die Stromversorgung ist wie gehabt,
also ACHT Stunden gibt es Strom und
dann acht Stunden keinen Strom usw.
Nun ja, damit könnte man sich
arrangieren, wenn es nur dabei
bliebe. Aber in diesen ACHT Stunden
wird die Stromversorgung auch noch
für ca. ZWEI Stunden unterbrochen.
Somit ist Strom tatsächlich für nur
SECHS Stunden da. So ist die Lage in
dieser Hinsicht. Das ist alles nicht
gerade motivierend für mich, für
uns. Es ist auch für unsere Kinder
teilweise unerträglich, weil auch
ihr Tagesablauf nach dem
Vorhandensein von Strom ausgerichtet
werden muss. Die Hausaufgaben bei
Notbeleuchtung oder Kerzenlicht
machen zu müssen, das ist schwer für
die Kinder. Da der Strom immer
gebietsweise abgestellt bzw.
angestellt wird, d.h. nicht in allen
Stadtvierteln zur selben Zeit,
machen wir es oft so, dass wir an
den Tagen, an denen wir abends
keinen Strom haben, zu Verwandelten
oder Freunden gehen, die eben gerade
Strom haben. Ein normales
Alltagsleben ohne Strom ist einfach
nicht möglich. In den ACHT Jahren,
in denen wir wieder in Gaza leben,
hatten wir nicht einen einzigen Tag
ununterbrochen 24 Stunden lang
Strom, wie es in anderen Gegenden
der Welt in der Regel der Fall ist.
Was den Wiederaufbau angeht, so geht
er schleppend voran und ebenso die
Aufräumarbeiten.
Letzte Woche hat die Schule
begonnen. Allerdings begannen die
UNRWA-Lehrerinnen und Lehrer das
neue Schuljahr mit einem Streik.
Gründe sind unter anderem, dass die
UNRWA manche Lehrerinnen in
Zwangsurlaub schicken wollte, keine
neuen Lehrerinnen sollten in den
kommenden fünf Jahren eingestellt
werden, und es sollten Klassen mit
40 bis 50 Schülerinnen und Schüler
eingerichtet werden. Das sind die
Gründe für den Streik, die ich den
Zeitungsberichten entnommen habe.
Allerdings ist es nicht einmal etwas
Besonderes, dass so viele
Schülerinnen und Schüler in einer
Klasse unterrichtet werden. Auch in
den Schulen, die nicht von der UNRWA
betrieben werden, sind viel zu viele
Kinder in einer Klasse (öffentliche
Schulen). So ist der Unterricht
nicht nur für die Lehrer und
Lehreinnen, sondern auch für die
Schülerinnen und Schüler extrem
anstrengend.
Der Unibetrieb hat an manchen
Universitäten bereits begonnen und
an anderen beginnt er in
allernächster Zeit.
Die erhöhten Temperaturen haben auch
die Ernte sehr stark beschädigt, was
zur Steigerung der Preise für Obst
und Gemüse geführt hat. Es ist immer
noch sehr warm in Gaza. Die
Temperaturen liegen 4 – 5 Grad über
dem Durchschnitt.
Zum Schluss möchte ich mich bei
Ihnen und Euch für die gute Zeit,
die ich in Deutschland erlebt habe,
sehr herzlich bedanken. Die Zeit in
Deutschland gibt mir Kraft, mit all
den Problemen hier ein bisschen
besser umgehen zu können. Ich hoffe
und wünsche mir mit Ihnen und Euch
auch in Zukunft verbunden zu
bleiben.
Machen Sie es gut und bis dann Ihr
Dr. Abed Schokry
P.S. Bitte schauen Sie sich den Link
an: http://blog.zeit.de/teilchen/2015/08/25/gaza-
streifen-mit-tukka-durch-die-truemmer-ihrer-heimat/
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