Martin
Breidert -
Brief an Frau Bundestagsabgeordneten
Michaela Engelmeier (SPD)
- Sehr
geehrte Frau Engelmeier, es scheint,
das Sie sich bei Ihrer Stellungnahme
zum ARD-Bericht vom 14.8. 2016
ausschließlich auf zweifelhafte
israelische Quellen stützen.
Ich
selbst habe 2012 und 2014 an
Studienreisen in die Westbank
teilgenommen. Wir besuchten in
Jiftlik im Jordantal ein Projekt von
medico international. Der
deutsch-kanadische Mitarbeiter
zeigte uns, wie die Rohre eines
schwedischen Brunnenprojekts
verrosten, weil Israel dafür keine
Genehmigung erteilt. Die
Palästinenser dürfen maximal 30 m
tief bohren, die Israelis nebenan
mehr als 100 m. Den Palästinensern
stehen maximal 20-30 l täglich zur
Verfügung, die sie teuer in
Tankwagen kaufen müssen, während
direkt nebenan die israelischen
Siedler aufgrund ihrer riesigen
Bewässerungsanlagen auf 127.000 l
kommen.
In
Reaktionen der Israel-Lobby zu dem
Bericht von Markus Rosch heißt es
unisono, das Wasser werde von
Israel an die palästinensischen
Dörfer und Städte geliefert. Richtig
ist, dass die israelische
Wassergesellschaft Mekorot das
Wasser an die Palästinenser
verkauft, das sie zuvor den
Palästinensern gestohlen hat. Ich
selbst habe überall in der Westbank
die riesigen Pumpstationen gesehen,
die die Aquifere der Westbank
absaugen.
Grafik rechts - zum Vergrößern
anklicken
Es ist
kein Zufall, dass die
palästinensischen Häuser allesamt
Wassertanks auf ihren Dächern
haben, weil sie zu jeder Zeit mit
Wasserknappheit rechnen müssen. Für
die israelischen sog. Siedler sind
solche Einrichtungen nicht nötig,
nicht weil sie sorgsamer mit Wasser
umgehen, sondern weil ihnen mehr zur
Verfügung steht, wie die Statistiken
klar ausweisen. Eine Vertreterin
des Israelischen (!) Komitees gegen
Hauszerstörungen (ICAHD) zeigte uns
präzise vor Ort in Ostjerusalem, wie
israelische Häuser mit Wasser
versorgt werden, palästinensische
("arabische") dagegen nicht.
Ich
selbst hatte bei unserem Besuch, als
wir bei einer palästinensischen
Familie in Beit Jala in einem Vorort
von Bethlehem wohnten, am eigenen
Leibe die Wasserknappheit erlebt.
Und ich habe grüne Siedlungen
besichtigt (Maale Adumim, Efra),
die es sich sogar leisten können,
einen Teich und ein Schwimmbad
mitten in der Wüste zu haben. Zu
Recht spricht Clemens Messerschmid
von Wasser-Apartheid.
Ihr
Parteigenosse und Präsident des
Europäischen Parlaments, Martin
Schulz, sprach nicht ohne Grund
dieses Missverhältnis bei seiner
Rede in der Knesset an. Wenn auch
seine Zahlen völlig falsch waren, so
hatte er jedoch in Bezug auf das
Missverhältnis Recht gehabt.
Was autorisiert Sie dazu, Clemens
Messerschmid die Professionalität
eines Hydrogeologen abzusprechen?
Er hat seit mehr als 15 Jahren für
verschiedene Organisationen in
Israel/Palästina arbeitet. Ich habe
vor zwei Jahren seinen Vortrag
gehört, den er für unsere
Studiengruppe hielt, und er hat uns
dazu detaillierte Unterlagen
gegeben. Auch die israelische (!)
Menschenrechtsorganisation B'Tselem
kommt zu ähnlichen Ergebnissen wie
Messerschmid. Ebenso ist auch die
seriöse Studie von Amnesty
International vom Oktober 2009 zu
nennen, die unter dem Titel
„Wassernöte. Palästinensern wird der
faire Zugang zu Wasserressourcen
vorenthalten“ veröffentlicht wurde.
Es ist unerträglich, dass die
israelische Propaganda (Hasbara) mit
Verdrehungen und Lügen arbeitet.
Leider übernimmt die Israel-Lobby
in Deutschland solche
Falschmeldungen, zu der ich die
israelische Botschaft, die
Deutsch-Israelische Gesellschaft,
die Deutsch-israelische
Parlamentariergruppe, den Zentralrat
der Juden, aber auch die
Bild-Zeitung rechne, weil es ihren
Journalisten ausdrücklich im
Arbeitsvertrag untersagt ist,
negativ über Israel zu berichten.
Sehr
geehrte Frau Engelmeier, Ihre
Stellungnahme zu dem ARD-Bericht
vom 14.8. 2016 über die Wassernot in
den von Israel völkerrechtswidrig
besetzten Gebieten entspricht zwar
Ihrer Funktion in der
Deutsch-israelischen
Parlamentariergruppe, zeugt jedoch
von weitgehender Unkenntnis.
Ganz
unabhängig von der Wasserfrage ist
es ungeheuerlich, dass der
ARD-Reporter Markus Rosch in Israel
Morddrohungen erhalten hat, wie er
mir selber am Telefon gesagt hat:
00972- 3623 4222.
Ähnliches widerfuhr während des
letzten Gaza Krieges vor zwei Jahren
dem israelischen
Haaretz-Journalisten Gideon Levy.
Wie steht es um die „einzige
Demokratie im Nahen Osten", wenn
derart die Pressefreiheit bedroht
ist? Hinzu kommt das neue NGO-Gesetz
sowie der Aufruf des Staates Israel,
Touristen zu denunzieren, die sich
für BDS aussprechen. Wo bleibt die
Meinungsfreiheit, die
Grundvoraussetzung für jede
Demokratie ist?
Sehr geehrte Frau Engelmeier, es ist
leider so, wie es ein pensionierter
General der Bundeswehr, der stolz
darauf ist, dass er als erster
Offizier offiziell Israel besuchen
durfte, bei einer Veranstaltung der
SPD Bonn am Ende seines Vortrags
über Israel/Palästina seufzend
bekannte: Israel macht es seinen
Freunden nicht leicht.
Man
nennt es: einem das Wasser abgraben
-
Otla
Pinnow
-
(...)
Die Wirklichkeit der Palästinenser
wird geformt durch dreiste
Rechtsbrüche Israels. Die bestehen.
International festgestellt und
völlig unbestreitbar. Israel ist
jedoch weit entfernt, diese
Rechtsbrüche anzuerkennen,
geschweige denn, sie abzustellen.
Offenbar ist es der Ansicht, jedes
Recht eines Palästinensers sei eine
israelische Gnade für Wohlverhalten
= Unterwerfung unter seine
Oberhoheit, das jederzeit nach
Belieben von ihm gewährt und auch
wieder weggenommen werden könne. Wer
das anprangert, wird eben Antisemit
genannt, >>>
Dokumentation - Wasser, das
blaue Gold - Der Kampf um das Wasser
in Israel + Palästina
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