Felicia Langers Rede bei der Kundgebung in
Tübingen am 2.8.2017
„Für
die Beendigung der illegalen israelischen
Besatzung in Palästina
Für freien Zugang zur Al-Aqsa-Moschee“
Liebe Zuhörer, 50
Jahre dauert nun schon die israelische
Besatzung, d.h. 50 Jahre Leid der Palästinenser
– dies ist auch Teil meines Lebens!
Zakaria Odeh,
Direktor der Civic Coalition for Palestinian
Rights in Jerusalem, der internationale
Beziehungen und internationales Recht in England
studiert hat, gab Susanne Knaul für die „Taz“ ein
Interview über die Situation am Tempelberg (Haram
al Sharif) und seine symbolreiche Bedeutung für
die Moslems weltweit. Er sagte unter anderem:
Das Problem sind
nicht das Tor und der Metalldetektor, sondern
die Entscheidung, wer auf den Haram al-Sharif
(Tempelberg) darf und wer nicht. Der Status quo
schreibt eindeutig vor, dass Jordanien durch die
Vertretung der Waqf in Jerusalem (islamischen
Religionshüter) für das Gelände zuständig ist.
Das Aufstellen der Detektoren bedeutet eine
Verletzung dieses historischen Status quo. Es
ist klar, dass Sicherheitsanlagen an der
Klagemauer stehen oder vor der Knesset, aber
hier geht es ausschließlich um muslimische
Gläubige. - Der Haram al-Sharif ist unser Haus,
und deshalb… Wer bist du, so etwas zu tun? So
denken die Leute. Dies ist einer der heiligsten
Orte für die Muslime. Warum tun die Israelis
das, diese Kontrolle und Restriktion, während
israelische Siedler und Politiker kommen dürfen,
um zu provozieren? Es ist kein Zufall, dass der
Shin Beth (Israels Inlandsnachrichtendienst)
entgegen der Meinung der Polizei und auch der
Regierung dringend dazu rät, die
Metalldetektoren wieder abzubauen.
Die größte
Demonstration für Sonntagabend sollte am
Kalandia-Checkpoint stattfinden. Nicht im
Stadtzentrum von Ramallah, sondern dort, wo
israelische Soldaten stationiert sind. Legt man
es hier auf Gewalt an?
Sie wissen, dass
über vier Millionen Palästinenser nicht nach
Jerusalem kommen dürfen. Die Demonstration ist
Teil der Aktionen von palästinensischen Parteien
und Organisationen. Sie wählten Kalandia, weil
das der Übergang zwischen Ramallah und Jerusalem
ist. Es ist der Ort, der Jerusalem am nächsten
ist. Kalandia hat damit eine symbolische
Bedeutung der Solidarität und des Protestes
gegen die israelische Politik an der
Al-Aksa-Moschee. Dasselbe passiert in Bethlehem
und Hebron. Die Proteste finden dicht an den
militärischen Kontrollpunkten statt.
Die Journalistin
Silke Nora Kehl von der Zeitschrift „Im Lande
der Bibel“ fragte Ghaseb Nasser, der in
Bethlehem lebt, wie der Alltag in seiner Stadt
unter Besatzung aussieht. Er antwortete:
Wir Palästinenser
leben in einem sehr großen Gefängnis ohne Dach.
Jerusalem, die Stadt, in der ich geboren bin,
darf ich nicht besuchen. Nur mit einer
Genehmigung der Israelis. Hier in Bethlehem sind
wir durch die große Mauer abgeriegelt. Es ist
ein Gefängnis. Wir dürfen nur in die umliegenden
Dörfer im Gebiet gehen oder in die Städte Beit
Sahour, Beit Jala, Battir. Nachts werden wir
immer von den israelischen Soldaten heimgesucht.
Sie kommen mitten in der Nacht und wollen
jemanden abholen, der von ihnen verfolgt wird.
Mit der Beschuldigung, dass dieser Mensch
irgendetwas gegen Israel getan hätte. Sie
sperren die ganze Familie in ein Zimmer. Dann
mischen sie in der Küche unseren Reis mit Zucker
und mit Mehl zusammen, sie machen alles kaputt.
Dann gehen sie raus, ist das ein Leben?
Und nun etwas über
Häuserzerstörungen. Das „Israelische Komitee
gegen Häuserzerstörungen“ berichtet, dass seit
1967 mindestens 48.488 Häuser und Wohnungen
zerstört wurden. Das ist ein Kriegsverbrechen –
ein Verstoß gegen das Völkerrecht.
Seit 1993 hat sich
die Zahl der israelischen Siedler auf
palästinensischem Boden verdreifacht. Auch das
ein Verstoß gegen das Völkerrecht. Und es werden
trotz internationaler Proteste laufend neue
völkerrechtswidrige Wohneinheiten genehmigt,
denn Israel hat leider keine Sanktionen zu
befürchten.
Es gibt auch seit
kurzem ein Gesetz, das retroaktiv die Enteignung
palästinensischen Bodens legalisiert, das so
genannte Legalisierungsgesetz.
Derzeit sind ca.
6.500 Palästinenser im Gefängnis, darunter auch
viele Minderjährige. Die Haftbedingungen
entsprechen nicht internationalen Standards. Vor
allem die Gesundheitsversorgung ist äußerst
mangelhaft. 850.00 Palästinenser waren
mindestens einmal im Knast seit Beginn der
Besatzung.
Nun zu Gaza: Die
Lage dort ist nach drei Kriegen und der
andauernden Blockade katastrophal: ein Leben in
Ruinen, sauberes Wasser ist ein Luxus,
Stromrationierung ist an der Tagesordnung,
Fischfang und Bearbeitung der Felder in
Grenznähe sind wegen israelischem Beschuss ein
riskantes Unternehmen, Krankenhäuser und
Betriebe leiden unter massivem Mangel an
Ersatzteilen, Abwassereinrichtungen und
Kläranlagen können nicht repariert werden. Eine
Schande! Und die Welt schweigt!
Der
Weltfriedensdienst berichtete im Juli 2017 über
„Diskriminierung bei Zugang zu Wasser und
Wasser-Apartheid in den palästinensischen
Gebieten“: Seit Beginn seiner Militärbesatzung
hat Israel sämtliche Wasserressourcen unter
seine exklusive Kontrolle gestellt durch
Militärerlasse – military orders. Palästinenser
brauchen danach für jegliche Arbeiten im
Wasserbereich Erlaubnisscheine (permits), die
ihnen regelmäßig verweigert werden. So ist die
Zahl der seit den Oslo-Abkommen 1993-1995
gebohrten neuen Brunnen im größten,
produktivsten und frischesten Grundwasserbecken,
dem so genannten Westlichen Aquifer null. Von
den Grundwassermengen aus der Westbank, die auch
nach Israel hineinfließen, entnehmen die
Palästinenser gerade einmal 11%. Fast 90% sind
exklusiv für Israel!
Liebe Zuhörer, es
gibt aber auch etwas Positives zu berichten: Die
Staatlichkeit von Palästina wird derzeit von 136
der 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen
(70,5%) als unabhängiger Staat anerkannt. - Von
Deutschland allerdings noch nicht. Das ist auf
Dauer nicht annehmbar!
So wie ich am
Anfang meiner Rede gesagt habe, war und ist das
alles Teil meines Lebens! Ich habe die
zerstörten Häuser gesehen, mein juristischer
Kampf gegen die Zerstörungen und gegen die
Willkür war leider meist vergebens! Ich habe
tausende Palästinenser verteidigt, vor
Militärgerichten, die die Bezeichnung „Gericht“
nicht verdienten. Ich habe die Wunden von Folter
an meinen Mandanten gesehen und darüber
geschrieben. Das alles wird eine ewige
Anklageschrift gegen die grausame israelische
Besatzung sein! Für immer!
Liebe Zuhörer,
bitte versuchen Sie, die traurige Wahrheit zu
verbreiten. Wer das Unrecht verschweigt, hilft
den Tätern! Die wollen keinen Frieden mit
Gerechtigkeit! Israelische Friedenskräfte sagen
das auch! „Bis zum letzten Atemzug“, das ist der
Titel meines neuen Buches und auch ein Motto
meines Lebens! Ein weiteres: Zusammen sind wir
stark!! Vielen Dank
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