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Das Palästina Portal - Taeglich neu - Nachrichten, Texte die in den deutschen Medien fehlen. Politisch und finanziell unabhaengig, gegen Gewalt und Rassismus, einem gerechten Frieden verpflichtet
Wenn ein Bischof die Wahrheit über Israel ausspricht, spulen Politiker, Kirchenleute und Journalisten gleich ihre Antisemitismus-Vorwurfs-Litanei ab - 7.08.2019 - Arn Strohmeyer
Da redet ein deutscher protestantischer Bischof Tacheles in Sachen Israel – und Journalisten Politiker und die Spitzenvertreter der Kirche fallen gleich rudelweise über ihn her und stellen ihn in die antizionistische bzw. antisemitische Ecke. Man muss ihre Vorwürfe hier gar nicht wiederholen, es sind immer dieselben, sie werden routinemäßig wie eine Litanei abgespult, wenn es jemand wagt, Israels Politik gegenüber den Palästinensern oder Deutschlands Politik gegenüber dem zionistischen Staat zu kritisieren. Schon lange und erst recht nach dem BDS-Beschluss des Bundestages ist Artikel 5 des Grundgesetztes (Meinungs- und Informationsfreiheit) so gut wie außer Kraft gesetzt.
Was war geschehen? Der Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern der Evangelisch-Lutherischen Kirche Hans-Jürgen Abromeit hat ein paar Wahrheiten ausgesprochen, die in Deutschland eben auf dem Index stehen: Die Deutschen betrieben aus dem Schuldbewusstsein des Holocaust heraus eine „Überidentifikation“ mit dem Staat Israel. Es würde ganz bewusst – besonders von der Kirche – nicht zwischen dem biblischen und dem heutigen Staat Israel unterschieden. Die Sicherheit Israels werde zur deutschen Staatsräson erklärt, die berechtigten Interessen der Palästinenser (auch ihre Sicherheit) spielten dabei aber keine Rolle.
Der Bischof fügt noch eine berechtigte Kritik am Zionismus hinzu, der in ein „leeres“ Land eingedrungen sei, in dem eine arabische Mehrheit lebte, dort durch Einwanderung [und Vertreibung, muss man hinzufügen] eine neue Bevölkerungsmehrheit geschaffen hat und nun dort einen Besatzungsstaat aufrechterhält, der Frieden unmöglich macht.
Für Kenner der Geschichte des Zionismus, Israels und des deutsch-israelischen Verhältnisses sind das keine sensationellen Neuigkeiten, offenbar aber für deutsche Politiker, Medienleute und Kirchenvertreter. Mit anderen Worten lässt sich Abromeits Aussage so interpretieren: Die deutsche Politik hat sich ein ideales Israel-Wunschbild geschaffen (psychologisch gesehen eine Projektion), an dem man unbedingt festhält, ja festhalten muss. Die furchtbaren Verbrechen der Nazis verlangen nach Sühne und psychischer Entlastung. Man hofft die Erlösung dadurch zu erlangen, indem man zum Philosemitismus übergewechselt ist und sich vollständig mit dem Staat Israel und seiner Politik (also mit dem zionistischen Projekt) identifiziert – also auf diese Weise Sühne für den Holocaust leisten will.
Eine solche Haltung hat aber ihren Preis: Die deutsche Politik schweigt vollständig zu den Verbrechen, die Israel an den Palästinensern begangen hat und begeht, sieht man von einer leisen und folgenlosen Kritik an der Siedlungspolitik ab. Man muss dem aber entgegenhalten: Wenn der von Deutschen begangene Holocaust wesentlich zur (gewaltsamen) Entstehung des Staates Israel auf dem Boden Palästinas beigetragen hat, dann folgt daraus, dass Deutschland auch eine historische Verantwortung für die Palästinenser hat, die es wegen seiner einseitigen Fixierung auf Israel aber gar nicht wahrnimmt.
Man bewegt sich also in einer Wunschwelt, die wesentliche Elemente der Realität ausblendet. Diese Nicht-Wahrnehmung der Realität der israelischen Politik betrifft auch die immer wieder beschworene „Wertegemeinschaft“ zwischen beiden Staaten. Wie kann es gemeinsame Werte zwischen dem Staat des deutschen Grundgesetzes und dem brutalen Besatzungsstaat Israel geben, dessen zionistische Staatsideologie ganz offen deutlich macht, dass sie mit Menschenrechten und Völkerrecht nichts zu tun hat, sondern ihre eigenen Gesetze besitzt (so die frühere und wohl auch künftige israelische Justizministerin Ajelet Shaked).
Die so viel gepriesene deutsch-israelische Solidarität stellt sich in Wirklichkeit als ein großes Dilemma heraus. Denn die deutsche Politik hat sich zum engsten Verbündeten des nicht nur anachronistischen, sondern auch verbrecherischen israelischen Siedlerkolonialismus gemacht, denn Deutschland sichert mit seiner Unterstützung dieses Staates politisch, wirtschaftlich und militärisch dessen völker- und menschenrechtlich illegale Herrschaft über das palästinensische Volk ab. Um sich der deutschen Schuld am Holocaust zu entledigen, lädt man so ohne Skrupel neue Schuld auf sich.
Bischof Abromeit hat so nicht nur gegen die Dogmen der deutschen Israel-Politik verstoßen, sondern auch gegen eine der wichtigsten Dogmen seiner Kirche: die Nach-Auschwitz-Theologie. Diese sucht auf Grund der Schuld, die sie mit ihrem Mitläufertum in Hitlers „Drittem Reich“ auf sich geladen hat, durch den Dialog mit den Juden die größtmögliche Nähe zwischen einem neu konzipierten Christentum und dem Judentum herzustellen. Sie hält an der Auffassung fest, dass Gott einen Bund mit dem auserwählten jüdischen Volk geschlossen hat und dass dieser Bund heute noch gültig ist und fortbesteht. Das heutige Israel ist in dieser Sicht die Fortsetzung des jüdischen Staates des Alten Testaments, die Israelis sind die „Kinder Gottes“.
Was heißt: Die Nach-Auschwitz-Theologie unterscheidet nicht zwischen dem Israel des Alten Testaments und dem heutigen säkularen Staat Israel. Verdrängt werden so die massenhaften jüdisch-israelischen Menschenrechtsverbrechen an den Palästinensern. Dass diese auch ein Recht auf Gerechtigkeit, Menschenwürde und Selbstbestimmung haben, sieht die Nach-Auschwitz-Theologie nicht vor. Ja, sie rechtfertigt sogar die jüdische Landnahme in Palästina, weil sie ja von Gott abgesegnet sei.
Dagegen hatte schon der Amerikaner Mark Bravermann in seinem Buch Verhängnisvolle Scham. Israels Politik und das Schweigen der Christen Protest erhoben. Seine Anklage gipfelte in der Forderung: „Die Aufgabe, die sich die Glaubensgemeinschaften heute gegenüberstehen, ist es nicht, einen christlich-jüdischen Dialog um ihrer selbst willen zu führen oder eine Versöhnung im Hinblick auf vergangene Sünden und Tragödien zu erreichen. Vielmehr ist gewissenhaft und bewusst das Augenmerk darauf zu richten, die Grundursache für den israelisch-palästinensischen Konflikt zu beseitigen: die Vertreibung der Palästinenser und die Etablierung von Apartheidstrukturen der Diskriminierung. Wir stehen vor einer prophetischen Herausforderung, die uns vereinigen muss – dabei ist es ohne Bedeutung, ob wir Christen, Juden, Muslime, Amerikaner, Deutsche, Südafrikaner oder Israelis sind.“
Der deutsche Theologe Peter Bingel argumentierte ganz ähnlich: „Im Anblick des Staates Israel, wie er sich inzwischen entwickelt hat, und angesichts des menschenverachtenden Nationalismus müssen alle Kirchen dringend unterscheiden lernen zwischen einem Israel des Glaubens und der Bibel, wie es jahrhundertelang ihrem Israel-Verständnis entsprach und noch entspricht, und dem gegenwärtigen politischen Israel, das im Nahen und Mittleren Osten seine enorme Macht zu menschen- und völkerrechtswidrigem Handeln nutzt.“
Die deutsche Politik steht vor demselben Dilemma wie die Nach-Auschwitz-Theologie: Israel ist in ihrer Sicht die historische Antwort auf Auschwitz. Solidarität mit diesem Staat ist dann folgerichtig eine moralisch verstandene „Wiedergutmachung“, also gleichzeitig durch Abtragen der Schuld eine Aufarbeitung der Vergangenheit. Aber diese Selbstfreisprechung bringt die deutsche Politik (wie oben schon angedeutet) in ein Dilemma: Sie segnet indirekt die Verbrechen Israels an den Palästinensern ab, was einen Verrat an diesen Menschen bedeutet. Wurden früher die Juden diffamiert und geschmäht, dann sind es heute die entrechteten Palästinenser. Jedes Eintreten für ihre Menschenwürde – siehe BDS! – wird im heutigen Deutschland allem Gerede von westlichen Werten zum Trotz als „Antisemitismus“ angesehen und auch geahndet.
Wenn Bischof Abromeit von „Überidentifikation“ mit Israel spricht, dann benutzt er einen Begriff, den ein Jude geprägt hat. Der Israeli Moshe Zuckermann schreibt in seinem Buch Der allgegenwärtige Antisemit oder die Angst der Deutschen vor der Vergangenheit: „Nachvollziehbare deutsche Schuldgefühle haben die öffentliche Sphäre Deutschlands über Jahrzehnte in entscheidendem Maß geprägt, zuweilen merkwürdige (Re-)Aktionen zeitigend, nicht zuletzt im Bereich der staatsoffiziellen Politik. Wenn das Diktum ‚Auschwitz werden uns die Deutschen niemals verzeihen!‘ stimmt, dann mag sich in der performativen Überidentifizierung [Hervorhebung durch A.Str.]mit Juden eine Art Schuldabtragung, mithin eine selbsterteilte Vergebung, manifestieren. Wenn man selbst Jude sein darf, ist man nicht mehr ‚Täter‘, sondern Opfer, hat also etwas nagend Quälendes an sich ‚wiedergutgemacht‘.“
Bischof Abromeit befindet sich also in bester deutsch-jüdischer intellektueller Gesellschaft und liegt mit seinem Vorstoß vollständig richtig. Wenn man ihm für seine Aussagen Antisemitismus vorwirft, dann müsste man das logischerweise auch Moshe Zuckermann vorhalten. Dieser hat darauf eine passende Antwort: „Wenn Deutsche sich anmaßen, Juden und erst recht jüdische Israelis wegen ihrer Israelkritik des Antisemitismus zu bezichtigen, dann ist das als nichts anderes zu begreifen als ein deutsches Befindlichkeitsproblem. Man kommt in diesem Zusammenhang nicht umhin, von Hitlers verlängertem, Arm zu sprechen.“ Zuckermann sieht da „ein Residuum eines latenten antisemitischen Ressentiments am Werk, das sich – im heutigen Deutschland tabuisiert – neue Wege und Bahnen der eigenen Manifestation sucht. Nur Antisemiten können Juden als Antisemiten besudeln, um sich selbst von der erbärmlichen Unwirtlichkeit ihres deutschen, allzu deutschen Antideutschseins zu erlösen.“
Dem Bischof kann man nur zurufen: Bleiben Sie standhaft! Sie sind auf der Seite der Wahrheit und der Menschlichkeit!
Palästina" - Vortrag im Seminar der 124. Blankenburger Allianzkonferenz, 1. August 2019 - Bischof Dr. Hans-Jürgen Abromeit, Greifswald
Seit Jahrzehnten kommt der Nahe Osten nicht zur Ruhe. Seit der Gründung des Staates Israel 1948 gab es sechs Kriege zwischen Israel und seinen Nachbarstaaten, und bis heute fordern die Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern immer wieder Tote und Verletzte. Es gibt kaum eine Familie sowohl auf der Seite der Israelis als auch auf der Seite der Palästinenser, die nicht Mitglieder in diesem Konflikt verloren hat. Dadurch ist die Kluft, die die beiden Völker in diesem Land trennt, kaum überwindbar.
Als Christ lese ich die Bibel auch mit der Frage, was unsere Heilige Schrift zu einem möglichen Frieden beitragen kann. Was sagt der Tanach, die hebräische Bibel und unser Altes Testament dazu? Gibt es im Neuen Testament Aussagen, die zum Thema beitragen? Fördern diese Texte den Frieden, oder verhindern sie ihn gar? Gibt es Hoffnung auf ein friedliches Miteinander von Israelis und Palästinensern, von Juden, Christen und Moslems? Ich meine, dass es Hinweise zu einer biblischen Vision für Frieden zwischen Israel und Palästina gibt. Bevor wir jedoch dazu kommen, möchte ich versuchen, in diesem Vortrag über die Hintergründe des Konfliktes zu informieren, die unterschiedlichen Narrative von Israelis und Palästinensern zu verstehen, und zeigen, wie auch wir als Christen und als Deutsche in diesen Konflikt verwickelt sind.
In der Regel ist es so, dass wir in Deutschland in der Regel wenig über die differenzierten Hintergründe des Israel-Palästina-Konfliktes wissen. Das hält die meisten aber nicht davon ab, eine feste Meinung dazu zu haben und feste Standpunkte einzunehmen. Ich versuche täglich dazu zu lernen, einen möglichst neutralen Standpunkt einzunehmen und Verständnis für die berechtigten Sichtweisen beider Seiten aufzubringen. Aber was sind berechtigte Sichtweisen?
Das Bild ist unglaublich komplex. Hinter jedem Erlebnis stehen geschichtliche Vorgänge, ohne die die Gegenwart gerade in Israel und Palästina nicht verstanden werden kann. Ich werde mich bemühen zumindest den wichtigsten Teil dieser Hintergründe zu erläutern, damit deutlich wird, was heute im Land der Bibel geschieht. >>>
Definiert Israels Regierung, was heute Antisemitismus ist? - Ein israelischer Historiker kritisiert die zu große deutsche Identifikation mit der zionistischen Ideologie - Arn Strohmeyer - 9.08.2019 - Antisemitismus ist in Deutschland wieder ein Thema geworden. Über seine angebliche Zunahme berichten deutsche Medien fast jeden Tag. Nun soll diese Form des Rassismus hier auch gar nicht verharmlost werden, die es zweifellos in einem Teil der Bevölkerung gibt. Auf der anderen Seite besteht kein Zweifel daran, dass Antisemitismus in hysterischer Weise hochgepuscht wird, denn alle Umfragen belegen, dass die Vorurteile gegenüber Muslimen viel größer sind als gegenüber Juden. Islamophobie wird aber ganz offensichtlich klein gehalten, über die Gründe darf man spekulieren.
Der Antisemitismusforscher Wolfgang Benz wiederholt seit Jahren: „Ich sehe überhaupt keine neue Qualität des Antisemitismus. Ich würde auch gern die Wortwahl ‚antisemitische Ausschreitungen‘ hinterfragen. Ich beobachte die Szene seit 30 Jahren. Seit 30 Jahren wird mit dem Thema Politik und Stimmung gemacht.“ Benz sieht die größere Gefahr heute viel mehr in der Feindschaft gegenüber Muslimen. Die Islamophobie arbeite mit ganz ähnlichen Argumentationsmustern und Stereotypen wie der Antisemitismus. Gemeinsam sei diesen Vorurteilen die Einteilung in Gut und Böse sowie das Phänomen der Ausgrenzung: „Das Feindbild der Juden wird heute durch das Feindbild der Muslime ersetzt. Wieder geht es um die Ausgrenzung einer Minderheit. Es ist höchste Zeit, die Diskriminierungsmechanismen zu verstehen und schließlich zu verhindern.“
Nun wird in deutschen Mainstream-Medien der Antisemitismus-Begriff so gut wie nie hinterfragt. Ob es um eine Attacke auf einen Kippa-Träger, Schmierereien an Synagogenwänden oder Vandalismus auf jüdischen Friedhöfen, BDS oder Kritik an Israels menschen- und völkerrechtswidriger Politik geht – alles wird über einen Kamm geschert und fällt in den meisten Medien unter den pauschalen Begriff Antisemitismus. Aber Antisemitismus ist eine Ideologie und man kann sie auf ihre Ursachen und Auswirkungen hin untersuchen und kritisch hinterfragen. Differenzierung tut da not!
Das leistet in vorbildlicher Weise ein israelischer Historiker. Sein Name: Daniel Blatman. Er lehrt an der Hebräischen Universität in Jerusalem (sein Fachgebiet ist der Holocaust) und er ist zugleich der Chefhistoriker des Warschauer Ghetto-Museums. Ein Mann also, den man wahrhaftig nicht unter Antisemitismus-Verdacht stellen kann. Er spricht in einem jetzt erschienenen Aufsatz von der „Verzerrung des Antisemitismus“ besonders in Deutschland und einer „Hexenjagd“ auf alle, die den gängigen Antisemitismus-Begriff nicht akzeptieren und womöglich noch Israels Politik kritisieren. Als Beispiel nennt er den erzwungenen Abgang des Direktors des Jüdischen Museums in Berlin Peter Schäfer, eines international hoch geachteten Judaisten. Sein Konzept passte bestimmten jüdischen Kreisen in Israel und Deutschland nicht, also musste er gehen. „Hexenjagd“ eben.
Blatman nennt die Veränderung („Verzerrung“) des Antisemitismusbegriffs eine „Revolution“. Warum? Er setzt den traditionellen, vertrauten Antisemitismus, der durch Feindseligkeit, Hass und Dämonisierung gegenüber Juden und Judentum gekennzeichnet war und ist (es gibt ihn ja noch) und sich in Mythen und Stereotypen ausdrückt von dem neuen funktionalen Antisemitismus ab, der auf dem Prinzip beruht, dass jeder, den bestimmte Juden als antisemitisch definieren wollen, als solcher auch definiert wird.“
Was Blatman dann definitorisch ausführt, ist für das deutsches Mainstream-Verständnis ein solcher Tabubruch, dass man es wörtlich anführen muss: „Mit anderen Worten, es handelt sich [bei dem funktionalen Antisemitismus] nicht mehr um einen Antisemitismus, der zwischen Juden und Nichtjuden nach Kriterien wie Religion, Kultur, Nationalität oder Rasse unterscheidet – sondern um einen, der zwischen Antisemiten und Nicht-Antisemiten unterscheidet, nach Kriterien, die von der israelischen Regierung und von Juden und Nicht-Juden, die ihn unterstützen, in Deutschland und anderen Ländern aufgestellt werden.“
Und weiter: „Was hier geschieht ist nicht weniger als eine historische Revolution im Verständnis des Antisemitismus: Antisemitische Deutsche definieren nicht mehr, wer ein Jude ist, der aus der Gesellschaft verbannt werden muss, sondern bestimmte Juden definieren, wer ein Antisemit oder ein Philosemit ist, und die Deutschen nehmen ihre Meinung an.“
Das ist harter Tobak. Denn diese Definition bedeutet nicht mehr und nicht weniger, dass die Führung in Israel festlegt, was Antisemitismus ist und was nicht und dass man im Ausland – besonders in Deutschland – diesen Vorgaben brav und gehorsam folgt. Die tägliche Erfahrung lehrt, dass dies keine Verschwörungstheorie ist. Die treue und blinde Anhängerschaft der israelischen ideologischen Vorgaben reicht von kleinen antideutschen Zirkeln und Postillen, der Deutsch-Israelischen Gesellschaft über die Springer-Presse bis in den Bundestag und das Bundeskanzleramt.
Wenn man die Antisemitismus-Vorwurfs-Ideologie kritisch hinterfragt, dann muss man eine Antwort auf die Frage finden: cui bono? Was soll diese Ideologie leisten, wem soll sie letztlich nutzen und welches Ziel verfolgt sie? Der israelische Psychologe Benjamin Heit-Hallahmi hat schon von fast dreißig Jahren die Antwort auf diese Fragen gegeben: Der Antisemitismus-Vorwurf wird in erster Linie benutzt, um jede Kritik am israelischen Vorgehen gegen die Palästinenser abzublocken und zum Schweigen zu bringen.
Beit-Hallahmi schreibt: „Das Ziel dieser Verteidigung ist, den Zionismus mit einer Mauer der Immunität zu umgeben, so dass keine rationale Diskussion seiner Ziele und Implikationen mehr möglich ist. So eine Immunität braucht der Zionismus in der Tat, weil er durch normale politische Standards nicht verteidigt werden kann.“ Da wird dann eben Antisemitismus und Antizionismus gleichgesetzt, um zum gewünschten Ziel des Abwürgens jedes Diskurses über die israelische Politik zu kommen. Der von Israel definierte und vertretene Antisemitismus ist also auch eine Verteidigungs- und Rechtfertigungsstrategie des Zionismus und seiner äußerst unmoralischen, weil von Gewalt diktierten Politik. Ein anderes Mittel zur Rechtfertigung des Zionismus ist die Dämonisierung der Araber bzw. Palästinenser als „Antisemiten“ oder sogar als „Nazis“. Den Palästinensern wird dann unterstellt, dass sie den Genozid der Nazis an den Juden fortsetzen wollten – Ergebnis einer Projektion, also einer seelischen Übertragung eigener feindlicher Regungen und Aggressionen auf den „Anderen“, den „Feind“.
Sehr aufschlussreich ist die Formulierung Blatmans, dass bestimmte Juden definierten, wer Antisemit oder ein Philosemit sei und dass die Deutschen diese Meinung annähmen. Hat nicht kürzlich ein protestantischer Bischof von „Überidentifikation“ der Deutschen mit Israel gesprochen und für diesen Tabubruch verbale Prügel von allen Seiten bekommen? Solche Reaktionen sind immer verräterisch, weil sie psychologisch gesehen aussagen, dass da einer eine sehr unbequeme Wahrheit ausgesprochen hat, die man schnell wieder im Orkus der Verdrängung verschwinden lassen muss. Aber die empörten Reaktionen bestätigen genau das, was der Bischof behauptet hat, dass es eine Überidentifikation mit Israel gibt.
Dabei hatte der Bischof mit Überidentifikation nur einen Begriff angeführt, den der Israeli Moshe Zuckermann seit Jahren benutzt. Er schreibt in seinem Buch Der allgegenwärtige Antisemit oder die Angst der Deutschen vor der Vergangenheit: „Nachvollziehbare deutsche Schuldgefühle haben die öffentliche Sphäre Deutschlands über Jahrzehnte in entscheidendem Maß geprägt, zuweilen merkwürdige (Re-)Aktionen zeitigend, nicht zuletzt im Bereich der staatsoffiziellen Politik. Wenn das Diktum ‚Auschwitz werden uns die Deutschen niemals verzeihen!‘ stimmt, dann mag sich in der performativen Überidentifizierung [Hervorhebung durch A.Str.]mit Juden eine Art Schuldabtragung, mithin eine selbsterteilte Vergebung, manifestieren. Wenn man selbst Jude sein darf, ist man nicht mehr ‚Täter‘, sondern Opfer, hat also etwas nagend Quälendes an sich ‚wiedergutgemacht‘.“ Bisweilen spricht Zuckermann in noch schärferer Form sogar von einer Symbiose der Deutschen mit Israel.
Blatmans Satz, dass bestimmte Juden definieren, wer ein Antisemit oder ein Philosemit ist und dass die Deutschen diese Meinung annähmen, bedeutet ja auch die völlige Identifizierung mit dem von der israelischen Führung ausgegeben Antisemitismus-Begriff. Der deutsche Mehrheitsdiskurs debattiert also gar nicht, was Antisemitismus wirklich ist und wann er wirklich vorliegt, sondern man übernimmt kritiklos die israelische Definition und identifiziert sich aus Schuldgefühlen heraus mit einer Ideologie, die die Zionisten – wie Blatman und Beit-Hallahmi bestätigen – ersonnen haben, um ihren mit äußerster Gewalt geschaffenen Staat zu rechtfertigen, zu verteidigen und zu schützen. Moshe Zuckermann weist immer wieder auch darauf hin, dass Israel für diesen Zweck nicht davor zurückscheut, den Holocaust „in perfider Weise“ zu instrumentalisieren.
Überidentifikation mit etwas oder jemandem anderen ist aber psychologisch gesehen immer ein infantiles bzw. neurotisches Phänomen. Es zeigt an, dass ein Individuum oder ein Kollektiv noch nicht zur eigenen vollen Identität gefunden hat, weil es sich in Abhängigkeit von jemandem anderen befindet. Eine wirklich erfolgreiche Aufarbeitung der monströsen deutschen Vergangenheit kann also nur im Abbau, der Loslösung beziehungsweise der Emanzipation von der Überidentifikation oder der Symbiose mit Israel liegen – und damit auch von dem von dort vorgeschriebenen Antisemitismus-Begriff. Das würde die Antwort auf die Frage bedeuten, was ist wirklich Antisemitismus und wann und wo liegt er wirklich vor? Und wann und wo wird nur der von der israelischen Regierung für ihre Zwecke instrumentalisierte funktionale Antisemitismus gehorsam nachgebetet.
Eine Option für die deutsche Politik wäre: Israel öffentlich und unmissverständlich daran zu erinnern, auf welchen Säulen der deutsche Rechtsstaat (zumindest idealiter) beruht: auf dem liberalen deutschen Grundgesetz, den Menschenrechten und dem Völkerrecht. Das heißt: dass die Beziehungen ohne Wenn und Aber auf dieser Basis stattfinden müssen. Man könnte Israel dann die volle Unterstützung zusichern, ein selbstbestimmter Staat zu sein und zu bleiben, aber es muss ein Rechtsstaat Israel sein. Deutschland könnte auf diese Weise sein neurotisch-pathologisches Verhältnis zu diesem Staat bereinigend aufarbeiten, und damit gleichzeitig seine verbrecherische Vergangenheit in moralisch einwandfreier Weise bewältigen.
Blatman schreibt in seinem Aufsatz: „Es gibt eine bittere historische Ironie, jeden in Deutschland, der die gegenwärtige Politik Israels kritisiert, unterschiedslos als antisemitisch zu bezeichnen. So dient Deutschland dem brutalen und rassistischem Konzept des Zionismus im heutigen Israel.“ Deutschland sei, schreibt er, zu einem führenden Mitglied der Koalition der „Verzerrer des Antisemitismus“ geworden – Stichworte: funktionaler Antisemitismus, Hexenjagd, totale Identifizierung mit Israel. Der Deutsche Bundestag mache sich zum willigen Helfer („Fußmatte“) für Israel, seine Interessen und seinen Antisemitismus-Begriff. In Israel habe man einmal vom „neuen, anderen Deutschland“ gesprochen, das die Versöhnung mit dem Täterstaat möglich machte. Blatman hat große Zweifel, ob es dieses „andere Deutschland“ noch gibt, wenn es heute um Antisemitismus geht.Eine deutsche in Palästina
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Palestine Update Nr. 266 – 18. 7 .19 – Meinung - Ranjan Solomon - - *Die Schande der internationalen Komplizenschaft mit Israel* Vier schreckliche Beispiele für internationale Komplizenschaft
+ Indien unterschreibt einen Verteidigungs-Deal mit Israel und signalisiert damit die Zementierung der faschistischen Allianz.
+ Israel verstärkt seine Kampagne, um den Willen der Palästinenser zu schwächen (Sie wird von den Palästinensern zurückgewiesen.) Aber die internationale Gemeinschaft hat nicht das Herz, Israel für sein kriminelles Verhalten zu belangen.
+ Khan al-Ahmar mag zuletzt die internationale Aufmerksamkeit erhalten haben, die es braucht, um die Zerstörung zu verhindern, aber Aktivisten, Führer und Journalisten bereiten noch immer vor, was die Zerstörung eines ganzen Dorfes bedeuten könnte.
+ Ein sen. UN-Beamter bietet unintelligente Vernunftgründe an, indem er hervorhebt, wie die Abwesenheit eines Rahmens für das Völkerrecht der wirkliche Grund dafür ist, dass die Friedenspläne gescheitert sind, statt zu betonen, wie und warum die UNO an Palästina gescheitert ist.
Die Geber-Gemeinschaft ist mitschuldig an Israels Gewalttaten, indem sie Israel von seinen Verpflichtungen als Besatzungsmacht befreit. In einem Artikel von Mary Nazal, der bereits auf 2005 zurückgeht, aber auch heute noch gültig ist, stellt diese fest: „Geber müssen sich für Anwaltschaft engagieren und kräftiger und mit Mut zur Konfrontation zugreifen, um den Verletzungen des Völkerrechts durch Israel zu trotzen zu helfen. Sowohl die EU wie auch die Geber-Gemeinschaft unterstützen derzeit eine Okkupation deluxe, bei der Israel bedingungslos Vergünstigungen von EU Kooperationsinstrumenten erhält und ihm gestattet wird, weiterhin seine militärische Okkupation und ein Apartheidsystem einzuwurzeln, wofür die internationale Gemeinschaft zahlt. Die Staaten, die Vereinten Nationen und die Zivilgesellschaft müssen konkrete rechtliche und politische Aktionen setzen - wie das vom internationalen Gerichtshof gefordert ist - um die Verbrechen Israels und die internationale Komplizenschaft zu bekämpfen. Ranjan Solomon
*Israelische Waffenproduktionsfirma unterzeichnet 100-Millionen-Dollar-Geschäft mit der indischen Armee*Eine israelische Waffenfabrik hat das angeführte Geschäft mit der indischen Armee und Luftwaffe unterzeichnet; darunter sind 1000 Raketen-Einheiten, die in den südasiatischen Staat geliefert werden. „Rafael Advanced Defense Systems“ - eine israelische Firma, die Waffen für die israelische Armee produziert – unterzeichnete den Vertrag mit ‚Kalyani Rafael Advanced Systems LTD, India‘ (KRAS) in der Höhe von 100 Millionen Dollars. Nach Angaben der „Jerusalem Post“ sieht das Geschäft vor, 1000 Barak 8/MRSAM Raketen-Einheiten (?), für die indische Armee und Luftwaffe herzustellen. Lesen Sie mehr >>>
*Israels Arrest-Kampagne kann den Willen der palästinensischen Nation nicht brechen*Alle palästinensischen Fraktionen haben die israelische Kampagne der Festnahme von Palästinensern in der ganzen besetzten Westbank und in Jerusalem verurteilt und beschreiben diese Geste als einen verzweifelten Versuch, den Willen der palästinensischen Nation zu brechen. Die Parteien sagten, alle Palästinenser würden weiterhin Pioniere bleiben, um ihre palästinensische Nation und deren nationale Sache zu verteidigen und betonen, dass die meisten Parteiführer Jahrzehnte in israelischen Gefängnissen verbracht und sogar ihre Kinder im Laufe des Widerstandes gegen das israelische Okkupationsregime verloren haben. „The Palestinian Prisoners‘ Society“ (PPS) gibt an, dass israelische Streitkräfte in verschiedenen Teilen der Westbank und in Jerusalem jüngst 27 Palästinenser inhaftiert haben.
Israelische Truppenangehörige führten in der Stadt Jenin in der nördlichen Westbank breit angelegte Razzien durch und nahmen dabei 13 frühere Gefangene fest. Israelische Streitkräfte umzingelten fünf Palästinenser, nachdem sie ihre Häuser im Stadtteil al-Isawiyah in Ostjerusalem gestürmt hatten. Die anderen Palästinenser wurden in den Westbank-Städten Qalqilyah, Ramallah, Bethlehem und Hebron, daneben in den Kleinstädten Sihwad, Biddu, Tuqu‘, al-Khadr und al-Dhahiriyah arretiert. Es wird berichtet, dass mehr als 7.000 Palästinenser in israelischen Gefängnissen festgehalten werden. Hunderte der Insassen sind anscheinend nach der Praxis der „Administrativhaft“ eingesperrt worden, eine Praxis, nach der palästinensische Insassen in israelischen Gefangenen-Einrichtungen ohne Anklage oder Verfahren festgehalten werden.
Einige palästinensische Gefangene sind für bis zu elf Jahre lang in Administrativhaft eingesessen. Palästinensische Insassen führen regelmäßig Hungerstreiks durch als Protest gegen die Praxis der Administrativhaft und der harten Gefängnisbedingungen in Israels Gefängnissen. Nach Angabe von Berichten sind mindestens 13 palästinensische Gesetzgeber auch in israelischen Gefängnissen eingesperrt. Neun davon werden ohne Verfahren unter Administrativhaft festgehalten. Lesen Sie mehr >>>
*Aktivisten sind besorgt über die Entscheidung des Gerichtshofes über Khan al-Ahmar*
Khan al-Ahmar könnte endlich die internationale Aufmerksamkeit erreicht haben, die es braucht, um die Zerstörung zu vermeiden, aber Aktivisten, Führer und Journalisten sind stets bereit, die Folgen der Zerstörung für das ganze Dorf zu bedenken. Das Beduinendorf liegt zentral in dem Gebiet E1 der Westbank, von dem Israel hofft, große Teile des Territoriums annektieren zu können, um strittiges Umland für Jerusalem zu schaffen. Obwohl die Zerstörung von Khan al Ahmar nach dem Völkerrecht illegal ist, könnte es den Vorschlag für einen „E1-Plan“ hervorbringen, womit es genug Flächen in der Westbank annektieren kann, um die Region in zwei verschiedene palästinensische Gebiete aufzusplittern. Einige Analytiker haben gesagt, der E1-Plan sei gemeint, drei verschiedene isolierte Regionen zu schaffen, eine Geste, die jede Hoffnung auf die Zweistaaten-Lösung auf Null bringen würde. Was einige Leute sagen, ist, dass hunderte Protestierer und Aktivisten zum Beduinendorf kommen würden, um bei der Gruppe zu bleiben, egal, welche Entscheidung getroffen würde. Einige Aktivisten haben auch über die Möglichkeit einer anderen Ausdehnung dieser Entscheidung gesprochen. Etwas, was die Aktivisten versprechen, ist, dass sie dabei sind, ihre Bemühungen zu verdoppeln, wenn eine solche Entscheidung fallen sollte.
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*Die internationale Gemeinschaft fördert das Ableben Palästinas*
In ihrer Gipfelkonferenz „Frieden für Wohlstand“ hat die UNO einen weiteren Widerspruch zu ihrer Einschätzung der palästinensischen Aussichten beigetragen. Anstatt zu betonen, wie und warum die UNO sich in der Palästina-Frage geirrt hat, betonte Michael Lynk, Spezialberichterstatter über Menschenrechte in Palästina, in einer kürzlich erschienenen Stellungnahme das Nicht-Vorhandensein eines Rahmens für das Völkerrecht als Grund dafür, dass die Friedenspläne schiefgegangen seien. Während er erinnerte, dass der Zweistaaten-Kompromiss internationale Zustimmung erfahren hatte, stellte Lynk fest: „Ohne das Rahmenwerk des Völkerrechts wird jeder Friedensplan, auch der entstehende Vorschlag der Vereinigten Staaten, über die Untiefen des politischen Realismus stolpern“.
Die Friedenspläne seien gescheitert, erklärte er, „weil sie nicht ernsthaft auf einer auf den Rechten basierenden Annäherung auf den Frieden zwischen Israelis und Palästinensern bestanden.“ US-Präsident Donald Trump hat klar gezeigt, dass er mit der Überlegenheit Israels befasst ist, nicht mit den Rechten der Palästinenser. Bis jetzt jedoch hat die UNO auch ein ähnliches Ergebnis befürwortet und unterstützt. Die Frage ist daher nicht die Abwesenheit eines Rahmenwerkes für das Völkerrecht, sondern, wie dieses Rahmenwerk, wenn es angewendet wurde, dazu benutzt wurde, die Palästinenser ihrer Rechte auf Land und Rückkehr zu berauben. Lesen Sie mehr >>>
(Übersetzt: Gerhilde.Merz) Quelle
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