Sonntag, 25. Oktober 2020  -  16:57

Kurznachrichten +  Berichte     Themen    Archiv     Facebook    Sponsoren   Aktuelle Termine       Links       Suchen

 
 

Fotoserie - Coronavirus in Gaza - ein Albtraum beginnt

Das was lange befürchtet wurde, ist nun eingetreten: Das Coronavirus hat den abgeriegelten Gazastreifen erreicht. Ein Wettlauf gegen eine Katastrophe hat begonnen. - Diana Hodali


 


 

Coronakrise in Jerusalem Das stillste Ostern der Geschichte
Benjamin Hammer - 9.04.2020

 

Tausende Pilger wären jetzt in der Karwoche in Jerusalem. Wegen der Corona-Pandemie feiern die Christen das wohl ungewöhnlichste Osterfest in der Geschichte der Stadt.

Bereits die Autofahrt von Tel Aviv nach Jerusalem ist außergewöhnlich. Etwa 20 Kilometer vor Jerusalem beginnt ein quälend langer Stau. Wer den passiert hat, trifft auf einen Kontrollposten der israelischen Armee. Mitten auf der Autobahn. Soldaten mit Mundschutz fragen jeden und jede, warum er oder sie nach Jerusalem will. Nur wer einen triftigen Grund hat, darf weiterfahren. Journalisten werden durchgelassen.

Jerusalem ist ganz anders als sonst. Die Parkhäuser vor der Altstadt, die sonst rappelvoll sind, stehen leer. Die wenigen Autofahrer parken einfach auf dem breiten Gehweg am Straßenrand. Strafzettel schreibt hier gerade niemand. Am Jaffa-Tor, das in die Altstadt führt, stehen israelische Polizisten. Ein weiterer Kontrollpunkt. "Wohin gehen Sie?" fragt einer.
Menschenleere vor der Grabeskirche

Zur Grabeskirche. Dorthin, wo laut christlicher Überlieferung Jesus Christus gekreuzigt wurde. Dorthin, wo jetzt eigentlich hunderte Pilger wären. Vielleicht tausende. Es ist Karwoche in Jerusalem. Ostern, die wichtigste Zeit für die Christen der Stadt. Und für die Pilger.

Hinter dem Jaffa-Tor lässt ein palästinensischer Händler das Tor zu seinem Geschäft herunter. Es kommt ja eh niemand. Die Altstadt von Jerusalem ist auf den ersten Blick so gut wie menschenleer. Es dauert teilweise Minuten, bis man in den Gassen anderen Menschen begegnet. In Jerusalem wird gerade neben Ostern auch das >>>

 

 

Unter Donald Trump explodiert der israelische Siedlungsbau in den illegal besetzten Palästinensergebieten
10. April 2020 - Jakob Reimann

Die völkerrechtswidrigen Siedlungen im besetzten Westjordanland stellen das zentrale Hindernis eines Friedens im jahrzehntelangen Nahost-Konflikt dar. Während die US-Israel-Beziehung in Washington seit Jahrzehnten eine Heilige Kuh ist und auch Barack Obama aus Friedensperspektive eine katastrophale Israel-Politik verfolgte, ist Donald Trump das mit Abstand Beste, was den Rechtsaußen-Falken der Netanyahu-Regierung je hätte passieren können. Neben einer Vielzahl wahrlich historischer, doch eher symbolischer Geschenke (Botschaft nach Jerusalem, Anerkennung Golanhöhen u.v.m.) ist es vor allem Trumps Wohlwollen gegenüber dem Siedlungsbau, der dauerhaft Schaden anrichten wird: Die Zahl jährlich neu gebauter Häuser ist unter Trump im Vergleich zu Obama um 25 Prozent gestiegen, die Zahl neu geplanter Häuser hat sich gar verdreifacht. Von Jakob Reimann.

Israels völkerrechtliche Siedlungen in den besetzten Palästinensergebieten mit seinen rund 700.000 Einwohnerinnen und Einwohnern gelten gemeinhin als das größte Hindernis in der Erreichung einer Zweistaatenlösung des Palästisrael-Konflikts – eine Einschätzung, die ich vollumfänglich teile, haben Jahrzehnte des Siedlungsbaus ein lebensfähiges Staatsgebilde Palästina doch praktisch unmöglich gemacht. Im Westjordanland schwimmen zerstückelte palästinensische Inseln auf einem Meer israelischen Territoriums: Es gibt schlicht und ergreifend kein auch nur im Ansatz zusammenhängendes Gebiet mehr, auf dem ein palästinensischer Staat gegründet werden könnte. Auch wenn uns Geisterbeschwörer in Deutschland, Israel, der EU, den USA und im Grunde überall, in NGOs und der Friedensbewegung, von links wie von rechts, gerne das Gegenteil erzählen: Die Zweistaatenlösung ist tot. Und der Hauptgrund sind die tagtäglich expandierenden Siedlungen in den besetzten Gebieten.

Die Siedlungen
- Im Sechstagekrieg von 1967 eroberte die israelische Armee die Sinai-Halbinsel und Gaza von Ägypten, die Golanhöhen von Syrien sowie Ost-Jerusalem und das Westjordanland von Jordanien. Israel begann rasch, in allen okkupierten Territorien Siedlungen zu errichten. Im Zuge des Israelisch-Ägyptischen Friedens von 1979 räumte Israel die Siedlungen auf dem Sinai und zog sich aus Ägypten zurück. 2005 wurden auch die wenigen Siedlungen in Gaza mit ihren rund 9.000 Einwohnern geräumt – und im Gegenzug auf einer Fläche der Größe meiner Wahlheimatstadt Dresden das größte Freiluftgefängnis der Welt eingerichtet, samt periodisch wiederkehrender Bombardierungen der Zivilbevölkerung Gazas. Alle anderen Gebiete – Ost-Jerusalem, Westjordanland, Golan – bleiben okkupiert und besiedelt; im Kriegsvölkerrechts-Sprech: „besetzt“.

Artikel 49 der Genfer Konventionen von 1949 stellt in diesem Kontext fest: „Die Besetzungsmacht darf nicht Teile ihrer eigenen Zivilbevölkerung in das von ihr besetzte Gebiet deportieren oder umsiedeln.“

Der Internationale Gerichtshof stufte die israelischen Siedlungen in den besetzten Palästinensergebieten aufgrund dieses Artikels 49 als völkerrechtlich illegal ein, ebenso der UN-Sicherheitsrat und die UN-Generalversammlung in einer Vielzahl an Resolutionen. Um es daher unmissverständlich klarzustellen: Jede israelische Siedlung in den besetzten Gebieten ist ein Kriegsverbrechen, jedes einzelne Haus ist völkerrechtswidrig und damit illegal. Das sieht im Grunde auch die ganze Welt so – selbstredend bis auf Israel und die USA als Israels Patron (sowie einige pazifische Schwergewichte wie Nauru, Palau oder die Föderierten Staaten von Mikronesien, die dann und wann gegen entsprechende UN-Resolutionen stimmen, um sich Washington anzubiedern).

 



Die Zahl der Siedler in den 134 offiziellen Siedlungen im Westjordanland beträgt anno 2020 463.353. Dazu kommen etwa 218.000 Israelis in zwölf Siedlungen in und um Ost-Jerusalem. Die Siedlungen werden teils nur von einigen Hundert Menschen bewohnt, jedoch gibt es auch nach israelischen Verhältnissen mehrere mittlere Großstädte wie die größte Siedlung, die ultra-orthodoxe Modiʿin Illit mit über 73.000 Einwohnern. Zu den offiziellen Siedlungen kommt eine unbekannte Zahl (wohl einige Zehntausend) von Siedlern, die in einem der 121 sogenannten „Outposts“ leben – kleine, meist landwirtschaftlich genutzte Gemeinden, oft nur einige Häuser, die selbst unter israelischem Recht offiziell illegal sind und dennoch geduldet und teils offen unterstützt werden.

Der Großteil der offiziellen Siedlungsneugründungen im Westjordanland fand in den 1970er (43 neue Siedlungen) und 1980er Jahren (66 neue) statt. In den 1990ern gab es „nur“ zwölf und im neuen Jahrtausend nur zwei Neugründungen. Um internationalem Druck den Wind aus den Segeln zu nehmen, herrscht offiziell ein Moratorium auf Siedlungsneugründungen, welches jedoch allein durch plumpe Semantik permanent ausgehebelt wird: mittels ebenjener Outposts. Allein seit 2012 wurden 32 Outposts neugegründet, die, wie gesagt, selbst nach israelischem Recht illegal sind, allein die Hälfte davon ab 2017 unter US-Präsident Trump, wie ein Bericht der israelischen Friedens-NGO Peace Now vom Sommer 2019 offenlegt. Vor-Ort-Ermittlungen der israelischen Haaretz deckten auf, dass lokale und staatliche Behörden teils „direkt involviert“ in die Neugründungen sind und den Outposts „de facto Schutz gewähren“. Die Gründung neuer Outposts wird sogar „häufig aus öffentlichen Mitteln finanziert“, konstatiert die Peace Now-Untersuchung. Die „[Netanyahu-]Regierung ermutigt ihrerseits zum Bau“ neuer Outposts. Das Hochbrisante an dem Bericht: Es wurde zur Politik der Netanyahu-Regierung, diese illegalen Siedlungen im Nachhinein zu „legalisieren“, „weit weg von der öffentlichen Aufmerksamkeit“. 15 Outposts wurden so bereits in „unabhängige Siedlungen oder ‚Nachbarschaften‘ existierender Siedlungen“ überführt, „mindestens 35 weitere Outposts befinden sich in diesem Legalisierungsprozess“ – das Moratorium zur Gründung neuer Siedlungen ist eine Farce und die unverhohlene Täuschung der israelischen und der weltweiten Öffentlichkeit seitens der Netanyahu-Regierung.

Insgesamt leben also rund 700.000 Israelis in völkerrechtswidrigen Siedlungen in der Westbank. Neueste Zahlen aus einem im März erschienenen Bericht von Peace Now ergeben, dass die Siedlungsbauaktivität unter der extrem Netanyahu-freundlichen Trump-Regierung regelrecht explodiert ist – die Zahl der jährlich neu gebauten Häuser in den Siedlungen lag in den drei Jahren unter Trump bei durchschnittlich 2.267 neuen Häusern und damit im Schnitt 25 Prozent höher als in den Jahren der Obama-Administration. Die Zahl der neugeplanten Häuser hat   >>>

"Gott existiert nicht, und er hat uns dieses Land versprochen". *
Sam Bahour

Buchbesprechung von
Was ist das moderne Israel?
 Yakov M. Rabkin

Übersetzt aus dem Französischen ins Englische von Fred A. Reed
Pluto Press, 2016, 228 Seiten, £17,99

Als jemand, der für Gruppen, die durch Palästina reisen, politische Vorträge aus palästinensischer Sicht hält, habe ich unter anderem mit Tausenden von Juden aus der ganzen Welt gesprochen. Ich ging von der Lektüre von Professor Yakov M. Rabkins Was ist das moderne Israel? mit dem brennenden Wunsch weg, jeden einzelnen dieser jüdischen Reisenden zurückzurufen und mich mit ihnen zusammenzusetzen, einen nach dem anderen bei einer heißen Tasse Minztee - so dass ich ihnen jedes seiner Kapitel laut vorlesen konnte, indem ich am Ende jedes Kapitels aufblickte und ihnen in die Augen sah und düster fragte: Verstehen Sie es jetzt? Ihr wurdet reingelegt, kollektiv. Man hat Sie belogen, kollektiv. Sie werden benutzt, kollektiv. Ihre Religion, eine reiche Religion, wurde absichtlich missbraucht.

Das Buch beginnt mit einem merkwürdigen Vergleich zwischen dem modernen Israel und der russischen Hafenstadt Sankt Petersburg. Professor Rabkin zitiert die Worte des russischen Schriftstellers Fjodor Dostojewski (1821-81), der Sankt Petersburg als "die abstrakteste und vorsätzlichste Stadt in der ganzen weiten Welt" bezeichnete. In einem Radiointerview erinnerte Rabkin an die Darstellung des israelischen Dichters und Schriftstellers Benjamin Harshav, der die Stadt als "künstlich" und "unwirtlich" bezeichnete; Russlands größte Autoren "sahen die Stadt von majestätischer Eleganz als einen unpassenden Eindringling, sowohl fremd als auch seltsam, der ein schreckliches Ende in Form der Rache der Natur prophezeite". Der Vergleich mit den erlittenen Anfängen Sankt Petersburgs bezieht sich auf "die Kosten an Menschenleben [verursacht durch das] zionistische Unternehmen".

Zufälligerweise war Sankt Petersburg, früher bekannt als Leningrad (1924-1991), der Geburtsort Rabkins. Geboren und ausgebildet in der ehemaligen Sowjetunion, ist er heute Professor für Zeitgeschichte an der Universität Montreal; seine Forschungsinteressen beziehen sich auf die Geschichte der Sowjetunion und die Folgen ihrer Zerstückelung, die Zeitgeschichte der Juden und die Geschichte des Zionismus und des Staates Israel sowie die Wissenschaften und Bildung als Faktoren der internationalen Beziehungen. Er hat das Judentum am Yeshivat Dvar Yerushalayim, dem Pardes-Institut, dem Shalom Hartman-Institut und dem Bet Morasha Centre for Advanced Jewish Studies in Jerusalem, am Centre Rachi in Paris und privat bei mehreren Rabbinern studiert. Er war über ein Jahrzehnt lang assoziiertes Mitglied des Jerusalemer Zentrums für öffentliche Angelegenheiten und arbeitete Ende der 1980er Jahre zusammen mit dem Rabbiner Adin Steinsaltz aus Jerusalem an der Wiederbelebung der jüdischen Bildung in der ehemaligen Sowjetunion. Er war als Berater im Bereich der Wissenschaftspolitik für die OECD, die NATO, die Weltbank und die kanadische Regierung tätig.

Dieses Buch ist keine leichte Lektüre, aber jeder, der sich mit dem Thema beschäftigt, wird sicherlich nicht enttäuscht werden und viel daraus lernen. Professor Rabkin schreibt: "Um Israel zu verstehen, ist es notwendig, zwischen Religion, Ethnizität und Nationalismus zu unterscheiden". Er bietet neun mit Fakten gespickte Kapitel an, die genau dies tun und jeden dieser Bereiche in Bezug auf Israel sezieren.

Bevor er ins Detail geht, stellt der Autor die historische Szene dar und stellt fest: "Der Zionismus ist ein integraler Bestandteil der europäischen Kolonialgeschichte. Damals hatte der Kolonialismus keine negative Konnotation: Der wichtigste finanzielle Arm der zionistischen Bewegung war damals offiziell als jüdischer Kolonialtrust [sic] bekannt. Ein ausgesuchter Akt des Kolonialismus ist das, als was sich das Projekt Israels herausstellte, und vor über 100 Jahren, als es in Mode war, dies zu tun, nahm die zionistische Bewegung das Konzept stark an.

Entstellung
- Das Rückgrat dieses Buches ist das Judentum, die Religion. Das heißt nicht, dass dies ein religiöses Buch ist, ganz im Gegenteil. Es ist ein sehr politisches Buch, das dafür plädiert, wie die Religion von politischen Akteuren entstellt wurde, nämlich von der Ideologie des Zionismus und später des Staates Israel. In unserer Zeit und in unserem Zeitalter ist die Entstellung bisher bekannter Konzepte nicht neu: Denken Sie an "Terrorismus", "Gewalt", "Frieden", "Sicherheit" und "Demokratie".

Nehmen wir das Konzept der Gewalt als Beispiel, da Israel heute behauptet, dass es die Gewalt ist, die die Besessenheit dieser Nation von der Notwendigkeit von "Sicherheit" antreibt, und dabei vergisst, dass es der Zionismus war, der in Palästina Pionierarbeit bei der Anwendung politischer Gewalt geleistet hat. Professor Rabkin stellt fest: "Die Kritiker des Zionismus zitieren oft das erste jüdische politische Attentat im Land Israel seit Jahrhunderten, den Mord an Jacob Israel de Haan [...], [o]ne der ersten niederländischen Juden, die aus zionistischen Gründen nach Palästina einwanderten [...]. De Haans "Bekanntschaft mit [...] Führern des zukünftigen israelischen rechten Flügels, von denen nicht wenige von europäischen faschistischen Mitgliedern fasziniert waren, distanzierte de Hann rasch vom Zionismus. De Haan "wurde sich der Bedrohung bewusst, die die gewalttätige Seite des Zionismus sowohl für fromme Juden als auch für die Araber mit sich bringt. Er [beklagte] offen die aggressive Natur des zionistischen Unternehmens [und] nahm den Konflikt mit den Arabern zur Kenntnis, den zionistische Aktivisten durch diskriminierende Einstellungspraktiken, moralische Laxheit und nationalistische Bestrebungen schürten, die der Region bis dahin fremd gewesen waren. De Haans Botschaften, die in Europa veröffentlicht wurden, begannen einen antizionistischen Ton anzunehmen. Er deckte die finanziellen Machenschaften der zionistischen Organisationen auf und machte ihre Führer vor ihren westlichen finanziellen Unterstützern lächerlich". Doch "[w]enn eine Zeitung auf seine Absicht aufmerksam machte, nach seiner Rückkehr von einer Reise nach London eine antizionistische Bewegung zu gründen[,] erschossen ihn Agenten der Haganah [Vorläufer der israelischen Verteidigungskräfte], als er nach Gebeten auf die Straße kam".

Jakob Israel de Haan
- Vierzig Jahre nach diesem Attentat gab ein britischer Polizeibeamter, der die de Haan-Untersuchung leitete, zu, ein Agent der Haganah gewesen zu sein, und sagte, seine einzige Reue sei, dass er lediglich ein Komplize war und nicht die Rolle erhielt, ihn tatsächlich "zu liquidieren". Von einigen als der "erste politische Mord im jüdischen Palästina" bezeichnet, geschah dies 1924, und eine solche Politik des politischen Mordes mit Straffreiheit lebt bis heute weiter!

Vielleicht gibt es eine subtile Lektion, die in diese Geschichte eingebettet ist: dass wir - als Lackmustest, um uns mit jemandem einzulassen - nicht die Frage verwenden sollten, ob er behauptet, ein Zionist zu sein, da die meisten solcher Leute offenbar keine Ahnung haben, was das tatsächlich bedeutet.

Die protestantischen Wurzeln des Zionismus
- Der treibende Spoiler des Judentums, und später auch des Staates Israel, ist die Ideologie des Zionismus: Der Zionismus funktionierte als eine politische Bewegung, die dem Judentum keinen Raum lässt, während sie den Anspruch erhebt, seine Werte zu repräsentieren, und keinen Raum für Nicht-Juden lässt, während sie Israel als eine "Demokratie" und ein "Licht für die Nationen" darstellt. Rabkin behauptet, dass "es im zionistischen System wenig Platz für jüdische Tradition gab..." und taucht dann ein, um diese Aussage zu beweisen. Während der Lektüre erinnerte ich mich an die hervorragende Arbeit des israelisch-britischen Historikers und Professors Ilan Pappé, dessen Buch The Idea of Israel: A History of Power and Knowledge (New York: Verso. 2014), könnte leicht als eine Fortsetzung dieses Buches von Professor Rabkin gelesen werden, das zeigt, wie Israel den zionistischen "Sieg" in ein brachiales Modell globaler Macht verwandelt hat - das ist richtig.

Professor Rabkin räumt ein, dass viel über Israel und den Zionismus geschrieben worden ist, behauptet aber, dass viele solcher Texte "Werke der historischen Verschleierung" gewesen seien. Kein Wunder, dass so viele Juden und andere Menschen auf der ganzen Welt blind sind für die grundlegenden Tatsachen der Angelegenheit, ganz zu schweigen von der traurigen Realität des heutigen Israel. Verbesserte Kirschtomaten, die neuesten Intel-Chips und Tröpfchenbewässerung, egal wie nützlich und egal wie oft der angeklagte israelische Premierminister Benjamin Netanjahu auf der Weltbühne angepriesen wird, werden niemals die Gräueltaten in der Geschichte Israels oder ihre Fortsetzung durch das heutige Israel verschleiern. Das ist zum Teil jüdischen Schriftstellern, jüdischen Weisen, jüdischen Aktivisten und der jüdischen Tradition selbst zu verdanken, die fest die grundlegende Ethik der sozialen Gerechtigkeit für alle, jüdische und andere, verkörpert.

Ein Teil von Professor Rabkins Schlüsselargument, das hier und da auftaucht, wenn man sein Buch liest, sind verschiedene Enthüllungen über den Ursprung des Zionismus. Viele von uns, die sich ihr ganzes Leben lang mit diesem Thema beschäftigt haben, verstehen voll und ganz die Schlüsselrolle, die das evangelikale Christentum gegenwärtig spielt, um Israel in die Lage zu versetzen, in der heutigen Welt völlig ungestraft zu handeln. Professor Rabkin hebt jedoch akribisch die vernachlässigten historischen Fäden hervor, die, einmal für uns zusammengewoben, deutlich zeigen, wie diese weiße, englischsprachige, evangelikale, protestantische Strömung des Christentums so verstanden werden kann, dass sie den Ursprung des gesamten Konzepts des Zionismus darstellt. Dies war einer der vielen Mitbringsel, die ich sicherlich weiterverfolgen werde, beginnend mit den reichen Referenzen, die Professor Rabkin zu diesem Thema liefert.
Für Israel vereinte Christen (CUFI) Washingtoner Gipfel

Die Analyse der protestantischen Wurzeln des Zionismus ermöglicht es dem Leser, die besondere Unterstützung, die Israel in den Vereinigten Staaten mit dem Aufkommen der evangelikalen Christen als politische Kraft erfuhr, besser zu verstehen. (Weitere Informationen zu diesem Phänomen finden Sie in dem äußerst informativen Podcast Up First (NPR), Evangelikale und Politik). Und wie ärgerlich ist es zu erkennen, dass diese besondere Belastung (eher ein Schandfleck) des Christentums auch hinter der Motivation für Präsident Trump und seine Geldgeber steht, einen Frontalangriff auf Palästina und Palästinenser zu unternehmen, genau wie die Welt ein Ende der fünf Jahrzehnte israelischer militärischer Besatzung erwartete.

Der Gerechtigkeit die Wahrheit sagen
- Professor Rabkin schreckt vor den vielen strittigen Fragen nicht zurück. Er berührt die dunklen Bereiche der europäischen und westlichen Gesellschaften; den Völkermord der Nazis (er vermeidet absichtlich das Wort Holocaust, wie er in seinem Radiointerview erklärte); wenig bekannte interne Beratungen und Entscheidungen der jüdischen Gemeinschaft; strukturelle Diskriminierung in Israel u.a. gegen die Haredi, Yemini und andere arabisch-jüdische Gemeinschaften; politische Bomben wie die Bedeutung des "jüdischen Staates", das "auserwählte Volk", die Ursprünge und Rollen der Jewish Agency (JA) und des Jewish National Fund (JNF); wie Zionismus und Israel scheinbar als Teil ihrer DNA Gewalt anwenden und gleichzeitig einen orwellschen Diskurs darüber anheizen, wie palästinensische Gewalt sie bedroht; die vorsätzliche ethnische Säuberung, die zur Schaffung des Staates Israel eingesetzt wurde; die herausragende Rolle, die Länder und Gemeinschaften wie Deutschland, die UdSSR, Großbritannien, die Vereinigten Staaten, Kanada, Litauen und andere bei der Schaffung der heutigen Realitäten spielten - und vieles, vieles mehr. Wenn Sie das Buch während des Lesens markieren, um die Notizen danach überfliegen zu können, werden Sie das Buch in seiner Gesamtheit erneut lesen; so aufschlussreich und referenziert  Quelle

Der palästinensische Künstler Nabil Anani

 

 

 

 

 

Weitere Nachrichten und  Texte
 

 


 

 

 

Pandemie legt den systemischen Rassismus Israels offen
Diana Buttu - The Electronic Intifada - 8. April 2020 - Übersetzt mit DeepL

Wenn ich in meinem Haus in Haifa sitze, das wie andere auf der ganzen Welt unter Quarantäne steht, komme ich nicht umhin, mich an eine frühere Erfahrung unter der von Israel verhängten Ausgangssperre zu erinnern.

Vor achtzehn Jahren, im März und April 2002, drang die israelische Armee erneut in das Westjordanland ein, darunter auch in die Stadt Ramallah, in der ich damals wohnte. Monatelang standen wir unter Hausarrest, während israelische Panzer, Jeeps und Soldaten unsere Straßen und Häuser terrorisierten. Wir verbrachten die Tage damit, von der steigenden Zahl der Todesopfer zu hören und uns Sorgen über die Zukunft zu machen. Während die erste Aktion international verurteilt wurde, wurde die Abriegelung - und der Terror der israelischen Armee - bald "normal". Nur wenige erhoben ihre Stimme gegen Israels kollektive Bestrafung der Palästinenser und all die damit einhergehenden Landbeschlagnahmen und Hauszerstörungen durch die Armee.

Heute ist das nicht anders. Während sich die Welt zu Recht auf "abflachende Kurven" und "physische Distanzierung" konzentriert, auf die Bewältigung einer zum Stillstand gekommenen Wirtschaft und die Sorge um ihre Angehörigen, leiten Israels Besatzung und systemischer Rassismus weiterhin die Politik - so wie sie es im Laufe der Geschichte getan haben. Ich lebe bei meinen älteren Eltern, von denen einer eine Reihe von ernsthaften Gesundheitsproblemen hat, darunter auch Atembeschwerden. Wie andere mache ich mir Sorgen um sie und natürlich um meinen kleinen Sohn.

Aber ich muss auch an meine Freunde im Westjordanland denken, die den Launen des israelischen Militärs ebenso ausgeliefert sind wie den hemmungslosen und gewalttätigen Siedlern, die unter Verletzung des Völkerrechts in besetzten Gebieten leben. Ich muss mir Sorgen um meine Freunde im "Versteck" machen, denn Israel hat ihnen nie erlaubt, normal in ihrem Land zu leben, weil sie im Besitz von Westbank-Ausweisen sind. Ich mache mir Sorgen darüber, ob sie auf dem Weg zum Lebensmittelladen aufgegriffen werden und ob ihnen bei Bedarf Zugang zu medizinischer Versorgung gewährt wird.

Und natürlich kann ich den Gazastreifen nicht aus den Augen verlieren, da ich befürchte, dass das Coronavirus Tausende infizieren und hilflos zusehen wird, wie die Zahlen steigen.

Abriegelung unter Besatzung
- Ich tröste mich mit den Initiativen, die die Palästinenser in dieser Zeit ergriffen haben, um sich gegenseitig zu unterstützen - wie wir es auch in anderen Zeiten der Schließung und Abriegelung getan haben - in dem Wissen, dass wir trotz allem füreinander sorgen werden, auch wenn andere uns verschwinden sehen wollen.

Im besetzten Westjordanland stehen die Palästinenser zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts seit einem Monat unter Quarantäne, Schulen und Geschäfte sind geschlossen. Der von der Palästinensischen Autonomiebehörde ausgerufene Ausnahmezustand wurde bereits um einen weiteren Monat verlängert, wobei die Palästinenser nicht nur befürchten, was mit einer ohnehin schon abhängigen und anfälligen Wirtschaft geschehen wird, sondern auch, dass ein Ausbruch nicht eingedämmt werden kann. Diese Befürchtungen sind nicht unberechtigt: Israel hat seit langem die Kontrolle über das palästinensische Gesundheitssystem inne. Es verhindert, dass Grundausrüstung wie Strahlungsmaschinen nicht nur in den Gazastreifen, sondern auch in das besetzte Westjordanland außerhalb Ostjerusalems gelangen. Und während sie den Zugang zu Gesundheitseinrichtungen in Israel einschränken, machen es die Besatzungsbehörden den Palästinensern auch schwierig oder unmöglich, Genehmigungen für die relativ besser ausgestatteten Krankenhäuser in Ostjerusalem zu erhalten.

Doch die Palästinenser müssen nicht nur den Verlust von Menschenleben, ein zusammengebrochenes Gesundheitssystem und die Wirtschaft fürchten: Sie müssen auch das tägliche Handeln Israels in den besetzten Gebieten fürchten. Seit der Ausrufung des Ausnahmezustands hat Israel Massenverhaftungen vorgenommen (85 Personen, darunter 10 Kinder) und mehr als 40 Geschäfts- und Wohnorte abgerissen, zur Selbstzerstörung gezwungen oder beschlagnahmt, da die Welt aufgefordert wird, "zu Hause zu bleiben".

Israelische Siedler setzen ihre Angriffe - sowohl auf Menschen als auch auf Eigentum - ungestraft fort. Gaza bleibt weiterhin blockiert, auch wenn der Gesundheitssektor infolge der 13-jährigen Schließung Israels am Rande des Zusammenbruchs steht.

Palästinensische Gefangene in israelischer Haft gehören zu den am meisten gefährdeten
. - Seit dem 15. März werden den Gefängnisbehörden durch Notstandsregelungen nahezu uneingeschränkte Befugnisse eingeräumt. Sie verbieten den Gefangenen, sich mit Familienangehörigen oder Anwälten zu treffen, und erlauben telefonische Beratung nur dann, wenn ein Gerichtsverfahren bevorsteht.

Für diejenigen von uns, die innerhalb der Grenzen Israels von 1948 leben, ist das Bild ebenso düster
. - Der israelische Rassismus bestimmt die Politik in Bezug auf das Coronavirus. Seit Beginn des Ausbruchs hat Israel ein Bild der Gleichberechtigung gefördert, indem es palästinensische Ärzte an der Front der Behandlung von Coronavirus-infizierten Patienten gezeigt hat, um seine Bigotterie zu verschleiern. Gleichzeitig hat es nur Palästinenser gegeißelt, weil sie sich zumindest anfangs nicht "an die Regeln gehalten" haben, auch wenn die Mehrheit derer, die bisher positiv getestet wurden, aus jüdischen Religionsgemeinschaften stammen.

Israel hat Geldstrafen gegen Imame erlassen, weil sie Gebete abhielten, während sie Synagogen erlaubten, ihre Gottesdienste ununterbrochen fortzusetzen. Mikvahs - rituelle Bäder - blieben bis Ende März geöffnet, und Jeschiwas operierten noch lange nach der Schließung, obwohl die fortgesetzte Missachtung von Regeln durch einige ultraorthodoxe Gemeinschaften dem bald ein umfassendes Ende setzen könnte.

Systemische Diskriminierung
- Noch schlimmer ist, dass Israel bis zum 2. April lediglich 4.000 palästinensische Bürger Israels auf das Virus getestet hatte. Dies entspricht der Zahl der jüdischen Israelis, die täglich getestet werden. Öffentliche Gesundheits- und Sicherheitsanordnungen wurden anfangs auf Hebräisch und manchmal auf Russisch und Englisch erteilt, aber nichts auf Arabisch. Seither wurden die Bemühungen verstärkt, arabischsprachige Anleitungen zu geben, obwohl solche Informationen immer noch nicht in Echtzeit übermittelt werden.

Mit Ausnahme von Krankenhäusern, die bereits vor 1948 existierten, und in Städten mit gemischter Bevölkerung gibt es in den palästinensischen Städten keine Krankenhäuser - sicherlich keines, das in der Lage wäre, die Menge der Coronavirus-Patienten zu bewältigen - und eine Katastrophe könnte unmittelbar bevorstehen. Doch obwohl Tests nach wie vor schwer fassbar sind, ist eine Nachverfolgung nicht möglich. Israel versucht, Coronavirus-Patienten mit Hilfe von Shin-Bet-Überwachungsmechanismen aufzuspüren, eine Maßnahme, die wegen der Intervention der Rechtsgruppe Adalah vorübergehend gestoppt wurde.

Wie immer waren es nur die Zivilgesellschaft der palästinensischen Bürger Israels und ihre Gesetzgeber, die sich gegen die Aktionen des Staates gewehrt haben, unter anderem indem sie auf verstärkte Tests in palästinensischen Städten drängten, mehr Mittel für palästinensische Krankenhäuser zur Verfügung stellten und ein Ende der staatlichen Überwachung forderten.

Einige mögen glauben, dass das Coronavirus ein Gleichmacher ist - dass es Israelis und Palästinenser gleichermaßen betrifft. Obwohl das Virus das Potenzial hat, jeden anzustecken, ist die Behandlung des Virus kaum egalitär. Aufgrund der systemischen Diskriminierung ist Israel vielmehr dazu übergegangen, das Leben von israelischen Juden über das Leben von Palästinensern zu stellen. Sollte sich dieses Virus in den palästinensischen Gemeinden weit verbreiten, werden die Folgen katastrophal sein.

Kurz gesagt, Israels Herangehensweise an das Coronavirus ist der Höhepunkt historischer rassistischer und kolonialer Politik - nicht losgelöst davon.
- Nach der israelischen Invasion im Jahr 2002 wurde eine Reihe von Dingen "normal": nächtliche israelische Razzien, endlose israelische Blockaden, radikale Einschränkungen der Bewegungsfreiheit aufgrund der "Sicherheit" und der Abriss von Häusern mit kaum einem Protest. Meine Befürchtung ist, dass, sobald diese Coronavirus-Bedrohung vorüber ist, auch diesmal einige Maßnahmen normalisiert werden: vom Rassismus im Gesundheitswesen über die Geiselnahme von Palästinensern und ihrem Gesundheitssystem bis hin zur Überwachung, zum Abriss von Häusern und Blockaden - alles im Namen der "öffentlichen Sicherheit".   Quelle

*Israel hat Gaza schon unbewohnbar gemacht – und jetzt kommt Corona Virus*
Palestine Update Nr. 350 - 3. 4. 2020
Von Belén Fernandez

 

(Bild: Blick auf ein zerstörtes Haus, nachdem israelische Luftangriffe einen nahen Hamas-Sitz am Montag, 26. März 2020, in Gaza-City zerstört haben – Abed Rahim Khatib/ Flash90)

Israels Blockade von Gaza hat den Landstreifen in das „größte Open-Air-Gefängnis der Welt“ verwandelt. Und jetzt hat die überbevölkerte Enklave ihre ersten Fälle von COVID-19.

Schon 2012 haben die Vereinten Nationen vorausgesagt, dass der Gazastreifen um 2020 „unbewohnbar“ sein werde – natürlich nicht, dass er zu irgendeinem Zeitpunkt in der jüngeren Geschichte besonders „bewohnbar“ gewesen wäre. Jetzt, unter der israelischen Okkupation während mehr als 50 Jahren – lasst uns den Rückzug 2005 vergessen, der nicht erfolgt ist – hat die winzige, stark überbevölkerte Küstenenklave noch eine alles verkrüppelnde Blockade seit 2007 aushalten müssen. Arbeitslosigkeit und Nahrungs-Unsicherheit überwiegen, und 97 % von Gazas Trinkwasser werden als unsicher betrachtet.

Stromabschaltungen passieren andauernd. Lieferungen von Geräten zur Gesundheitsfürsorge und Medikamenten sind Mangelware, und Palästinenser, die medizinische Behandlungen außerhalb von Gaza benötigen, erhalten von den israelischen Behörden regelmäßig Reiseverbot – wobei diese Behandlungen, das muss hier gesagt werden, oft und an erster Stelle die direkten Folgen davon sind, dass israelisches Militär palästinensische Demonstranten 2018/19 en masse verstümmelt hat. Ebenso wenig hat sich die traurige Situation der Gesundheitsfürsorge verbessert aufgrund der Gewohnheit Israels, Kranken-häuser zu bombardieren und medizinisches Personal umzubringen.

Was passiert dann, wenn man den Corona Virus zu dem ganzen Mix hinzufügt? Es scheint, dass wir dabei sind, das herauszufinden. Am 22. März bestätigte Gaza seine ersten beiden Fälle von COVID-19.

Das veranlasste die israelische Menschenrechtsorganisation B’Tselem zu warnen, dass die Verbreitung des Virus im Gazastreifen „ein massives Desaster sein wird, das zur Gänze durch die einmaligen Bedingungen geschaffen wurde, die sich aus einer mehr als ein Jahrzehnt langen israelischen Blockade ergibt.“
Facebook Link: =7ef9c66398&e=
Weil das Gesundheitsvorsorge-System in Gaza „bereits am Abgrund des Zusammenbruchs steht“, schaut die Gruppe voraus auf ein „Albtraum-Szenario“, eines, das Israel „geschaffen hat und keinerlei Bemühung unternahm, um es zu verhindern“. Die beiden ersten Fälle von COVIT-19 waren Palästinenser, die von Pakistan nach Gaza zurückkehrten. Von weiteren sieben Fällen wurde daraufhin berichtet; sie befanden sich unter den Sicherheitsbeamten, die in der Quarantäne-Einrichtung stationiert waren, wohin neue Rückkehrer gebracht worden waren, und ein Fall wurde zusätzlich bestätigt.

Al Jazeera schreibt, dass man Gazas 2 Millionen Bewohner „dringend veranlasst habe, Vorsichtsmaßnahmen durchzuführen und sozialen Abstand zu bewahren durch Zuhause-Bleiben in der Absicht, die Ausbreitung des Virus aufzuhalten.“ - Aber wie, ich bitte Sie, sollen Menschen sozialen Abstand halten in einem Raum, der so überfüllt ist, dass es kaum genug Raum gibt um zu atmen? Und welche Gattung von psychologischem Trauma wird folgen, wenn eine bereits traumatisierte Bevölkerung gezwungen ist, sich selbst einzusperren „im größten Open-Air-Gefängnis der Welt“?

2012, im gleichen Jahr, als die UNO die drohende Unbewohnbarkeit des Gazastreifens vorhersagte – einem Gebiet, das hauptsächlich von palästinensischen Flüchtlingen aus dem Gebiet, das jetzt Israel ist, bewohnt wird – stellte der damalige Sprecher von Oxfam, Karl Schembri, die passende Frage: „Wie können Sie von post-traumatischen Stress-Intervention in Gaza reden, wenn sich die Menschen noch in einem ständigen Zustand von Trauma befinden?“

Er sprach die Verbreitung von traumatisierter Jugend nach der Operation „Gegossenes Blei
(2008-9) der Israelis an, bei der mehr als 1.400 Palästinenser in Gaza getötet worden waren, darunter 300 Kinder

Darauf folgte – unter anderen Menschen tötenden Nebenereignissen - Operation Pillar of Defence (Felsen der Verteidigung) im November 2012, wobei das israelische Militär fast 200 Palästinenser „außer Gefecht“ setzte, und Operation Protective Edge  2014, wobei sie 2.251 Palästinenser hinschlachteten, darunter 551 Kinder

Es braucht nicht betont zu werden, dass Gesundheitsdienste für psychische Erkrankungen unter den Angeboten sind, die im Gazastreifen am meisten abgehen. Und ebenso wie die Bombenabwürfe der Israelis garantiert ein Angriff des Corona Virus psychische Folter in einem extrem abgeschottetem Gebiet, wo schon allein die Idee einer körperlichen Flucht allgemein unmöglich ist. Wie sich der Akademiker Neve Gordon der Nation gegenüber sogar wundert: „Wie können die 113.990 Flüchtlinge, die im Jabalia Lager (in Gaza) leben, das insgesamt nur 0,54 Quadratmeilen (ungefähr 3 km2) beträgt, körperlichen Abstand von einander halten?“

Da ist auch noch der Fall des Al-Shanti-Lagers, wo die Enge sogar noch schlimmer ist  mit 85.628 Flüchtlingen, die auf einem Gebiet von 0,2 Quadratmeilen (1,29 km2) wohnen und mit nur einem Ambulatorium und Nahrungsmittel-Verteilzentrum. Nach Gordon ist der Ausgang davon, dass „die acht Flüchtlingslager innerhalb von Gaza als Systeme, die organisiert wurden, um Leben zu retten – Gesundheitsvorsorge und Versorgung mit Nahrungsmitteln – zweifellos zu tödlichen Flaschenhälsen werden und zu einem gedeckten Tisch für den tödlichen Corona Virus“.

Ganz sicher werden Forderungen, die israelische Belagerung von Gaza aufzuheben – das einzige gerechte und anständige Ding, das zu tun ist, besonders in dieser Zeit der globalen Pandemie – größtenteils auf taube Ohren treffen. Auf die Mehrheit der israelischen Öffentlichkeit kann man zählen, wenn es darum geht, gutzuheißen, welche Art von Tod über die Palästinenser kommen solle, und man kann darauf vertrauen, dass die Vereinigten Staaten die mörderischen Praktiken Israels in Gaza in Form von Milliarden Dollars und dauerndem Beharren auf dem Recht unterschreiben, dass Israel „sich selbst gegen die Palästinenser verteidigt“, indem es sie massakriert. Daher fühlt sich die israelische Regierung völlig im Recht, pausenlos Gaza zu bombardieren, Covit-19 hin und her.

Mittlerweile versichert das Editorial der jüngst erschienenen Jerusalem Post unter dem Titel „Gute Arbeit, Israel“, dass „jeder“ in Israel allen ein kollektives Schulterklopfen verabreichen sollte“ für ihre exemplarische Antwort auf den Corana Virus im Lande, trotz der Tatsache, dass Ultra-Orthodoxe und „arabische Sektoren … länger dazu brauchen, die Dringlichkeit und Ernsthaftigkeit zu verinnerlichen, die der Virus stellt und wozu es führt, wenn man sich nicht an die Direktiven hält.“ Und schließlich, es gibt keine Zeit wie die Gegenwart, die einen so guten Auslöser für Rassismus gegen die Palästinenser darstellt, die selbst von Israel behandelt worden waren, als seien sie eine Krankheit.

Zuletzt betont die „Post“ noch, dass wir „im Krieg“ gegen den Corona Virus sind, und dass wir „nur durch Einigkeit und Beharrlichkeit fähig sein werden, um den unsichtbaren Feind zu
besiegen“. Aber wenn man sieht, wie die Bewohner des bereits nicht mehr lebbaren Open-Air-Gefängnisses im Nachbarhaus plötzlich dem katastrophalen Ausbruch eines biologischen Krieges, veranlasst durch einen sehr sichtbaren israelischen Feind, gegenüber stehen, können klarerweise Schulterklopfer welcher Art immer nicht in Ordnung sein. Da gilt nur eine globale Verurteilung und ein Ende der Blockade.
Quelle
*Belén Fernàndez ist mitarbeitende Herausgeberin bei „Jacobin Magazine“ und schreibt regelmäßig für „Al Jazeera“. Ihre Artikel sind auch im „London Review of Books“ Blog  erschienen, sowie in „The Baffler“ und zahlreichen anderen Sammlungen. Sie erarbeitete ihren Bachelor-Grad mit einer Übersicht über Politikwissenschaften in der Columbia-Universität in New York.*

(Übersetzung: Gerhilde Merz)

 

 

Kontakt  |  Impressum  | Haftungsausschluss  |  Datenschutzerklärung   |   Arendt Art  |  Nach oben  |   facebook   |   Das Palästina Portal gibt es seit dem 10.4.2002

Das Palästina Portal - Täglich neu - Nachrichten, Texte die in den deutschen Medien fehlen. gegen Gewalt und Rassismus, einem gerechten Frieden verpflichtet, Politisch und finanziell unabhängig