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Die palästinensische Ablehnung des Zionismus ist eine historische, antikoloniale Strategie
(Teil 1 von 2)
Palästina Update 409
Ramona Wadi - 1. Oktober 2020 - Übersetzt mit DeepL


Zionistische Kolonialnarrative berücksichtigen die palästinensische Geschichte nicht. Damit sich eine antikoloniale und dekoloniale Strategie entwickeln kann, müssen die Palästinenser ihre historischen Prinzipien bekräftigen und an sie anknüpfen.

Staatliche Akteure, die an diplomatischen Verhandlungen zur Aushandlung eines Abkommens auf der Grundlage des Zweistaatenparadigmas beteiligt sind, haben die politische Erzählung des Prozesses normalisiert, denen lediglich der "politische Wille" der palästinensischen Führung und des palästinensischen Volkes fehlt. Seit 2016, als das Nahost-Quartett - das sich aus der EU, Russland, den Vereinten Nationen und den USA zusammensetzte und 2002 gegründet wurde, um die Verhandlungen im Nahost-Friedensprozess zu erleichtern - den Zwei-Staaten-Kompromiss für obsolet erklärte, verfolgten die Vereinten Nationen zwei divergierende Narrative.

Einerseits lehnte die UNO die Erklärung des Quartetts nicht eindeutig ab und erkannte damit stillschweigend die durch die koloniale Expansion Israels gefestigte Tatsache an. Dennoch beharrten die UNO darauf, den "breiten Konsens ... zu fördern, dass der palästinensisch-israelische Konflikt nur auf der Grundlage einer Zwei-Staaten-Lösung gelöst werden kann", der laut dem UN-Sonderkoordinator für den Nahost-Friedensprozess, Nickolay Mladenov, von Palästinensern und Israelis unterstützt wurde.

Was bedeutet "Billigung", wenn es keine Gleichwertigkeit zwischen Palästinensern und Israelis in Bezug auf diplomatische Loyalitäten und einen politischen Prozess gibt, der die zionistische koloniale Erzählung in die erwarteten endgültigen Vereinbarungen einwebt, falls diese jemals zustande kommen sollten?

Im Jahr 2013 verfasste Natasha Gill ein Papier mit dem Titel "Das ursprüngliche 'Nein'": Why the Arabs Rejected Zionism, and Why It Matters" (Warum die Araber den Zionismus ablehnten und warum es darauf ankommt), ausgehend von der Rede des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama im Jahr 2013, die Gill als "eine Reflexion und eine Antwort auf die heute in Israel vorherrschende Sicht des Konflikts" beschreibt. Parallel zur internationalen Reaktion auf "den Konflikt" - das Schlagwort, das für die koloniale Landnahme verwendet wird - liegt die Ablehnung palästinensischer Erzählungen im Sinne der historischen Ablehnung der zionistischen Ideologie und Politik.

 



Israel muss akzeptieren, dass "seine Feinde ihre eigene Geschichte zu erzählen haben: eine Geschichte, die nicht nur von Menschenrechtsverletzungen in der Westbank handelt".

Gills Analyse zeigt die Lücken in den zionistischen Kolonialnarrativen auf, die nichtsdestotrotz international validiert wurden. Wenn Frieden erreicht werden soll, so argumentiert Gill, muss Israel akzeptieren, dass "seine Feinde ihre eigene Geschichte zu erzählen haben: eine Geschichte, die nicht nur von Menschenrechtsverletzungen im Westjordanland handelt, und eine, die nicht so bald verschwinden wird".

Um die Ablehnung des Zionismus und der kolonialen Expansion durch das palästinensische Volk zu offenbaren, verwendet Gill die israelische und internationale Terminologie, die die Palästinenser als "den Feind", den Kolonialismus als "den Konflikt" und die Palästinenser als "die Araber" konstruiert. Alle Begriffe erinnern an die vorherrschende Erzählung, die die Wahrnehmung und Politik heute prägt, insbesondere an die zweideutigen Konzepte des Friedens und des Zwei-Staaten-Kompromisses.

Im Kontext des Aufsatzes kann dies entweder als eine Darstellung der israelischen Kolonialpsyche oder als eine subtile Normalisierung des israelischen Kolonialismus gelesen werden, auch wenn letzterer in einer Reihe von Beobachtungen seziert wird, die auf dem früheren Kolonialisierungsprozess seit Ende des 19. Jahrhunderts als Ausgangspunkt für das Verständnis der palästinensischen Widerlegung des Zionismus bestehen.

Es ist möglich, eine strukturierte palästinensische Ablehnung der zionistischen Kolonisierung zu identifizieren - die Begründer des Zionismus waren sich sehr wohl bewusst, dass die einheimische Bevölkerung nicht damit einverstanden war, von ankommenden, europäischen Siedlern verdrängt zu werden, die biblische Mythen für ihre koloniale, politische Erzählung der angeblichen Rückkehr ausnutzten. Der UN-Teilungsplan von 1947 bekräftigt die frühere zionistische Erzählung und setzt den Kolonialprozess in Gang, der die erzwungene Umsiedlung der palästinensischen Bevölkerung zur Aufnahme der europäischen Siedler-Kolonialisten einschloss.

 



Es muss angemerkt werden, dass die Begründer des Zionismus Missachtung gegenüber den einheimischen Bewohnern Palästinas an den Tag legten, wie David Ben-Gurion 1937 erklärte: "Ich unterstütze die Zwangsumsiedlung. Ich sehe darin nichts Unmoralisches".
In ähnlicher Weise haben israelische Führer im gegenwärtigen politischen Kontext, in dem die Annexion vorübergehend auf Eis gelegt wurde, während der israelische Siedlungsausbau wieder aufleben wird, an der Abschwächung der palästinensischen Politik und der palästinensischen Erzählungen festgehalten, um der Abrechnung mit dem legitimen antikolonialen Kampf der Palästinenser, ihren politischen Forderungen und ihrem Recht auf Land und Rückkehr zu entgehen.

Der Mythos vom unfruchtbaren Land widerspricht dem zionistischen Bedürfnis, die palästinensische Bevölkerung gewaltsam zu transferieren und ethnisch von ihrem Land zu säubern.

Der Zionismus benutzte politische Ambivalenz in Bezug auf das palästinensische Volk. Der Mythos vom unfruchtbaren Land widerspricht dem zionistischen Bedürfnis, die palästinensische Bevölkerung gewaltsam zu transferieren und ethnisch von ihrem Land zu säubern. Zweifellos hat die Balfour-Erklärung von 1917, die auch von den Palästinensern wegen ihrer   mehr >>>


*Die Palästinensische Zurückweisung von Zionismus ist eine historische, anti-koloniale Strategie
(Teil 2 von 2)*

Palestine Update Nr. 409 ..
Ramona Wadi - 4. 10. 2020
 

Die internationale Gemeinschaft hat ihre Rolle gespielt bei der Erhaltung des Kolonialismus und hat die Dekolonisierung daran gehindert, als eine gerechte Lösung betrachtet zu werden. Dieser Artikel ist der 2.Teil einer Arbeit von Ramona Wadi. Der 1. Teil wurde bereits am 1. Oktober veröffentlicht.

In seiner Einführung zu „The Palestine-Nakba“ (Zed-Books, 2012) schreibt Nur Masalha: „Die Streichung des historischen Palästina wurde nicht nur gedacht, um den neu geschaffenen Staat zu stärken, sondern auch, um den Mythos der „ungebrochenen Beziehung“ zwischen den Tagen von Jesaja und dem israelischen Staat zu konsolidieren.“Weiter bestätigt Nur Masalha in seinem Buch „Das imperiale Israel und die Palästinenser: Die Staatswissenschaft zur Ausdehnung“ (Pluto Press 2000): „Groß-Israel ist sowohl ein Gebiets-Konzept wie auch eine Ideologie, die darauf hinzielt, den maximalen territorialen Umfang zu erreichen sowie die dominierende Herrschaft in der Region.“ Diese bündige Beschreibung der ultimativen Ziele des Zionismus ist weit entfernt von der internationalen Berechnung, die die UNO „die palästinensische Frage“ nennt.

Nach den zionistischen Narrativen sind die palästinensischen Menschen entweder vorhanden oder nicht vorhanden – das hängt ab davon, ob der Mythos des leeren Landes verbreitet wurde, oder ob Bedarf bestand, das Land von seinen einheimischen Bewohnern zu säubern. Obwohl Ze’ev Jabotinsky die Gegenwart des palästinensischen Volkes und seine Verbindung zum Land klar erkennt, rechtfertigt er in seinen Vorstellungen das zionistische Ziel, das Land zu kolonisieren: „Jedes einheimische Volk wird sich fremden Siedlern widersetzen, so lange es eine Hoffnung sieht, sich selbst aus der Gefahr einer fremden Besiedlung zu befreien.“ Um den palästinensischen Widerstand niederzuschlagen, befürwortete Jabotinsky, als ersten Schritt die Anwendung von Gewalt, um die Unterwerfung der einheimischen Bevölkerung zu erreichen, und dann würden Verhandlungen mit den Palästinensern geschehen.

„Jedes einheimische Volk wird sich fremden Siedlern widersetzen, so lange es eine Hoffnung sieht, sich selbst aus der Gefahr einer fremden Besiedlung zu befreien.“

Die Palästinenser befinden sich in einer von der UNO provozierten Verlegenheit. Während die UNO sich zur „Abschaffung des Kolonialismus“ hingezogen fühlt durch einen Aktionsplan, der sich jetzt im dritten Jahrzehnt befindet, ist die Institution auch durch ihre koloniale Vergangenheit beeinflusst. Daher entsteht eine Diskrepanz in der UNO, die „die Rechtmäßigkeit des Kampfes der Völker um Unabhängigkeit, territoriale Integrität, nationale Einheit und Befreiung von der kolonialen Herrschaft, Apartheid und ausländischen Besatzung mit allen erreichbaren Mitteln, einschließlich dem bewaffneten Kampf neu bestätigt“ und deren Verweigerung, den Palästinensern eine solche Befreiung zu erlauben. Letzteres ist beeinflusst durch die Nachgiebigkeit der UNO gegenüber der zionistischen Narrative und das spätere Beharren auf dem Zweistaaten-Kompromiss als die einzige Lösung; diese widerspricht früheren UN-Beschlüssen.

Schauen wir auf die frühere zionistische Analyse, die Natasha Gill aufzeichnet: Dort ist klar, dass die UNO im „Friedens“-Diskurs bei der Vermeidung des früheren palästinensischen anti-kolonialen Kurses gegen die Kolonisierung bleibt.

Der UNO-Diskurs, sogar die Resolutionen für die Unterstützung der palästinensischen Rechte, sind zuerst und vor allem mit der Erhaltung des kolonialen Status befasst. Das Rückkehrrecht für die Palästinenser ist ein solches Beispiel. Der Text fordert die Verantwortlichkeit der Palästinenser für Amendments heraus und für „Frieden“ mit den Kolonisatoren, die ihre Städte und Dörfer ethnisch gesäubert haben.

Wenn man die palästinensische Narrative und die zionistische Narrative recht versteht, kann sie nicht ausgenutzt werden, um darunter Palästina als koloniales Projekt zu verstehen. In anderen Worten: Kolonisierung in Palästina kann nur realisiert werden, wenn die Lösung für die israelische Sicherheits-Narrative mit der Dekolonialisierung des Landes passiert, das im Namen der zionistischen Ideologie und des zionistisch-kolonialen Unternehmens gestohlen wurde.

Die Geschichte von Palästina vor 1948 hat zwei Facetten. Die eine ist die schrittweise Aneignung von Land, die später internationale politische Unterstützung gewonnen hat. Die andere ist der palästinensische Kampf gegen die Kolonialisierung selbst, gerechtfertigt sogar in Übereinstimmung mit internationalen Diktaten und widerlegt durch Israel und die internationale Gemeinschaft als eine Bedrohung der Sicherheit Israels.

In seinem jüngsten Buch „An Army Like No Other; wie die Israeli Defence Forces Made a Nation“ (= Eine Armee wie keine andere; how the Israeli IDF made a nation (Verso Books, 2020)) hält der israelische Akademiker, Schriftsteller und Aktivist Haim Bresheeth Zabner eine wichtige Beobachtung fest, die die einfachsten anti-semitischen Behauptungen widerlegt, die in die zionistische Narrative eingewoben sind. Der Mangel an Sicherheit, den Israel beklagt, ist das direkte Ergebnis von „politischer und militärischer Praxis, nicht deren rassistischer Ursprung.“

Der Mangel an Sicherheit, über den Israel klagt, ist ein direktes Ergebnis von „politischer und militärischer Praxis, nicht deren rassischer Ursprung“.

Bresheeth’s Beobachtung klinkt sich ein in Jabotinsky’s Spiel mit Macht und Unterwerfung. Sich verlassend auf seine politische und militärische Macht hat Israel seinen Vorteil genutzt, eine selbstgemachte Narrative über den palästinensischen anti-kolonialen Kampf zu spinnen, einen solchen, der den Diskurs über palästinensischen Widerstand und politische Schuld formt.

Anti-kolonialer Kampf „mit allen Mitteln“, wie die UNO einen solchen Widerstand definiert, enthält gewaltsamen Widerstand. Jedoch, die angebliche freiwillige palästinensische Gewalt ist Teil der zionistischen Narrative, die hin- und her wankt zwischen Anerkennung und Nicht-Anerkennung der Existenz des palästinensischen Volkes in seinem Land, abhängig davon, was Israel militärisch und diplomatisch zu erreichen versucht. In der frühen Kolonisations-Periode wurde der bewaffnete Widerstand aus der politischen Isolation heraus und durch den wiederkehrenden Fehler der internationalen Gemeinschaft, Siedler-Kolonisation als das zu sehen, was sie wirklich war, entwickelt – ein Plan in Bewegung, der sich vermutlich über palästinensisches Land ausbreiten würde.

Wie der Zweistaaten-Kompromiss und der neue „Deal of the Century“ der USA gezeigt haben, ist „Frieden“ nur ein Euphemismus, um die israelische Kolonisierung zu verzeihen. Es ist das Konzept für „Frieden“, das die zionistische  mehr >>>

IDF-Soldaten im Gebiet von Akaba im Westjordanland, Oktober 2020.

 

Israelische Soldaten überfallen nachts ein palästinensisches Dorf und erschrecken die Bewohner - zu Trainingszwecken

Bewaffnete israelische Soldaten wanderten während einer nächtlichen Übung in einem Dorf im Westjordanland durch Hinterhöfe und schauten durch Fenster. Stellen Sie sich vor, sie täten dasselbe in einer jüdischen Siedlung.
Gideon Levy - Alex Levac - 9. 10. 2020 - Übersetzt mit DeepL

Die ganze Geschichte in Kürze: Dutzende von Soldaten der israelischen Verteidigungskräfte inszenieren im Rahmen einer Trainingsübung einen nächtlichen Überfall zwischen den Häusern eines ruhigen palästinensischen Dorfes, dessen Bewohner zum Teil tief und fest schlafen. Die Truppen dringen in keines der Häuser ein, sondern irren bewaffnet in Hinterhöfen und Straßen umher, spähen durch Fenster und erschrecken die Bewohner. Die IDF würden nie im Traum daran denken, sich in einer der nahe gelegenen jüdischen Siedlungen so zu verhalten - eine nächtliche Übung in Maskiot? Kampfübungen in Mehola? - sicherlich nicht ohne Erlaubnis und vorherige Koordination. Aber in einem palästinensischen Dorf ist alles erlaubt, und die Nächte der Bewohner gehören ihnen genauso wenig wie die Tage. Das war in der Tat letzte Woche, am Dienstag, in dem kleinen Dorf Aqaba der Fall.

Die IDF hatte sich bereits schriftlich verpflichtet, keine Trainingsübungen in Akaba durchzuführen, das an den Hängen der Hügel über dem nördlichen Jordantal liegt, aber aus irgendeinem Grund kehrten ihre Soldaten letzte Woche in das Dorf selbst zurück.
Gegenüber dem Weiler, auf enteigneten Privatgrundstücken, inmitten verlassener Olivenbäume, bauten die IDF ein palästinensisches Schein-Dorf, in dem Soldaten für den Kampf in bebauten Gebieten trainieren. Aber manchmal, so scheint es, ist es notwendig, solche Übungen außerhalb der Schlafzimmer echter Kinder und in den Höfen echter Menschen durchzuführen.

Die Betreffzeile eines Briefes vom 18. Juli 1999, der von Major Vered Yitzhaki vom Hauptquartier des Koordinationszentrums des IDF-Zentralkommandos unterzeichnet wurde, lässt wenig Raum für Zweifel: "Zu den Ruinen von Akaba - Richtlinien für die Ausbildung". Er richtet sich an den Rechtsberater der Region Judäa und Samaria und wurde verfasst, nachdem die Vereinigung für Bürgerrechte in Israel gedroht hatte, beim Obersten Gerichtshof eine Petition einzureichen, um der Nutzung des Dorfes als Trainingsgelände durch die Armee ein Ende zu setzen.

 

Video


Es werden zehn klare Richtlinien für Soldaten festgelegt.
Zum Beispiel heißt es in Absatz Nr. 4: "Die Bewegung zwischen den Häusern ist verboten." Aber die von den Dorfbewohnern in der vergangenen Woche gedrehten Videoclips und die Aussagen, die wir gehört haben, sind unmissverständlich: Die Truppen betraten private Höfe und benahmen sich, als ob sie zu Hause wären, und widersetzten sich ausdrücklich den Anweisungen.

Die Richtlinien selbst wurden nach einem längeren Zeitraum herausgegeben, in dem die IDF Trainingsübungen zwischen den Häusern des Dorfes und auf seinem Land durchführten und dabei nicht explodierte Munition und Granaten zurückließen.

Im Laufe der Jahre wurden in und um Akaba 16 Menschen getötet, darunter Kinder, und etwa 50 verwundet, als Folge dessen, was die Soldaten zurückließen. Bei einigen Gelegenheiten drang die Armee auch mit Panzern und anderen schweren Fahrzeugen in das Dorf ein, auch zu Ausbildungszwecken. Zwischen 1983 und 2003 gab es in der Nähe des Dorfes, nicht weit von der Schule entfernt, ein Ausbildungslager der IDF.

Das Jordantal ist in der Tat ein einziges großes Übungsgelände. Betonwürfel mit Warnungen vor Schusszonen schmücken praktisch jeden Eingang eines Hirtenlagers, das dort hauptsächlich errichtet wurde, um die Bewohner zum Verlassen des Lagers zu bewegen.

Aber Aqaba ist keine Enklave der Hirten: Es ist ein einzigartiges und malerisches Dorf mit bunten Häusern, die aussehen, als wären sie aus Marzipan, das im Gebiet C (unter voller israelischer Kontrolle) liegt. Es wird von einem ebenso farbenfrohen Gemeinderatsvorsitzenden, Haj Sami Sadeq, geleitet, der seit 1971, als er 16 Jahre alt war, gelähmt ist und auf dem Land seiner Familie von Soldaten angeschossen wurde.

Sadeq bahnt sich nun in seinem elektrischen Rollstuhl, einer Keffiyeh, die ihm über die Schultern gelegt wird, seinen Weg zwischen den Häusern des Dorfes. Mit seinen fließenden hebräischen Sprachkenntnissen und seinen umfangreichen internationalen Verbindungen genießt er einen besonderen Status. In der Tat hat sich die IDF den falschen Ort für ihre Trainingsübungen ausgesucht: In anderen palästinensischen Dörfern macht die Armee sicher routinemäßig dasselbe, aber Veteranenratschef Sadeq ist nicht bereit, über die Praxis zu schweigen.

Vor fünf Jahren baute er eine ein Kilometer lange Zufahrtsstraße zu dem Dorf, die er "Friedensstraße" nannte; die IDF riss sie dreimal heraus. Jetzt baut er im Zentrum des gepflegten Ortes einen großen Wasserturm, der mit großen Wandmalereien geschmückt ist, die ihm die Aura einer Künstlergemeinschaft verleihen. Der Turm erhebt sich wie ein Kontrollturm über einem imaginären Flughafen. Schatten der alten jüdischen Turm-und-Stockade-Siedlungen, in Aqaba.

Herbstkürbisse säumen die Straße, die nach Akaba führt, Füchse streifen durch die Felder. Die kleine Bevölkerung von 400 Einwohnern wird täglich um 270 Kinder aus dem nahe gelegenen Tayasir erweitert, die hier die attraktiv gebaute Schule besuchen. Israel erkennt die Existenz von Aqaba offiziell nicht an; seine Einwohner sind im Bevölkerungsregister des Innenministeriums als Einwohner von Tayasir eingetragen. Sadeq, der Ratsvorsitzende, ist als Einwohner von Jericho eingetragen; er träumt davon, ein offizieller Einwohner von Akaba zu sein.

Die IDF legt Wert darauf, das Dorf "Khurbat al-Aqaba" oder "Khirbet al-Aqaba" zu nennen: die "Ruinen von Akaba". Wir besuchten es 2017, nachdem die IDF hier Trainingsübungen durchgeführt hatte. Im Dezember 2016 waren Panzer und andere gepanzerte Fahrzeuge in der Nähe der Häuser und der neuen Moschee mit ihrem Doppelminarett vorbeigefahren und hatten die Bewohner in Angst und Schrecken versetzt.

Das Büro des Sprechers der IDF erklärte damals: "Die fragliche Übung war nicht richtig koordiniert. Infolgedessen werden die entsprechenden Schlussfolgerungen gezogen werden".

Soviel zum Thema "Schlussfolgerungen". Letzten Dienstagabend, als die meisten Dorfbewohner bereits in ihren Betten lagen, machten Sadeq und einige Freunde die Runde. Gegen 9.30 Uhr hatten ihn Zeltbewohner am Rande des Dorfes angerufen, um ihm zu berichten, dass eine große Streitmacht von Soldaten in Richtung Akaba vorrückte. Innerhalb weniger Minuten erhielt Sadeq weitere Anrufe. Die Familien Marwan und Jamal, die in Häusern in der Nähe des Dorfeingangs wohnen, berichteten, dass Soldaten in ihre Höfe eingedrungen seien und umherirrten. Sadeq eilte herbei.

Er versuchte, dem Offizier vor Ort zu erklären, dass es eine ausdrückliche Anweisung gibt, keine Ausbildung in den Häusern von Akaba zu absolvieren. Er bot an, von seinem Büro eine Kopie der Anweisung zu erhalten, aber der Offizier sagte: "Ich glaube Ihnen". Aber die Übung ging ohne Unterbrechung weiter. Die Dorfbewohner waren besonders empört darüber, dass die Soldaten ihre Privatsphäre verletzten, indem sie durch ihre Fenster spähen, um hineinzusehen. Das von einem Bewohner aufgenommene Videomaterial zeigt eine Reihe von Soldaten, die in einen Hinterhof eindrangen. Die Tatsache, dass sie keines der Häuser betraten, beweist nur, dass es sich um eine Trainingsübung und nicht um einen operativen Einsatz handelte.

Sadeq rief sofort Araf Daraghmeh an, einen Feldforscher der israelischen Menschenrechtsorganisation B'Tselem, der auch auf freiwilliger Basis als Leiter des Regionalrats des nördlichen Jordantals dient. Er machte sich schnell auf den Weg ins Dorf. Als er in Aqaba ankam, berichtete Daraghmeh diese Woche, hörte er Explosionen und sah Fackeln den Himmel erleuchten. Was die Bewohner der Gebiete am meisten beunruhigt, sagt er, ist das, was die Soldaten bei den IDF-Übungen zurücklassen: nicht explodierte Munition.

Vor vielen Jahren, so Sadeq, sagte der Militärgouverneur von Dschenin: "Akaba ist unser Modell für den Südlibanon. Deshalb wollen wir, dass unsere Soldaten in Akaba trainieren".

In der Nacht des letzten Einmarsches sagte die kleine Nichte des Ratsvorsitzenden zu ihm: "Sag den Soldaten, sie sollen zu ihrer Mutter zurückkehren. Die meisten Truppen kamen zu Fuß, aber auch zwei Militärfahrzeuge fuhren in das Dorf. Trugen die Soldaten bei der Einfahrt ins Dorf Gesichtsmasken zur Vorbeugung gegen Coronaviren? Nein.

Die Mission endete gegen Mitternacht, und die Soldaten zogen sich zurück.

Das Büro des IDF-Sprechers teilte Haaretz diese Woche mit: "Das Thema wird derzeit untersucht und auf der Führungsebene untersucht. Was das Tragen von Gesichtsmasken betrifft, so werden Übungen dieser Art, die körperliche Anstrengung erfordern, gemäß den IDF-Richtlinien genehmigt, die den strikten Gebrauch von Kapseln [Distanzmasken] ohne die Notwendigkeit von Masken verlangen".

Im Jahr 2017 fragten wir den Sprecher nach dem letzten Einmarsch, wann die Soldaten zuletzt in den Höfen der Häuser der örtlichen jüdischen Siedlungen trainiert hatten. Er ignorierte die Frage. Diese Woche haben wir uns nicht die Mühe gemacht zu fragen.

Nach unserem Zwischenstopp in Akaba fuhren wir zum "Schein-Dorf" der IDF, Khalat Jamaa, dessen Gebäude auf dem Hang des Hügels gegenüber von Akaba verteilt sind. Es ist ein surrealistischer Anblick. Dutzende von Betonbauten, die meisten von ihnen durch Granaten oder Kugeln beschädigt. Dazwischen befinden sich Pappfiguren von Soldaten und auch die Überreste von koscherer Kampfverpflegung, Geschosshülsen und jede Menge leere Schachteln mit "20 5,56 mm Patronen für die Kampfausbildung in einem roten bebauten Gebiet". Die Gebäude sind zur Hälfte zerstört, ihre Wände klaffen mit riesigen Löchern. Die Überreste eines IDF-Jeeps oder möglicherweise eines Kommandowagens, der in einen Felsen gerast ist, sind von Stacheldraht eingekreist. "Yasser", heisst es auf einer der beschossenen Strukturen.   Quelle

Ein Bild des palästinensischen Künstlers Sliman Mansour

 


 

Sliman Mansour bei facebook >>>>

 

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