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"Angelika Schneider" <anka.sch(at)gmx.net
To: <Brief-aus-Israel(at)yahoogroups.de
Subject: [Brief-aus-Israel] Aktuelles aus
den besetzten Gebieten
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"Angelika Schneider" <anka.sch(at)gmx.net>
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Subject: [Brief-aus-Israel] Aktuelles aus den besetzten Gebieten
- 26.01.05
Liebe FreundInnen,
"Ich muss zugeben, dass... ich mich immer wieder ermahnen muss,
dass
Jüdischsein an sich nichts Schlechtes ist, dass nicht allle Juden
stehlen, nichts wissen wollen, sich nicht kümmern."
Das lese ich,
während mein Kopf und mein Herz noch voll sind von den Berichten
aus
Auschwitz, die ich bei der Gedenkstunde heute morgen gehört habe,
und
von den Gefühlen, die die Aktivitäten der Neonazis in diesen
Überlebenden erregen. Ich schäme mich, Deutsche zu sein und
Dorothy Naor schämt sich, Israelin zu sein. Und wir beide schämen uns,
auch
noch Amerikanerinnen zu sein. Wie soll man sich in dieser Welt
überhaupt noch orten? Jedenfalls nicht durch die Nationalität.
"Soweit
ich überhaupt stolz bin unter meinen geringen Fähigkeiten, dann
ist es
dafür, dass ich ein humaner Mensch bin. Das ist eine Qualität,
die ich
nähre" schreibt Dorothy weiter. So lasst uns beheimatet sein
unter
allen Menschen, die sich nach einer anderen Welt sehnen.
Hier, verkürzt, ein Artikel von Gideon Levy aus Ha'arez:
Wie oft sind Sie auf der Straße 443 gefahren und haben sich nach
links
und rechts umgeschaut? Wie oft haben sie diese Schnellstraße von
Maccabim-Reut nach Jerusalem benutzt und über den Zehntausenden
von
Einwohnern nach gedacht, die ihretwegen gefangen sind. Wie oft
sind
Ihnen die 12 blockierten Straßen aufgefallen, die in sie
einmünden, wie
oft haben sie den Bewohnern der 22 umliegen Dörfern
Aufmerksamkeit
geschenkt, die durch die steinigen Berge zu Fuß gehen. Haben Sie
jemals
angehalten neben dem Schild, der zum Ofer Camp führt, ein
Euphemismus
für ein Massenlager in dem Tausende Palästinenser gefangen
gehalten
werden, die meisten ohne Prozess.
Es gibt keine Apartheidstraße wie diese, eine 4spurige Bahn, nur
für
Israelis, auf palästinensischem Land... Eine Besatzungsstraße,
mit einem
Checkpoint am Anfang und am Ende. Im Gegensatz zu den meisten
Besatzungsstraßen ist sie täglich voller Verkehr, ein
untrennbarer Teil
Israels, im Herzen des Konsens, als wäre alles in Ordnung.
Es gibt keine Araber, keine Terrorangriffe. Die Planer dieser
Straße
haben alles getan, um die Araber unsichtbar zu machen, sogar für
jemanden der keine Lust mehr hat, die
Augen abzuwenden. Neben dem Verbot, für Palästinenser, die Straße
zu
gebrauchen - auch zu Fuß - ist das bizarrste, wenn man sich
Jerusalem
nähert, dass Betonmauern die Straße einzäunen, auf denen der
israelisch
Traum dargestellt wird. Unter gemalten Bögen sieht man grünen
Rasen und
ewig blauen Himmel, von einem Künstler auf den grauen Beton
gemalt, der
die Häuser der Araber versteckt. So kann man nicht nur in
Sicherheit
reisen, sondern in einer Fantasy. Ein unbedachter Tunner, eine
araberlose Welt, in der ein Volk ohne Land angekommen ist in
einem Land
ohne Volk, wie das Märchen, das sie uns als Kinder erzählt haben.
Zwei Gestalten laufen schnell vorbei auf einer Hügelkuppe. Der
Tagelöhner Ibrahim Otman, 27, aus Beit Our, trägt ein altes
Stereogerät,
einen tragbaren Gasbehälter und einen rostigen Toasterofen. Er
kommt
von Modi'in nach Hause mit seinem Freund Ramez Jedallah, 26.
Sieben
Kilometer zu Fuß jeden Weg, jeden Tag, Regen oder Sonne eine 14km
Reise,
um zu versuchen, Arbeit am Bau zu finden. Der Bauleiter ist
verschgwunden, er ruft nicht einmal an. Ein Monatslohn ist
scheinbar
den Bach runter geflossen, die beiden Arbeitern kehren beschämt
nach
Hause. Manche israelische Baufirmen nutzen ihre Schwäche aus. Die
palästiensischen Arbeitern haben keine israelische
Arbeitserlaubnisse
und nichts ist leichter als sich zu weigern, ihren Lohn zu zahlen
und zu
drohen, sie der Polizei zu übergeben. Sie sind um 5 Uhr von
zuhause weg
und kommen mittags mit leeren Händen nachhause, außer dem
weggeworfenen
Müll, den sie eingesamelt haben.
Gibt es irgendeinen anderen Ort der Welt an dem offizielle
Regierungsbeamte Straßen mit Müll blockieren? An manchen Stellen
ist
der Besatzer vornehmer und stellt Betonblöcke auf, die die IDF
räumen
kann, wenn sie will. Es gibt aber kein einziges Dorf, dessen
Bewohner
die Landstraße gebrauchen kann. Von Bidu nach Ramallah? Früher
eine
Fahrt von 20 Minuten, und nun brauch man Stunden.
Der neue Präsident der Palästinenserautorität ist auf Plakaten zu
sehen,
auf dem engen Tunnel der unter die Straße 443 führt, die einzige
Verbindung zur Welt aus dem Dorf Harbata. Juden oben, auf der
Autobahn,
Araber unten, in dem engen, dunklen Graben. Eine Stunde oder zwei
bis
zur Distrikthauptstadt Ramallah. Manchmal stehen Soldaten neben
dem
Eingang und halten den Verkehr an. Gestern standen Soldaten dort
fünf
Stunden lang und es gab keinen Ausgang aus Harbata. Eine Kamera
über
dem Eingang zum Tunnel schwenkt von rechts nach links - Big
Brother
sieht alles. Vor kurzem wagte ein junger Mann, die Straße zu
überqueren. Schließlich waren das mal seine Olivenhaine. Die Buße
war
NIS 1750. Betreten der Straße verboten.
Zwei gut angezogene junge Palästinenserinnen steigen aus einem
gelben
Taxi an den Betonblöcken. Sie kommen aus A-Ram, neben Jerusalem;
sie
haben ihre Schwester besucht und wollenb jetzt nach Hause. Sie
haben
keine Ahnung, wie sie dahin kommen sollen. Wer wird sie mitnehmen
auf
der Straße 443? Sie stehen hilflos da - vielleicht wird ein Taxi
aus
Ostjerusaloem vorbei kommen und sie mitnehmen. Du gehst morgens
von
zuhause weg und hast keine Ahnung, wie du wieder hinkommst.
In dem Dorf A-Tira steht eine Reihe Autos mit israelischen
Nummernschildern, Autos, die im Dorf hängengeblieben sind, ohne
hinaus
zu können. A-Tira ist blockiert. Beton blockiert den Eingang von
der
Straße 443, ein Pfad zu den Obstgärten und ein Sandweg der
irgendwie zum
benachbarten Harbate führt und von dort nach Ramallah durch den
Tunnel.
Der Weg ist aber nur für hohe, starke Fahrzeuge befahrbar. Der
Lieferwagen von Mohammed Yassin Hamed, einer der zwei Fahrer aus
dem
Dorf, fährt nur innerhalb des Dorfes, rast hin und her wie ein
Tief im
Käfig. NIS 1,5 pro Person, vom Lebensmittelladen zum Haus, von
der
Staßenblockade zur Schule. Der Lieferwagen kann nicht über den
Kiesweg
nach Harbata und von dort zur Außenwelt. Man bringt Brennstoff in
Behältern, Ersatzteile auf dem Rücken, wie alle anderen Waren
auch. Ein
Dorf mit 2500 Einwohnern. Ein Fiesta voller Eier steht neben der
Blockade und wartet darauf, entladen zu werden. Was machen die
Kranken? Frauen in den Wehen?
Und was ist das schmale Loch dort unten, am Ende der Steintreppe
vom
Dorf in ein Tal von Olivenbäumen? Das ist der Weg zur
Mädchenschule.
Ein alter STeinbau steht auf der anderen Seite der Landstraße der
Juden,
und die Mädchen müssen dorthin durch den kleinen Fußgängertunnel,
eng
und dunkel, so hoch wie ein Mensch, der unter der Landstraße,
direkt
unter uns gegraben wurde, unter den Autos die vorbei rasen.
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Es gibt aber noch andere Menschen in Israel, Menschen wie Dorothy Naor.
Vor kurzem hat sie einen dringenden Appell geschickt, den ich
nicht
weitergeleitet habe, da er sich auf benötigte Hilfe in Israel
bezog. Es
ging um einen 9jährigen palästinensischen Jungen, den eine Kugel
im Kopf
getroffen hat und der deringend in Israel operiert werden musste.
Der
Appell brachte über alle Erwartungen hinaus Geld für die
Operation,
Kleidung, Spielzeug, Hilfsangebote, sogar eine 3-monatige
Arbeitsstelle
beim ökumenischen Kirchenrat für den Großvater, der sich um den
Jungen
kümmert. Und noch dazu war die Operation viel wirkungsvoller als
erwartet, so dass der kleine Gamal strahlend auf eigenen Beinen
nachhause kehren konnte.
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In einer weiteren Mail schreibt Dorothy:
Heute haben mein Mann und ich eine Tour nach Hebron mitgemacht,
die von
der Organisation "Der Campus weigert sich, zu schweigen" von der
Uni Tel
Aviv, geführt von dem Gründer von "Das Schweigen Brechen" [die
Gruppe,
die voriges Jahr eine Fotoausstellung zusammengestellt haben, mit
Berichten von Soldaten, die in Hebron gedient hatten, über die Greueltaten die sie dort selbst verübt hatten und ihre heutige
Scham und
Abscheu], Yehuda Shaul. "Das Schweigen brechen" ermutigt
Soldaten, ihre
Erlebnisse in der Armee öffentlich zu machen. Ihr zeugnis in
Englisch
kann auf der Seite
http://www.schovrimshtika.org/files.asp
gelesen werden.
Yehuda hatte ein Groß´teil seiner 3 Jahre Wehrdienst in Hebron
abgeleistet. Er führte uns durch Hebron2 (der Bereich, den
jüdische
Siedler übernbommen haben, vom IOF b ewacht.... Es war eine
deprimierend
tour, aus mehreren Gründen... Aus Yehudas Beschreibung wird
offensichtlich, dass die jungen Männer während ihrer drei Jahre
im
Militär gewohnheitsmäßig erniedrigen, beherrschen, besetzen,
töten,
Schläger und Raufbolde werden. .. Yehuda selbst gab zu dass
(obwohl er
offensichtlich sich mehr Gedanken machte als die meisten seiner
Kollegen) nicht derselbe ist,k der er war. Ihm ist klar dass,
egal wie
moralisch man erzogen wurde, junge Männer in der Armee typisch zu
blinden Roboter werden, die sich an Befehle halten und Dinge tun,
die
sie sich nie hätten träumen lassen (z.B. einer von einer Bande
Soldaten
zu sein, die ein barfüßigen 10 jährigen Jungen schlagen, der
Steine auf
einen Jeep geworfen hatte.
Diese Ausführungen leiten einen weiteren Artikel aus Ha'arez ein,
in
dem berichtet wird über eine Untersuchung durch die Armee über
die
Zerstörung von Häusern in Gaza. Ein Komitee unter Leitung eines
Generalssolte die Effektivität von Häuserzerstörungen als
Abschreckung
untersuchen, hat aber seine Arbeit ausgedehnt, um das Verhalten
des
Militärs in diesem Bereich während größerer Militäroperationen
wie die
Operation Regenbogen in Rafah. Und ein zweiter General wurde vom
Verteidigungsminister eingesetzt, um die Zerstörung von 25
Häusern in
Khan Yunis ohne die nötige Erlaubnis. Der Artikel verurteilt den
"ungezügelten Einsatz von Gewalt" in Zusammenhang mit der
Häuserzerstörung. Besonderes Bedenken erregt die Feststellung,
dass die
Zählweise der Israelis oft von den der Palästinenser, bzw. von
der
Menschenrechtsorganisation B'tselem, weit abweicht. Was die IDF
als
"verlassene Gebäude" einstuft sind oft Häuser von Menschen die
durch
frühere Schießereien vertrieben wurden. Und die ohnehin
aggressive
Politik wird oft im Feld noch intensiviert -in einem Fall sollten
die
Wohnungen von zwei "bekannten Terroristen" zerstört werden.
Irgendwie
wurden es dann 25 Häuser. Und während der Operation Regenbogen,
die
als Rache für den Tod von 11 Soldaten begonnen wurde und Wege
öffnen
sollte für APC und Panzer da man befürchtete dass die Straßen
vermint
wurden, berichteten die Israelis von 4 zerstörten Häusern wo es
tatsächlich 86 wurden. Außerdem wurde festgestellt, dass oft
Offiziere
niederen Ranges während des Kampfes bestimmten, welche Häuser
zerstört
werden sollten. Ein Kommandant einer Kompanie soll seinen
Offizieren
gesagt haben, "wählt die Häuser aus, ich schick die Bulldozer".
Und wenn der Rückzug aus Gaza nicht stattfindet, schließt der
Bericht,
werden vermutlich zum Ausbau der Schutzzone an der ägyptischen
Grenze
weitere Hunderte Wohnungen demoliert werden. Was früher angeblich
nur
in "extremen Situationen" geschah, ist heute Routine. Es ist gut
zu
wissen, dass sogar Leute in der Armee anfangen, sich darum zu
sorgen.
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