Aufruf an die Deutschen zum 29. November
2007 von Reuven Moskovitz
Vor 60 Jahren fiel der Entschluss der Vereinten
Nationen, Palästina zwischen Juden und Palästinensern
aufzuteilen.
Nun jährt sich der
Beschluss der Vereinten Nationen, Palästina zwischen
Juden und Palästinensern zu teilen, zum 60.Mal. Wenige
in Israel und in der Welt wissen, dass die damals
vereinbarte Teilung 54 % des Landes für die Juden
bedeutete und 44 % für die Palästinenser. Jerusalem,
eine für drei Religionen bestimmte heilige Stadt, sollte
von der UNO verwaltet werden. Da die Palästinenser die
Teilung unglücklicher Weise nicht akzeptierten, folgte
der sogenannte Unabhängigkeitskrieg Israels, der erst
1949 endete. Durch - u.a.- seine bessere kriegerische
Ausstattung gelang es Israel, eine ethnische Säuberung
durchzuführen, die schon vor der Staatsgründung begann.
So konnte es fast die Hälfte des den Palästinensern
zugeteilten Gebietes annektieren. Die übrigen 22 %
wurden nicht den Palästinensern zugeschlagen, sondern
blieben unter der Herrschaft von Jordanien und Ägypten.
In den folgenden Jahren
unternahm Israel jede Anstrengung, mehr Land zu nehmen
und die Grenzen auszuweiten, angeblich, um sie besser
verteidigen zu können.
In diesen 60 Jahren entsteht
kein palästinensischer Staat,
alle israelischen Regierungen manövrieren und
manipulieren unablässig, ihn zu verhindern. Als Argument
dient – teils auch zu Recht – die Weigerung der
arabischen Regierungen, Israel als Staat anzuerkennen,
und die Behauptung, man habe keinen Ansprechpartner bei
den Palästinensern. So wird die geforderte Rückkehr zu
den Grenzen von 1967 bis jetzt ausgeschlossen. Die
Westbank wird völkerrechtswidrig durch Hunderte von
jüdischen Siedlungen, deren Hauptziel die Verdrängung
und Vertreibung der Palästinenser ist, besetzt. Dutzende
UNO-Beschlüsse und diplomatische Bemühungen wurden durch
Panzerketten, Hubschrauber, Zäune und Mauerbau,
Enteignung und massive Neubesiedlung zunichte gemacht.
Den palästinensischen
Widerstand hiergegen, der verständlich, wenn auch
menschlich nicht zu befürworten ist, wird als Grund für
die israelische Weigerung genannt, die Besatzung zu
beenden. Trotz unaufhörlicher Lippenbekenntnisse hat
Israel seine eindeutige Haltung gezeigt: es ist nicht
bereit, an der Seite eines freien und unabhängigen
palästinensischen Staates zu leben.
Heute bleiben durch die
dichte Besiedlung durch Juden und durch den Mauerbau auf
palästinensischem Land nur noch etwa 11-12 % des
eigentlich palästinensischen Landes für die
Palästinenser übrig. Auf diese 11-12% verzichten zu
müssen, nennt Israel, und das ist auch eine in
Deutschland wiederholte Behauptung, einen ‚schmerzhaften
Kompromiss‘.
Für die Palästinenser aber
bedeutet es - kompromisslos! - eingesperrt zu sein
hinter Zäunen und Mauern, in drei getrennten Zonen leben
zu müssen, in denen sie weiterhin der israelischen
Machtwillkür ausgesetzt sind: inner-palästinensischen
Checkpoints, Hinrichtungen, Festnahmen, Enteignungen,
nächtliche Durchsuchungen, etc, etc.
Schon In den 70er Jahren
jedoch wurde dieses Schema von gegenseitiger
Nicht-Anerkennung durchbrochen: der wagemutige Besuch
Sadats in Jerusalem führte zum Frieden zwischen
Israel und Ägypten. Mit der totalen Räumung der
besetzten ägyptischen Gebiete erreichte man die
Anerkennung des Staates Israel in den Grenzen von 1967
und den Verzicht auf die Drohung, Israel zu vernichten.
Gefördert wurde dieses Abkommen auch durch die
Resolution 242 des UNO-Sicherheitsrates, die das Recht
der Palästinenser auf Autonomie und Selbstbestimmung
anerkennt.
In Israel hat man diesen
epochalen Aufbruch nicht genügend verinnerlicht...
In den 90iger Jahren dann der
gelungene Frieden mit Jordanien.
Aber die hoffnungsvollen
Abkommen von Oslo wurden systematisch durch Israel mit
ihrer Siedlungspolitik unterlaufen; das gilt auch wenn
die Palästinenser ihre Verpflichtungen nicht immer
gehalten haben.
Noch sieht es so aus, als ob
auch einem weiteren wichtigen Friedensplan dieses
Schicksal beschieden ist: Das Angebot der 22
arabischen Länder und der Hamas in diesem Jahr wird
von Israel, dem „Quartett“ und der westeuropäischen Welt
einfach ignoriert!
Dieses Angebot beinhaltet:
Frieden mit Israel aufgrund
gegenseitiger Anerkennung in den Grenzen von 1967,
diplomatische, kulturelle und wirtschaftliche
Beziehungen und die Lösung der palästinensischen
Flüchtlingstragödie, ohne die Stabilität und die
Sicherheit Israels zu gefährden.
Israel müsste im Gegenzug
einen gefährlichen und schmerzhaften Schritt tun:
Die Siedlungen in der
Westbank auflösen oder eine Alternative finden, wie den
Siedlern die Wahl lassen, als gleichberechtigte
palästinensische Bürger dort zu leben und gleichzeitig
die Palästinenser mit der ihnen weggenommen Fläche Land
kompensieren.
Die Lage im Nahen Osten ist
verstrickt und der Weg zur Wahrheit ist voller
hinterlistiger Manipulationen und unanständiger
Politik-Manöver. Wir müssen uns hüten, wie Frau Lot zu
erstarren bei dem wehmütigen Blick in die verwüstete
Vergangenheit – Juden und Palästinenser müssen lernen,
von der Vergangenheit zu lassen und eine bessere
Gegenwart und Zukunft zu bauen.
Jetzt rufe ich als überlebender Jude und Israeli und
Träger des Internationalen Aachener Friedenspreises Euch
Deutsche zu einem Gedenken auf:
29. November 2007: 60. Jahrestag des
Teilungsbeschlusses der Vereinten Nationen
Gedenkt und macht aufmerksam, dass von all dem, was
damals beschlossen wurde, für die Palästinenser nichts
umgesetzt wurde und ruft die Bundesregierung auf,
das Angebot der 22 arabischen Länder zum Frieden mit
Israel ernst zu nehmen, zu prüfen und schnellstens mit
der Umsetzung zu beginnen.
Der Versuch,
das "Quartett"
einzusetzen,
führt nur noch weiter in die Sackgasse.
Europa ist an diesem Konflikt mitverantwortlich –
umso
mehr ist es Deutschland, wegen seiner schrecklichen
NS-Vergangenheit.
Deutschland stände es wohl an, die Aufgabe des Friedens-
und Versöhnungsbotschafters zu übernehmen und den
Friedensprozess in Israel/Palästina voranzutreiben.
Was
mich
anbelangt,
bin ich fest entschlossen, trotz meines
fortgeschrittenen Alters, dieses Datum nicht ohne
Aufschrei oder ein Erinnern über die Gefahr eines
weiteren Schweigens, vorbeigehen zu lassen und an
Mahnwachen oder
anderen Aktionen mitzuwirken.
Gemeinsam müssen wir die Medien bewegen,
über diese Aktionen und über das arabische Angebot zu
berichten!
.
Reuven Moskovitz (verfasst
während der jüdischen Feiertage, September 2007)
Reuven Moskovitz ist
Historiker und Mitbegründer des Friedensdorfes
Neve Shalom/Wahat Salam in
Israel, eine Siedlung in der israelische Juden und
Palästinenser zusammenleben. Er war Sekretär der
Bewegung für Frieden und Sicherheit in Israel. Seit
mehreren Jahrzehnten ist er aktiv in der
Friedensbewegung und um die Verständigung und Aussöhnung
zwischen Palästinensern und Israeli, aber auch um die
deutsch-israelische Versöhnung bemüht. Er ist
Preisträger des Mount Sion Award 2001 und Preisträger
des internationalen Aachener Friedenspreises 2003. Von
seinem Buch "Der lange Weg zum Frieden" gibt es die
fünfte Auflage
"Moskovitz
ruft" - Was einem Broderklon an schmuddligem und
geistiger Verschmutzung zum Text von R. Moskovitz
einfällt. >>>. |