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Den Kolonialismus beenden
von Oren Yiftachel - Ha'aretz
Zwei der moderaten Ideologen im religiösen Lager, Avi Sagi und
Yedidya Stern, beschreiben den Kampf um den Abzug ( der Siedler)
als eine einfache Gleichung, bei der es zwei „Gladiatoren“ gibt.
Die jüdischen Siedler in den (besetzten) Gebieten und die Linke
kämpfen in der Arena. Sie stehen einem höchsten Schiedsrichter –
dem Staat Israel – gegenüber, der für die Beziehungen zwischen
ihnen verantwortlich ist. (s. Artikel „Abzug, keine Trennung“
Haaretz 15.7.05) Im vorgeschlagenen Deal werden die Siedler
aufgefordert, militärische Befehle nicht zu verweigern, und die
Gewalt aufzugeben - während die Linke aufgefordert wird, die
Menschenrechte der Siedler zu verteidigen und den jüdischen
Charakter des Staates zu stärken. Dann käme für Israel die
Erlösung.
Klingt dies nicht einfach und überzeugend? Keineswegs. Trotz der
( guten) Atmosphäre des Kompromisses, die sich aus ihrem
Vorschlag ergibt, verfälscht er die Realität und nährt so
Illusionen, die im israelisch-jüdischen Diskurs vorherrschen.
Die Wirkung wäre dann, „wenn nur wir untereinander lernen
würden, uns zu versöhnen , die Rechten mit den Linken, die
Religiösen mit den Weltlichen, dann wären ( beinahe) alle
Probleme gelöst.“
In ähnlicher Weise haben wir uns jahrelang mit den Initiativen
der Versöhnung zwischen Religiösen und Säkularen
auseinandergesetzt, wie Tsav Piyyus („Versöhnungsorden“ ), dass
Kinneret-Abkommen und Siah Ahim („Dialog zwischen Brüdern“) –
aber alle irren, weil sie die Wurzeln des Konfliktes
beschönigen: die jüdische Kolonisierung der (besetzten) Gebiete.
Diese Initiativen reduzieren die Palästinenser zu einer Art
stillem Hintergrund oder zufälligem Bühnenbild . Es wäre nicht
nur ein moralisches Problem, die seit vielen Generationen in
diesem Lande lebenden Bewohner zu ignorieren, sondern auch ein
analytischer Fehler, um die Entwicklung der politischen
Geographie Israels/Palästinas – auch im Zusammenhang, in dem der
Abzug stattfindet – zu verstehen. Es geht auch um die
Meinungsverschiedenheit zwischen Religiösen und Säkularen, die
genau die Frage der Haltung gegenüber den Palästinensern
berührt.
Sagi und Stern (s.o.) sind natürlich mit ihren Ansichten nicht
allein. Ihr Artikel reflektiert einen lang anhaltenden
zionistischen Diskurs über den Konflikt, der nur in die jüdische
Gesellschaft hineinblickt. Noch heute ignoriert der Diskurs die
anderen Kräfte, die den Kampf um das Land vorantreiben, vor
allem die Palästinenser und mit ihnen die stärker werdenden
internationalen Kräfte. Solch eine Haltung erlaubt den meisten
Juden bis heute, mit der Illusion zu leben, dass sie eine
„jüdische Demokratie“ hätten, obwohl direkt vor ihren Augen mit
jüdischem Gesetz eine Apartheid-Realität geschaffen wurde.
Diese von jüdischen Siedlern in den besetzten Gebieten
angenommene Haltung hat auch zum Bau des „Trennungszaunes“
innerhalb der Westbank geführt und damit einem Verlauf, der dem
Völkerrecht und dem palästinensischen Recht auf Souveränität
widerspricht. Indem das legitime Bedürfnis, Juden vor
Terrorismus zu schützen, realisiert wurde, wurde dies aber
gleichzeitig zum räuberischen Akt, dem die Meinung der
internationalen Gemeinschaft völlig gleichgültig ist, und Israel
wachsender Verachtung aussetzt und es immer möglicher macht,
dass Sanktionen verhängt werden. Der rein jüdische Diskurs
herrscht auch innerhalb der Grünen Linie ( Grenze von vor 1967)
vor. Z.B. hat kürzlich die Südliche Planungskommission kürzlich
eine Kaution (deposit ) für einen neuen Gesamtplan genehmigt,
der Zehntausende beduinischer Bürger ignoriert, die in den nicht
anerkannten Dörfern leben. Man muss nicht extra betonen, dass
der Plan ohne Teilnahme der Beduinen entwickelt wurde, obwohl er
gerade auch ihre Lebensbereiche betrifft. Als solches muss er
zum Fehlschlag werden, bevor er ausgeführt wird.
Welchen Zusammenhang gibt es zwischen dem Plan im Negev und dem
Abzugsplan? Beide zeigen die israelische Haltung der
Einseitigkeit, die seit Jahren herrscht; es ist der Versuch, den
jüdischen „Konsens“ über eine binationale Realität zu stülpen,
ohne Dialog und gegenseitige Verständigung. Das heißt, die Juden
werden allein unter sich über die Zukunft der Palästinenser
entscheiden. Zweifellos wird der Beginn eines wirklichen
Dialoges mit den Palästinensern auf beiden Seiten der Grünen
Linie nicht einfach sein. Es kämen dann alle anhängigen „Fälle“
ans Licht und würde den Zionismus mit seinen Flüchtlingen,
seinen Opfern, seinen Feinden und seinen Leugnern konfrontieren,
aber auch die Palästinenser mit den jüdischen Israelis als
Menschen von Fleisch und Blut - auch sie Flüchtlinge und
Nachkommen von Flüchtlingen. Solch ein Dialog wäre nicht das
Ende an sich – wie es manchmal während der Oslo-Jahre geschah,
sondern bedeutet eher das Ende des Kolonialismus und wird
internationale Legitimität erlangen und Sicherheit für beide
Volker, die ein kleines Land teilen.
Die einseitige Haltung hat Israel bis jetzt nur in eine Serie
von Fehlschlägen und in eine verdammte Gewaltspirale gebracht.
Der einzig bestehende Dialog ist der zwischen Kassams und
(gezielten) Morden, zwischen islamitischem Terror und
israelischem Staatsterror, zwischen einer Politik der
Hauszerstörungen und wildem Aufbau ( von Siedlungen). Nur ein
multi-dimensionaler Dialog zwischen Zionisten und
Palästinensern, zwischen Religiösen und Säkularen und mit der
Völkergemeinschaft kann vielleicht eine Möglichkeit schaffen,
die den Abzug in eine positive Bewegung der Versöhnung führt und
nicht zur Fortsetzung von Gewalt und verstärkter Besatzung.
Der Autor ist Professor für politische Geographie an der
Ben-Gurion-Universität in Ber-Sheva.
(Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs)
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