CTC – Children Teaching Children – Kinder lehren Kinder
Ein Text von Lydia Aysenberg
Orit Mauded und Zacharia Mahamid sind Erzieher, praktisch Nachbarn –
aber sie leben auf beiden Seiten eines tiefen Trenngrabens –
wörtlich, aber auch als Metapher.
Orit ist eine in Israel geborene Jüdin und Zacharia wurde als
arabischer Muslim mit israelischer Staatsbürgerschaft geboren. Die
Mehrheit von Zacharias Zeitgenossen nennen sich heutzutage nicht
mehr israelische Araber sondern Palästinenser mit israelischer
Staatsbürgerschaft, eine Selbstbeschreibung, die viele jüdische
Israelis an den Ohren kratzt.
Abseits von der historischen, kulturellen und politischen Trennung
zwischen den Völkern der beiden Erzieher gibt es auch die physische
Trennung. Orit und Zacharia leben beide in soliden bi-nationalen
Gemeinden, die auf den Höhen von parallel verlaufenden Bergketten
thronen, aber sie sind getrennt durch eine tiefe Schlucht, die im
Arabischen als Wadi Ara, im Hebräischen als Nachal Irron bekannt
ist.
Das muslimische Dorf Muaweyah, in dem Zacharia wohnt, zieht sich hin
über die gewundenen Hänge der Menashe Hills, während Orits
Heimatgemeinde Katzir sich über den höchsten Punkt des Gebirgszuges
Amir ausbreitet.
Von ihrem Gebirgsthron aus sieht Orit über einen großen Teil des
Nordteiles der Westbank einschließlich der Berghänge hinter der
autonomen palästinensischen Stadt Jenin, und einem beträchtlichen
Teil des Dotan Tales in der Westbank. Die Grüne Linie ist nur eine
Frage von wenigen Minuten Fußmarsch von Orits Wohnhaus und das
Mittelmeer scheint gerade nur einen Hopser, einen Sprung, einen
Anlauf weit entfernt zu sein.
Vom Dorf des Zacharia in den Menashe Bergen aus können die Bewohner
den langgezogenen Carmel ganz nahe sehen; die jüdische Gemeinde
Katzir von Orit Mauded mit ihren 760 Familien liegt auf dem Berg
gegenüber ebenso wie die israelische Muslim-Stadt Umm el-Fahm und
andere israelische Muslim-Dörfer, große und kleine, die praktisch
zur Gänze die tiefer liegenden Hänge der Menashe Hills wie auch des
Bergzuges Amir Mountain an beiden Seiten des Wadi bevölkern, und die
Hauptstraße – Route 65 – eine der am meisten befahrenen im ganzen
Land - flankieren.
Die beiden Erziehenden sind sich sehr bewusst des tiefen Grabens
zwischen den jüdischen und den arabischen (palästinensischen)
Gemeinden innerhalb des Staates, dessen Staatsbürgerschaft sie
teilen, und beide bekennen sich dazu, durch ihre Arbeit die Kinder
an beiden Seiten mit der Trennung zu konfrontieren und ihnen das
Problem bewusst zu machen.
Orit und Zacharia wurden kürzlich zu Ko-direktoren für das Programm
„Children Teaching Children“ (CTC) von Givat Haviva*) ernannt.
Dieses ist ein zweijähriges Programm, das in den Stundenplan der
Klassen der Regelschule und der weiterführender Schulen integriert
werden kann, sofern die jüdischen und die arabischen Schulen es
aufnehmen.
Zurzeit sind 100 jüdische und ebenso viele arabische 12- bis
14jährige in dem CTC-Programm in fünf arabischen und vier jüdischen
Schulen und arbeiten emsig daran zu erfahren, wer sie selbst sind;
sie nehmen an Aktivitäten teil, die von hochqualifizierten Trainern
erdacht und ausgeführt werden, bevor sie für einige Tage zu einem
gemischten Treffen auf dem Campus von Givat Haviva zusammenkommen.
„Das CTC-Programm gibt die Möglichkeit, Freiheit im Ausdruck zu
entwickeln, weil ihnen zuerst angeboten wird, sich selbst zu
verstehen und gleichzeitig die Fähigkeit zu entwickeln, andere zu
verstehen. Je mehr Wissen die Kinder über sich selber sammeln,
desto besser gelingt es ihnen später, mit anderen zu kommunizieren“,
erklärt Orit, die Psychologin, die eine langjährige Erfahrung mit
Friedenserziehung hat. Sie gehört auch zu den Gründungspaten des
gemeinsamen jüdisch-arabischen Schulprojekts „Bridge Over the Wadi“
in Wadi Ara.
Zacharia ist von Beruf Lehrer für Staatsbürgerkunde, war Mitglied
und später auch Berater für die arabische Jugendbewegung und hat
eine Anzahl von Jahren erzieherischer Tätigkeit auf dem Buckel,
während der er Treffen zwischen jüdischen und arabischen Teenagers
im Zusammenhang mit dem Projekt für diese Altersgruppe von Givat
Haviva
organisierte, die unter „Face to Face“ bekannt ist.
„Ich glaube an dieses Projekt und die Wichtigkeit der
Zusammenarbeit, sogar in diesen schrecklichen Zeiten“, sagt Zacharia
– und Orit nickt heftig zustimmend.
„Schauen Sie, wir sind sicher nicht in allen Dingen absolut einer
Meinung, aber alle Entscheidungen über CTC sind gemeinsam getroffen“
verstärkt sie noch einmal.
„Gerade jetzt ist die Idee, mehr Schulen einzubeziehen, nicht leicht
zu verkaufen, aber Faktum ist, wir tun weiter, wenn auch unter den
schwierigsten Verhältnissen nach den jüngsten Ereignissen“ sagt sie.
„Schulen, die schon in früheren Jahren im Projekt waren, glauben
weiter daran, indem sie das Programm weiterführen“, unterstreicht
sie die Sinn-haftigkeit ihres Engagements.
Children Teaching Children erreicht auch LehrerInnen, für die
Seminare organisiert werden und die dadurch während der langen Zeit
unterstützt werden, die die Kinder mit dem Projekt verbringen.
Weil die jüdischen und die arabischen Kinder sehr verschieden in
ihrer Lebensgestaltung sind – nicht nur in der Schule, sondern im
allgemeinen in ihren Alltag – kann sich sehr viel Negatives
breitmachen und durch die Narrative der je eigenen Gesellschaft
können sich bösartige Stereotypen entwickeln – dazu kommen einige
tief verwurzelte Vorurteile und eine nicht zu freundliche Presse im
Blick auf den anderen sowohl in hebräischen wie auch in arabischen
Medien.
Orit und Zacharia wollen durch das Vorbild leiten und Children
Teaching Children durch ihr Bekenntnis zur Partnerschaft und
Offenheit miteinander führen, indem sie die Jugendlichen beide
Seiten anstiften, sich authentisch auszudrücken, wie schwierig das
immer sein mag.
Sie haben große Hoffnungen, dass Children Teaching Children an der
vordersten Front einer Bewegung zur positiven Veränderung durch den
Dialog stehen, durch den LehrerInnen und Kinder beider Seiten der
erkannten Trennung als BürgerInnen des gleichen Staates ihre
Heimat bauen und miteinander einen gerechteren Staat für alle
schaffen werden.
(Übers.: Gerhilde Merz)
*)
Friedenszentrum im Kibbutz
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