TRANSLATE
Die Tauben kehren zurück nach
Al-Arakib
Adam Keller , Crazy
Country 15. Februar
2011
‚Genau wie die Demonstranten in Ägypten nicht
von der Polizei abgeschreckt wurden und nie den Platz verließen,
so werden wir in Al-Arakib bleiben. Dies ist der
Negev-Tahrir-Platz. Genau wie die Demonstranten in Kairo am Ende
gewonnen haben, so werden wir gewinnen,’ sagte der junge Mann,
der uns begrüßte, als der Convoy mit den Aktivisten ankam – ein
voller Bus und eine Reihe Privatwagen – erreichte die Hügel
nordwestlich von Be’ersheba. Die Freudenschreie beim Fall des
Tyrannenregimes aus Kairo waren auch hier in dieser entlegenen
Gegend klar gehört worden.
„Vorgestern, Donnerstag, war ein besonders
harter Tag. Während wir beim Frühstück saßen, kam die Polizei
und umzingelte uns von allen Seiten. Der Kommandeur sagte:
„Innerhalb von zwei Minuten müsst Ihr hier klarschiff machen –
oder wir werden Gewalt anwenden“. Nach den zwei Minuten griffen
sie uns gewalttätig an – im Männerzelt und genau so im
Frauenzelt. Von allen Seiten hörte man Schreie. Meine Augen
brannten noch immer von dem Pfefferspray, der vor zwei Tagen
direkt gegen uns versprüht wurde. Als ein Kind verletzt wurde,
dauerte es Stunden, bis wir die Genehmigung erhielten, dass ein
Ambulanzwagen den Polizeikordon passieren und das Kind holen
durfte. Aber sie haben uns nicht gebrochen. Am Abend, als die
Polizei wegfuhr, kamen wir zurück und bauten unsere Hütten
wieder auf,’ sagte Aziz Abu-Median.
‚Schau auf dieses Foto von vor einem Jahr.
Dort auf dem Hügel hatten wir unseren Olivenhain. Arakibs 4500
Olivenbäume. Von diesen Bäumen lebten wir, von Oliven und Öl.
Wir behandelten sie wie unsere Kinder und widmeten ihnen viel
Zeit, Tag und Nacht, im Sommer wie im Winter. Vor sechs Monaten
wurden alle ausgerissen, kein einziger Baum blieb stehen, keine
Spur von ihnen ist übrig geblieben. Sieh, was es für wunderbare
Bäume waren. Ist es nicht traurig, solche Bäume zu zerstören?
Der JNF sagt, man wolle jetzt hier einen
Wald pflanzen. Was für eine Art Wald? Ein Wald mit Bäumen, die
keine Früchte tragen, und die niemandem nützen? Diese sollen
unsere Olivenbäume ersetzen und unsere Wohnhütten?. Warum? Wie
dumm und hässlich!. Sie wollen das Land in Besitz nehmen, und
sie kümmern sich überhaupt nicht darum, wie sehr sie Menschen
verletzen.
Und die Hütten, die nach der letzten
Zerstörung wieder aufgebaut wurden, waren über das Feld
verteilt: aus blauen Plastikplanen und Wahlkampfbögen. Junge
Dorfbewohner gingen zusammen mit Aktivisten aus Tel Aviv und
Jerusalem mit Spraydosen umher und sprühten große
Beschriftungen auf Arabisch und Hebräisch und Englisch: „Al-Arakib
wird nicht fallen“, „JNF – der Fond, der zerstört und
enteignet“, „Von Kairo bis Al-Arakib – Solidarität, Solidarität,
Solidarität!“ „Bitte zerstört nicht mein Heim – Danke!“ Einer
der jungen Männer unterstrich das Wort ‚Bitte’ dreimal.
Scheich Sayah al-Turi breitet auf der
Autohaube Kopien von Jahrzehnte alten Dokumenten aus, einige von
ihnen über 100 Jahre alt. „Wir kauften 1906 viel von diesem
Land. Und ich habe noch ein anderes Kaufdokument von 1929. Hier
steht alles – Name des Käufers, des Verkäufers, die Kaufsumme.
1350 Dunum Land, die ordnungsgemäß bezahlt wurden und wo wir
schon lange, bevor es Israel gab, lebten. Die Dokumente wurden
ins Hebräische übersetzt und auf großen Blättern Papier
gedruckt. Die Regierungsbehörden erkennen keines dieser
Dokumente an, die beweisen, dass die Beduinen die Besitzer sind.
Der Staat behauptet, dies sei ‚Staatsland’ und die Beduinen, die
darauf leben, seien illegale Siedler / Sqatters, die vertrieben
werden müssten, damit der JNF seine Aufforstungsarbeit
fortsetzen könne.
„Wir sollen Sqatters sein? Wer ist
denn dort auf dem Friedhof beerdigt? Der Friedhof wurde 1914
eingerichtet? Keiner von Netanyahus Vorfahren liegt dort … Jeder
hier Begrabene ist ein Mitglied des al-Turi-Stammes, unsere
Groß- und unsere Urgroßväter. Und was bietet uns die Regierung
an? Alternatives Land bei Rahat für 20% unseres Landes …“
„Warum sollen wir nach Rahat gehen ?“ fragt
ein junger Mann. „Was gibt es in Rahat? Eine sehr hohe
Arbeitslosigkeit und eine sehr hohe kriminelle Rate? Warum? Ich
kenne junge Leute, deren Familien dorthin gingen. Sie haben kein
Einkommen – nur eine Arbeitslosenunterstützung, von dem man kaum
leben kann. Wundert man sich dann noch, dass sie kriminell
werden? Ist es das, was die Regierung uns anbietet? Die
Regierung will hier im Negev „individuelle Farmen“ gründen und
jedem das beste Land und Wasser geben, unter besten Bedingungen,
vorausgesetzt, dass er Jude ist. Lasst sie Arakibs 1350 Dunum
Land in „individuelle Farmen“ teilen und dies uns geben. Man
wird sehen, wie wir blühende Farmen mit unsern eigenen Händen
schaffen werden“.
Ya’alah Ra’anan, eine prominente Anwältin für
die „nicht anerkannten Dörfer“… kommt und erklärt: „Es ist für
sie völlig unwichtig, ob hier ein Wald steht oder nicht. Es ist
nur eine zynische Manipulation, um den Landdiebstahl zu decken.
Vor 60 Jahren enteignete die Regierung das Land „ für die
Allgemeinheit“, machte aber nichts aus diesem Land. Dies machte
es juristisch möglich, das Land zurück zu fordern und den
ursprünglichen Besitzern zurückzugeben. Deshalb setzten sie
schnell den JNF ein, um hier einen Wald zu pflanzen. Sie machten
sich keine Gedanken darüber, ob hier eine Wald wächst oder nur
Dornengestrüpp …
Und Arakib ist nur der Anfang. Wenn Arakib
fällt, dann kommen andere Orte dran: Ujan in Umm al Hiran, auch
ein nicht anerkanntes Dorf… Die Regierung will dort ein
offiziell anerkanntes Dorf bauen – aber nur für Juden. …
Auf dem Weg zu den Hütten von Arakib kamen
die Dorfbewohner mit Tabletts voller Essen:
Hummus, Pitabrot und gewöhnlichem Brot,
Tomaten, Oliven, Zwiebeln, Hühnchenschenkel. „Setzt euch und
esst, Ihr seid unsere Gäste, Ehrengäste“. Alle setzten sich im
Kreis auf den Boden , aßen und plauderten mit einander. „Mein
Sohn fing an zu sagen ’die Juden sind schlecht, die Juden
zerstören unser Heim. Ich sagte ihm. Das sind die Leute von der
Regierung. Es gibt aber auch Juden, die uns helfen und mit uns
zusammen kämpfen’. Jetzt sagt er nur: ‚Die Regierung sind
schlechte Leute…’ ‚ Nun ist es länger als ein Monat her, als
ich ihn die Juden verfluchen hörte.’
Nachdem wir gestern unser Freitagsgebet
gehalten hatten, kamen plötzlich unsere Tauben wieder zurück.
Sie waren weggeflogen, als das Dorf zerstört wurde. Es war auch
ihr Taubenschlag zerstört worden – genau wie unsere Hütten. Doch
sie wissen , dass sie nach Al-Arakib gehören.
Nach dem Besuch am Samstag blieben ein paar
Aktivisten übernacht da, im Falle dass die Polizei und die
JNF-Bulldozer am nächsten Morgen wieder kommen. Al-Arakib hatte
dann ein paar relativ ruhige Tage … Aber gestern traf im
Aktivistennetzwerk eine Eilnachricht ein: die nächste Zerstörung
kann jeden Augenblick passieren …
Unterdessen besuchten Aktivisten die Hütte
von Nuri al-Ukbi, der Beduinen-Aktivist, der in Arakib geboren
wurde, um seine Entlassung aus dem Gefängnis bescheiden zu
feiern.
Wenigstens eine gute Nachricht.
((Inzwischen ist Al-Arakib 16 mal zerstört
worden – nichts davon in unsern Medien und unsere Regierung
schweigt. Sind Beduinen keine Menschen? ER))
(dt. und stark gekürzt: Ellen
Rohlfs)
|