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Machsom Watch

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Machsom Watch Bericht , Dezember 2006

 

 

Machsom Watch Matria[1] – Dezember 2006

Machsom Watch – eine Organisation israelischer Frauen gegen die Besatzung und für Menschenrechte, die sich mit einem der härtesten Aspekte der Besatzung befasst – der Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Palästinenser in den besetzten Gebieten.

 

 

Apartheid?

 

Die grundlegende Frage ist: Warum braucht man eine Erlaubnis, um zur Arbeit zu gehen, zum Studium oder zum Arzt oder für jede andere alltägliche Tätigkeit? Die Antwort lautet: Grundsätzlich und zuallererst ist es verboten, zur Arbeit, zum Studium oder zum Arzt zu gehen, und daher ist das System der Erlaubnisscheine im Grunde genommen ein System von Verboten, das die Sicherheitskräfte jederzeit und überall anwenden.

 

Israel verfolgt eine Politik der Einschränkung der Bewegungsfreiheit gegenüber drei Millionen Menschen und ihrem Lebensgefüge. Die Vorgänge, deren wir heute Zeugen sind, sind nicht neu, aber sie werden immer schwerwiegender, bekommen eine formale Gestalt und werden durch Befehle und Anordnungen, die die Zivilverwaltung der Besetzten Gebiete erlässt und immer wieder verlängert, institutionalisiert. Keine der angeblich "vorläufigen" Anordnungen wurde widerrufen, aber neue drakonische Vorschriften werden täglich, monatlich erlassen. Das Beispiel, das wir hier anführen – eine militärische Anordnung, die den Transport von Palästinensern in israelischen Autos innerhalb der Besetzten Gebiete verbietet – ist nur der jüngste Fall:

 

Israelische Verteidigungsarmee

Öffentliche Bekanntmachung

Der Befehlshaber des Kommandos "Mitte", General Jaïr Naveh, hat am 19. November 2006 aus Sicherheitsgründen angeordnet, ein System von Erlaubnisscheinen bezüglich des Transports von Palästinensern durch Israelis in israelischen Fahrzeugen im Gebiet von Judäa und Samaria (im Folgenden: JuS) einzurichten.

Die Anordnung erfolgt aufgrund einer Reihe von Ereignissen, bei denen Terroristen israelische Fahrzeuge, die von Israelis gelenkt wurden, benutzten – mit und ohne deren Wissen – um Sperren der Armee und Übergänge im Sicherheitszaun zu passieren mit dem Ziel, Anschläge auf israelische Ziele durchzuführen.

Es wird betont, dass diese Anordnungen sowohl für israelische Staatsbürger als auch für Ausländer mit Wohnrecht in Israel aufgrund des Gesetzes über die Einreise nach Israel von 1952 gilt (im Folgenden: Israelis).

Die Anordnungen, die vom Befehlshaber des Kommandos unterzeichnet wurden, legen fest, dass es Israelis verboten ist, im Gebiet von JuS Palästinenser in israelischen Fahrzeugen zu transportieren, es sei denn, sie haben eine individuelle oder allgemeine Erlaubnis dafür.

In Fällen, in denen ein Israeli einen Palästinenser in einem israelischen Fahrzeug im Gebiet von JuS transportieren möchte, ist er verpflichtet, dafür eine besondere Erlaubnis einzuholen, es sei denn, dass für ihn eine allgemeine Erlaubnis gilt.

Um die oben erwähnte individuelle besondere Erlaubnis zu bekommen, muss man sich an die für Gesuche der Öffentlichkeit zuständige Offizierin im Kommando "Mitte", Telefon 02-5305677 oder Fax 02-5305724 wenden.

Es wird betont, dass die Anordnung des Befehlshabers des Kommandos "Mitte" innerhalb von sechzig Tagen nach ihrer Unterzeichnung in Kraft tritt, d.h. am 19. Januar 2007.  Gegen einen Israeli, der von Sicherheitskräften bei dem Transport eines Palästinensers in einem israelischen Fahrzeug im Gebiet von JuS entgegen den obengenannten Anordnungen gefasst wird, werden geeignete Schritte unternommen werden.

In den vom Befehlshaber des Kommandos "Mitte" festgelegten Anordnungen wurden eine Reihe von Fällen festgelegt, in denen es nicht nötig ist, eine besondere Erlaubnis für den Transport von Palästinensern in israelischen Fahrzeugen im Gebiet von JuS zu bekommen. Es folgt eine Liste dieser Fälle:

  • Ein Israeli, der im Gebiet von Judäa und Samaria in einem israelischen Fahrzeug einen Palästinenser transportiert, der zu seiner Familie gehört. Als Familienmitglieder gelten: Vater, Mutter, Ehegatte, Gattin, Bruder, Schwester, Sohn, Tochter, Großvater, Großmutter, Enkel oder Enkelin.

  • Ein Israeli, der im Gebiet von Judäa und Samaria in einem israelischen Fahrzeug einen Palästinenser transportiert, der die Erlaubnis hat, israelisches Staatgebiet zu betreten.

  • Ein Israeli, der im Gebiet von Judäa und Samaria in einem israelischen Fahrzeug einen Palästinenser transportiert, der die Erlaubnis hat, israelische Ortschaften in JuS zu betreten.

  • Ein Israeli, der im Gebiet von Judäa und Samaria in einem israelischen Fahrzeug einen Palästinenser transportiert, der eine besondere individuelle Erlaubnis der Zivilverwaltung hat, in JuS in einem israelischen Fahrzeug zu fahren.

  • Ein Israeli, der im Gebiet von Judäa und Samaria in einem israelischen Fahrzeug einen Palästinenser transportiert, der eine Erlaubnis der Zivilverwaltung hat, die bestätigt, dass er in internationalen Organisationen, in medizinischen Teams oder beim Straßenbau arbeitet.

  • Ein Israeli, der im Gebiet von Judäa und Samaria in einem israelischen Fahrzeug einen Palästinenser in einem israelischen Autobus transportiert, der von der zuständigen Stelle in der Zivilverwaltung die Erlaubnis erhalten hat, in JuS eine Autobuslinie einzurichten.

  • Ein israelischer Rechtsanwalt, der palästinensische Klienten vertritt, im Rahmen seiner Tätigkeit.

  • Ein Israeli, der im Gebiet von Judäa und Samaria in einem israelischen Fahrzeug einen Palästinenser in dringenden humanitären Fällen in Notfall- und Rettungsfahrzeugen transportiert.

  • Aktivisten von Menschenrechtsorganisationen und internationalen Organisationen, die eine allgemeine oder besondere Erlaubnis bekommen werden.

Wer einen Erlaubnisschein besitzt, muss diesen bei der Fahrt mit sich führen. Ein Erlaubnisschein, der vom Fahrer oder vom Passagier nicht vorgelegt wird, wird nicht anerkannt. Die oben erwähnten allgemeinen Erlaubnisscheine werden vor Inkrafttreten der Anordnung unterzeichnet werden. Palästinenser dürfen in den DCO's (District Coordinating Office – Regionales Koordinierungsbüro) ihrer Wohngegend Anträge für Erlaubnisscheine einreichen.

Zwecks Erhalt von Kopien der obigen Anordnung kann man sich an die für Gesuche der Öffentlichkeit zuständige Offizierin im Kommando "Mitte" unter der oben genannten Adresse wenden.

 

Straßen, auf denen palästinensische Fahrzeuge nicht fahren dürfen

 

Auf mehr als 15 Straßen und Straßenabschnitten besteht ein absolutes Fahrverbot für palästinensische Fahrzeuge. Die wichtigsten sind:

  • Straße Nr. 443 von der Bet Choron-Kreuzung (östlich von Modi'in) bis zur Giv'at Se'ev-Kreuzung. Für die Erweiterung der Straße wurde Land der umliegenden Dörfer beschlagnahmt.

  • Straße Nr. 557, die von der Region Tulkarem im Westen bis zur Siedlung Elon More führt. Der Abschnitt zwischen dem Kontrollposten von Chawara bis nach Elon More dient heute lediglich als Zufahrtsstraße für die Siedlungen Itamar und Elon More.

  • Teile von Straße Nr. 60, der Hauptverkehrsader der Westbank.

Alle Zufahrtswege von den Dörfern zu diesen Straßen sind durch Sperren abgeschnitten. Aufgrund der Absperrung des Zugangs zur Straße sind die Dorfbewohner gezwungen, Seitenwege zu benutzen, die zum Teil nicht asphaltiert sind und durch die Dörfer und ihre kurvenreichen Gassen führen. Infolgedessen dauern die Fahrten von Ort zu Ort wesentlich länger und werden wesentlich gefährlicher und teurer.

 

Die Militäranordnung, die erst Mitte Januar in Kraft treten wird, wird schon angewendet: Ein palästinensischer Israeli aus Haifa sitzt in einem mit Sofas beladenen LKW und wartet bereits drei Stunden auf seinen Personalausweis und die Autoschlüssel, die ihm weggenommen worden sind. Der Mann hat Palästinenser transportiert, die mit ihm arbeiten. Sie wurden schon längst freigelassen, aber er wird immer noch festgehalten. Der Kommandant des Kontrollpostens erklärt, dass er ihn erst am nächsten Morgen freilassen wird. Der Mann hat selbst die Polizei gerufen, die neben seinem LKW parkt. Die Polizisten sitzen tatenlos in ihrem Jeep. Nach Aussage des Festgehaltenen hat ihm der Polizist gesagt, dass die Polizei kein Interesse an ihm habe und empfohlen, ihn freizulassen. Der Soldat jedoch hat gesagt: "Hier bestimmt die Armee und nicht die Polizei". Wir baten den Polizisten, uns die Situation zu erklären. Er wies den Soldaten an, ihm den Ausweis und die Schlüssel zu geben und versprach uns, den Mann "bald" freizulassen. Erst nach einer weiteren Viertelstunde gab er dem Mann seinen Ausweis und die Fahrzeugschlüssel zurück. (Satara, südlich von Nablus, 3.12.06)

 

Auf dem Abhang, der von Tel Rumeida hinunterführt, geht eine Frau, deren Füße sehr schmerzen, sie geht langsam. Sie sagt, dass sie krank ist und möchte, dass ein Taxi sie ins Krankenhaus bringe – aber: Die Apartheidstraßen und die Kontrollposten machen das unmöglich. (Tarpat-Kontrollposten, Hebron, 12.12.06)

 

Wir sahen drei Arbeiter, die neben der Werkstatt der Familie Abu Aischa (direkt neben dem Kontrollposten) warten. Sie sind gekommen, um Reparaturen im Haus der Familie jenseits des Kontrollpostens gegenüber der Siedlung durchzuführen – und es stellt sich heraus, dass sie dorthin nicht durchgelassen werden, obwohl sie Einwohner Hebrons sind und nur etwas reparieren wollen. Warum? Abgesehen von der Familie Abu Aischa selbst darf kein Einwohner Hebrons das Haus betreten – jedes Mal muss einen besondere Erlaubnis beantragt werden. (Tel Rumeida-Kontrollposten, Hebron, 12.12.06)

 

Die Situation der palästinensischen Familien, die an der Einfahrt nach Beit Jatir wohnen, das der Sicherheitszaun der israelischen Seite zugeschlagen hat, ist hart. Die Familien sind vom palästinensischen Gebiet abgeschnitten, aber da sie keine israelische Staatsbürgerschaft besitzen, finden sie sich in einer absurden Situation wieder. So können sie zum Beispiel nicht mit ihren Fahrzeugen, die palästinensische Kennzeichen haben, fahren. (südlich von Hebron, 12.12.06)

 

Muhamad Abu Kabata kommt mit seinem Wagen, seiner schwangeren Frau und seinen zwei kleinen Kindern am Kontrollposten an. Sie dürfen passieren – aber das Fahrzeug nicht. (südlich von Hebron, 5.12.06)

 

An den "humanitären" Notfalldienst - Zur Kenntisnahme

 

Ch. G. Abd-al-Salam besitzt einen israelischen Personalausweis und wohnt in Ostjerusalem. Seine vier Kinder sind in seinem Ausweis eingetragen. Seine Frau hat einen palästinensischen Personalausweis und trägt eine Notiz des Innenministeriums mit sich, die bestätigt, dass sie eine Bitte um Familienvereinigung eingereicht hat und die es ihr normalerweise ermöglicht, von Anata nach Jerusalem zu gehen, wenn sie in die Schule gerufen wird, mit einem der Kinder zur Krankenkasse muss oder ihre Eltern in Abu Dis besuchen möchte. Ihr Mann arbeitet schon viele Jahre in einem Gemüsegeschäft in Jerusalem. Er besitzt ein Fahrzeug und brachte seine Frau und zwei seiner Kinder nach Jerusalem, als er festgehalten und beschuldigt wurde, "Illegale" zu transportieren. Die Mutter wurde in einem Jeep zum Verhör bei der Polizei in Etzion gebracht. Die Kinder, die Zeugen des Geschehens waren, waren verängstigt und der Ehemann war fassungslos: Hatte er doch keinen Terroristen transportiert, sondern "nur" seine Frau, die Mutter seiner Kinder. Das Fahrzeug wurde für einen Monat beschlagnahmt, und er wartet auf die Gerichtsverhandlung. (Jerusalem, 21.12.06)

 

Äußerst dringend

An Verteidigungsminister

Amir Peretz

 

Betr.: K. M. Ali Chasan

 

Sehr geehrter Herr Minister,

 

K.'s zehnjähriger Sohn liegt in der Kinder-Onkologieabteilung des Hadassah-Krankenhauses Ein-Karem in Jerusalem. Das Kind hat Krebs, und am Donnerstag wurde ein Geschwür aus seinen Nieren entfernt. Der Krebs hat sich auf die Lunge ausgeweitet. Infolge der Chemotherapie hat das Kind seine Haare und Zähne verloren. Seit der Operation sind seine Beine gelähmt. Das Kind liegt in der vierten Etage der Kinderabteilung. Die Mutter hat einen israelischen Personalausweis und wohnt in Armon Ha-Natziv (Ostjerusalem). Sie befindet sich bei ihrem Sohn. Der Vater wohnt im Dorf Abadije bei Betlehem und steht aus unbekanntem Grund auf der Schwarzen Liste des Geheimdienstes. Er bittet um die Erlaubnis, das Krankenhaus in Jerusalem betreten zu dürfen, um seinem sterbenden Sohn beizustehen.

Wir richten an Sie die dringende Bitte, dem Vater zu ermöglichen, bei seinem Sohn zu sein.  (Jerusalem, 15.1.07)


 


[1]  "Matria" ist abgeleitet von dem hebräischen Verb "lehatria", das "(als Alarmzeichen) in die Posaune/ins Horn blasen" und "Protestgeschrei erheben" bedeutet.

 

 

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