Nur um sicher zu sein, dass wir nichts wissen
Machsom Watch Frauen kämpfen darum, zu zeigen, was auf gestohlenem
Land geschieht.
Shulmit Aloni, Ynet-news, März 2006
Es war einmal
ein Volk, in dessen Namen die hoch gelobten Militär- und
Sicherheitskräfte – geheim oder weniger geheim – die barbarischsten
Verbrechen begangen haben.
Das Land
behauptet: „Wir haben es nicht gewusst“ – sogar als die Armee Häuser
plünderte und fremdes Land angriff. Die Regierungs- PR und
Propaganda war für die Menschen sehr hilfreich, die nichts wissen
wollten..
„Unsere Aktionen
sind existentiell notwendig“, behaupten sie. „Der Feind ist
gefährlich“ , „Unsere Armee ist die moralischste der Welt“, „Unser
Land braucht uns und wir sind Patrioten“. Sie singen patriotische
Lieder und erfreuen sich an der Beute, die sie gestohlen haben.
Eines Tages wird
die Nation, „die nichts wusste“ und die Welt, die zu spät begriffen
hat, ernüchtert und vor Schrecken aufwachen. Seitdem ist das Recht,
Bescheid zu wissen, und sogar die Verantwortung, ( von allem) zu
berichten, das Kennzeichen der modernen Gesellschaft geworden.
Kein
Patriotismus rechtfertigt, die Wahrheit zu verbergen, keine Schande
rechtfertigt, die Tatsachen zu leugnen, keine Abscheu rechtfertigt,
Beamten zu erlauben, die Veröffentlichung von Taten zu verhindern,
die niemals hätten geschehen dürfen.
Doch bei uns
ist es nicht so. Im besetzten, gestohlenen, gequälten, vor Hunger
sterbenden Land, in dem Land, das wir seit 39 Jahren beherrschen,
begehen unsere Brüder und Söhne als Soldaten unserer bejubelten
Armee unmenschliche Taten.
Aber im Namen
des Patriotismus’, im Namen von „Wir sind immer in Ordnung“ und
„immer die Opfer“ sagen wir, dass alle Kontrollpunkte, alle
ausgerissenen Bäume, alle zerstörten Häuser „ für unser Überleben
nötig sind“ . Ganze Städte und Dörfer in Gefängnislager zu
verwandeln, ist eine „existentielle Notwendigkeit.“
Es ist alles
legal und scheinbar einwandfrei. Alles wird von unserer glorreichen
Armee mit Engagement und mit Genehmigung des Verteidigungsministers
ausgeführt – einem Mann, den man kaum als glorreich bezeichnen kann.
Es gibt Leute
hier, die sich daran erinnern, ( was es heißt) „nicht zu wissen“,
die sich verantwortlich fühlen und die nicht freiwillig blind sein
wollen oder sich hinter der Behauptung verstecken wollen: „Ich habe
es nicht gewusst“. Und um die flaue Behauptung „Wir haben es nicht
gewusst“ zu verhindern , haben die Frauen von Machsom Watch mit
bemerkenswerter Entschlossenheit eine Photoausstellung vorbereitet,
bescheiden im Vergleich zur Realität in den (besetzten) Gebieten –
aber sie zeigt, was sich täglich an den Checkpoints abspielt.
Diese Frauen
versuchen - von ihrem Gewissen geleitet – den ( von Soldaten
begangenen) Schaden in Grenzen zu halten. Und sie dokumentieren nun
den Schaden, die erschwerenden Umstände, die demütigende Tortur, die
die zivile ( paläst.) Bevölkerung durchmachen muss. Sie haben ihre
Arbeit in einer Photoausstellung in Zentren überall im Lande
vorgestellt.
Dann kamen sie
nach Beer Sheva. Obwohl man an vielen Orten diese Ausstellung
abgelehnt hat, ( um die Leute, die nicht wissen wollen, nicht
aufzuregen) hatte man ihnen die Genehmigung erteilt, die Ausstellung
in der Halle des Lehrerzentrums zu zeigen.
Der Leiter der
Halle und der stellvertretende Bürgermeister autorisierten die
Ausstellung schon zwei Monate im voraus. Doch letzte Woche kam eine
Frau und schrie, dass sie es nicht zulassen würde, dass die
Ausstellung hier gezeigt würde.
Offensichtlich
war sie eine ( um ihren Sohn) trauernde Mutter, und in ihren Augen
sind die Araber Teufelskinder, die ausgelöscht werden müssen. Am
nächsten Tag strich der Bürgermeister die Ausstellung vom Plan.
Das „Elternforum
–trauernde Familien für den Frieden“ bat den Bürgermeister dringend,
seine Meinung zu ändern. „Wir sind sehr davon betroffen, dass Sie
eine Möglichkeit des Ausdrucks blockiert haben, die nur eines im
Sinn hat, das Leiden zu verringern und den Konflikt abzukürzen“,
schrieben sie.
Sie wandten sich
sogar an den Gerichtshof, aber der Richter sagte weder ja noch nein.
Stattdessen sollten sich die Antragsteller an den Stadtrat wenden.
Redefreiheit und
das Recht zu wissen, selbst wenn die in Frage kommende Information
nicht erfreulich ist, ist in unserem öffentlichen oder juristischen
Bewusstsein nicht mehr verankert.
So kann Israel
seiner hoch verehrten Armee weiterhin freie Hand lassen. Der
Generalstabschef lässt Bomben vom Himmel fallen, der
Verteidigungsminister schaut nach Ausflüchten, um morden,
strangulieren, verhungern lassen zu können.
Und die
Öffentlichkeit stützt sich auf das Recht zu sagen: „Wir wussten
nichts“. Warum den Bürgermeister Turner und den Richter unter Druck
setzen, die nur eben ihren Job auf dem goldenen Mittelweg tun.
(dt. Ellen
Rohlfs)
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