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Edward
Said und Barack Obama
Von Prof.
Haidar Eid, Gaza 13, 11.2009, Countercurrent.org
Ein offener Brief von
einem palästinensischen Bewohner des Gazastreifens an den Präsidenten der
USA
Sehr geehrter Herr
Präsident,
wahrscheinlich werden Sie
diesen Brief wegen Ihres vollen Terminkalenders nicht lesen und auch wegen
der Berge von Post, die Sie von Präsidenten, Königen, Prinzen, Scheiks und
Ministerpräsidenten bekommen. Wer ist schon ein palästinensischer Akademiker
aus dem Gazastreifen, der die Frechheit besitzt, einen offenen Brief an den
Präsidenten der USA zu schreiben? Was diesen Brief ausgelöst hat, ist ein
Photo Eurer Exzellenz, auf dem Sie neben dem inzwischen verstorbenen
palästinensischen Intellektuellen Edward Said sitzen. Dies war vor 2004,
bevor sie eine Wandlung durch machten, die einmalig in der Geschichte ist.
Ich war überrascht, als ich Sie zusammen mit Edward Said sitzen sah. Said,
ein allgemein bekannter Intellektueller muss Ihnen etwas über das Leiden des
palästinensischen Volkes gesagt haben. Auf dem Foto sieht es so aus, als
würden Sie und Ihre Frau ihm sehr aufmerksam und bewundernd zuhören. Nur
bleibt mir zu fragen: Haben Sie wirklich seine eloquente, leidenschaftliche
Verteidigung der Rechte der einheimischen Bewohner Palästinas verstanden?
Wenn ich Ihre augenblickliche politische Einstellung beurteile, habe ich
meine Zweifel daran. Es ist genau der Missklang zwischen dem Photo und dem
Politikwandel, der mich diesen Brief schreiben ließ.
Herr Präsident
Die ganze Welt feierte
Ihre Wahl als erster afrikanisch-amerikanischer Präsident der USA – ich tat
es nicht. Auch die Einwohner des Konzentrationslagers, in dem ich lebe,
feierten nicht: Ihr teilnahmsvoller Besuch von Sderot, einer israelischen
Stadt, die einmal bis 1948 das palästinensische Dorf Hooj war, bevor es
ethnisch gesäubert wurde, und drei Jahre nach ihrem 1. Besuch in einem
Kibbuz im nördlichen Israel, um seine Einwohner zu unterstützen und nach
Ihrem Versprechen, sich für die Sicherheit des Staates Israels einzusetzen
und sein „Recht“ das vereinigte Jerusalem als Hauptstadt des jüdischen
Volkes zu halten – um nur ein paar Beispiele zu geben – waren alles klare
Anzeichen, wo Ihr Herz schlägt.
Ein anderer Grund für das
Schreiben dieses Briefes ist der Schock und die Gleichgültigkeit und
Arroganz, mit der die Außenministerin H. Clinton die palästinensischen
Sorgen und Nöte über Israels illegale rein jüdische Siedlungen in der
Westbank bei Seite wischte. Erst vor wenigen Wochen machten Sie das
bewundernswerte Statement, dass ALLE jüdischen Siedlungen gestoppt werden
müssen, und Sie machten klar, dass dies auch die Expansion der bestehenden
Siedlungen und den Bau neuer Siedlungen betrifft. Doch als Netanyahu wissen
ließ, dass er nicht die Absicht habe, den Siedlungsbau zu stoppen,
versäumten Sie die historische Gelegenheit, eine Linie zu ziehen: keine
Milliarden mehr für Israel und auch keine Waffen mehr, bis sich Israel an
die Bedingungen hält. Nun hat die Außenministerin Clinton die
Riesenaufgabe, vorzutäuschen, dass sich Ihre Position zu den jüdischen
Siedlungen nicht verändert habe, obwohl Sie klar gewählt haben, nicht Ihre
ganze Ihnen zur Verfügung stehende Macht einzusetzen, um die israelische
Politik zurückzupfeifen.
Etwa sechs Monate nach
Ihrer Wahl hielten Sie in Kairo eine Rede an die arabische und islamische
Welt, die einige Leute eindrucksvoll fanden. Ich fand sie in ihrer Form
eindrucksvoll, aber nicht in ihrer Substanz, weil ihre Aktionen nicht mit
Ihren Worten übereinstimmen. Warum habe ich der neuen amerikanischen
Regierung die Worte nicht abgenommen? Weil wir während Ihrer Rede meinen
Nachbarn beerdigten, einen unheilbar Kranken, der eine Behandlung in einem
Krankenhaus im Ausland benötigt hätte, der aber wegen der Belagerung, die
durch Ihre und die israelische Regierung über den Gazastreifen verhängt
wurde, nicht ausreisen konnte. Die Einrichtungen, die sein Leben gerettet
hätten, gibt es in Gaza nicht. Mehr als 400 unheilbar Kranke sind deshalb
wie mein Nachbar in Gaza gestorben. Trotz der feinen arabischen Worte des
Friedens „Salaam aleikum“ machten Sie es kristallklar, dass bei allen
Verhandlungen im israelisch-palästinensischen Konflikt die Sicherheit
Israels das Wichtigste ist. Während Sie, Herr Präsident , dies tun,
marginalisieren Sie das ganze Problem Palästina und bereiten neue
israelische Angriffe gegen einen vor Hunger sterbenden Gazastreifen vor, ein
Land, das dank Ihrer „unverbrüchlichen“ Verbindungen mit Israel ins größte
KZ der Erde verwandelt wurde.
Ihr Versäumnis, den
Goldstone-Bericht zu unterstützen, Ihre Gleichgültigkeit, ganz zu schweigen
von Ihrer Mitbeteiligung am palästinensischen Leiden und dem Prozess des „Politizids“
gegen das palästinensische Volk im Gazastreifen ist, um wenigstens dies zu
sagen, unbegreiflich: wie kann dies von einem Mann kommen, der einmal so
ernst Edward Said zugehört hat? Ihre Berater müssen Ihnen vom Mangel an
Medikamenten, Lebensmittel, Brennstoff in diesem Konzentrationslager gesagt
haben, in dem ich lebe. Patienten, die Dialyse-Geräte und anderes dringend
nötig bräuchten, sterben jeden Tag. Viele Kinder – einige im selben Alter
wie Ihre beiden prächtigen Mädchen - sind stark unterernährt.
Sie müssen nur
oberflächlich die Zusammenfassung des Goldstone-Berichtes durchgegangen
sein, der den Horror schildert, den 1,5 Millionen Zivilisten 22 Tage lang
erlitten haben, verursacht von F16., Apache-Helikoptern, Phosphorbomben, die
in amerikanischen Fabriken hergestellt wurden. Hunderte Kinder wurden zu
Tode verbrannt, schwangere Frauen gezielt abgeschossen ( worüber sich die
isr. Soldaten mit ihren T-Shirts noch rühmten – „ein Schuss, zwei
getötet“.) Und von Ihnen, Herr Präsident, kam kein Wort des Mitgefühls!
Als Edward Said das erste
Mal im Gazastreifen war, sagte er folgendes: „Es ist der schrecklichste
Platz, an dem ich je war … es ist ein entsetzlicher Platz wegen der
Verzweiflung und des Elends, indem die Leute hier leben. Ich war nicht auf
Lager vorbereitet. Sie sind schlimmer als das, was ich in Süd-Afrika sah.“
Und dies war 1993, Herr Präsident vor der dramatisch sich verschlimmernden
Lage, in die Gaza jetzt kam. Die führende israelische
Menschenrechtsorganisation B’tselem beschrieb sie als das „größte Gefängnis
der Welt“.
Herr Obama
Anders als Ihr Vorgänger
scheinen Sie ein intelligenter Mann zu sein. Es muss Ihnen klar geworden
sein, dass eine Zwei-Staatenlösung unmöglich geworden ist: 1.durch die
israelische Kolonisierung der Westbank, 2. durch den Krieg im Gazastreifen,
3. die Ausdehnung des sog. Groß-Jerusalem und 4. durch das Anwachsen der
Anzahl der jüdischen Siedler in der Westbank. Es scheint Ihnen auch klar
geworden zu sein, dass es 6 Millionen Flüchtlinge gibt, von denen die
meisten unter miserablen Bedingungen leben. Sie warten auf einen mutigen,
visionären Führer, der der wahren Demokratie, den Menschenrechten und dem
Völkerrecht und der Erfüllung der UN-Resolution 194 verpflichtet ist. Und
doch haben Sie und Ihre Außenministerin wie jeder US-Präsident seit 1967
sich entschieden, Israel zu unterstützen und dabei Bedingungen geschaffen,
die eine Zwei-Staatenlösung unmöglich, undurchführbar und ungerecht machen.
Waren Sie ein Unterstützer des Bantustan-Systems in Süd-Afrika unter dem
Apartheidsystem? Sind Sie gegen die gleichen Rechte und die Umwandlung von
Israel/Palästina in einen Staat für alle seine Bürger? Die
Zwei-Staatenlösung bedeutet die Bantustanisierung Palästinas, eine Lösung,
die Sie unseres Wissens nach für Südafrika nie unterstützt haben . Sind Sie,
Herr Präsident, gegen eine bürgerliche Demokratie, die von dem größten Teil
der palästinensischen zivilen Gesellschaft und den Grassroot-Organisationen
gewünscht wird. Das ist es, wofür Martin-Luther-King und Steve Biko
gestorben sind. Hatte Nelson Mandela Unrecht, als er 27 Jahre seines Lebens
im Gefängnis verbrachte, als er für die einheimische Bevölkerung Südafrikas
die gleichen Rechte forderte? Ist Ihnen bewusst, dass das, was Sie im Nahen
Osten unterstützen, eine rassistische Lösung par Excellence ist? Eine
Lösung, die sich auf „ethnischen Nationalismus“ gründet. Ihre
Außenministerin und Ihr Sonderberater für den Nahen Osten standen schamlos
lächelnd neben Avigdor Lieberman, der nicht nur offen die ethnische
Reinigung der Palästinenser fordert, sondern zu einem neuen GENOZID im
Gazastreifen aufruft! Ist Ihnen bewusst, Herr Präsident, dass dieser
Hitlerfaschist womöglich der nächste israelische Ministerpräsident werden
könnte – dank ihrer Selbstgefälligkeit und Unterstützung?
Wir haben eine dringende
Bitte an Ihre Regierung, dass sie von Israel verlangt, seine Verpflichtungen
gegenüber dem Völkerrecht zu erfüllen. Ist dies zu viel verlangt?
Herr Präsident Barack
Hussein Obama, Wir, das palästinensische Volk, haben genug.
Hochachtungsvoll !
Prof. Haidar Eid, Gaza,
Palästina.
Bildquelle:
How Barack Obama learned to love Israel -
Ali Abunimah >>>
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