Texte von
Abdallah Frangi, Generaldelegierter Palästinas in
Deutschland
Interview:
Deutschlandfunk vom 24.01.05 mit Herrn Abdallah Frangi
Chancen
auf Ende des Nahost-Konflikts wachsen
Interview
mit Abdallah Franghi, palästinensischer Generaldelegierter in
Deutschland
Heuer:
Es tut
sich was im Nahen Osten und endlich einmal etwas, was Hoffnung macht.
Seit diesem Wochenende sieht es so aus, als seien die Palästinenser
grundsätzlich zu einer Waffenruhe bereit und die Israelis dazu, ihre
Angriffe auf die besetzten Gebiete einzustellen. Ist die Wende zum Guten
greifbar nah? Fragen jetzt an den palästinensischen Generaldelegierten
in Deutschland, guten Morgen, Abdallah Franghi.
Franghi:
Guten Morgen.
Heuer:
Der neue palästinensische
Präsident Abbas verhandelt noch mit den radikal-islamistischen Gruppen,
der Hamas und dem islamischen Dschihad, über die Waffenruhe. Wie sicher
sind Sie, dass er bald Erfolg vermelden kann?
Franghi:
Es ist sehr schwierig und
kompliziert, denn er muss mit Hamas einerseits verhandeln, aber
andererseits auch mit den Israelis, damit wir gleichzeitig von beiden
Seiten die Zustimmung bekommen, dass nicht mehr geschossen wird und dass
nicht mehr militärische Aktivitäten stattfinden und daher ist das sehr
problematisch. Aber ich war jetzt zweieinhalb Monate im Gaza-Streifen
und habe die Wahlkampagne von ihm in den palästinensischen Gebieten
betreut und sein Ziel und seine Aussage waren eindeutig: Er möchte gerne
durch Verhandlungen zu einem Ergebnis mit den Israelis kommen und ich
glaube, das ist auch angenommen worden bei den Palästinensern.
Heuer:
Ist es auch von der Hamas
angenommen worden? Denn deren erklärtes Ziel ist ja die Zerstörung
Israels.
Franghi:
Ich glaube, es ist nicht mehr
so, wie es jetzt theoretisch ausgesprochen wird. Ich glaube, Hamas ist
inzwischen eine starke Organisation in den palästinensischen Gebieten
und sie wollen auch eingebettet werden in dem System der Palästinenser
und sie wollen auch Verantwortung tragen. Und je mehr sie eingebunden
sind, desto mehr Verantwortung sie bekommen und desto vernünftiger die
Aussprache sein wird.
Heuer:
Wie zuversichtlich sind Sie,
dass die Waffenruhe bald beschlossen wird?
Franghi:
Zum ersten mal habe ich das
Gefühl, dass alle Seiten jetzt so müde sind von dem Krieg und dass alle
Leute auf beiden Seiten jetzt diese Pause haben möchten und dass es
wahrscheinlich ist, dass es dazu kommt, dass es einen Durchbruch
Richtung Frieden gibt. Ich hoffe, dass wir jetzt an diese Sache
heranarbeiten und die Unterstützung von den Amerikanern und Europäern
bekommen, damit wir die road map umsetzen können in den
palästinensischen Gebieten, damit wir diese Konfrontation, die viel
Blutvergießen gekostet hat, beenden können.
Heuer:
Welche Bedingungen stellen die
Palästinenser im Gegenzug an Israel?
Franghi:
Wir möchten gern, dass sie
begreifen, dass ihre Sicherheit auch von unserer Sicherheit abhängt und
dass wenn sie auf die Palästinenser schießen, wir nicht in der Lage
sind, die Palästinenser zu kontrollieren. Wir möchten, dass sie wirklich
für die Zukunft mit uns zusammenarbeiten und nicht uns vorschreiben, was
wir zu machen haben. Wir möchten als gleichberechtigte Partner - und ich
glaube wir sind auch in der Lage, diese Partnerschaft so weit zu
bringen, dass die Israelis auch zufrieden sind und wir auch so weit
kommen können, dass unsere Gesellschaft mit uns zufrieden ist.
Heuer:
Was heißt das konkret, außer
dass es keine Angriffe Israels mehr geben soll?
Franghi:
Dass der Rückzug aus dem
Gaza-Streifen eingebettet werden muss in die road map, damit wir später
das gleiche in der Westbank machen können und das bedeutet, dass sie
auch Gaza-Streifen und Westbank zu Palästinenserstädten werden
entwickeln müssen und wenn wir so weit sind, glaube ich, gibt es keinen
Grund für die Palästinenser, in eine Konfrontation mit Israelis zu
kommen.
Heuer:
Also ein kompletter Abzug aus
der Westbank?
Franghi:
Ja und wenn wir so weit
kommen, haben beide Seiten viel mehr Ruhe.
Heuer:
Glauben Sie denn, dass Israel
solche Bedingungen zu erfüllen bereit ist?
Franghi:
Wir müssen hart dafür
kämpfen, weiterhin verhandeln, müssen auch die Israelis überzeugen von
der Tatsache, dass ein Palästinenserstaat nicht nur für die
Palästinenser gut ist, sondern auch für die Israelis. Sie profitieren
davon, wenn wir einen Staat haben, wirtschaftlich, politisch und
sicherheitsmäßig.
Heuer:
Nun ist das Thema aber sehr
kompliziert und es ist keinesfalls sicher, dass Israel sich all ihren
Argumenten fügen wird oder sie verstehen und es gibt auch kurzfristige
Forderungen von palästinensischer Seite, nämlich die Freilassung
palästinensischer Gefangener durch Israel. Glauben Sie, diese Forderung
wird kurzfristig erfüllt?
Franghi:
Das ist auch eine notwendige
Sache für die Palästinenser. Wir haben insgesamt ungefähr 10.000
Palästinenserinnen und Palästinenser, die in den israelischen
Gefängnissen sind und wenn die Leute rauskommen, wird ein Frieden
innerhalb der palästinensischen Gesellschaft kommen und diese Menschen
werden einfach einen Beitrag beim Aufbau der palästinensischen
Gesellschaft leisten. Ich glaube, das ist eine Voraussetzung für eine
bessere Atmosphäre zwischen den Israelis und Palästinensern.
Heuer:
Aber die israelische Regierung
sieht das ja ganz anders.
Franghi:
Deswegen halten sie auch
unsere Leute gefangen. Sie merken aber trotzdem, dass sie nicht zu einem
guten Ergebnis mit den Palästinensern gekommen sind und sie haben auch
keinen Frieden in ihrer Gesellschaft. Im Interesse der Israelis ist es
wichtig, solche Maßnahmen zu ergreifen, damit die Nachbarn auf der
palästinensischen Seite auch an einen Frieden mit Israel glauben. Es ist
so, dass jeder Schritt, der von Israel und umgekehrt auch von den
Palästinensern gemacht wird, ein Echo in der anderen Gesellschaft hat.
Heuer:
Ist mit Ariel Scharon möglich,
was mit seinen Vorgängern nicht möglich war?
Franghi:
Alle sagen, dass Scharon in
der Lage ist, wenn er will, Frieden mit den Palästinensern zu schließen.
Natürlich sind die Palästinenser ihm gegenüber misstrauisch. Man möchte
das sehr gerne glauben, aber wir warten und versuchen und hoffen, dass
die Weltgemeinschaft Israel und Ministerpräsident Scharon dazu bewegt,
dass er wirklich jetzt die Maßnahmen, die er vorhat zu unternehmen im
Gaza-Streifen, der Rückzug, so weit mitmacht und nicht mehr den Weg
blockiert Richtung Westbank.
Heuer:
Was können die USA in dieser
Situation konkret tun, um den Frieden zu befördern?
Franghi:
Die USA sind eben diejenigen,
die in der Lage sind, so viel zu tun und ich hoffe, dass der
amerikanische Präsident jetzt nicht mehr so eine einseitige Politik
zugunsten von Scharon macht und wenn er so weit kommt, dass er jetzt
beide Seiten berücksichtigt und mit beiden Partnern diskutiert und
gleichmäßig verhandelt, dann wird man wahrscheinlich mehr hoffen, dass
die Israelis sich auch in unsere Richtung bewegen.
Generaldelegation
Palästina
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