Sehr geehrter Herr Göbel,
nach dieser Antwort vom 30. Januar war ich
sicher, dass der Ausrutscher mit Klaus Bittermann tatsächlich nur
ein Ausrutscher war. Nach dem neuerlichen Beitrag von Bittermann vom
16.03.2006 bin ich nicht mehr davon überzeugt, zumal Herr Bittermann
wieder die Berichterstattung Ihrer Zeitung mit seiner üblen Glosse
nicht nur konterkariert, sondern Ihrer Zeitung bald einen äußerst
üblen Ruf verschafft, was die Berichterstattung zum
Israel-Palästina-Konflikt betrifft. Schon damals, im Januar, habe
ich Kopien von Mails erhalten, in denen Ihnen die Kündigung von
Abonnements angedroht wurde. Offensichtlich legt die Redaktion es
darauf an. Waren Sie schon wieder nicht in der Redaktion, dass ein
solcher Beitrag die Kontrolle passieren konnte? Ich habe wahrlich
nichts gegen eine polemische Auseinandersetzung differierender
Standpunkte. Aber bitte nicht auf solch einem Niveau! Müssen Sie
einem solchen Pamphlet wie das von Alan Derschowitz wirklich Raum
für eine Besprechung in Ihrer Zeitung geben? Und wenn doch, muß es
denn von einem Klaus Bittermann besprochen werden, der
offensichtlich keine Ahnung von den historischen Gegebenheiten des
Konflikts hat und nur seines Meisters, nämlich H.M. Broders, Stimme
ist.
Zu behaupten, dass 1947 in Palästina nur 100 000
bis 150 000 Palästinenser gelebt haben, ist schon eine Chuzpe, zu
der eine gehörige Portion Mut gehört. In Wirklichkeit lebten vor der
Staatsgründung Israels in Palästina zwischen 800 000 und 1 000 000
moslemische und christliche Palästinenser und nur ca. 500 000 Juden,
während der Boden nur zu 7% den Juden gehörte und zu 93% den
Palästinenser. Es gibt inzwischen genügend Bücher und Bildbände, die
von einer vorhandenen Bevölkerung und Infrastruktur der
Palästinenser zeugen. Eine weitere ungeheure dreiste und dumme
Aussage ist die Behauptung, die Palästinenser hätten mit dem
Völkermord der Nazis an den Juden was zu tun gehabt. Als Beweis
bringt Bittermann bzw. Derschowitz ausgerechnet Hadsch Amin Al
Husseini und nennt ihn auch noch einen "kleinen Hitler". Was für
eine Dummheit, über die man sich schon totlachen könnte, wenn man
könnte. Den für die Nazis völlig unbedeutenden Husseini, der von
Hitler völlig abgefertigt wurde und nicht im Geringsten ernst
genommen wurde, zum "Berater für Judenfragen" zu machen, ist schon
der Gipfel der Dreistigkeit und Infamie. Aber so ist nun mal Herr
Klaus Bittermann, er hat keine Ahnung, aber eine Meinung. Was er
schreibt ist der Gipfel des Unsinns, aber er findet noch eine
Zeitung, die es druckt. Ebenso seltsam und unheimlich ist seine Häme
über die Linke, die dumm genug ist mit den Befreiungskampf von
unterdrückten Nationen zu sympathisieren, wo doch Herr Bittermann
(und seine Vordenker Derschowitz und Broder) genau weiß, dass "unter
der eigenen Regierung (die Völker) weit mehr zu leiden hatten als
unter der vergleichsweise erträglichen Herrschaft von Besatzern".
Erträglich wohl für Herrn Bittermann, der sicher in seiner Wohnung
in Berlin lebt und keine Ahnung hat was in Gaza, Jenin und Hebron
jeden Tag und jede Nacht stattfindet. Ich bin sicher, dass Herr
Bittermann nicht bereit sein wird so zu leben, wie die Palästinenser
heute leben müssen, unter der Besatzung des so demokratischen
Israel, das nach Meinung von Bittermann "ein Segen und ein Vorbild
für die Region" ist. Da kann man gar nicht so viel essen, wie man
kotzen möchte, wenn man solch einperfiden Unsinn liest. Fehlt es
Ihnen wirklich an kompetenten Rezensenten? Müssen Sie Ihren Lesern
solch einen Schwachsinn präsentieren. Ich hatte überlegt bei Ihnen
zu inserieren, aber das hat wohl keinen Zweck und Sinn. Eine
Zeitung, die solche unqualifizierte, menschenverachtende, zynische
und zu allem Übel noch dumme Beiträge abdruckt, kann man nicht mehr
ernst nehmen.
Es tut mir leid. Es wird wohl dabei bleiben, dass wenigstens
andere Zeitungen einigermaßen vernünftig berichten.
Mit freundlichen Grüßen
Abraham Melzer
]
Gesendet: Montag, 30. Januar 2006 15:01
An: melzer@melzerverlag.de
Betreff: Leserbrief / Bittermann
Sehr geehrter Herr Melzer,
auch ich habe mich heute morgen bei der Lektüre des
Bittermann-Beitrages geärgert und dies auch in der Frührunde der
Redaktion ausgeführt. Über den konkreten Streitfall hinausgehend
konterkariert er die Berichterstattung unserer Zeitung zum
Israel-Palästina-Konflikt.
Leider war ich am Wochenende nicht in der Redaktion, sonst wäre
der Artikel - zumindest in dieser Form - hoffentlich nicht
erschienen. Ich freue mich von Ihnen zu hören, daß wenigstens andere
Zeitungen einigermaßen vernünftig berichtet haben.
Mit freundlichen Grüßen
Rüdiger Göbel
Stellvertretender Chefredakteur
Tageszeitung junge Welt
Karl-Liebknecht-Straße 33
10178 Berlin