Mohssen Massarrat 22. Juni 2009
Irans neue Revolution: Fakten und
Missverständnisse
Auf die Veröffentlichung meines
Textes "Reform durch Revolution" vom 15. Juni hin erhielt ich
einige mails, die belegen, dass viele in der Bundesrepublik
Deutschland wahrscheinlich wegen Unkenntnis interner komplexer
Zusammenhänge Irans und manche Linke unter ihnen sogar aus
versteckter Sympathie für den "großen" US und Israel-Widersacher
und angeblichen Freund der Armen im Iran,
Ahmadinedschad, sich zu folgenden
zwei falschen Aussagen verleiten lassen: 1) Ahmadiedschad hätte
durch seine konsequente Politik gegen die Korruption und die
reiche Elite sehr viel Rückhalt in der Bevölkerung und daher
auch die Wahl, entgegen der Behauptung der Reformbewegung,
hinter der vor allem die Reichen und westlich Orientierten aus
dem Norden Teherans stünden, tatsächlich gewonnen.
2) Die Reformbewegung sei zum
Scheitern verurteilt, da Irans Streitkräfte voll hinter dem
Präsidenten und dem Revolutionsführer stünden.
3)
Ich habe in einem Interview mit Radio Lora in München (das die
meisten freien Radios der Zivilgesellschaft in Deutschland
vernetzt) zu beiden Punkten ausführlich Stellung bezogen und
möchte Sie auf dieses ca. 15-minütige
Interview aufmerksam machen:
www.freie-radios.net.
Ich möchte Sie im folgenden auf einige wichtige Fakten und
Missverständnisse, die auf Unkenntnis beruhen bzw. ideologisch
motiviert sind, aufmerksam machen:
1.
Fakten und Quellen zu tatsächlichen
Wahlergebnissen: Insider aus dem iran. Innenministerium haben
anonym folgende detaillierte Angaben zu den Wahlen am 12. Juni
2009 im Iran veröffentlicht:
- Mussawi: 19.075.623 (45,38 %)
- Karrubi: 13.378.109 (31,82 %)
- Ahmadinedschad: 5.698.417 (13,55
%)
- Rezai: 3.754.218 (8,92 %)
- Ungültige Stimmen: 137.816 (0,33
%)
- Abgegebene Stimmen: 42.044.178
(100 %)
- Stimmberechtigte: 49.322.412
Viele Indizien sprechen dafür, dass
diese Details die tatsächliche Zählung wiedergeben. Katayun
Amirpour hat in der FR vom 15.06.09 dazu einige inhaltlich
begründete Vermutungen formuliert. Ich möchte folgenden
formalen, aber sehr wichtigen Aspekt noch hinzufügen:
Diese Detailinfos haben bereits
Mussawi auf seiner website und Mohssen Rezai, der andere
Kandidat, ebenfalls auf seiner website www.tabnak.com
veröffentlicht. Wären diese Angaben wahrheitswidrig, hätten sie
dem Regime einen triftigen
2
Vorwand für ihre Verhaftung und
Verurteilung wegen aufrührerischer Falschmeldung geliefert. Dies
gilt in noch stärkerem Masse für Mohssen Rezai, da er als
Sekretär des Expertenrates (der Institution, die Khamenei formal
abwählen könnte) sogar zum Landesverrat verurteilt, zumindest
seines Amtes enthoben werden könnte. Nichts dergleichen geschah
bisher, offensichtlich aus dem einfachen Grund: eine noch
größere Schlappe des Regimes vor Gericht oder ein Schauprozess.
Ein weiterer Beleg, der den
Wahrheitsgehalt der obigen Zahlen untermauert, sind die
offiziell bestätigten Wahlergebnisse der Exiliraner in
Deutschland. Demnach entfallen bei den in den jeweiligen
Konsulaten in Berlin, Bonn, Frankfurt/M, Hamburg, München
abgegebenen 8.886 (100 %) Stimmen auf Mussawi 6.894 (77,6 %),
Ahmadinedschad 1.137 (12,8 %), Karrubi 598 (7,9 %), Rezai 146
(1,5 %), ungültig 111 (1,2 %). Die Zahlen stehen auf den
websites der jeweiligen Konsulate (s.o.) bzw. der Botschaft der
Islamischen Republik Iran in Berlin.
Während der Anteil von 12,8 % der
Stimmen für Ahmadinedschad in Deutschland sich weitgehend mit
dem im Iran von 13,55 % deckt, ist der Anteil von 77,6 % für
Mussawi (im Iran 45,38 %) offenbar deshalb deutlich höher, weil
die anderen zwei Ahmadinedschad-Gegner, Karrubi und Rezai, bei
den Exiliranern weniger bekannt sind als im Iran selbst Dies mag
dazu geführt haben, dass die Unterstützer der Reformbewegung im
Ausland ihre Stimmen direkt für Mussawi abgegeben haben. Im
übrigen belegen die Bekanntmachungen in Deutschland, dass die
Wahlergebnisse nicht bei den Wahlurnen, sondern zentral im
Innenministerium gefälscht worden sein müssen. Bei der
Überprüfung der Unstimmigkeiten in einigen Wahlbezirken, die
aller Wahrscheinlichkeit nach durchaus auch geschehen sind,
handelt es sich daher um den offensichtlichen Versuch des
Wächterrats von der gigantischen zentralen Fälschung der
eingegangenen Stimmen im Innenministerium abzulenken.
Ahmadinedschad hat – um diesen
wichtigen Aspekt ein wenig zu beleuchten - ganz sicher an die 5
– 6 Millionen Wähler für sich mobilisieren können. Hierunter
fällt die Landbevölkerung, die – über die wirklichen sozialen
und ökonomischen Folgen von Ahmadinedschads Politikmethoden
uninformiert – auf dessen „Wahlgeschenke“ hereingefallen ist. Zu
festen Anhängern des Präsidenten zählen Teile der
Revolutionswächter und der Bassidjis (paramilitärische Kräfte),
die die unmittelbaren Nutznießer seiner klientelistischen
Politik sind und die auch deshalb bereit sind, sich hinter den
Präsidenten zu stellen und auf demonstrierende Menschen
erbarmungslos einzuschlagen. Es wäre verhängnisvoll, den reinen
Klientelismus eines Präsidenten in einem klassischen
Rentiersstaat mit seinen dramatischen Folgen für die Wirtschaft
des Landes (steigende Inflation, steigende Importe, Niedergang
der einheimischen Industrie, Zunahme der
Massenarbeitslosigkeit…) mit einer Arbeitsbekämpfungsstrategie
zu verwechseln. Der Klientelismus ist in Wahrheit das Fundament
der Korruption und Misswirtschaft.
1
2. Noch ein
Hinweis auf das Interview mit dem Nahostexperten Volker Perthes
(Direktor des Stiftung Wissenschaft und Politik) in der
Süddeutschen Zeitung vom 16.06.2009: Außer dass auch Perthes in
diesem Interview eine Wahlmanipulation in Abrede stellt, scheint
er die Dimensionen des neuen Aufstandes der iranischen 1 S.
ausführlicher meinen Artikel „30 Jahre islamische Revolution.
Fortschritt, Rückschritt, Stillstand“, vom Mai 2009, der im
aktuellen Heft von INAMO erscheint.
Bevölkerung nicht angemessen
wahrzunehmen. Mit seiner Überschätzung der Möglichkeiten des
Regimes und der Unterschätzung "der friedlichen Revolution" der
Iraner, liegt Perthes m. E. auf Grund von offensichtlicher
Unkenntnis der Dynamik einer Volksbewegung, gepaart auch mit ein
bisschen Fatalismus, "das Regime würde doch siegen, weil es viel
zu verlieren hätte", daneben.
Perthes ist dabei nicht der Einzige
mit diesem Problem. Auch Michael Lüders, der ein ausgezeichneter
Experte arabischer Staaten ist, vertrat in der ZdF-Sendung
Pheonix am 17. Juni eine ähnliche Position.
3.
Die Streitkräfte der Islamischen
Republik sind nicht monolitisch und stehen auch nicht ohne Wenn
und Aber wie ein Mann hinter dem Präsidenten und dem
Revolutionsführer, auch wenn sie von Ahmadinedschads
Klientelismus am stärksten profitieren.
Es gibt Berichte, dass vielerorts
die Polizisten und Revolutionswächter sich gegen Ahmadinedschad
zu Wort melden. Am 19. Juni schrieb eine Gruppe der
Revolutionswächter in ihrem Kommunique Nr. 1 folgendes
(www.pasdarazadi.blogspot.com): „Gott möge bezeugen, alle
diejenigen, die glauben, dass die Revolutionswächter die ewigen
Beschützer des Revolutionsführers seien, im Irrtum sind. Wir
schwören bei Gott, nicht hinnehmen zu wollen, dass das
Märtyrerblut, das für die Islamische Revolution und gegen den
irakischen Krieg für Freiheit und territoriale Integrität der
Islamischen Republik auf den Straßen und in den Wüsten dieses
Landes geflossen ist, dem Interesse einiger machthungriger und
Monopolisten geopfert wird. Wir schwören bei Gott, dass wir
trotz aller Gefahren für unser Leib und Leben, mit dem Eintritt
für den Märtyrertod bereit sind, alle korrupten und von Ölrenten
abhängigen Kommandeuren („farmandehane Rantkhar“), daran zu
hindern, im heiligen Gewand des Revolutionswächters das Volk
blutig niederzuschlagen. Wir raten unseren Bassidji-Brüdern
eindringlich, sie sollten sich entweder am Chaos nicht
beteiligen oder ihre Waffen zurückgeben und sich dem Volk
anschließen.
Vergesst nicht, die ungerechten
Herrschenden werden es durch Blutvergießen genau so wenig
schaffen, ihre Herrschaft aufrechtzuerhalten, wie eine Kerze
zwischen Abenddämmerung und Sonnenaufgang am Leuchten gehalten
werden kann.“
4.
Und abschließend eine wichtige
Nachricht: Gerade las ich den Offenen Brief von Ebrahim Nabawi,
ein sehr bekannter und zugleich moslemisch frommer
Schriftsteller, an Ayatollah Khamenei, mit der Überschrift "Das
Volk wird Sie zurückweisen". In diesem emotional, aber die
Gefühle vieler Iraner m. E. authentisch reflektierten Brief
schreibt Nabavi u. a. folgendes "Das, was im Zusammenhang mit
den Wahlen stattfand, beschränkt sich nicht auf die große Lüge,
eine derart große Lüge, die man leichter beweisen als
zurückweisen kann.
Was das Volk ärgert und auf die
Strasse treibt, war die Dreistigkeit und Unverschämtheit des
Staatspräsidenten, der vor laufenden Kameras sich nicht scheute,
alle Wahrheiten zu leugnen. Er zollte nicht nur der Intelligenz
der Menschen keinen Respekt, sondern auch nicht der logischen
Kraft einfacher Rechenaufgaben. Die Menschen sind zornig, weil
der Präsident glaubt, die Stimmen und das Denken der Menschen so
billig kaufen zu können. Die Menschen sind zornig, weil er ihnen
ins Gesicht lügt und ihnen weiss zu machen versucht, dass das,
was wirklich geschehen ist, gar nicht stattgefunden hat. Die
Menschen sind zornig, weil der Präsident das Volk als
niederträchtig beleidigt.
Herr Khamenei wird sind nicht
niederträchtig ... .
Herr Khamenei, Sie
treten das Recht von Millionen Menschen mit Füßen und dann
decken Sie noch den stadtbekannten Lügner, der es wagt, das
stolze und ruhmreiche Volk zu beleidigen, einen Mann, den Sie
sich offenbar als einen hörigen Sklaven zugelegt haben. ... Ich
beziehe mich hier nicht auf Vernunft, nicht auf Gerechtigkeit,
nicht auf Ehrenhaftigkeit, nicht auf Einsicht, nicht auf
Klugheit, ich beziehe mich auch nicht auf nackte Vorteile, nein
schieben wir all das beiseite, ich frage Sie aber, ob Sie sich
bei dem Preis, den Sie [ für diesen Sklaven] bezahlen mussten,
nicht verrechnet haben. ... Haben Sie sich bei dem Preis dieses
Sklavenjungen nicht geirrt, nehmen Sie in Kauf, dass er das Volk
erniedrigt und demütigt? Nehmen Sie den Fluch der Millionen auf
sich, die aus Furcht vor diesen schrecklichen bärtigen aber
ehrenlosen Stiefelträgern {die Sie drohen, auf das Volk
loslassen zu wollen] jetzt schweigen und in diesen Stunden Ihnen
dadurch Gelegenheit zum Nachdenken geben? Ist Ihnen der Preis
dieses Sklavenjungen für ein Volk nicht zu hoch, das heute
mit Allaho akbar-Rufen ihr gewaltsam zertretenes Recht
zurückfordert? Sie lassen einen unfähigen, frechen Barbaren und
die Hunde auf das Volk los... ."
Regime soll seine
Macht teilen
Mohssen Massarrat
Mohssen Massarrat 22. Juni 2009
Irans neue Revolution: Fakten und
Missverständnisse
Auf die Veröffentlichung meines
Textes "Reform durch Revolution" vom 15. Juni hin erhielt ich
einige mails, die belegen, dass viele in der Bundesrepublik
Deutschland wahrscheinlich wegen Unkenntnis interner komplexer
Zusammenhänge Irans und manche Linke unter ihnen sogar aus
versteckter Sympathie für den "großen" US und Israel-Widersacher
und angeblichen Freund der Armen im Iran,
Ahmadinedschad, sich zu folgenden
zwei falschen Aussagen verleiten lassen: 1) Ahmadiedschad hätte
durch seine konsequente Politik gegen die Korruption und die
reiche Elite sehr viel Rückhalt in der Bevölkerung und daher
auch die Wahl, entgegen der Behauptung der Reformbewegung,
hinter der vor allem die Reichen und westlich Orientierten aus
dem Norden Teherans stünden, tatsächlich gewonnen.
2) Die Reformbewegung sei zum
Scheitern verurteilt, da Irans Streitkräfte voll hinter dem
Präsidenten und dem Revolutionsführer stünden.
3)
Ich habe in einem Interview mit Radio Lora in München (das die
meisten freien Radios der Zivilgesellschaft in Deutschland
vernetzt) zu beiden Punkten ausführlich Stellung bezogen und
möchte Sie auf dieses ca. 15-minütige
Interview aufmerksam machen:
www.freie-radios.net.
Ich möchte Sie im folgenden auf einige wichtige Fakten und
Missverständnisse, die auf Unkenntnis beruhen bzw. ideologisch
motiviert sind, aufmerksam machen:
1.
Fakten und Quellen zu tatsächlichen
Wahlergebnissen: Insider aus dem iran. Innenministerium haben
anonym folgende detaillierte Angaben zu den Wahlen am 12. Juni
2009 im Iran veröffentlicht:
- Mussawi: 19.075.623 (45,38 %)
- Karrubi: 13.378.109 (31,82 %)
- Ahmadinedschad: 5.698.417 (13,55
%)
- Rezai: 3.754.218 (8,92 %)
- Ungültige Stimmen: 137.816 (0,33
%)
- Abgegebene Stimmen: 42.044.178
(100 %)
- Stimmberechtigte: 49.322.412
Viele Indizien sprechen dafür, dass
diese Details die tatsächliche Zählung wiedergeben. Katayun
Amirpour hat in der FR vom 15.06.09 dazu einige inhaltlich
begründete Vermutungen formuliert. Ich möchte folgenden
formalen, aber sehr wichtigen Aspekt noch hinzufügen:
Diese Detailinfos haben bereits
Mussawi auf seiner website und Mohssen Rezai, der andere
Kandidat, ebenfalls auf seiner website www.tabnak.com
veröffentlicht. Wären diese Angaben wahrheitswidrig, hätten sie
dem Regime einen triftigen
2
Vorwand für ihre Verhaftung und
Verurteilung wegen aufrührerischer Falschmeldung geliefert. Dies
gilt in noch stärkerem Masse für Mohssen Rezai, da er als
Sekretär des Expertenrates (der Institution, die Khamenei formal
abwählen könnte) sogar zum Landesverrat verurteilt, zumindest
seines Amtes enthoben werden könnte. Nichts dergleichen geschah
bisher, offensichtlich aus dem einfachen Grund: eine noch
größere Schlappe des Regimes vor Gericht oder ein Schauprozess.
Ein weiterer Beleg, der den
Wahrheitsgehalt der obigen Zahlen untermauert, sind die
offiziell bestätigten Wahlergebnisse der Exiliraner in
Deutschland. Demnach entfallen bei den in den jeweiligen
Konsulaten in Berlin, Bonn, Frankfurt/M, Hamburg, München
abgegebenen 8.886 (100 %) Stimmen auf Mussawi 6.894 (77,6 %),
Ahmadinedschad 1.137 (12,8 %), Karrubi 598 (7,9 %), Rezai 146
(1,5 %), ungültig 111 (1,2 %). Die Zahlen stehen auf den
websites der jeweiligen Konsulate (s.o.) bzw. der Botschaft der
Islamischen Republik Iran in Berlin.
Während der Anteil von 12,8 % der
Stimmen für Ahmadinedschad in Deutschland sich weitgehend mit
dem im Iran von 13,55 % deckt, ist der Anteil von 77,6 % für
Mussawi (im Iran 45,38 %) offenbar deshalb deutlich höher, weil
die anderen zwei Ahmadinedschad-Gegner, Karrubi und Rezai, bei
den Exiliranern weniger bekannt sind als im Iran selbst Dies mag
dazu geführt haben, dass die Unterstützer der Reformbewegung im
Ausland ihre Stimmen direkt für Mussawi abgegeben haben. Im
übrigen belegen die Bekanntmachungen in Deutschland, dass die
Wahlergebnisse nicht bei den Wahlurnen, sondern zentral im
Innenministerium gefälscht worden sein müssen. Bei der
Überprüfung der Unstimmigkeiten in einigen Wahlbezirken, die
aller Wahrscheinlichkeit nach durchaus auch geschehen sind,
handelt es sich daher um den offensichtlichen Versuch des
Wächterrats von der gigantischen zentralen Fälschung der
eingegangenen Stimmen im Innenministerium abzulenken.
Ahmadinedschad hat – um diesen
wichtigen Aspekt ein wenig zu beleuchten - ganz sicher an die 5
– 6 Millionen Wähler für sich mobilisieren können. Hierunter
fällt die Landbevölkerung, die – über die wirklichen sozialen
und ökonomischen Folgen von Ahmadinedschads Politikmethoden
uninformiert – auf dessen „Wahlgeschenke“ hereingefallen ist. Zu
festen Anhängern des Präsidenten zählen Teile der
Revolutionswächter und der Bassidjis (paramilitärische Kräfte),
die die unmittelbaren Nutznießer seiner klientelistischen
Politik sind und die auch deshalb bereit sind, sich hinter den
Präsidenten zu stellen und auf demonstrierende Menschen
erbarmungslos einzuschlagen. Es wäre verhängnisvoll, den reinen
Klientelismus eines Präsidenten in einem klassischen
Rentiersstaat mit seinen dramatischen Folgen für die Wirtschaft
des Landes (steigende Inflation, steigende Importe, Niedergang
der einheimischen Industrie, Zunahme der
Massenarbeitslosigkeit…) mit einer Arbeitsbekämpfungsstrategie
zu verwechseln. Der Klientelismus ist in Wahrheit das Fundament
der Korruption und Misswirtschaft.
1
2. Noch ein
Hinweis auf das Interview mit dem Nahostexperten Volker Perthes
(Direktor des Stiftung Wissenschaft und Politik) in der
Süddeutschen Zeitung vom 16.06.2009: Außer dass auch Perthes in
diesem Interview eine Wahlmanipulation in Abrede stellt, scheint
er die Dimensionen des neuen Aufstandes der iranischen 1 S.
ausführlicher meinen Artikel „30 Jahre islamische Revolution.
Fortschritt, Rückschritt, Stillstand“, vom Mai 2009, der im
aktuellen Heft von INAMO erscheint.
Bevölkerung nicht angemessen
wahrzunehmen. Mit seiner Überschätzung der Möglichkeiten des
Regimes und der Unterschätzung "der friedlichen Revolution" der
Iraner, liegt Perthes m. E. auf Grund von offensichtlicher
Unkenntnis der Dynamik einer Volksbewegung, gepaart auch mit ein
bisschen Fatalismus, "das Regime würde doch siegen, weil es viel
zu verlieren hätte", daneben.
Perthes ist dabei nicht der Einzige
mit diesem Problem. Auch Michael Lüders, der ein ausgezeichneter
Experte arabischer Staaten ist, vertrat in der ZdF-Sendung
Pheonix am 17. Juni eine ähnliche Position.
3.
Die Streitkräfte der Islamischen
Republik sind nicht monolitisch und stehen auch nicht ohne Wenn
und Aber wie ein Mann hinter dem Präsidenten und dem
Revolutionsführer, auch wenn sie von Ahmadinedschads
Klientelismus am stärksten profitieren.
Es gibt Berichte, dass vielerorts
die Polizisten und Revolutionswächter sich gegen Ahmadinedschad
zu Wort melden. Am 19. Juni schrieb eine Gruppe der
Revolutionswächter in ihrem Kommunique Nr. 1 folgendes
(www.pasdarazadi.blogspot.com): „Gott möge bezeugen, alle
diejenigen, die glauben, dass die Revolutionswächter die ewigen
Beschützer des Revolutionsführers seien, im Irrtum sind. Wir
schwören bei Gott, nicht hinnehmen zu wollen, dass das
Märtyrerblut, das für die Islamische Revolution und gegen den
irakischen Krieg für Freiheit und territoriale Integrität der
Islamischen Republik auf den Straßen und in den Wüsten dieses
Landes geflossen ist, dem Interesse einiger machthungriger und
Monopolisten geopfert wird. Wir schwören bei Gott, dass wir
trotz aller Gefahren für unser Leib und Leben, mit dem Eintritt
für den Märtyrertod bereit sind, alle korrupten und von Ölrenten
abhängigen Kommandeuren („farmandehane Rantkhar“), daran zu
hindern, im heiligen Gewand des Revolutionswächters das Volk
blutig niederzuschlagen. Wir raten unseren Bassidji-Brüdern
eindringlich, sie sollten sich entweder am Chaos nicht
beteiligen oder ihre Waffen zurückgeben und sich dem Volk
anschließen.
Vergesst nicht, die ungerechten
Herrschenden werden es durch Blutvergießen genau so wenig
schaffen, ihre Herrschaft aufrechtzuerhalten, wie eine Kerze
zwischen Abenddämmerung und Sonnenaufgang am Leuchten gehalten
werden kann.“
4.
Und abschließend eine wichtige
Nachricht: Gerade las ich den Offenen Brief von Ebrahim Nabawi,
ein sehr bekannter und zugleich moslemisch frommer
Schriftsteller, an Ayatollah Khamenei, mit der Überschrift "Das
Volk wird Sie zurückweisen". In diesem emotional, aber die
Gefühle vieler Iraner m. E. authentisch reflektierten Brief
schreibt Nabavi u. a. folgendes "Das, was im Zusammenhang mit
den Wahlen stattfand, beschränkt sich nicht auf die große Lüge,
eine derart große Lüge, die man leichter beweisen als
zurückweisen kann.
Was das Volk ärgert und auf die
Strasse treibt, war die Dreistigkeit und Unverschämtheit des
Staatspräsidenten, der vor laufenden Kameras sich nicht scheute,
alle Wahrheiten zu leugnen. Er zollte nicht nur der Intelligenz
der Menschen keinen Respekt, sondern auch nicht der logischen
Kraft einfacher Rechenaufgaben. Die Menschen sind zornig, weil
der Präsident glaubt, die Stimmen und das Denken der Menschen so
billig kaufen zu können. Die Menschen sind zornig, weil er ihnen
ins Gesicht lügt und ihnen weiss zu machen versucht, dass das,
was wirklich geschehen ist, gar nicht stattgefunden hat. Die
Menschen sind zornig, weil der Präsident das Volk als
niederträchtig beleidigt.
Herr Khamenei wird sind nicht
niederträchtig ... .
Herr Khamenei, Sie
treten das Recht von Millionen Menschen mit Füßen und dann
decken Sie noch den stadtbekannten Lügner, der es wagt, das
stolze und ruhmreiche Volk zu beleidigen, einen Mann, den Sie
sich offenbar als einen hörigen Sklaven zugelegt haben. ... Ich
beziehe mich hier nicht auf Vernunft, nicht auf Gerechtigkeit,
nicht auf Ehrenhaftigkeit, nicht auf Einsicht, nicht auf
Klugheit, ich beziehe mich auch nicht auf nackte Vorteile, nein
schieben wir all das beiseite, ich frage Sie aber, ob Sie sich
bei dem Preis, den Sie [ für diesen Sklaven] bezahlen mussten,
nicht verrechnet haben. ... Haben Sie sich bei dem Preis dieses
Sklavenjungen nicht geirrt, nehmen Sie in Kauf, dass er das Volk
erniedrigt und demütigt? Nehmen Sie den Fluch der Millionen auf
sich, die aus Furcht vor diesen schrecklichen bärtigen aber
ehrenlosen Stiefelträgern {die Sie drohen, auf das Volk
loslassen zu wollen] jetzt schweigen und in diesen Stunden Ihnen
dadurch Gelegenheit zum Nachdenken geben? Ist Ihnen der Preis
dieses Sklavenjungen für ein Volk nicht zu hoch, das heute
mit Allaho akbar-Rufen ihr gewaltsam zertretenes Recht
zurückfordert? Sie lassen einen unfähigen, frechen Barbaren und
die Hunde auf das Volk los... ."