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From: sabine_matthes @ hotmail.com
To: leserbriefe@sueddeutsche.de
Subject: zu: "Israel verspricht Palästinenserstaat bis 2008", 28.11.2007
Date: Thu, 6 Dec 2007 02:10:57 +0100

Leserbrief zu:
"Israel verspricht Palästinenserstaat bis 2008", SZ vom 28.11.2007, Seite 1

Sehr geehrte Redaktion Leserbriefe,

Die Nahost-Konferenz in Annapolis kommentierte Gideon Levy in der israelischen Tageszeitung "Haaretz": "Niemand spricht mehr von Moral. Gerechtigkeit ist ebenso ein archaisches Konzept, ein Tabu das bewußt aus allen Verhandlungen getilgt worden ist."

Der inflationäre Gebrauch des Wortes "Frieden" soll darüber hinwegtäuschen, daß die Grundlagen für einen gerechten Frieden: Völkerrecht und UNO-Resolutionen, von Israel längst nicht mehr akzeptiert werden. Dabei war Israel am 11.Mai 1949 mit der UN-Generalversammlungs Resolution 273 als UNO-Mitgliedsstaat aufgenommen worden, nachdem es sich bereit erklärt hatte, andere UN-Resolutionen zu erfüllen, einschließlich der UN-Resolution 181 zur Teilung Palästinas in einen jüdischen (56%) und einen arabischen (43%) Staat mit Jerusalem als internationaler Zone, und der UN-Resolution 194 zum Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge zu ihren Heimatorten in Israel, von denen sie 1948 vertrieben worden sind. Damit sollte ein historisches Unrecht, Nakba ("Katastrophe") genannt, wieder gutgemacht werden, denn die israelische Staatsgründung in Palästina war für die Palästinenser einer ethnischen Säuberung gleichgekommen, von insgesammt etwa 900.000 palästinensischen Arabern verloren damals 750.000 durch Flucht und Vetreibung ihre Heimat, über 400 ihrer Dörfer wurden dem Erdboden gleichgemacht. Anstatt dieses Unrecht, das für die Palästinenser bis heute den Kern des Konflikts darstellt, gemäß entsprechender UN-Resolutionen zu lösen, wurde das Land der Flüchtlinge durch das israelische "Absentee Property Law" von 1950 enteignet, und stellt so den Löwenanteil des israelischen Staatslandes dar, das jüdischen Einwanderern zur Verfügung steht, nicht aber den exilierten palästinensischen Eigentümern. 1967 eroberte Israel den Rest Palästinas und kreierte nochmals 300.000 Flüchtlinge. Seit diesem neuen Unrecht der  Besatzung  wird das  Rückkehrrecht der Flüchtlinge, das in anderen Konflikten wie Bosnien, Ruanda oder Sudan als Vorraussetzung für Frieden gilt, marginalisiert und delegitimiert.

Was also meint Israels Premier Ehud Olmert, wenn er jetzt, in Annapolis, von "schmerzhaften Kompromissen" und "historischer Aussöhnung" spricht? Ein Kriegsverbrechertribunal nach jugoslavischem Vorbild?  Eine Wahrheits- und Versöhnungskommission nach südafrikanischem Vorbild?  Wie stellt er sich die "zwei Staaten  für zwei Völker" vor, wo doch, nach Fertigstellung des geplanten Grenzwalls und der israelischen Annexion des  Jordan-Tals,  des  Großraums Jerusalem, sowie größerer Siedlungsblöcke,  den Palästinensern nur etwa 12% des ehemaligen Mandatsgebiets Palästina bleiben, in vier voneinander getrennten Kantonen, deren Grenzen, Wasser und Luftraum von Israel kontrolliert werden? Das ist die Homeland-Politik der südafrikanischen Apartheid Regierungen,  aber keine "Zwei-Staaten-Lösung". De facto machen die 450.000 israelischen Siedler in der Westbank und Ostjerusalem die Alternative einer "Ein-Staat-Lösung" bereits zu einer "Ein-Staat-Realität". Seit 40 Jahren herrscht zwischen Mittelmeer und Jordan ein Staat, Israel, mit unterschiedlichen Rechten für Juden und Palästinenser.

"Falls der Tag kommt, wenn die Zwei-Staaten-Lösung scheitert, und wir einem Südafrika ähnlichem Kampf für gleiche Wahlrechte gegenüberstehen (auch für die Palästinenser in den Gebieten), dann, sobald dies geschieht, ist der Staat Israel erledigt," sagte Olmert nach der Annapolis-Konferenz in "Haaretz". "Die jüdischen Organisationen, die unsere Machtbasis in Amerika waren, werden die Ersten sein, die gegen uns sind," fuhr er fort, "weil sie sagen werden, daß sie nicht einen Staat unterstützen können, der nicht für Demokratie und gleiches Wahlrecht für all seine Einwohner sorgt." Olmert wies bereits vor vier Jahren in einem "Haaretz"-Interview auf die "Gefahren" einer solchen Südafrika-Analogie hin: "Mehr und mehr Palästinenser sind uninteressiert an einer verhandelten Zwei-Staaten-Lösung, weil sie die Essenz des Konflikts von einem algerischen Paradigma zu einem südafrikanischen ändern wollen. Von einem Kampf gegen "Besatzung", wie sie es nennen, zu einem Kampf für one-man-one-vote. Dies ist, natürlich, ein viel klarerer Kampf, ein sehr viel populärerer Kampf - und im Grunde ein sehr viel wirksamerer." Um dies zu verhindern, sollen die Palästinenser mit dem Annapolis-"Friedens-Prozess" wieder einmal mit der Fata Morgana eines eigenen Staates geködert werden.

Mehr und mehr Publikationen schlagen die Ein-Staat-Lösung als einzig gerechten und realistischen Weg aus der gegenwärtigen Sackgasse vor. Michael Tarazi, damaliger Rechtsberater der PLO, betonte in seinem New York Times Artikel von 2004, "Zwei Völker, ein Staat", daß die Ein-Staat-Lösung weder den jüdischen Charakter des Heiligen Landes zerstören, noch die jüdischen historischen und religiösen Bindungen leugnen würde, sondern vielmehr seinen gleichberechtigten christilichen und muslimischen Charakter betont. Meron Benvenisti, Jerusalems ehemaliger stellvertretender Bürgermeister, fordert eine offene Debatte über binationale Möglichkeiten, da sie mehr zu einer Versöhnung beitragen könnte, als das Festhalten an ethno-nationalistischer Trennung. Darin drücken sich Zweifel an dem Ziel des politischen Zionismus, eines mehrheitlich jüdischen Staates, aus, und eine mögliche Renaissance der binationalen Ideale des kulturellen  Zionismus, wie sie von Martin Buber, Hannah Arendt oder Judah Magnes bereits vor der israelischen Staatsgründung vertreten wurden.

Mit freundlichen Grüßen,
Sabine Matthes
Glötzleweg 43
81477 München
Tel.: 791.8513

 

 

 

Sabine Matthes

 aus München ist Journalistin und Fotografin.

Sabine Matthes' Web-Bibliographie Quelle


2005
"Heimatsuche im Geist des Judentums", Neue Zürcher Zeitung 4.7.2005 (Yakov Rabkin beleuchtet das Verhältnis von Zionismus und Orthodoxie. Zu den jüdischen Intellektuellen, die der Politik des Staates Israel kritisch gegenüberstehen, gehört auch der in Kanada lehrende Historiker Yakov M. Rabkin. Er beruft sich dabei nicht zuletzt auf jüdisch-orthodoxe Positionen, die er in einer unlängst erschienenen Studie in ihrem geschichtlichen Horizont dargestellt hat. Sabine Matthes führte in München ein Gespräch mit dem Wissenschafter.)
(Gedruckter) Leserbrief zu "Streit um Moschee eskaliert", SZ vom 6.5.2005, S. 51
(Gedruckter) Leserbrief zu "Israel lehnt Friedensplan aus Algier ab", 24./25.3.2005, Süddeutsche Zeitung (Email vom 04.01.05)
(Gedruckter) Leserbrief zu Titelthema "Spielball der Interessen" von Helmut Frank, Sonntagsblatt Nr.4" (Email vom 22.01.05)
 


2004
(Gedruckter) Leserbrief zu "Damals", Jan. 2005, Jerusalem: "Ewig und unteilbar?" (19.12.04)
(Gedruckter) Leserbrief zu SZ 28.10. S.2, Scharons Rückzugsplan (17.11.04)
(Gedruckter) Leserbrief zu FAS Nr. 45, Politik, S. 3. "Ein Leben in Sackgassen" von Barry Rubin (11.11.04)
Initiative für einen einzigen demokratischen Staat in Palästina/Israel (12.08.04)
(Gedruckter) Leserbrief zu: "Israel erkennt die Herrschaft des Rechts an", SZ 31.7./1.8. 2004
Interview mit Uri Davis zum palästinensischen Rückkehrrecht (Englisch) (11.03.2004)
zu Leserbrief Ludwig Arnold, SZ 8./9.4.04 (10.04.04)
Leserbrief an die SZ gegen die Gleichstellung von Antisemitismus mit Antizionismus (22.02.04)
Marc Ellis - Ein Prophet im Exil (in: Sonntagsblatt Bayern, 04.03.04)
 


2003
Artikel zum 55. Jahrestag der UNO Resolution 194 (in: junge Welt, 11.12.03)
Die Not der Palästinenser. Überleben in den Lagern (in: Sonntagsblatt, 21.05.2003)
Von Galiläa nach Nabatiye, nach Beitut, Saida, Tyrus ... (in: Freitag, 21.03.03)
Brüder im Lande "Isratin" - Gaddafis logische Utopie (in: Freitag, 21.02.02)


Quelle Sabine Matthes' Raum bei Anis Hamadeh

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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