Antizionismus ist nicht
Antisemitismus! - 30. August 2014
Zu den bundesweiten Kundgebungen jüdischer
Organisationen.
Abraham Melzer
Diejenigen, die gegen Israels brutales
Vorgehen in Gaza protestieren, sind nicht
zwangsläufig Antisemiten, auch wenn unter
den tausenden, zehntausenden und
hunderttausenden, die in Paris, London und
Berlin demonstriert haben, sich einige
wenige Menschen befanden, die tatsächlich
die Juden meinten. Lasst euch nicht ablenken
von eurem berechtigten Protest gegen Israels
brutale und unanständige Politik.
Statt einer notwendigen Debatte über den
Nahost-Konflikt, sollen wir durch eine
überflüssige Antisemitismus-Debatte
abgelenkt werden.
Noch ist es nicht soweit, wie Dieter
Graumann vom Zentralrat der Juden
befürchtet, dass Juden wieder auf deutschen
Straßen „vergast, verbrannt und
geschlachtet“ werden sollen. Und wir leben
auch nicht im Jahr 1933. Eine solche maßlose
Übertreibung auszusprechen, ist eine
Beleidigung aller Deutschen und eine
unverantwortliche Verunsicherung der
jüdischen Mitbürger. Ariel Sharon hat es
klipp und klar ausgedrückt: Wir brauchen den
Antisemitismus, damit er die Juden nach
Israel treibt. Dieter Graumann treibt mit
seinen Worten die Juden nach Israel, wo sie
nur vermeintlich sicherer leben. Die
momentane Situation im Land zeigt es sehr
deutlich
Wenn Dieter Graumann meint, dass der Ruf
einzelner, emotional betroffener,
palästinensischer Jugendliche, deren
Familien in Gaza leiden, eine
Massenkundgebung rechtfertigt, dann fragen
wir warum er geschwiegen hat, als in Israel
„Tod den Arabern“ gerufen wurde und, Ayelet
Shaked, eine Abgeordnete der rassistischen
Partei „Jüdisches Haus“, gefordert hat,
„Alle…haben sie den Tod verdient. Jetzt
umfasst es auch die Mütter der Märtyrer…Sie
müssen ihren Söhnen folgen, es gibt nichts
Gerechteres“, und als auf Häuserwänden im
ganzen Land der Slogan gesprüht wurde:
„Araber ins Gas“! Oder als Matan Vilnai, der
stellvertretende Verteidigungsminister, 2008
gesagt hat, dass die Palästinenser über sich
„eine noch größere Shoah bringen“.
Der Protest gegen Antisemitismus ist so
selbstverständlich, wie überflüssig. Bei den
Kundgebungen gegen Antisemitismus geht es
auch nicht um Antisemitismus, sondern um
Solidarität mit Israel. Wir sind aber nicht
bereit uns mit einem Israel zu
solidarisieren, das sich menschenrecht- und
völkerrechtswidrig verhält.
Die Ablehnung von Antisemitismus ist in
Deutschland selbstverständlich und wird
schon in §1 unseres Grundgesetzes
ausgedrückt. Unsere Demokratie garantiert
uns die Freiheit der Meinungsäußerung und
das Recht demonstrieren zu dürfen. Unser
Grundgesetz garantiert uns, dass wir deshalb
nicht diffamiert, beleidigt und ausgegrenzt
werden dürfen.
Frau Merkel sollte deshalb für die
Einhaltung und Durchsetzung dieses
Paragrafen stehen. Sie sollte alle
Bürgerinnen und Bürger in Schutz nehmen, die
zu Unrecht von Dieter Graumann als
Antisemiten diffamiert werden, und nicht nur
die Juden und schon gar nicht die Israelis.
Das werden die wenigsten Deutschen verstehen
und gut finden. Die meisten von ihnen
demonstrierten für Sicherheit, Freiheit und
Gerechtigkeit – für Israelis und für
Palästinenser.
Schluss mit der Heuchelei. Schluss mit
Gleichsetzung von Antizionismus mit
Antisemitismus. Ein Antizionist ist gegen
Taten des zionistischen Staates, ein
Antisemit ist gegen Juden als Menschen. Wir
sind Juden und wir bekennen uns dazu. Wir
sind aber keine Zionisten. Zionismus ist
eine rassistische, kolonialistische und
militaristische Ideologie aus dem 19.
Jahrhundert, die schon längst auf den
Müllhaufen der Geschichte gehört.
Die Würde des Menschen ist unantastbar –
nicht nur die Würde der Juden, sondern auch
die Würde der protestierenden Deutschen und,
nicht zu vergessen, die Würde der
Palästinenser.
Den Gipfel der Geschmacklosigkeit, des
Zynismus und der Unverschämtheit erreichte
inzwischen die obskure, rassistische
Organisation „Honestly Concerned“ in
Frankfurt, die das angebliche Leid der
Israelis mit dem Leid der Jesiden, Kurden
und Aleviten verglichen hat, die zu
tausenden von den barbarischen IS Truppen
geschlachtet werden. Man kann die Taten des
Islamischen Staates ablehnen, ohne dabei
Islamophobe zu sein und man kann auch die
Taten eines Jüdischen Staates ablehnen, ohne
dabei Antisemit zu sein.
Sie beklagen, dass in Israel die Menschen
„in vielen Orten nur 15 Sekunden Zeit haben
sich in Schutzräumen oder Bunkern in
Sicherheit zu bringen“. Da ist die
„moralischste Armee der Welt“ in der Tat
großzügiger. Sie gibt allen Menschen in Gaza
56 Sekunden Zeit sich in Sicherheit zu
bringen. Nur es gibt für die Menschen in
Gaza nirgends Sicherheit, nirgends
Schutzräume und Bunker.
Moshe Feiglin, der extrem rassistische
stellvertretende Knesset Vorsitzende meinte
dazu: „Der Sinai ist nicht weit von Gaza
entfernt und sie können aus Gaza fortgehen.
Das wird aber die Grenze der humanitären
Hilfe sein, die Israel bereit ist zu
gewähren. Gaza ist ein Teil unseres Landes
und wird es für immer bleiben“. Menschen aus
ihrer Heimat vertreiben ist für Zionisten
wie Feiglin der Gipfel an Menschlichkeit und
Humanität. Mit solchen Rassisten und
Faschisten hat man es in Israel nicht nur
auf der Straße, sondern auch im Parlament zu
tun.
Der Frankfurter Jude Ludwig Börne schrieb
Mitte des 19. Jahrhunderts: Jede Idee lässt
sich durch eine andere Idee verdrängen – nur
die Freiheit nicht.
Und so werden wir alle noch eines Tages die
Befreiung Gazas und die Befreiung aller
Palästinenser erleben – ob es den Israelis
passt oder nicht. Frankfurt, den 30. August,
2014 - V. i. S. d. P. Abi Melzer
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