PAX CHRIST - ÖSTERREICH
PILGERREISE NACH ISRAEL UND PALÄSTINA
23: BIS 31: August 2008
Besuch im Sumud Peace House in Bethlehem
Montag, 25. August 2008
Das Sumud House ist eine Einrichtung des Arab Educational
Institute (AEI), einer palästinensischen Organisation, gegründet
1986, die im Gebiet von Bethlehem, Ramallah und Hebron im Kontakt
mit ca. 20 Schulen verschiedene Bildungsprojekte durchführt. Seit
2000 ist AEI ein Kooperationspartner von Pax Christi International (www.aeicenter.org)
Begegnungen mit
MitarbeiterInnen: „Ahlan wa Sahlan“ heißt „Herzlich willkommen“
Im
Sumud House trafen wir eine Reihe von Menschen, die in den Projekten
von AEI arbeiten. Der Palästinenser Anthony erklärte uns den
Ausdruck SUMUD. Es bedeutet Kraft und Wille „Wir bleiben hier, wo
wir unsere Wurzeln haben“.
Samia Shaheen, unterrichtet täglich 130 Schüler in Englisch und
Französisch an einer Bubenschule, arbeitet mit den Franziskanern und
Salesianern zusammen und leitet Kinder- und Jugendgruppen, auch
Studentengruppen
Antoinette Knesevich, Lehrerin, arbeitet schon seit vielen Jahren
für das AEI.
Jessica Marcus aus Bethlehem arbeitet einerseits mit Waisenkindern,
andererseits mit Universitätsabgängern in einem neuen Projekt mit
den Franziskanern an der Geburtskirche.
A.S. arbeitet seit zwei Monaten beim AEI, begleitete eine
Jugendgruppe bei ihrer Reise nach Jordanien zu einem interreligiösen
Dialog.
Annelle, Volontärin aus Frankreich, ist seit fünf Monaten im Land,
geschickt vom EDS (European Development Service).
Die Projekte des AEI:
Anwaltschaft (advocacy):
erzieherische Aktionen und Projekte mit dem Ziel, die
palästinensische Identität zu stärken. Junge PalästinenserInnen
haben viele Fragen, die die Identität der Palästinenser in der
Westbank und in Israel betreffen.
Aktionen:
Aufführung eines Dramas „St. Georg und der Drache“. St. Georg
ist sowohl für christliche als auch für moslemische Palästinenser
eine wichtige Gestalt. Der Drache ist die Mauer. Es ging in dem
Drama darum, innere Stärke zu gewinnen und einen neuen Weg zu
finden, den Drachen zu bekämpfen.
„Lebendige
Uhr“: Eine Aktion zur Erinnerung an 60 Jahre Nakba. Aus ihr
entwickelte sich das Motto der heurigen Aktionswoche des
Weltkirchenrates „It’s time for Palestine“
„Lebendiger Stern“:
Eine Aktion mit Musik am Weihnachtsabend, bei der Leute mit Fackeln
einen lebendigen Stern formten.
Interreligiöser Dialog
wird auf zwei Ebenen geführt, auf der Ebene der Christen und
Muslime und auf der Ebene aller drei abrahamitischen Religionen.
Im
christlich-muslimischen Dialog geht es darum, das
Zusammenleben zu fördern (in Bethlehem gibt es die größte Gruppe von
Christen). Nach dem Motto RRCA (= read, reflect, communicate, act)
werden gemeinsam Bücher verschiedener Autoren über Gewaltfreiheit
gelesen, es wird gemeinsam gebetet, z.B. am 21. September, dem
internationalen Tag des Gebetes für Frieden. Gemeinsam werden Feste
gefeiert, z.B. Iftar oder ein Weihnachtsmahl. Zusammen essen ist
dabei ein wichtiges Element.
Im
Gespräch der drei Religionen ist die Information über die
Lehren und das kulturelle Leben der jeweils anderen wichtig. Ein
Büchlein „Living in the Holy Land Respecting Differences“ ( Leben im
Hl. Land - Unterschiede respektieren) wird in den Schulen
eingeführt. Ungefähr 300 SchülerInnen werden damit jedes Jahr
erreicht.
Auf der Ebene der religiösen Führer verläuft die Arbeit in
zwei Phasen: Zuerst treffen sich die Gruppen getrennt nach
Religionen und sprechen darüber, wie ihre religiösen Überzeugungen
auf die jeweils anderen wirken. Darauf folgt die zweite Phase
gemeinsamer Gespräche aller Religionen. Derzeit befinden sich die
Gespräche in Phase eins, im Oktober soll eine gemeinsame Konferenz
in der Türkei stattfinden. Früher gab es Gespräche mit jüdischen
Führern in Tel Aviv, dies ist durch die strengen Absperrungen jetzt
nicht möglich.
In
der Diskussion wurde gefragt, wie die Eltern der Schulkinder
auf die Projekte reagieren, wie die lokalen Medien sie präsentieren
und ob sie in Israel bekannt seien. Die Antwort war, die Eltern
würden unterschiedlich reagieren, die lokalen Medien seien sehr
schwach und hätten zunächst irreführende Information gebracht, es
sei aber besser geworden, und mit der israelischen Seite gebe es
viel Kontakt durch Email oder Telefon. Manchmal seien Treffen
möglich, wie z.B. in der Schule Talitha Kumi in Beit Jala, die man
auf Waldwegen von beiden Seiten, der palästinensischen und der
israelischen her erreicht. Sehr viele Kontakte liefen jedoch über
das Internet.
Auf die Frage nach dem Umgang mit Gewalt betonten alle, dass die
Kernbotschaft der Religionen Menschlichkeit und der friedliche
Umgang auch mit den Andersgläubigen sei, dass es aber darauf
ankomme, selbst inneren Frieden zu haben. Sie erzählten auch
Beispiele von selbstverständlicher Hilfe für Leute in einer
Notsituation, z.B. auf der Straße ohne Rücksicht darauf, ob es sich
um einen Palästinenser oder einen Israeli, einen Christen, Juden
oder Muslim handelt.
Wir sollten aber auch begreifen, dass ihr Leben nicht nur Besatzung
und Gewalt sei. Sie hätten ihre starken Familiennetze und einen
jungen Geist. Sie würden am Morgen lächelnd aufstehen, weil sie
wüssten, dass das Leben weitergehen müsse. Sie bewegten sich normal
durch die Straßen, auch wenn Schüsse fielen.
Die Probleme lägen bei den Regierungen. Sie selber hätten Hoffnung.
Sie verwiesen auf die Broschüren „Hoping against hope“ (Hoffen gegen
alle Hoffnung, Geschichten voll Hoffnung) und „Challenging the Wall“
(Die Mauer herausfordern, Zeugnisse von Menschen beim Anblick der
Mauer). Auf die Frage, was sie einem jungen Palästinenser raten
würden, der sich politisch für eine Verbesserung der Situation
engagieren möchte, kam die Antwort, dass es ihnen nicht darum gehe,
jemandem zu raten, was er oder sie tun solle. „Wir wollen ihnen die
Augen öffnen, und dann sollen sie selbst herausfinden, was sie tun
können. Um die Hoffnung zu bewahren, müs- sen sie lernen, die
Wirklichkeit anders zu sehen.“ Für einen kreativen Umgang mit der
Situa- tion gibt es z.B. Sommerlager für Jugendliche und Frauen.
Schon das zweite Jahr trägt es Titel „Art and Sumud – Drawings and
Sewings“ (Kunst und Ausharren – Malen und Nähen).
Vom kreativen Umgang mit der Mauer erzählte uns auf dem
anschließenden Rundgang entlang der Mauer auch Toine van
Teffelen, ein Holländer, der für das AEI als Projektleiter arbeitet
und mit palästinensischer Frau und zwei Söhnen im Land lebt.
Konzerte, Malaktionen, Feste protestieren auf friedliche Art gegen
die Gewalt der Mauer. Diese wurde uns in erschütternder Weise vor
Augen geführt, als wir zum Haus von Claire Anastas kamen. Dieses
stand an der einst belebten Durchzugsstraße von Ramallah nach
Hebron. In nur einem Tag wurde bei der Ummauerung von Rachels Grab
und der Absperrung dieser Straße die 8m hohe Betonmauer im Abstand
von wenigen Metern auf drei Seiten um das Haus der Familie Anastas
gezogen – ein Schock für die 9 Kinder und ihre Eltern. Jetzt hoffen
sie, dass die eine oder andere Touristengruppe sie in ihrem „Käfig“
besucht, und sie im kleinen Souvenirladen, den sie begonnen haben,
etwas verkaufen können. In unserer Betroffenheit und Hilflosigkeit
sangen wir ein Segenslied für die tapfere kleine Frau und ihre
Familie in dem Wunsch, dass der Name Anastas (Auferstehung) ein
Hoffnungssymbol für sie sei.
Gotlind Hammerer
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