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Pax Christi International
– vieux Marché aux Grains 21, 1000 Bruxelles, Belgium
Über die Situation von Jerusalem
Stellungnahme
von Pax Christi International für die 5. Session des Rates für
Menschenrechte, 13. September bis 1. Oktober 2010
Pax Christi,
internationmale katholische Friedensbewegung mit mehr als 100
aktiven Mitglied-Organisationen weltweit fordert den
Menschenrechtsrat auf, die zahlreichen und schrecklichen
Verletzungen der Menschenrechte in Jerusalem wahrzunehmen.
Neuerdings haben die politischen Spannungen zugenommen. Auf den
zunehmenden internationalen Druck auf Israel, von seiner Politik,
den permanenten Status der Stadt zu verändern und das internationale
Gesetz zu verletzen, Abstand zu nehmen, reagierte Israel mit Trotz,
und neuerlich erlebte die Stadt eine neue Welle von Verletzungen der
Menschenrechte und des internationalen Gesetzes. Jerusalem, die
Hauptstadt zweier Völker und dreier Religionen ist einer der
Schlüssel zu einem gerechten und nachhaltigen Frieden. Entsprechend
seinem speziellen Status betreffen Verletzungen der Stadt nicht nur
seine Bürger sondern auch die globale Gemeinschaft als Ganzes.
Spezieller Status
In der Resolution 181 von
1947 der UN-Generalversammlung entschied die Internationale
Gemeinschaft, dass Jerusalem einen Sonderstatus haben solle, und der
ganze Bereich von Groß-Jerusalem würde als „corpus separatum“ unter
Treuhänderschaft der UNO stehen. Nach dem Krieg von 1948 wurde
Jerusalem jedoch geteilt in einen westlichen Teil unter israelischer
und einen östlichen Teil unter jordanischer Herrschaft. Im Krieg von
1967 besetzte Israel den arabischen östlichen Teil von Jerusalem
zusammen mit dem Rest der Westseite des Jordantales. Israel forderte
Jerusalem als vereinigte Hauptstadt von Israel und annektierte die
Stadt entgegen internationalem Recht. Die Internationale
Gemeinschaft und Pax Christi International anerkennen die Annexion
von Jerusalem nicht. Die Internationale Gemeinschaft bezeichnet
Ostjerusalem als besetztes Gebiet; deshalb ist das internationale
Menschenrecht zusätzlich zu dem internationalen Menschenrechtsgesetz
anwendbar.
Die UNGA-Resolution 181
betrachtet die besonderen Umstände in der Stadt, die von zwei
Dimensionen, der religiösen und der politischen, definiert sind.
Politisch gesehen sind zwei Nationen, die israelische und die
palästinensische, zugegen und haben politische Rechte in der Stadt.
Religiös gesehen haben drei Religionen, Juden, Christen und Islam
religiöse Rechte und fordern von den beiden politischen Gruppen die
Garantie von freien Zugängen zu den jeweiligen heiligen Stätten für
alle Gläubigen aus dem Land und aus der Welt. Ausschließung von
einer Seite, sowohl politisch wie auch religiös, beschädigen die
einzigartige Identität der Stadt und die Harmonie unter allen
Betroffenen, allen ihren Söhnen und Töchtern. Jerusalem kann nicht
nur israelisch oder nur palästinensisch sein, weder nur muslimisch
oder christlich oder jüdisch. Es muss von allen geteilt werden.
Siedlungen
Seit 1967 baut Israel
ausgedehnte Siedlungen nur für Juden auf dem besetzten
palästinensischen Land, einschließlich dem Ostteil von Jerusalem.
Diese Siedlungen verletzen die 4. Genfer Konvention, die der
Besatzungsmacht verbietet, ihre Bevölkerung in das besetzte Land zu
bringen. Der E-1 Plan Israels, der die sehr große Ma’aleh Adumim
Siedlung mit Jerusalem verbindet, schneidet die Westbank in zwei
Teile und hat die Einkreisung von Ostjerusalem vervollständigt. Die
israelischen Behörden schränken für Palästinenser den Zugang zu
Jerusalem von der Westbank aus ein sowie die Bewegung in der
Westbank von Norden nach Süden. Die Stadt ist nicht mehr das Herz
des palästinensischen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen
Lebens. Trotz des internationalen Drucks hat die Stadtverwaltung von
Jerusalem im Laufe der letzten Monate Pläne genehmigt, um neue
Wohneinheiten in der Siedlung Pisgat Zeew und Hotelzimmer sowie
Wohneinheiten in East Talpiot zu bauen.
In den vergangenen Monaten
gab es Spannungen in Sheik Jarrah, einem palästinensischen
Stadtteil, wo Siedler eine Kampagne geführt haben, um die
palästinensischen Bewohner zu vertreiben. Israelische,
palästinensische und internationale FriedensaktivistInnen, die
gegen die Gewalt demonstrierten, wurden behindert und mehr als 120
Demonstranten wurden von der Polizei arretiert. Am 4. Juli 2010 hat
eine Gruppe von mehr als 40 führenden israelischen Juristen,
Akademikern, Schriftstellern und Politikern in einem Brief den
General-Staatsanwalt von Israel angerufen, das vermutete
Fehlverhalten von Seiten der Polizei in Sheik Jarrah zu untersuchen.
Nach ihrer Ansicht „zeigen die Ereignisse der letzten Monate in
Ostjerusalem klar, dass die Polizei des Stadtviertels illegal
gehandelt und in Verletzung der Entscheidung durch den Gerichtshof
gehandelt hat, wenn dieser nicht nach ihrem Geschmack agierte. Z.B.
sperrte die Polizei das Stadtviertel gegenüber linken Aktivisten in
der Praxis ab trotz wiederholten Erlässen durch den Gerichtshof mit
dem Inhalt, dass Protest-Mahnwachen im Stadtviertel legal sind;
gleichzeitig erlaubte sie rechtsgerichteten Aktivisten provokative,
zeitweise gewalttätige politische Aktionen in breitem Ausmaß.“
Die Trennungsmauer
In seiner beratenden
Meinungsäußerung vom 9. Juli 2004 verlangte der Internationale
Gerichtshof in Den Haag , dass „die Errichtung der Mauer durch
Israel, der Besatzungsmacht, auf besetztem palästinensischen Land
einschließlich in und rund um Jerusalem und die damit verbundene
Beherrschung entgegen internationalem Gesetz sind“ und diese daher
abgetragen werden sollte. Bis heute geht der Bau weiter. Die
Trennungsmauer trennt Menschen von ihren Arbeitsplätzen,
Bauernhäuser von ihrem Land und Dörfer von ihren Wasserquellen. Die
Mauer hat die palästinensische Wirtschaft schwer geschädigt und
meint de facto die Annexion von mehr Land, oft der fruchtbarsten
Gebiete. Religiöse Orte wie Bethlehem, Beit Jala und Beit Sahour
sind durch die Mauer von Jerusalem getrennt. Für Christen ist die
Stadt Bethlehem unentwirrbar mit Jerusalem verbunden. Mauern teilen
nun Jerusalem und trennen es von seinem natürlichen Hinterland.
Hauszerstörungen
Die Stadtverwaltung von
Jerusalem gibt Palästinensern kaum Baugenehmigungen und daher sind
viele Häuser ohne Lizenz gebaut. Unter dem Anspruch, dass keine
Genehmigung vorliegt, werden Häuser in Ostjerusalem zerstört. Am
Dienstag, dem 13. Juli, zerstörte die Stadtverwaltung von
Jerusalem sechs Gebäude in Ostjerusalem: zwei im Bau befindliche
Häuser und ein Lagerhaus im Wohnbezirk Issawiyya, zwei bewohnte
Häuser in Bezirk Jabal Mukabber und ein weiteres Haus im Bezirk
Beit Hanina. Es muss erwähnt werden, dass dieses das erste Mal
innerhalb von acht Monaten ist, dass die Stadtverwaltung Häuser in
Ostjerusalem zerstört hat.
Wohnerlaubnis unter
Bedrohung
Seit 1967 haben
palästinensische Einwohner von Jerusalem den Status permanenter
ausländischer Bewohner der Stadt. Dieser Status kann durch die
israelischen Behörden unter bestimmten Umständen widerrufen werden.
Die israelische Zeitung Haaretz beschrieb dies wie folgt:
„Israelische Bürger können das Land unbegrenzt lang verlassen und
ihr Bürgerstatus und alle ihre Rechte sind ihnen für immer zugesagt.
Was jedoch palästinensische Bewohner von Ostjerusalem betrifft,
wendet Israel drakonische Maßnahmen an, deren unausgesprochener
Inhalt es ist, so viele Palästinenser als möglich aus ihrer
Heimatstadt zu vertreiben.“ Palästinensische Bürger von Jerusalem
haben keine politischen Institutionen, an die sie sich wenden
können, seitdem das Orienthaus von den israelischen Behörden
geschlossen wurde. Die israelischen Anstrengungen, Palästinensern
politische Gegenwart in Jerusalem zu verwehren, wurden neuerlich
durch die Entscheidung des israelischen Gerichtshofes im Juni 2010
illustriert, das Residenzrecht von drei in Jerusalem wohnenden
Hamas-Mitgliedern der Palästinensischen Gesetzgebenden Versammlung
zu widerrufen und sie auszuweisen.
Zusammenfassung
Jerusalem hat einen
speziellen Status, gegeben durch seine pluralistische und religiöse
Bedeutung. Die weitergehenden Verletzungen der Menschenrechte und
des Internationalen Humanitären Gesetzes in der Stadt bedrohen
seine friedvolle Zukunft. Um eine friedvolle Zukunft zu erreichen,
müssen die fünf Komponenten der Stadt (drei Religionen, zwei Völker)
in Betracht gezogen und befriedigt und nationalen oder religiösen
Unterschieden entsprechender Respekt gezollt werden.
Wegen der universalen
Bedeutung von Jerusalem haben sich die Internationale Gemeinschaft,
einschließlich des UN-Rates für Menschenrechte, für die Stabilität
und Permanenz dieses Status einzusetzen. Jerusalem ist zu wertvoll,
um einzig abhängig zu sein von städtischen oder nationalen
politischen Autoritäten, wer immer diese sein mögen. Die Erfahrung
zeigt, dass eine internationale Garantie notwendig ist. Daher muss
der einzigartige Status, der die Stadt von allen Städten der Welt
unterscheidet, garantiert sein.
Empfehlungen
Pax Christi International
empfiehlt dem Rat für Menschenrechte:
-
einen speziellen
Berichterstatter für Jerusalem zu ernennen. Da die Bedeutung
Jerusalems für Muslime, Juden und Christen rund um die Erde und die
ernstliche Bedrohung, die durch ständige Verletzungen der
Menschenrechte und des internationalen humanitären Gesetzes in der
Stadt gegeben ist, die Möglichkeit des Erreichens eines gerechten
und bleibenden Friedens in der Stadt zur Disposition steht, ist es
wichtig, dass ein spezieller Beobachtungs-mechanismus für
Verletzungen des internationalen Gesetzes installiert wird. Dies
kann sein ein Sonderberichterstatter oder eine andere unabhängige
oder öffentliche Stelle für Beobachtung und Berichterstattung.
-
Eine Resolution für
alle Mitglieder der UNO abzufassen, um zu garantieren, dass diese
nicht zu den Verletzungen der Menschenrechte und des internationalen
humanitären Gesetzes in Ostjerusalem beitragen, z.B. durch
Investition in Gesellschaften, die beteiligt sind an der
Konstruktion von Siedlungen oder Zerstörung von Häusern in
Ostjerusalem.
(Übers.: Gerhilde Merz)
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