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 Die besonderen Beziehungen der BRD zu Israel  -
 ein offener Brief an Frau  Gitta Connemann ....
Btr. Vortrag von Fr.Connemann, im Vorstand der Deutsch-Israelischen Gesellschaft,  VHS, Leer  10.3.11
Ellen Rohlfs

 

Hallo, Frau Connemann!

 

zunächst möchte ich Sie beglückwünschen zu Ihrem Vortrag in der VHS in Leer, in dem es  Ihnen vortrefflich gelang, das weltweit  schwer angekratzte Image Israels auszubügeln;  und so haben Sie Ihren Auftrag von der Israelischen Botschaft und all Ihrer Ämter im Parlament und in der Deutsch-Israelischen Gesellschaft  großartig erfüllt. Dass die Beziehungen zwischen der BRD und Israel auf Grund unserer monströsen  Geschichte mit dem jüdischen Volk besondere sind, war wohl jedem Zuhörer bekannt und nichts Neues. Gut, ein paar Einzelheiten ergänzten dies noch.

 

Aber zu diesen besonderen Beziehungen gehört noch etwas, das  Verschweigen von grundsätzlichen Tatsachen, die  zuweilen sogar in unseren Medien ansatzweise  auftauchen: Wenn unsere Bundeskanzlerin in irgendein Land kommt - sagen wir China oder Russland - werden ganz sicher die Menschenrechte  von ihr angesprochen – in Israel warten die vielen israelischen Menschen- rechtsorganisationen umsonst, dass ihre Arbeit anerkannt, ja nur erwähnt, geschweige denn, dass sie ermutigt werden oder gar die so dringend nötige finanzielle Unterstützung auch  - auf Grund unserer besonderen Beziehungen - von der BRD erhalten. Auch über die halbe Million Siedler - nur all zu oft staatlich legitimiert äußerst gewalttätig und rassistisch -  die illegal in den besetzten Gebieten lebt, wird geschwiegen. Über die seit 1947 bestehende ethnische Säuberung der palästinensischen Bevölkerung auch Ost-Jerusalems und die Zerstörung von Tausenden ihrer Wohnstätten und Dörfer wird geschwiegen; über die ungerechte Wasserverteilung ( 1:5 bis 1:10) hört man auch nichts. Nennt man dies nicht Doppelmoral? Hat dieses Verschweigen etwas mit den christlichen Werten und der Moral Ihrer Partei (CDU) zu tun, etwas mit den universellen Menschenrechten ? Es erinnert mich eher an die drei japanischen Affen, die nichts sehen, nichts hören, nichts reden wollen.

 

Ihr Vortrag brachte nämlich nur die halbe Wahrheit.* Alle tagtäglichen Menschenrechtsverletzungen, die Missachtung zahlloser  UN-Resolutionen, die täglichen Schikanen der Palästinenser an den 500 Checkpoints, als ob sie keine Menschen wären - viele Mütter mussten schon am Straßenrand entbinden, weil man sie nicht zur nächsten Klinik ließ -  das tägliche Verletzen und Töten, auch vieler Kinder z.B. in der Pufferzone im Gazastreifen, die nächtlichen militärischen Überfälle in Dörfer und Privathäuser, der Bau der Apartheidmauer, der mit Landraub verbunden ist, der Siedlungsbau, die seit 4 Jahren anhaltende Blockade des Gazastreifens mit der geringst möglichen Zuteilung an Lebensmitteln und viel zu wenig Baumaterial zum Wiederaufbau von 4000  zerstörten Häusern, das schwerst kontaminierte Wasser im Gazastreifen, das viele Menschen vor allem Kinder krank macht – ohne medizinische Versorgung; die zig-tausende von zerstörten Olivenbäumen,  die  Entarabisierung Ostjerusalems,  nicht nur dort, sondern auch  im Jordantal und im Negev, die unglaublichen Aggressionen der Siedler nicht nur in Itamar und Hebron, und des Militärs, die Kriegsverbrechen im Gazakrieg  (siehe den UN-Bericht; mit 1400 Toten darunter viele Kinder, zig Tausenden von Verletzten, Tausende von zerstörten Häusern  --- von  diesem Bericht, verfasst von einer UN-Kommission unter der Leitung des jüdischen Rechtsgelehrten Richard Goldstone,  wollten Sie nicht einmal etwas  wissen. ) Nichts von den seit Jahren in vielen Dörfern stattfindenden gewaltfreien Demonstrationen gegen die Mauer, denen mit viel Gewalt des Militärs begegnet wird mit Verletzten und Toten …

 

Schon auf der von Ihnen anfangs gezeigten Karte Israels war Israel nur in den Grenzen von 1967 zu sehen, als ob es keine besetzten Gebiete gäbe – die Westbank mit ca. 140 jüdischen illegalen Siedlungen, lassen deshalb den Palästinensern nur noch knapp die Hälfte (von 22% ihnen des von der UNO zugeteilten Landes)  in vielen nicht zusammenhängenden Enklaven übrig; es gab bei Ihrer Ausführung keinen eingekesselten Gazastreifen mit 1,5 Millionen Menschen, die wie in einem Gefängnis leben; die 9000 Gefangenen, von denen zahlreiche gefoltert werden, unter ihnen ca. 300 Kinder und Minderjährige und unzählige Frauen (feierten wir nicht gerade den Weltfrauentag?) waren  auch kein Thema…..das Apartheidsystem – viel schlimmer als das in Südafrika, ( sagen selbst Südafrikaner wie Kasril und Dennis Goldberg - beide jüdischer Herkunft),   mit zwei Rechtssystemen,  zwei Straßensystemen . Davon sprachen Sie nicht. Auch nicht von den Faschisten, die in der jetzigen Regierung sitzen…. weit schlimmer als Haider und Le Pen .. Wieso müssen wir die unterstützen? Ist das unsere „Staatsräson“? Sollten wir/ sollten Sie aus unserer Geschichte nichts gelernt haben?

 

Alles und viel mehr Unmenschliches, Grausames, Rassismus, Mord und  sogar Genozid**  – ja, von Rabbinern dazu ermutigt  ( s. Haaretz vom 27.2.) -  könnte ich Ihnen in Hunderten von mir übersetzten Artikeln aus der israelischen Zeitung Haaretz  oder von Menschenrechtsorganisationen und andern Zeugen oder in einer Reihe Bücher angesehener israelischer Autoren belegen. Inzwischen wenden sich immer mehr Israelis – zuletzt der Diplomat Ilan Baruch ( s. Haaretz  vom 6.3.2011) - vom Zionismus oder mindestens von dieser Regierungspolitik ab, wandern aus und schließen sich jüdischen Gruppen in Israel und im Ausland an, die diese Politik nicht mehr unterstützen. ( z.B. „die Jüdische Stimme  für Gerechtigkeit“ in Deutschland.)

 

Israel wurde von Ihnen als  kleiner schwacher „David“ dargestellt, obwohl es die drittstärkste Militärmacht der Welt ist mit den neuesten IS- und US-Waffensystemen und  Atombomben. Und wir Deutsche liefern weiter Waffen, Rüstung, U-Boote in diese äußerst spannungsgeladene Region - ohne Veto des Deutschen Bundestages und mit Zustimmung Ihrer Bundestagsfraktion. Dafür müssen wir  uns alle schämen.

 

Aber von wachsendem islamischen Antisemitismus  bei uns wurde gesprochen – als ob er zum  besonderen Verhältnis BRD-ISRAEL gehört.  Sollte dieser sog. Antisemitismus nicht etwa mit der aggressiven Politik Israels zusammen hängen?  Denken wir auch an den brutalen Angriff auf das türkischen Mavi Marmaraschiff, bei dem 9 Türken – Friedensaktivisten ! -  getötet wurden.

Soll sich da nicht Wut und Zorn gegen Israel erheben und in Anti-Israelismus Luft machen - in nichts vergleichbar mit dem Antisemitismus Europas.

 

Der israelische Historiker Dr. Meir Margalit hat in einem offenen Brief ( 22.4.08 in FAZ) an Frau Merkel geschrieben „der wirkliche Antisemit ist derjenige, der angesichts der Menschenrechts-verletzungen in den besetzten  Gebieten schweigt …“  Der frühere Premierminister Olmert sagte "wenn die Besatzung fortgesetzt wird, zieht dies das Ende Israels auf sich".

 

Wer ein wirklicher Freund Israels ist, „muss Druck ausüben, bis die Besatzung beendet ist“ (Olmert). Das hätte zur besonderen Beziehung der BRD-Israel gehört. Als Freunde Israels wollen Sie doch, dass Israel als Staat in der „semitischen Region“ (Avnery)  als einer unter vielen Staaten in Frieden und Sicherheit bestehen bleibt.

 

Man kann nicht  ein noch so großes Unrecht, wie die Shoa,  durch ein anderes Unrecht auf dem Rücken eines anderen - des palästinensischen - Volkes wieder gut machen, noch dazu auf einem, das gar nichts, aber auch gar nichts mit der Schuld der Deutschen  und dem christlichen oder rassistischen  Antisemitismus der Europäer zu tun hat – das ist für mich unerträglich.

 

 

*  Reuven Moskowitz sagte mir einmal : „Halbe Wahrheiten sind ganze Lügen“.

 

     ** dazu könnte ich Ihnen seitenlang Zitate von Israelis liefern

vgl. auch  Interview mit Dr.Hajo Meyer/ Zentnick in Counterpunch vom 11.-13.3. „Zionism has nothing to do with Judaism”.  Und Uri Avnerys Artikel : www.uri-avnery.de

 

  Es grüßt  Sie  Ellen Rohlfs

 

Mitglied  der isr. Friedensgruppe Gush Shalom, Unterstützerin der Ärzte für Menschenrechte in Israel, PfHR-I. Übersetzerin von Uri Avnerys Artikeln, Nominatorin von fünf israelischen  Preisträgern des Alternativen Friedensnobelpreises und des  Aachener Friedenspreises, Trägerin des Bundesverdienstkreuzes 1993, Ehrenmitglied der E.-M-Remarque-Gesellschaft; Autorin dreier Bücher zum Nahost-Konflikt.

   

 

 

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