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Gedichte von Ellen Rohlfs
Ora
et labora
Dies lernten wir einst im
Lateinunterricht:
Bete und arbeite!
Ein sinnvoller Rat.
Er prägte Jahrhunderte lang
Das Leben der Mönche.
Und es entstand eine blühende Kultur
Im europäischen Mittelalter.
Ob Buchkunst, Malerei, Musik
oder Baukunst
Bildung, Wissenschaft und Landwirtschaft.
Ora et labora gab dem Leben Sinn und Ziel
Und schuf bewundernswerte Werke.
In der jüdischen Gemeinschaft
des Stedls
Hatte das Gebet in der Synagoge
Auch einen hohen Stellenwert
hielt sie Jahrtausende am Leben
Und verband sie über Kontinente hinweg.
„Ora et labora!“ kam mir
spontan in den Sinn,
Als ich während des Libanonkrieges
Ein Foto von der Nordgrenze Israels sah:
Eine große Batterie schlanker Raketen –
Zuweilen beschriftet von jüdischen Kindern mit Grüßen
An die im Libanon - welch makabrer Scherz!
Ob Streubomben, konventionelle oder solche mit DU
Das war für mein unschuldiges Auge nicht zu erkennen.
Dahinter aber stand ein Soldat
mit Gebetsschal, Kipa und Gebetbuch
Um schnell vor dem Abfeuern noch sein Gebet zu verrichten.
Ob er dabei wohl auch an die Opfer –
die Opfer seiner nächsten Tat gedacht hat?
An die „am Felsen zerschmetterten Kinder“
Wie es im Psalm 137 heißt?
Waren es vielleicht gerade diese
Rachepsalmen
die ihn anfeuerten,
sein blutiges, zerstörerisches Tun fortzusetzen?
Nun heißt es nicht mehr „ora et labora“
sondern „orate, necate et disturbate!“
Betet, tötet und zerstört!
Welch pervertierter Fortschritt
vom einst
angeblich so finstern Mittelalter
Zur aufgeklärten, zivilisierten Neuzeit,
der Neuzeit mit Völker- und Menschenrechte.
Dachte ich.
Ellen
Rohlfs
„Nie wieder!“
Ellen Rohlfs - nach
Erich Fried „ ein trockenes Gedicht“ 7.8.05
Deutsche
Kolonialoffiziere und –Soldaten
Begingen unter Führung von General von Throta
einen Völkermord an den Hereros in Südwestafrika
Das war 1905.
Die deutsche
Regierung
war vom deutschen Botschafter in Aleppo gut informiert
über den Völkermord
an den Armeniern in der Türkei -
Sie mischte sich nicht ein.
Das war 1915.
Die deutsche
Nazi-Regierung
Beging den Genozid am jüdischen Volk.
Ein großer Teil der deutschen Bevölkerung,
wusste oder ahnte wenigstens darum und schaute weg.
Das war von 1933-1945.
Danach hieß es
entsetzt nicht nur von den Überlebenden der KZ:
„Nie wieder!“
Die deutsche
Regierung heute „unterhält enge Beziehungen
zu Israel“ und kennt die Ziele
der rechts-extremen, rassistischen Regierung:
Palästina und Ost-Jerusalem araberrein zu machen,
d.h. ethnische Säuberung
also Transfer, „Politizid“* oder sollte es schon
schleichender Völkermord sein?
Die Regierung schickt
dennoch U-Boote und Panzer-Ersatzteile
Und unterstützt so
eine brutale, unterdrückerische Besatzung,
auch den Bau der
Apartheidmauer .
Sie sieht nur die
Opfer der einen – und schweigt
Zu den Opfern der andern Seite.
Sie schweigt zu Kriegsverbrechen.
Das ist eindeutig Mittäterschaft.
Das geschieht heute – 2005.
Resumee:
Deutschland beteiligte sich in nur 100 Jahren
Aktiv und direkt, indirekt oder passiv
an vier Genozidien.
Ich bin fassungslos.
„J’accuse!“
Nie wieder ?
Nirgendwo?
*s. Baruch
Kimmerling : sein Buch „Politizid“ , 2003: „Der Politizid
ist in vollem Gange“ ( S.193) u.
Shulamit Aloni: „Wer sagt denn, dass ein Genozid immer nach dem gleichen
Muster abläuft?“ 8.3.03)
Vierzig Jahre
Von Ellen Rohlfs
"Let my people go!"(1) bat Mose den Pharaoh -
natürlich in der damals in Ägypten üblichen Sprache.
Die zehn Plagen brachten den Pharaoh schließlich dazu,
Das Volk des Mose aus der Sklaverei zu entlassen.
Der Auszug war dramatisch:
Das Meer teilte sich und ließ die Israeliten
Fast trockenen Fußes ans andere Ufer gelangen
das verfolgende Heer des Pharao aber
Ertrank mit Reiter, Ross und Wagen
In den zurückflutenden Wogen.
Vierzig Jahre wanderten die Israeliten
Durch die Wüste.
Sie waren durstig - kein Problem
Mose schlug mit dem Stab an die Felsen
Und das Wasser sprudelte.
Sie waren hungrig - kein Problem
Gott ließ Wachteln und Manna vom Himmel fallen.
Vierzig Jahre Wanderschaft - das Volk murrte.
Kein Wunder - es war eine harte Zeit.
Schließlich nach 40 Jahren - kam es im Gelobten Lande an -
"ein Land darin Milch und Honig fließt" (2)
Und in dem noch sieben andere Völker lebten.
Kein Problem. Sie wurden fast alle vernichtet.(3)
Die Nachfahren dieser Restvölker, die sich mischten
Mit Kanaanitern, Arabern, Philistern und Hebräern,
mit Kreuzfahrern, Mamelucken, Osmanen und Armeniern
- Juden, Christen und Muslime -
Und sich heute Palästinenser nennen
- also seit Tausenden von Jahren im Lande leben, (4)
hatten ihre eigene Multi-Kultur.
Und wenn sie hungrig waren? Mish muskule! (5)
Im Jordantal wuchs alles üppig.
Das Vieh hatte meistens saftige Weiden,
An Berghängen auf Terrassenfeldern wuchsen Olivenbäume
In der Ebene Getreide, Zuckerrohr und Riesenmelonen
Zitrusbäume und Dattelpalmen.
Waren sie durstig? Mish muskule!:
Der noch nicht abgeleitete Jordan, die gebohrten Brunnen,
Vom Winterregen gefüllte Zisternen - es war selten zu viel
Es reichte noch für Pilger aus aller Welt.
Dieses Volk wandert nun seit 40 Jahren
durch seine "Wüsten" in aller Welt, in Flüchtlingslagern,
im eigenen Land vor Grenzübergängen,
Terminals, Checkpoints und nun vor der Apartheid-Mauer
Es fragt, wie lange noch?
Sind 40, gar 60 Jahre nicht längst genug?
Von Tag zu Tag wird das Volk
um mehr Dunums (6) seines Landes beraubt
Fruchtbäume wurden zu zig Tausenden
Und über 500 Dörfer zerstört.
Das Wasser: ein immer größeres Problem -
Der größte Teil wird in israelische Städte und Siedlungen
geleitet,
So trocknen Quellen und Brunnen aus,
werden gar zerstört oder versiegelt -
Das Restwasser schwer kontaminiert oder gar vergiftet (7).
Das eigene Wasser muss teuer zurückgekauft werden.
. Egal wo und wie die Menschen leben
Ob in Höhlen, Zelten, Blechhütten oder Häusern -
Mehr als 18 000 wurden zerstört - es wird ethnisch gesäubert
Im Negev und in Galiläa, im Jordantal, in Rafah und Jerusalem …
Wenn sie Glück haben, dürfen sie Sklavenarbeit leisten
Wie einst die Hebräer in Ägypten.
Sonst werden sie schikaniert, gedemütigt,
Verhaftet, gefoltert, verletzt und getötet.
Warum? Aus Sicherheitsgründen.
Denn Sicherheit ist nur für das eine Volk.
Alles wird ihnen genommen
die Zeit, die Straßen und das Geld
die Kinder, die Freiheit, das Leben und was sonst dazu gehört.
Die Welt sieht zu - als sei's ne Komödie.
Es ist aber in realiter eine erschütternde Tragödie.
Die Menschen üben unglaubliche Geduld - SUMUD
Und manche murren nicht nur - wen wundert's?
- sie leisten auch Widerstand, zuweilen brutal - doch meist
gewaltfrei -
Und werden dafür zehn- oder gar hundertfach bestraft.
Die "ethnic cleanser"(8) denken und wünschen:
"Let this people go! Let this people starve! (9)
Wann verschwinden sie denn endlich von alleine?"
Wo bleibt der Mose oder Nelson Mandela,
der das geschundene Volk in die Freiheit führt?
Nach 40, ja, 60 Jahren Leid, Verzweiflung, Zorn
und Verbitterung
klingt es inzwischen von allen Enden der Erde:
"40 Jahre Besatzung, Unterdrückung und Vertreibung sind vollauf
genug!
Lasst endlich das Volk in seinem eigenen Lande leben!
Let this people stay! Let this people live!"
(10)
1) einem bekannten Spiritual
nachempfunden
2) 2.Mos.3,8
3.) Josua 12/ 5.Mos.7
4) Jericho war schon um 8000 v. Chr. eine Stadt
5) arab.: Kein Problem!
6) Dunum , arabisches Flächenmaß
7) von Siedlern südlich Hebron
8) diejenigen die die ethnische Säuberung und den Transfer
befürworten
9) Lasst dieses Volk gehen! Lasst es verhungern!
10) Lasst dieses Volk bleiben! Lasst dieses Volk leben!
„Fröhliche
Weihnacht – überall“ !
----Weihnachten 2010 ---
Ellen Rohlfs
26.12.2010 nach Vera Machts Bericht aus Gaza
„Fröhliche Weihnacht – überall!“
Heißt es in einem unserer Weihnachtslieder.
Können wir das denn noch singen?
Schreiendes Unrecht an jedem Tag
Sogar der Weihnachtstag
ein Tag des Terrors:
Fröhliche Weihnacht --- überall??
In Afghanistan? Irak, Pakistan und Palästina ??
Überall??
Im Gazastreifen wurde am Weihnachtstag
Der Schäfer Abu Hash inmitten seiner Herde erschossen-
Er weidete sie nahe am 500m Grenzstreifen
Im letzten Monat wurden allein 32 Menschen dort angeschossen
Auch Kinder und Jugendliche
mit Dum-dum-Geschossen – nach Genfer Konvention verboten
88 wurden seit März angeschossen – neun davon starben.
Ihr Verbrechen: Steine sammeln als Bausteinersatz.
Da 45 % Arbeitslosigkeit.
Fröhliche Weihnacht --- überall ??
Am Heiligabend Beerdigung von Abu Hash
Der seinen 2Tage alten Sohn nie gesehen hat.
Und schon wieder fliegen F-16-Bomber über Gaza
Und werfen Bomben, die das E-Werk treffen
Nun liegt Gaza im Dunklen.
Noch ein Tag des Terrors.
Die Menschen, ja Menschen !! sind so schon schwer traumatisiert.
Bomben in jeder Nacht.
Noch ein Krieg? Wir können’s nicht fassen.
Und die dies tun – die „moralischste Armee“ -
sind sie noch Menschen?
Kriegsverbrecher, Terroristen sind’s !
Wie lange noch??
Und die Absperrung Gazas nannte ich noch nicht
Es ist das größte Freiluftgefängnis der Welt ..
Gehört dies alles zur „Staatsraison“ unserer Regierung?
Mir bleiben nur noch Trauer, Verzweiflung
Hilf- und Machtlosigkeit.
Kann da einer noch singen:
Fröhliche Weihnacht ----- überall ????
Mir ist das Weihnachtslieder-Singen auf jeden Fall vergangen ….
Ein Kind
Ein
Kind
Ein jüdisches Kind
Wird geboren
- Nach biblischer Überlieferung -
Im Schutz
Einer Stallhöhle
Vor 2000 Jahren
In Bethlehem
- und lebt ....
Seitdem feiern wir Weihnachten.
Kinder
Jüdische Kinder
Wurden geboren
Vor 60 Jahren
In Auschwitz, Maydanek
Und ähnlichen Un-Orten
Lebten kurz und starben im Gas.
Wo ist Gott?
Fragt mancher seitdem.
Kinder
Israelische Kinder
Wurden geboren
Vor etwa 20 Jahren
Wohl behütet im Kreißsaal
Eines Krankenhauses in
Tel Aviv, Ariel oder Jerusalem
Und leben - um zu hassen
„Born to kill“ liest man *
auf
manchem Soldatenrücken
Du sollst nicht töten!
Heißt eins der Gebote ihres Gottes.
Kinder,
palästinensische Kinder
Werden geboren
In Pkws
Am Checkpoint
Nicht nur vor Bethlehem.
Im Jahre 2001 und zwei-
starben bei 43 Geburten 23 Kinder
und 19 ihrer Mütter mit ...
Fröhliche Weihnachten ! ?
Ellen
Rohlfs 20002
(* in Hebron; s. auch Artikel in Haaretz
(19.1.02) von Gideon Levy
„The war against the unborn“; Bericht
von Sean Hawkey 2.12.02, Bethlehem)
Die Übersetzung
eines Gedichtes.
Mein Land
Ein Gedicht von Christine
Mein Land
Überwältigt vom Wehgeschrei!
Warum müssen deine unschuldigen Kinder
Für die Sünden der Erwachsenen zahlen?
Mein Land
Eingezäunt von Feuer
Umgürtet von Maschinenkugeln.
Mein Land,
wie hat man dich verunstaltet!
geliebtes Land, wann wird alles vorüber sein?
Mein Land,
Oase der Liebe und des gegenseitigen Verständnisses
Ich habe darum gebetet, dass die gerechte Sache triumphieren wird.
Mein Land
Ich habe darum gebetet,
dass die Kinder aufwachsen im Land in Freiheit und Frieden.
Wir
wollen in Frieden leben
Im Land von Freiheit und Frieden
Wir wollen, dass Friedenstauben
über unser zauberhaftes Land fliegen.
Christine Sa’adeh, 12 Jahre, Bethlehem
(Aus dem Engl.: E.Rohlfs)
Christine
wurde am Abend des 25. März 2003 in Bethlehem von einem Sonderkommando
der israelischen Armee im Auto ihrer Familie erschossen.
Quelle
Alles gesagt ?
- nach
dem Gazakrieg 2008/2009
Ellen Rohlfs
An sich haben wir alles gesagt, bis uns die Worte
Zu Asche in
unserm Munde wurden*
Zu Asche, zu
Asche , zu Asche
Verbrannt -
verkohlt – verwest – verseucht -
Verfault –
verreckt – vertilgt – vermint -
verloren –
verflucht – verachtet – verbittert - verzweifelt …
wortlos –
mutlos – hoffnungslos – ratlos - lieblos und ohne Erbarmen …
ja, genau
deshalb schreie ich ….
Mein Schrei –
scheinbar lautlos - ist
wie der Schrei
in Edward Munchs berühmter Lithographie
ein Schrei,
der rund um die Erde hallt
ein Schrei,
der bis in die tiefste Hölle schallt
ein Schrei,
der bis in die Himmel aller Himmel steigt
ein Schrei,
der auch den sechs Millionen der Naziverbrechen gilt
und den im
Irak-, Afghanistan-, Libanon- und Gazakrieg
Getöteten,
Verbrannten, Verkohlten – Menschen, Frauen, Kinder !!.
Und den von
geächteten Waffen Verstümmelten und Zerfetzten – Menschen,
Kinder, Frauen
und den
Millionen Vertriebenen - Iraker, Afghanen, Palästinenser – es
sind Menschen!!!
Sie sind die
Opfer moderner „Kreuzzüge“ dümmlich frömmelnder
Supermacht-Präsidenten
und Opfer
des angeblichen „ Clash of Civilisations“ „ des Kampfes der
Kulturen“
zwischen den
arroganten sog. Zivilisierten und Kultivierten,
Vertreter
„westlicher Werte“ --- welche denn ??
und den
angeblich primitiven, mörderischen Einheimischen,
mit denen
angeblich nicht geredet werden kann –
mit denen man
aber gar nicht reden will !!!
„Krieg gegen
Terrorismus“ heißt es – doch
Wer sind die
wirklichen, grausam unmenschlichen Terroristen ??
Welches sind
die Schurkenstaaten ??
Es ist ein
Schrei, der unsere Regierung nicht nur aufschrecken
sondern
endlich, endlich, endlich !! aufwecken sollte ….
Merkt sie
noch immer nicht, dass man sie für dumm hält…
Und ihre
philosemitische Nachsicht heimlich belächelt ?
Dass darum
ungestraft weitergemacht wird mit ethnischer Säuberung in
Ost-Jerusalem und …
Es sind ja
keine Menschen … sondern „Krebsgeschwüre“ -
kommt uns dies
nicht irgendwie bekannt vor ? …
Es ist
Rassismus pur – sollte das hier noch keiner gemerkt haben ??
Ich schreie
„mit verzerrtem Gesicht und harter Stimme“ *
Was kann ich
sonst noch tun?
Außer den
Geist aufgeben --- und die Welt
mit ihren
heuchlerisch, verlogenen Politikern und Regenten
und den so
unschuldig tuenden, feig-frommen Kirchenobersten
- allesamt
gehirngewaschen -
Ihrem
Wahnsinn überlassen.
„Nach mir die
Sintflut“ sagte man früher, und heute : die nukleare
Selbstzerstörung.
Oder gibt’s
eine Alternative?
·
In Anlehnung an Berthold
Brecht
GEBT ihnen Geigen !
(Daniel Barenboim
gewidmet von Ellen Rohlfs)
Nehmt ihnen nicht weg das
Brot und das Wasser!
Das
Land, die Ölbäume, Straßen, Häuser, Schulen und Werkstätten!
Nehmt ihnen nicht weg die Würde, Freiheit, Hoffnung und den
Lebensmut,
Doch
nehmt weg die Checkpoints und Straßensperren
Den
scharfen Befehlston, die demütigende Bewegung,
die
Undercovereinheiten, die Kollaborateure
die
Gefängnislager mit ihren Folterern
die
Panzer, Scharfschützen, Hubschrauber, Bulldozer
das
Tränengas, den Lärm der Motoren,
das
Monstrum der Apartheidmauer.
Nehmt all dies weg! und
Lasst das Verhaften, Zerstören, Verletzen, das gezielte Töten!
Sie nehmen sonst nicht nur
Steine in die Hand, sondern Kalaschnikows,
Sie
schmuggeln Waffen und basteln Raketen,
verstecken Minen am Straßenrand -
Ja,
schnallen sich Sprengstoffgürtel um den Leib ....
-
Haben sie
denn noch was zu verlieren
- Außer
der Angst vor dem Tod ?
und
reißen so Unschuldige mit in den ihrigen.
Wer
sind sie? Terroristen, Freiheitskämpfer ?
Wer
Wind sät – wird Sturm ernten.
Wer
Gewalt sät, wird mit Terror konfrontiert.
Drum: Gebt ihnen Geigen,
Trompeten, Celli und Trommeln in die Hand –
Die
Würde und Achtung vor dem anderen,
steckt sie mit Begeisterung an,
schenkt ihnen Liebe, Verständnis
und
wahren Sinn fürs Leben in lohnender Zukunft.
So
wurde aus Ramzi, dem Steinewerfer – Ramzi, der Geiger.
Aus
Samir, dem Intifadajungen – Samir, der Architekt.
Aus
Majid, dem Frustrierten – Majid, der Arzt.
Aus
Nazmi, dem Geschlagenen – Nazmi, der Archäologe.
Aus
Mahmud, dem Beraubten – Mahmud, der Dichter.
Aus
Sliman, dem Gedemütigten – Sliman, der Maler.
Aus
Noah, dem Traumatisierten --- Noah, der Friedenskämpfer.
Aus
Ahmed, dem Gefolterten - wird dann hoffentlich ein ganz normaler
Familienvater.
Ja, gebt ihnen Geigen
in die Hand, den Pinsel, das Buch oder ein Werkzeug,
Gebt
zurück die menschliche Würde, Hoffnung und den Augen ein Ziel.
Und
natürlich das Brot und das Wasser,
Das
Haus, das Land mit seinen Früchten,
Gebt
zurück die Ehre dem einzelnen und den Familien,
Die
Freiheit und Sicherheit im eigenen Land!
Gebt ihnen Geigen in die
Hand! – dann werden sie beweisen,
ihre
Gene* sind nicht anders als die ganz normaler Menschen.
Sie
werden leben in Frieden mit sich und ihren jüdischen Nachbarn.
Nach
Martin Buber , Yeshayahu Leibowitz und Yehudi Menuhin
Wär’
es nie anders gewesen.
Doch
nun muss der Geist des Versöhnens und Verzeihens wachsen.
Drum, gebt ihnen Geigen in die Hand und Hoffnung ins Herz!
* Ein israelischer
General behauptete 2003, die Palästinenser hätten Gene der Gewalt
und seien deshalb Terroristen.
 |
Sechs
Millionen
Ellen Rohlfs)
„Man kann nicht darüber reden, aber
schweigen dürfen wir auch nicht“ (H. Böll)
Jedes Wort ist diesem Geschehen gegenüber
ein Zuwenig und ein Zuviel
Seine Wahrheit ist allein der Schrei
Aus der wortlosen Tiefe der menschlichen
Existenz, sagte Marianne Susman in ihrem
Buch Hiob“
„Wie sollen wir uns vor der unbegreiflichen
Singularität „Auschwitz“ verhalten?
Fragt ein dritter (Eckart Nordhofen)
Ja, wie verhalten?
Meine Fragen nach diesem Terrorgipfel von
Bösartigkeit gehen ins Leere –
Und trotzdem frage ich: Wozu ist der Mensch,
wozu waren Deutsche fähig?
Wozu ist die Bestie Mensch noch fähig? Was
entfesselt die diabolischen Kräfte in dem,
der auch „homo sapiens“ genannt wird, der
aber besser „monstrum hominis“
genannt werden sollte.
Diese Fragen sind wie Fesseln, aus denen wir
nicht befreit werden können
Es ist auch unmöglich, sich diese von der
Seele zu schreiben.
Als unendliches Gewicht bleiben diese Fragen
und Wörter und Namen auf ihr liegen.
Sie bleiben in der Kehle stecken und lassen
verstummen.
Für meine Kinder und deren Kinder aber muss
ich versuchen, sie aufzuschreiben.
Wörter wie „judenrein“, „Physische
Ausrottung“, „Endlösung“,
Konzentrationslager,
„Kz“, „Holocaust“, „Shoa“ „Auschwitz“
„Buchenwald“ „Bergen-Belsen“ „Dachau“
Und viele andere mit vielen Nebenlagern als
Arbeitslager.
„Arbeit macht frei“ stand über den
Eingangstoren. Diese Namen stehen für
Fabrikmäßigen, bürokratisch organisierten
systematischen Massenmord.
Wörter wie „umgesiedelt“,
„zusammengetrieben“, „zusammengeschlagen“
In „Viehwagen abtransportiert“,
„selektiert“, „erschossen“, „verhungert“
„vergast“
„In Seuchen zugrunde gegangen“, einfach
„krepiert“
Höchstleistung der Gaskammern: 38 000 an
einem Tag.
Massengräber für 4000, 15000, 30 000 in
einem Grab.
Wörter, nur Wörter? Nein das ist
unaussprechlich mehr:
Es sind 6 Millionen mal die Menschheit
anklagende, die Menschheit verklagende
Stumme und herzzerreißende Schreie.
„Monströse Unmenschlichkeit, organisierte
Grausamkeit
Die keinem früheren geschichtlichen Vorgang
zu vergleichen ist“, (Martin Buber)
Sechs Millionen mal ein Mensch, ein Mensch
– das sprengt absolut alle menschliche
Vorstellungskraft.
Sechs Millionen mal, wahrscheinlich aber
mehr – viel mehr, ein Mord an einem Kind,
nein,
an unzähligen, ungezählten Kindern, ein Mord
an einer Mutter, nein, an ungezählten
Müttern,
an ungezählten Vätern, Großvätern,
Großmüttern und unzähligen ungezählten
Enkelkindern –
An Gesunden und Kranken, an Alten und
Gebrechlichen, an Hochbegabten und weniger
Begabten, an Handwerkern und Künstlern, an
Ärzten, Juristen und Kaufleuten
An kleinen Leuten, normalen Menschen wie du
und ich und jeder hatte einen Namen.
Noch immer verfolgen mich die Bilder, die
ich - fast noch ein Kind – mit Entsetzen im
Mai 45
In der ersten Zeitungsnummer nach Kriegsende
sah:
Die fast verhungerten: ausgemergelte,
menschliche Gestalten lagen in den
Holzgestellen
In mehreren Etagen über und dicht
beieinander - nur Haut und Knochen und aus
Übergroßen Augen ein stumpfer Blick. Es
waren die ersten Bilder aus dem Dachauer KZ.
Und wie konnten die Täter danach noch
womöglich „normal“ als Familienväter und
Mitbürger mit den Erinnerungen an ihre
monströsen Untaten weiterleben?
Die Schreibtischtäter und die mit dem
Revolver oder der Peitsche in der Hand,
die „Ingenieure des Todes“ die den Bau der
Gaskammern planten, die Spediteure des Todes
die den Gashahn aufdrehten und die
Krematorien bedienten, die Wachmannschaften
mit den scharfen Hunden, die Lagerärzte, die
an Menschen unsagbar unmenschlich
experimentierten? Wie konnten sie
weiterleben?
Als Deutsche dürfen wir dies unsagbar
Schreckliche nicht vergessen und nicht
verdrängen.
Es ist und bleibt ein Teil unserer
Geschichte, die niemals ausradiert, nie
gelöscht werden kann.
Diese Vergangenheit kann auch nicht nach
Generationen „bewältigt“ werden.
Es gibt keine Wieder„gut“machung – schon gar
nicht mit Geld. Kein einziger der Vergasten
Ermordeten, Verhungerten kann mit Geld ins
Leben zurückgeholt werden.
Diese Geschichte lässt sich weder
„aufarbeiten“ , noch verstehen.
Sie ist „ein schwarzes Loch des Verstehens“
(Dan Diner)
Und Trotzdem müssen wir uns mit ihr
beschäftigen. Wir müssen sie in allen
Details zur Kenntnis
Nehmen und versuchen, Hintergründe und
Ursachen erkennen, „Aktiv sich erinnern“
(Galinski)
Wer sich auf „die Gnade der späten Geburt“
(H. Kohl) beruft, macht es sich zu leicht.
Ich könnte auch so denken.
Ich frage mich aber immer wieder sehr
bewusst und immer wieder ganz persönlich
mich:
Wie hättest du selbst dich danach verhalten,
wenn du einige Jahre älter gewesen wärst und
Verantwortung gehabt und gesehen hättest,
was vor sich geht. Hättest Du die Kraft
gehabt, gegen den Strom zu schwimmen?
( 1941 als 14 Jährige ) jeglicher
Nazi-Organisation den Rücken kehrend (und
„unterzutauchen“, wär wohl der erste Schritt
in die richtige Richtung – aber nicht mehr)
Hättest du den Mut gehabt, das eigene Leben
aufs Spiel zu setzen, um andere zu retten?
Wenn du gefragt worden wärest? Von einer
Kollektivschuld des deutschen Volkes zu
sprechen – damals oder 50 Jahre danach –oder
gar ein Schuldbekenntnis von der jungen
Generation zu verlangen, scheint mir nicht
angemessen; wenn aber Deutsche sich auch
noch nach Generationen sich dieser horrenden
Geschichte schämen - dann wäre dies absolut
in Ordnung.
Was wir wirklich tun können und tun müssen
im Blick auf diese Vergangenheit, ist
verhindern dass so etwas oder Ähnliches
weder in der Gegenwart noch in der Zukunft
geschieht, weder an jüdischen noch an
irgendeinem anderen Volk.
Was die Opfer des Holocaust betrifft – und
dazu gehören Juden und Zigeuner,
Homosexuelle und Geistig-Behinderte – so
dürfen wir sie nicht vergessen , es sind
weit über sechs Millionen weit über sechs
Millionen mal ein Mensch …… ein Mensch mit
einem Namen.
Und die übrig geblieben sind, verstehen wir
sie richtig?
Helfen wir ihnen tatsächlich in der
richtigen Weise, diese traumatische
Vergangenheit und die davon belastete
Gegenwart zu bewältigen, um in Zukunft
angstfrei und im Frieden zu leben.