Israelis riskieren Gefängnis, wenn sie
Palästinenser schmuggeln
Jonathan
Cook, Nazareth, The National, 25.
August 2010
Fast
600 Israelis haben eine Kampagne des zivilen Ungehorsams unterzeichnet,
indem sie ein Gelöbnis ablegten, Gefängnisstrafe zu riskieren, um
palästinensische Frauen und Kinder nach Israel zu schmuggeln, um einen
kurzen Blick auf das Leben außerhalb der besetzten Westbank zu werfen.
Die
Israelis sagen, sie seien von dem Beispiel von Ilana Hammerman
inspiriert worden. Sie ist Schriftstellerin, die nun von einer
strafrechtlichen Verfolgung bedroht ist, nachdem sie einen Artikel
veröffentlich hat, in dem sie zugegeben hat, das Gesetz gebrochen zu
haben, als sie drei junge Palästinenserinnen für einen Tag nach Israel
gebracht hatte.
Frau
Hammerman sagte, sie wolle den jungen Frauen, die niemals die Westbank
verlassen hatten, eine Freude machen und ihnen die Chance geben, das
erste Mal das Mittelmeer zu sehen.
Ihre
Geschichte hat viele Israelis geschockt und zu einer polizeilichen
Untersuchung geführt, nachdem Gruppen vom rechten Lager dazu aufgerufen
haben, sie aus Sicherheitsgründen zu verurteilen.
Es ist
illegal, Palästinenser ohne Passierschein ( den nur wenige erhalten)
durch die Kontrollpunkte zu transportieren. Wenn Frau Hammerman vor
Gericht gebracht und für schuldig befunden wird, könnte ihr eine
Geldstrafe auferlegt und sie bis zu 2 Jahren Haft verurteilt werden.
Aber
Israelis, die sich der Kampagne anschließen, sagen, sie würden sich
nicht von der Drohung mit Gefängnisstrafe abhalten lassen.
Im
letzten Monat schloss sich eine Gruppe von 11 israelischen Frauen Fr.
Hammerman an und wiederholten den Akt zivilen Ungehorsams und fuhren mit
einem Dutzend palästinensischer Frauen und vier Kindern, auch einem
Baby, durch einen Checkpoint nach Israel.
Die
israelischen Frauen sagten, sie planten während der nächsten Wochen
einen Massen-Schmuggel von Palästinensern nach Israel.
Die
Palästinenser, die sich uns anschließen, wollen vor allem eine gute Zeit
erleben, nachdem sie jahrelang unter Besatzung eingesperrt waren. Doch
für uns ist es am wichtigsten, eine Trotzhandlung zu begehen, sagt Ofra
Lyth, die half, nach einer Rede von Fr. Hammerman ein Online Forum von
Unterstützern zu errichten.
„Wir
wollen dieses unmoralische Gesetz überwinden, das den Juden das Recht
gibt, sich frei zu bewegen, während die Palästinenser in ihren Städten
und Dörfern gefangen gehalten werden,“ sagte sie und bezieht sich dabei
auf Regeln , die die meisten Palästinenser in die besetzten Gebiete
sperrt und daran hindert, Israel zu betreten und Israelis hindert,
ihnen zu helfen. Ausnahmen wird bei Palästinensern mit Passierschein
gemacht, wenn es ein medizinischer Notfall ist oder bei einigen
Arbeitern nach einer Sicherheitskontrolle.
Für
die palästinensischen Frauen geht es nicht um ein Statement oder dass
sie einem ungerechten Gesetz sich widersetzen, nach Fr. Lyth.
Die
palästinensischen Frauen erzählen uns: „Führt es durch und bringt euer
politisches Argument vor. Was uns betrifft, wir haben das Gesetz
gebrochen, damit wir uns freuen und daran erinnern, wie das Leben ohne
Checkpoints und ohne Mauer aussieht.
Eine
Frau sagte mir: „Ich wollte nur einmal wieder durchatmen.“
Für
Palästinenser in der Westbank ist es sehr selten, einmal durchzuatmen.
Das Gebiet ist nun auch das zu Hause von einer wachsenden jüdischen
Bevölkerung: 300 000 in mehr als 100 Siedlungen. Die Siedler sind in der
Lage, auf Straßen nach Israel zu fahren, die von der Armee von
Checkpoints aus übersehen werden.
Fr.
Hammerman nahm die drei palästinensischen Teenager dieses Jahr durch
solch einen Siedlerübergang nahe Beitar Illit, südlich von Jerusalem.
Um sie
zu schützen, identifizierte sie weder die jungen Frauen noch die Orte,
in denen sie leben. Sie sprach von den Frauen nur als von Aya, Lin und
Yasmin; denn auch sie könnten sich sonst einer Gefängnisstrafe
gegenüber sehen, weil auch sie das Gesetz gebrochen haben.
Fr.
Hammerman gab in dem Artikel, den sie im März in Haaretz
veröffentlichte, zu, dass sie sich bewusst war, dass ihre Handlung
illegal war.
Sie
sagte den Frauen, die 18 und 19 Jahre alt waren, sie sollten ihr
Kopftuch abnehmen und sich möglichst im westlichen Stil kleiden, um
nicht die Aufmerksamkeit der Soldaten am Checkpoint auf sich zu ziehen.
Sie brachte ihnen auch einen einfachen hebräischen Satz bei – Hakull
beseder ( alles OK) – falls sie von Soldaten angesprochen werden würden.
Dann
nahm sie sie mit auf die Fahrt nach Tel Aviv, und sie besuchten
zusammen die Universität, ein Museum, eine Einkaufspassage und den
Strand, den bis jetzt keiner von ihnen gesehen hatte, obwohl er nur
40km von ihrem Dorf entfernt liegt.
Fr.
Hammerman schrieb, dass es nur einen gefährlichen Augenblick während des
Ausflugs gegeben hätte, als ein in zivil gekleideter Polizist sie
anhielt und die Frauen nach ihrem Ausweis fragte. Fr. Hammerman log den
Polizisten an: es seien Palästinenserinnen aus Ost-Jerusalem und deshalb
sei es ihnen erlaubt, Israel zu betreten.
Im
Juni wurde berichtet, dass der Justizminister Yehuda Weinstein eine
polizeiliche Untersuchung von Fr. Hammerman empfohlen habe, nachdem eine
Siedler-Organisation - the Legal Forum for the Land of Israel,
sich beklagt habe.
Die
Reihen von Fr. Hammermans Unterstützer sind größer geworden, nachdem die
Gruppe in diesem Monat in Haaretz das Inserat veröffentlichte „Wir
weigern uns zu gehorchen“. Das Inserat besagt, dass sie im Geiste Martin
Luther Kings handelten, dem US-Bürgerrechtsführer und forderten, dass
die Palästinenser als „menschliche Wesen und nicht als Terroristen“
behandelt werden sollten.
Während der letzten Woche hat das Online-Forum mehr als 590 Israelis
dazu gebracht, zu unterschreiben, Frau Hammerman möge den Akt des
zivilen Ungehorsams wiederholen.
„Dies
hat mich wirklich überrascht und ermutigt“, sagte sie, „ es war mir
nicht klar, dass es noch so viele andere Israelis gibt, die von diesem
unmöglichen Gesetz genug haben.
Die
Berichterstattung über Fr. Hammerman und ihre Unterstützer war in den
israelischen Medien weithin feindselig. Während eines Fernsehinterviews
in der letzten Woche wurde sie angeklagt, mit ihren Trips Israelis zu
gefährden. Yaron London, der Gast der Talkshow, fragte, ob sie die
Unterwäsche der palästinensischen Frauen , bevor sie in den Wagen
stiegen, auf Sprengstoff untersucht hätte.
Doch
will sie sich nicht abschrecken lassen. Sie sagte, sie hätte über
zukünftige Trips mit Palästinensern mit der Gruppe diskutiert, auch über
einen Trip zur Al-Aqsa, damit sie dort beten könnten, da diese Moschee
in Jerusalem für die meisten Muslime seit mindestens zehn Jahren nicht
zugänglich ist; auch über Besuche bei Verwandten in Jerusalem und
Israel.
Wir
müssen noch mehr Treffen zwischen Israelis und Palästinensern haben, um
mit einander Spaß zu haben, damit sie sehen, dass sie Menschen sind mit
denselben Rechten wie wir.
Sie
sagte, es sei ihr Ziel, unter Israelis eine Diskussion über die
Legalität und Moral von Israels Gesetzen zu starten und den allgemeinen
„blinden Gehorsam“ gegenüber den Behörden herauszufordern.
Fr.
Lyth fügte noch hinzu, dass die palästinensischen Frauen, die mit auf
unsern Trips waren, in ihren Dörfern wie Helden sind. Sie und ihre
Familien wissen, dass sie ein großes Risiko auf sich genommen haben, als
sie das Gesetz brachen, aber Schikanen gehören zu ihrem Alltag.
(dt.
Ellen Rohlfs)
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