Wie der Zionismus das
Schicksal der Palästinenser bestimmte
Rod Such
15.03.2017
Das israelische Theatermanuskript versucht
den palästinensischen Befreiungskampf als eine Frage der Terrors, nicht
des Territoriums darzustellen.
Dank gehorsamer Medien hat diese Bemühung,
die Palästinenser als Terroristen darzustellen, auf einige Demografen
eine große Anziehungskraft.
Wie entstand Terrorismus in Palästina, und
was war sein Erfolg historisch und heute?
Thomas Suárez wirft manches neue Licht auf
diese Fragen in State of Terror: How Terrorism Created Modern Israel.
Er tut das ausgiebig, indem er früher vernachlässigte freigegebene
Dokumente aus den Britischen National Archiven ausgräbt, die sich auf
die Periode des britschen Mandats für Palästina (1920-1948) beziehen.
Suárez Hauptthese ist, dass der
zionistische Terrorismus "letztlich den Lauf der Ereignisse während des
Britischen Mandats bestimmte, und es ist der israelische
Staatsterrorismus, der damit fortfährt, die Ereignisse heute zu
diktieren".
Der Autor warnt, dass er, während er unmissverständlich
palästinensischen Terrorismus gegen Zivilpersonen verurteilt, anerkennt,
dass manche zu extremen Maßnahmen getrieben werden wegen einer
Asymmetrie der Macht
und in Reaktion auf die Bestrebungen, das
palästinensische Volk zu unterjochen und ihre Ressourcen, ihr Land und
ihre Arbeit zu enteignen.
Zionistischer Terrorismus zielte darauf,
die palästinensischen Araber daran zu hindern ihr Recht auf
Selbstbestimmung auszuüben, argumentiert Suárez, und wenn ein Aggressor
auf Widerstand trifft, könne er als Rechtfertigung für seine eigenen
Gewaltakte schwerlich Selbstverteidigung beanspruchen. "Sonst", schreibt
Suárez, "würde sich jede Aggression selbst rechtfertigen."
Suárez ist kein professioneller
Historiker. Trotzdem ist State of Terror von Personen wie dem
israelischen Historiker Ilan Pappe gelobt worden, der es - auf dem
Buchumschlag – eine Glanzleistung und "die erste vollständige und
strukturierte Analyse" der Gewalt nennt, die von der zionistischen
Bewegung vor und nach der Gründung Israels angewandt worden ist. In der
Tat ist die Wissenschaftlichkeit von Suárez beeindruckend; das Buch
enthält fast 700 Anmerkungen, die sich hauptsächlich auf Originalquellen
beziehen.
Aufschlussreiches Betrachtung (insightful
meditation)
State of Terror
ist beste Betrachtung der Geschichte aus einer Innensicht (insightful).
Das ist vor allem in den Einleitungskapiteln deutlich, die zum
britischen Mandat und der Zusicherung der Balfour-Deklaration von 1917
führen, in der Britannien eine "nationale Heimstätte" für Juden in
Palästina verfügte. Suárez bietet eine eindringliche Analyse der Wurzeln
der zionistischen Ideologie, indem er nicht nur die untermauernden
rassistischen und kolonialistischen Einstellungen gegenüber Arabern,
sondern auch ihren Versuch politische, religiöse und kulturelle
Hegemonie über die Juden auszuüben. In gewissem Sinn stellt Suárez den
politischen Zionismus als eine Form des Antisemitismus und eine Art
Totalitarismus dar.
Die schlechte zionistische Behandlung von
Juden ist ein untergeordnetes Thema, das durch die ganze Narrativ von
Suárez zieht. Frühe zionistische Führer versuchten Juden eher als eine
"Rasse" und eine "Nationalität" darzustellen als Menschen eines Glaubens
und mit einer bestimmten ethnischen Identität. Zionistische Führer wie
David Ben Gurion behaupteten auch, Juden wären "verpflichtet sich in
Palästina niederzulassen".
Suárez zitiert einen frühen Gegner des
Zionismus, den englisch-jüdischen Journalisten und Historiker Lucien
Wolf, der den Zionismus als eine "vollständige Kapitulation vor der
Verleumdungen der Antisemiten" missbilligte, die den jüdischen Kampf um
Gleichberechtigung in ihren eigenen Heimatländern zurückwerfen würde.
Zur Unterstützung dieser Behauptung
bemerkt Wolf, dass es scheint, dass Arthur James Balfour, der zur Zeit
der Deklaration, die seinen Namen trägt, Außenminister war, durch den
klassischen Antisemitismus motiviert war eine "nationale Heimstätte" für
Juden zu versprechen: als Premierminister hatte Balfour 1905 versucht,
Juden, die vor den zaristischen Pogromen flüchteten, an der Einwanderung
nach Britannien zu hindern, indem er sie als etwas "zweifellos Übles"
ansah.
Suárez macht die dramatische Behauptung,
dass die "meisten Opfer" gezielter Tötungen durch paramilitärische
Zionisten im Mandatspalästina Juden waren, zum Teil weil diese Milizen
britische jüdische Soldaten und Polizei mit Verrätern gleichsetzten. Das
war sogar im Zweiten Weltkrieg der Fall, als Britannien in einem Kampf
auf Leben und Tod mit Nazideutschland eingebunden war.
Kapitulation Teilungsplan
State of Terror
behauptet, dass die meisten terroristischen Akte gegen zivile
palästinensische Araber gerichtet waren. Sowohl der Labour- als auch der
revisionistische Flügel des Zionismus, die im Terrorismus engagiert
waren, steckten unter einer Decke bei der Durchführung von
terroristischen Akten, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs
eskalierten und in dem bekannten Angriff auf das King David Hotel im
Juli 1946 kulminierten, bei dem 41 palästinensische Araber, 28 Briten,
17 Juden, 2 Armenier, 1 Russe und 1 Ägypter getötet wurden.
Suárez behauptet, dass der Teilungsplan
der Vereinten Nationen von 1947 weitgehend eine Kapitulation vor diesem
Terrorismus war. Hier weicht seine Schlussfolgerung etwas von der
anderer Historiker ab, einschließlich der von Tom Segev, der in One
Palestine, Complete: Jews and Arabs under the British Mandate (1999)
argumentiert, dass das erschöpfte und bankrotte Britische Empire
Palästina unabhängig vom zionistischen Terrorismus verlassen wollte.
In Segevs Bericht war der Abzug der Briten
eine von vornherein festgelegte Sache, und der Terrorismus der
Labour-Zionisten und der von Revisionisten geführten Milizen
konkurrierten mit ihnen um "die Kontrolle des Staates, der bald
gegründet werden sollte".
"Die Briten waren nicht der wirkliche
Feind", schreibt Segev, "das waren die Araber."
Die zahlreichen Terrorakte gegen zivile
Palästinenser während der Nakba 1947-1949, wie das Massaker von Deir
Yassin, haben einen zentralen Platz in den abschließenden Kapiteln von
Suárez.
Mit der Gründung von Israel wandelte sich
der paramilitärische Terrorismus in offiziellen Staatsterrorismus.
Suárez verwendet den Orwellschen Newspeak,
dass Staatlichkeit sich anscheinend auf Terrorakte überträgt, wenn man
die Reaktion der Weltmeinung auf Deir Yassin im April 1948 mit der auf
den blutigeren Massenmord im Dorf Al-Dawayima im Oktober 1948 nach der
Staatsgründung von Israel vergleicht.
Dieses Massaker von, nach Schätzung des
Dorfmukhtars, 145 Menschen wurde laut Suárez zu jener Zeit weitgehend
"als eine militärische Operation" betrachtet; die neuere Wissenschaft
hat es allerdings genauer als ein Beispiel von Staatsterrorismus
beschrieben.
Suárez widmet beträchtliche Aufmerksamkeit
den zionistischen Bemühungen, die Holocaustüberlebenden an der
Auswanderung in andere Länder als Palästina zu hindern und junge
jüdische Überlebende aus Pflegestellen zu entführen und nach Palästina
zu bringen. Darin bezieht er sich maßgeblich auf Yosef Grodzinskys In
the Shadow of the Holocaust: The Struggle Between the Jews and Zionists
in the Aftermath of World War II (2004).
Suárez berichtet auch von dem Terrorismus
unter falscher Flagge in Ägypten, mit dem Israel die Unterstützung des
USA gewinnen wollte. Damals bekannt, aber seither vergessen, führte die
israelische Einheit 131 terroristische Bombardierungen von zivilen
Zielen in Alexandria und Ägypten durch, hauptsächlich von Kinos, die von
US und britischen Bürgern besucht wurden, was ein Bulletin der Central
Intelligence Agency, das 2005 freigegeben wurde, als eine stümperhafte
Operation unter falscher Flagge bezeichnete.
Er führt auch die beschämenden
Beschuldigungen von Holocaustüberlebenden durch israelische und
zionistische Amtspersonen (Offiziere) an, an Akten der
Kollektivbestrafung schuld zu sein, die im Geheimen von israelischen
Streitkräften ausgeführt worden waren, wie das Massaker im Dorf Qibya in
der Westbank 1953 durch die Einheit 101 unter dem Kommando von Ariel
Sharon.
State of Terror
ist ein vollständiges Handbuch zum zionistischen und israelischen
Staatsterrorismus, und eines das wertvolles Licht auf die Situation
heute wirft.
Wie Suárez folgert: "Terrorismus... ist
die einzige Methode, mit der eine einheimische Bevölkerung unterworfen,
dehumanisiert und vertrieben werden kann. Dies ist, von allem Ballast
befreit, die heutige Situation im israelisch-palästinensischen
Konflikt."
Quelle:
www.electronicintifada.net/content/how-zionist-terrorism-determined-palestines-fate/19871
Übersetzung: K. Nebauer