In der Nacht vom letzten Samstag
auf den Sonntag (17. September) haben Unbekannte
einen Brandanschlag auf die griechisch-orthodoxe
Kirche in Tulkarem verübt. Das Feuer hat fast die
komplette Inneneinrichtung der rund 150 Jahre alten
Kirche zerstört. Wo vorher wunderschöne Ikonen
hingen, stehen jetzt nur noch schwarze verkohlte
Wände. Die Täter sind gemäss Augenzeugenbericht nach
Mitternacht in die Kirche eingebrochen und haben die
Holzbänke sowie einen Pneu im Innern angezündet.
Durch die Hitze haben sich Teile der Decke gelöst
und das ganze Innere ist mit einer dicken
Russschicht bedeckt. Ein trauriger Anblick.
Es wird
vermutet, dass der Akt im Zusammenhang mit den
Äusserungen des Papstes stehen. Noch am Tag zuvor
fand eine Sitzung statt, und Regierungsvertreter
haben über die Sicherheit der Kirche und die
Situation der rund 15 Christen in Tulkarem
gesprochen. Die Polizei bewachte daraufhin die
Kirche, allerdings nur bis Mitternacht. Über die
Täterschaft ist noch nichts bekannt; die Leute in
Tulkarem gehen aber davon aus, dass es nicht die
Aktion einer Gruppierung oder einer Organisation,
sondern die Tat einzelner Personen war.
Die
griechisch-orthodoxe Kirche in Tulkarem wurde erst
letztes Jahr wieder eröffnet – nachdem sie vorher
sieben Jahre lang leer stand. Daoud Kharoba und sein
muslimischer Freund Adnan Zaghal haben die Kirche
während vier Monaten mit viel Herzblut und Liebe zum
Detail restauriert. Dabei haben sie Unterstützung
von weiteren Muslimen erhalten, die Geld spendeten
oder bei den Restaurationsarbeiten mithalfen. So war
das Resultat ein wunderschönes Beispiel einer
„interreligiösen" Freundschaft und Zusammenarbeit.
Es zeigt zugleich auch auf, wie die christliche
Gemeinschaft in Tulkarem, die aus drei Geschwistern
mit ihren jeweiligen Familien besteht, in der Stadt
integriert und Teil der Gesellschaft ist.
Am letzten
Sonntag kam ich zufälligerweise am Morgen bei der
Kirche vorbei und traf auf Daoud, zusammengesunken
auf einem Stuhl im Innenhof. Auch ich war
fassungslos, als ich realisierte, was geschah. Noch
vor drei Tagen hatte unser Team zusammen mit einem
südafrikanischen Kollegen eine Messe in der Kirche
organisiert. Am Gottesdienst nahmen nebst Daoud und
seinen Kindern auch muslimische Freunde von uns
statt. Es war ein wunderschöner interreligiöser
Anlass, der uns alle mit Hoffnung und Freude
erfüllte. Und nun dieses Erwachen...
Während ich an
diesem Morgen bei Daoud sass, setzte ein emsiges
Kommen und Gehen ein. Vertreter der Regierung und
Stadtverwaltung, Mitglieder von politischen und
islamischen Parteien, sowie Freunde von Daoud und
auch unserem Team kamen vorbei. Sie alle zeigten
sich bestürzt über den Anschlag und verurteilten den
Akt aufs Schärfste. In vielen Gesichtern stand
grosse Betroffenheit und Fassungslosigkeit. Abdulah
Yasin, der Führer der islamischen Bewegung in
Tulkarem, erklärte in einer kurzen Ansprache, dass
Muslime und Christen in Palästina über all die
Jahrhunderte Brüder und Schwestern waren und dass
sie alle unter der Besetzungsmacht leiden. Er zeigte
grosse Solidarität mit Daoud und versprach, dass er
eigenhändig Geld für die Instandstellung der Kirche
sammeln werde. Auch andere Organisationen und
Parteien erklärten sich bereit, beim Wiederaufbau zu
helfen.
Im Laufe des
Tages gab die Stadtverwaltung bekannt, dass sie die
Verantwortung für den Wiederaufbau der Kirche
übernehmen und ebenfalls Geld und Ressourcen zur
Verfügung stellen wird. An diesem Tag erlebte ich
eine unglaubliche Solidarität der muslimischen
Gemeinschaft in Tulkarem. Sie alle stellten sie
geschlossen hinter die kleine christliche Gemeinde
und erklärten, dass sie keinerlei Hass und
Aggressionen zwischen den Muslimen und Christen in
Tulkarem zulassen werden, und dass sie sich
weiterhin als Brüder und Schwestern fühlen. So hat
denn diese sinnlose Tat letzlich auch einen positive
und mutmachende Seite und zeigt, dass Frieden auch
über Religionsgrenzen möglich ist.
Manuela Weber
aus Bern leistet einen dreimonatigen Einsatz als
Menschenrechtsbeobachter im Rahmen des Ecumenical
Accompaniment Programme in Palestine and Israel (EAPPI).
Ausgebildet und geschickt wurde Manuela Weber von
der Menschenrechtsorganisation Peace Watch
Switzerland. Manuela Webers Berichte widerspiegeln
ihre persönlichen Eindrücke und sind keine
offiziellen Stellungnahmen von Peace Watch
Switzerland oder EAPPI.
Der "EMS-Informationsdienst
zur Lage im Nahen Osten" dient der Verbreitung von
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Er hat nicht den Anspruch objektiv oder ausgewogen
zu sein. Die Zusammenstellung der Nachrichten ist
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Pfarrer Andreas Maurer,
Nahostreferent
Evang.Missionswerk in Südwestdeutschland e.V.
Association of Churches and Missions &
Geschäftsführung des Evangelischen Vereins für die
Schneller-Schulen