Ungeschoren
davonkommen: Israels Weigerung Palästinensern
für Schäden, die seine Sicherheitskräfte
verursacht haben, Ersatz zu leisten
-
B'Tselem
Zusammenfassung,
März 2017 - Von September 2000 (dem Ausbruch
der zweiten Intifada) bis Februar 2017 haben
israelische Sicherheitskräfte 4.868
Palästinenser getötet, die nicht an
Feindseiligkeiten beteiligt waren. Etwa ei
Drittel von ihnen (1.793) waren unter 18 Jahren.
Angesichts dieser
Realität hat sich Israel fast eine generelle
Freistellung von dr Verpflichtung zu
Schadensersatz für all dies Leid zugesichert.
Der Staat bietet Palästinensern, die von
Sicherheitskräften geschädigt worden sind, keine
reelle Chance, vor israelischen Gerichten auf
Schadensersatz zu klagen, nur eine bloße
Illusion, sie könnten dies tun. Israel hat,
einerseits durch die Ausweitung der rechtlichen
Definition von "warfare
activities"einschließlich einer Auslegung dieses
Begriffs durch die Gerichte und andererseits
durch die Einführung einer Reihe von
prozeduralen und beweiserheblichen
Einschränkungen in die Gesetzgebung und das
Fallrecht, die Chancen palästinensischer Kläger
auf Schadensersatz für erlittenen Schaden
praktisch zunichte gemacht.
Menschen für eine
Verletzung oder für einen Schaden an ihrem
Eigentum Schadensersatz zu zahlen, ist keine
Wohltätigkeit – es ist nach dem internationalen
Recht Pflicht des Staates. Palästinensischen
Opfern keinen Schadensersatz zu zahlen, verletzt
ihre Menschenrechte schwer, da man ihnen
Entschädigung für die Verletzung ihrer
Grundrechte auf Leben, physische Unversehrtheit
und Eigentum verweigert. Das Recht auf
Entschädigung zu verweigern kommt der Verletzung
des Rechts selbst gleich: die Bedeutung der
Menschenrechte ist nicht darauf beschränkt, dass
sie bloß in irgendeinem Gesetz oder einer
internationalen Konvention verankert sind. Wenn
keine Sanktionen verhängt werden, wenn die
Menschenrechte verletzt werden, werden die
Rechte hypothetisch und haben die Täter keinen
Ansporn für eine Änderung der Politik zu sorgen.
Hintergrund
-
Das Gesetz (Recht) bestimmt, dass der Staat für
Schäden infolge Fahrlässigkeit haftpflichtig
ist, aber es stellt Staaten von
Entschädigungszahlungen frei für Taten, die
während einer Kriegsaktivität (warfare activity)
begangen wurden. Diese Freistellung
(Ausnahmeregelung) basiert auf der Annahme, dass
Kriegsführung Risiken und Schäden mit sich
bringt, die grundlegend verschieden sind von
denen unter alltäglichen Umständen. Da ein Kampf
notwendigerweise mit Druck und Unsicherheit
einhergeht, ist Schadensersatzrecht nicht für
Vorfälle geeignet, die während dem Krieg
stattfinden.
In den 1990er
Jahren und danach haben Bewohner der besetzten
Gebiete tausende Klagen bei israelischen
Gerichten eingereicht, und Entschädigung für
Schäden gesucht, die ihnen israelische
Sicherheitskräfte in Umständen zugefügt hatten,
die nicht "warfare activity waren. Die Klagen
bezogen sich auf Schäden aus verschiedensten
Ursachen, wie Fälle von rechtwidrigem Schiessen
(einschließlich solcher, bei denen es Todesfälle
oder Verletzungen gab), Zerstörung von
Eigentum, extremer Gewalt, Folter während der
Verhöre durch die Israelische Security Agency
(ISA), und Vorfälle, bei denen Munition oder
Blindgänger, die vom Militär in dem Gebiet
zurückgelassen wurde und später explodierte.
Klagen auf Schadensersatz war für Palästinenser
eine kostspielige Angelegenheit, zogen sich
viele Jahre dahin und waren mit einer Reihe
bürokratischer Hürden ..(imposed).
In der Folge setzten die Palästinenser
lieber geringere Beträge an, die nicht das
Ausmass ds erlittenen Schadens reflektierten.
In der Mitte der
1990er Jahre begann der Staat Israel, um zu
vermeiden auch nur solche Beträge zu zahlen,
damit, die Ausnahme von der Verpflichtung zu
Entschädigungszahlungen für Schäden, die seine
Sicherheitskräfte Palästinensern in den
besetzten Gebieten zugefügt haben, auszuweiten.
Diese Bemühungen wurden dem Ausbruch der Zweiten
Intifada im Jahr 2000 verstärkt. Im Lauf der
Jahre änderte die Knesset mehrmals die Gesetze;
außerdem weiteten die Gerichte aus eigener
Initiative die Ausnahmeregelung für
Schadensersatzzahlungen für den Staat aus. Diese
Änderungen haben es fast unmöglich gemacht, dass
Palästinenser Entschädigung für Verletzungen
erhalten, die ihnen von israelischen
Sicherheitskräften zugefügt wurden, sogar wenn
die Ereignisse in keinerlei Zusammenhang mit
Kämpfen stehen, wie zum Beispiel eindeutige,
ausschließliche polizeiliche Aktivitäten, Fälle
von Plünderung und physischer Gewalt.
Die
Rechtfertigungen der Ausnahmen durch den Staat –
widerlegt
- Der Staat nannte drei maßgebliche
Rechtfertigungen für seine Weigerung
Palästinensern, denen durch israelische
Sicherheitskräfte Schaden zugefügt worden ist,
Entschädigungen zu zahlen: dass die Immunität
für die Verpflichtung (zu Schadensersatz) für "warfare
activities", wie vom Gesetz vorsgesehen und von
den Gerichten durchgesetzt, zu eng gefasst sei
und nicht die Natur der ersten und zweiten
Intifada berücksichtigt, und das als Folge
davon, dass der Staat verpflichtet wurde,
Entschädigung in Fällen zu zahlen, die es nicht
verdienten; dass er die Behauptungen der
palästinensischen Kläger nicht überprüfen könne
und in manchen Fällen absolut keine Mögliochkeit
habe sich zur Wehr zu setzen; und dass es in
bewaffneten Konflikten üblich ist, dass "jede
Partei den Schaden hinnimmtt, den sie erleidet";
dementsprechend müsse die Palästinensische
Autonomibehörde wie jeder andere Staat
Entschädigungen für Palästinenser zahlen, die
Schden erlitten haben.
Diese Argumente
sind nicht stichhaltig. Erstens wurde die
Ausnahme im Recht bezüglich "warfare activity"
im Lauf der Jahre von den Gerichten ausgeweitet,
noch bevor die Gesetzesänderungen abgeschlossen
waren. Schrittweise nahmen die Gerichte mehr und
mehr Arten von Ereignissen/Zwischenfällen in
diese Definition auf und entschieden sich (chose)
in manchen Fällen im Vorhinein dafür, die
Umstände zu prüfen, in denen der Zwischenfall
stattfand, ja nicht einmal der Frage
nachzugehen, ob sich die Soldaten wirklich in
körperlicher oder Lebensgefahr befanden. Zudem
war ein guter Teil der Aktionen der israelischen
Sicherheitskräfte in den besetzten Gebieten –
auch während der ersten und zweiten Itnifada –
eindeutige polizeiliche Aktivitäten wie die
Besetzung von Checkpoints, Festnahmen,
Verhängung und Durchsetzung von Ausgangssperren
und Auflösung von Demonstrationen. Viele
Palästinenser wurden im Lauf solcher
Aktivitäten, die keine Kampfhandlungen sind,
verletzt.
Deshalb gibt es
keine Rechtfertigung für die Freistellung des
Staates von Entschädigungszahlungen für
Schäden, die während dieser Aktivitäten erlitten
wurden.
Quelle
Übersetzung: Karin Nebauer |