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 KurznachrichtenArchiv - ThemenLinksFacebook   -    24. Juli  2022   -   Sponsern SieAktuelle TermineSuchen

 

Antisemitismus und Documenta: Mitglieder de Kuratorenkollektivs Ruangrupa bei der Eröffnung der Documenta am 15. Juni.

Antisemitismus und Documenta

Anonymer Brandbrief

Jörg Häntzschel - 22. Juli 2022

Viele hatten erwartet, nach der wochenlangen Kontroverse um Antisemitismus auf der Documenta würde deren neuer Geschäftsführer, Alexander Farenholtz, nun eine Überprüfung aller Kunstwerke veranlassen, wenn nicht noch drastischere Schritte. Doch das wird nicht passieren.

Der Documenta-Aufsichtsrat hatte am Freitag beschlossen, ein Gremium aus Experten zu berufen, das die künstlerische Leitung beraten solle. Doch diese würden eher punktuell aktiv, so Farenholtz, ein generelles "Screening" der Ausstellung werde es nicht geben. Ohnehin sprächen die Experten allenfalls Empfehlungen aus. Das letzte Wort darüber, wie mit als problematisch empfundenen Werken umgegangen werde, habe in jedem Fall das Kuratorenkollektiv Ruangrupa. "Wenn sie entscheiden, dass sie ein Werk aus der Ausstellung nehmen wollen, können sie das tun. Andernfalls bleibt es dort. Es wird keinen Eingriff in die Handlungsautonomie der Kuratoren geben."

Genau um diese Frage geht es in einem anonymen Brief von auf der Documenta vertretenen Künstlerinnen und Künstlern an den Aufsichtsrat, der am Donnerstag öffentlich geworden, offenbar aber schon einige Tage alt ist. Sie sprechen sich darin entschieden gegen die Einberufung eines Expertenbeirats aus. Ein solches Gremium schaffe eine Atmosphäre der "Einschüchterung, des Misstrauens und der Zensur".  mehr >>>

 

 

Documenta 15 oder Die Demontage von Reisscheunen

Rainer Werning - 23. Juli 2022

Die documenta 15 in Kassel läuft Gefahr, die letzte Kunst- und Kulturausstellung ihrer Art zu sein. Sie geriet bis dato dermaßen tief ins Räderwerk ätzender und verletzender „Antisemitismus“-Kritik, dass als vorläufig letzter Akt Sabine Schormann als Generaldirektorin der documenta einvernehmlich mit dem Aufsichtsrat der Weltkunstschau am 16. Juli zurücktrat. Dabei hätten die diesmal von indonesischen Künstlern kuratierte Ausstellung und das von ihnen präsentierte Konzept „lumbung“ eigentlich gute Chancen haben können, auf vielfältige Weise die interkulturelle Kommunikation zwischen dem „Westen“ und dem „globalen Süden“, der vormals auch als „Dritte Welt“ oder „Trikont“ (Asien, Afrika, Lateinamerika) bezeichnet wurde, zu beleben und zu bereichern. „Lumbung“ bezeichnet ja die Reisscheune als gemeinsamen (H)Ort des Verwaltens und Teilens einer lebenswichtigen Ressource. Stattdessen sind Scheunen niedergerissen worden – mit nicht absehbaren Konsequenzen. Und: Letztlich in und mit welchem Interesse? Ein unaufgeregter Zwischenruf [1] in aufgeheizter Stimmungslage von Rainer Werning.

Nur „ein typisch deutscher Eklat“?

„Diese documenta 15 wird sehr wahrscheinlich in die Geschichte eingehen als ‚documenta des Antisemitismus‘. Mehr noch: Der Ruf der documenta ist international mittlerweile so stark beschädigt – dass er es wahrscheinlich noch über Jahre hinweg sein wird. Vor allem auf der nächsten documenta-Ausgabe in fünf Jahren lastet nun eine große Bürde. Sie wird beweisen müssen, dass dann alles anders sein wird: Die Strukturen und Zuständigkeiten klar und die ausgestellte Kunst unverfänglich. Vielleicht müssen die Kuratorinnen und Kuratoren zukünftig sogar alle Kunstwerke vor dem Ausstellen Experten vorlegen und auf Antisemitismus, Postkolonialismus, Rassismus oder Diskriminierung überprüfen lassen.“ -
Tanja Küchle: hessenschau.de/kultur/die-documenta-muss-sich-grundlegend-erneuern,kommentar-documenta-100.html

Diese Sicht der Dinge widerspiegelt die (vor-)herrschende Meinung im sogenannten Mainstream der bundesrepublikanischen Medien. Eine sehr begrenzte Sicht, die sich überdies augenfällig mit der Lust paart, unbedingt „Köpfe rollen zu sehen“ und/oder einschneidende (Ver-)Änderungen im hiesigen Kunst- und Kulturbereich herbeizusehnen. Die dann gefälligst auch stubenrein und sanitär zu sein haben, um ja nicht Nähen zum „Antisemitismus“ aufkommen zu lassen oder gar zu befördern.

In einem kürzlichen Interview mit dem Publizisten Florian Rötzer merkte zum Thema „Antisemitismus auf der documenta 15“ der israelische Historiker Moshe Zuckermann Folgendes an:

„In Israel wurde es bis dato so gut wie gar nicht wahrgenommen. Nur diejenigen, die sich mit Kunst beschäftigen und von der documenta überhaupt wissen, haben etwas davon gehört. Es ist ein typisch deutscher Eklat und es ist klar, dass es ein deutsches Phänomen ist, wie jetzt damit umgegangen wird. Aber in Israel selber ist das kein Thema. Israel hat seine eigenen Sorgen mit seiner zusammengebrochenen Regierung. Von daher ist Antisemitismus auf der documenta für Israel kein Thema im Moment.“
Florian Rötzer: overton-magazin.de/krass-konkret/moshe-zuckermann-zum-documenta-skandal-jemand-hat-kurz-geruelpst-und-das-erschuettert-das-ganze-land/


Kern des Anstoßes sind und bleiben zwei inkriminierte Ausschnitte aus dem Riesengemälde „People’s Justice“ der indonesischen Künstlergruppe Taring Padi. Dazu schrieb mir kürzlich im Rahmen einer ausgiebigen Korrespondenz der ausgewiesene Indonesienkenner Dr. Ingo Wandelt:  mehr >>>

 

 Dokumentation - Antisemitismusdebatte documenta

 

Es gab da Massenmorde": Was noch fehlt in der Documenta-Debatte

 Thomas Barth

Bislang geht es um Antisemitismus, aber nicht um die westdeutsche Rolle beim Indonesian Genocid, dessen Darstellung den Skandal auslöste.

"Ein wesentlicher Inhalt des beanstandeten Kunstwerks des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi, einer meterhohen Plakatwand mit Wimmelbild, wurde in der vom Antisemitismus-Vorwurf dominierten Debatte kaum benannt: Der Indonesian Genocid, die Massaker in Indonesien 1965–1966.

">Wie steht es damit? Die westdeutsche Rolle beim Indonesian Genocid 19651, ist in der Öffentlichkeit wenig bekannt. Erst 2020 kamen entsprechende BND-Akten ans Licht.

Wird Information über einen dunklen Fleck auf dem Image der westdeutschen Staatengemeinschaft zurückgehalten oder unterdrückt? In der Debatte über das Kunstwerk von Taring Padi wurden Mutmaßungen über einen solchen Hintergrund angestellt.

Ein Klärungsversuch.

">Es geht um die bislang einer breiten Öffentlichkeit völlig unbekannte "Jakarta-Methode" (Vincent Bevins). Darunter versteht man besonders brutale "Regime Change"-Operationen, benannt nach dem Indonesian Genocid von 1965, mit dem sich moderne indonesische Kunst auseinandersetzt und an den Taring Padi mit ihrem Plakat wohl erinnern wollten.

>Bild-Zeitung ausgehende Skandalisierung führte sogar zu einer Gefährdung der Künstler.

"Übertriebene Anschuldigungen, dass das Kunstwerk eine Nazi-Stimmung im Goebbels-Stil widerspiegele, haben extremistische, reaktionäre Reaktionen angeheizt und eine gefährliche Atmosphäre geschaffen, in der die Sicherheit der Künstler bedroht ist." Asienhaus    mehr >>>

 



Die sechs Organisationen, die in dem Beschluss genannt werden.

Mehr als 140 Organisationen unterstützen ein Schreiben der 22 US-Kongressmitglieder an die Biden Regierung, Israels Kriminalisierung der palästinensischen Zivilgesellschaft zurückzuweisen

20. Juli 2022 - (WAFA)

Mehr als 140 Organisationen haben ein Schreiben von 22 US-Kongressmitgliedern unterstützt. Sie fordern die Biden-Regierung darin auf, Maßnahmen zugunsten von sechs prominenten palästinensischen Menschenrechts- und Zivilgesellschaftsorganisationen zu ergreifen, die von den israelischen Behörden als „Terroristengruppen“ eingestuft wurden, wie eine Presseerklärung von Defense for Children International Palestine (DCIP), eine der sechs betroffenen Organisationen, besagte.

Das Schreiben, das an den Staatssekretär Antony Blinken und der Direktorin des nationalen Geheimdienstes Avril Haines adressiert war, fordert die Biden-Regierung auf, öffentlich die israelische Einstufung zurückzuweisen und die israelische Regierung zu drängen, ihre Entscheidung zurückzuziehen und einen Termin für ein behördenübergreifendes Briefing zu bestätigen und dem Kongress innerhalb von 30 Tagen einen Bericht vorzulegen.

“Wir schreiben ihnen aus ernsthafter Sorge um die sechs prominenten palästinensischen Menschenrechtsorganisationen, die von Benny Gantz vor über sechs Monaten zu „Terroristen-Organisationen“ erklärt wurden. Der angebliche Mangel an Beweisen, um diese Entscheidung zu bekräftigen, lässt befürchten, dass es sich um eine zutiefst repressive Maßnahme handeln könnte, die dazu bestimmt ist, prominente und wichtige palästinensische Menschenrechtsorganisationen zu kriminalisieren und zum Schweigen zu bringen“, besagt der Brief, der von den Ageordneten, Ayanna Pressley, Eleanor Holmes Norton, James P. McGovern, Stephen Lynch, Pramila Jayapal, Nydia M. Velázquez, Maxine Waters, Betty McCollum, Rashida Tlaib, Donald Payne Jr., Hank Johnson, Alexandria Ocasio-Cortez, Cori Bush, Raúl Grijalva, Eddie Bernice Johnson, Marie Newman, Ilhan Omar, André Carson, Jesús "Chuy" García, Bobby Rush, Mark Pocan und Danny K. Davis unterzeichnet wurde.

Die sechs palästinensischen Menschenrechts- und Zivilgesellschafts-Organisationen sind: Addameer, Al-Haq, Defense for Children International – Palestine, die Union of Agricultural Work Committees, das Bisan Center for Research and Development und die Union of Palestinian Women Committees.

“Die USA muss sich immer und konsequent gegen Bestrebungen aller Länder einsetzen, die versuchen, die Zivilgesellschaft und die notwendige Arbeit von humanitären Organisationen zu untergraben“, so die US-Gesetzgeber. “Die Gesetzgebung gegen Terrorismus darf nicht auf Menschenrechts- und humanitäre Aktivitäten angewandt werden. Des Weiteren dürfen repressive Maßnahmen, wie Organisationen zu kriminalisieren, nicht eingesetzt werden, um das Recht auf Vereinigungsfreiheit zu unterdrücken oder zu verweigern, oder politischen Dissense oder friedliche Aktivitäten der Zivilgesellschaft einzuschränken.”
Der Brief lautete weiter: “Beweise, um diese Einstufung zu rechtfertigen, wurden trotz zahlreicher Aufforderungen nicht öffentlich, noch allen Mitgliedern des Kongresses vorgelegt. Wir drängen Sie, diese Entscheidung öffentlich abzulehnen, die israelische Regierung zu einer Kursänderung aufzurufen, einen Termin für ein behördenübergreifendes Briefing mit den Unterzeichnern zu bestätigen und dem Kongress einen Bericht über Ihre Maßnahmen innerhalb von 30 Tagen vorzulegen.“

“Unsere Menschenrechtsdokumentation und auf Beweisen beruhenden Verteidigung, die die schweren Verletzungen palästinensischer Kinder durch die israelischen Streitkräfte aufgedeckt hat, hat uns seit Jahren ins Visier der israelischen Regierung gebracht”, sagte Khaled Quzmar, Generaldirektor von DCIP. “Aber wir werden uns nicht unterkriegen lassen. Wir sind dankbar für die führende Rolle der Kongressabgeordneten Pressley bezüglich der Zurückweisung der israelischen Einstufung und drängen die Biden-Regierung, dasselbe zu tun und sich für palästinensische Menschenrechte einzusetzen.”
Mehr als 140 Organisationen unterstützten den Brief, sagte DCIP, außer vielen anderen auch Human Rights Watch, Amnesty International USA, J Street, AJP Action und Americans for Peace Now.

Letzte Woche gaben Belgien, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Irland, Italien, die Niederlande, Spanien und Schweden eine gemeinsame Stellungnahme bezüglich der israelischen Einstufung ab. Sie besagte: „Keine aussagekräftigen Informationen wurden von Israel erhalten, die eine Überprüfung unserer Politik gegenüber der sechs palästinensischen NROs auf der Basis der israelischen Entscheidung als „Terroristenorganisationen“ einzustufen, rechtfertigen würde.“ Die neun Länder erklärten: „Aufgrund des Mangels an solchen Beweisen werden wir unsere Zusammenarbeit und unsere intensive Unterstützung für die Zivilgesellschaft in den besetzten palästinensischen Gebieten fortsetzen.“

Im Februar schloss sich DCIP anderen führenden palästinensischen Menschenrechts- und zivilgesellschaftlichen Organisationen an, um Einspruch gegen die Entscheidung der israelischen Militärbehörden einzulegen, die DCIP und andere Gruppen als „rechtswidrige Vereinigungen“ eingestuft hat.

Der Einspruch fordert die sofortige Aufhebung eines israelischen Militärbefehls, der DCIP und andere führende palästinensische Menschenrechts- und Zivilgesellschaftsgruppen gemäß den Notstandsregelungen (Verteidigungs-) von 1945 zu „widerrechtlichen Vereinigungen“ erklärt.

Er betont, dass die Erklärung der israelischen Behörden auf eine eklatante und schwerwiegende Verletzung des Völkerrechts hinausläuft, einschließlich der Verweigerung eines ordnungsgemäßen Verfahrens und fairen Prozessgarantien, indem sie sich auf angebliche „geheime Beweise“ in israelischen Militärgericten verlassen, die weder unabhängig, noch unparteiisch sind.
Die Regierung und Beamte der Vereinigten Nationen, darunter Menschenrechtsexperten, haben die Einstufung verurteilt und die israelischen Behörden aufgefordert, die Einstufung unverzüglich zurückzuziehen und Bestrebungen einzustellen, die Menschenrechtsarbeit zu kriminalisieren. Zahlreiche Solidaritätsbezeugungen wurden von Gewerkschaften, Akademikern, Menschenrechts- und Entwicklungsorganisationen, und Prominenten, Künstlern sowie Einzelpersonen erklärt. M.K. 
Quelle   (übersetzt von Inga Gelsdorf)

Verleumdung ohne Beweise

EU-Staaten weisen die Anschuldigungen gegen palästinensische Menschenrechtsorganisationen zurück

BIP-Aktuell #222

Neun EU-Staaten und Norwegen wiesen die unbegründeten israelischen Anschuldigungen gegen sechs palästinensische Organisationen der Zivilgesellschaft offiziell zurück. Das israelische Verteidigungsministerium hat keine Beweise für seine Behauptung vorgelegt, dass diese Organisationen Terrorismus unterstützen. In seinem Versuch, diese Organisationen trotz fehlender Beweise zum Schweigen zu bringen, hat das Verteidigungsministerium diese Gruppen ausspioniert und bedroht nun ihre Anwälte, um sie davon abzuhalten, gegen seine Entscheidung Berufung einzulegen.


Mehr als 
100 zivilgesellschaftliche Organisationen starten eine Kampagne zur Sammlung von einer Million Unterschriften von EU-Bürger*innen, um den europäischen Handel mit illegalen Siedlungen in besetzten Gebieten zu beenden.

Die Europäische Bürgerinitiative ist ein offizielles Instrument, um die Stimmen der EU-Bürger zu verstärken und ihre demokratische Beteiligung zu verbessern. Wenn die Initiative innerhalb eines Jahres nach ihrem Start eine Million Unterschriften von Bürgerinnen und Bürgern in allen EU-Mitgliedstaaten sammelt, ist die Europäische Kommission gesetzlich verpflichtet, den Vorschlag zu prüfen, mit den Unterzeichnern zu diskutieren und gesetzgeberische Maßnahmen einzuleiten.

Die Europäische Bürgerinitiative (EBI) unterliegt EU-Regularien:  https://www.cidse.org/de/2022/04/07/take-action-to-end-european-trade-with-illegal-settlements/
Hier kann man teilnehmen.


Im Oktober letzten Jahres hat das israelische Verteidigungsministerium sechs Organisationen der palästinensischen Zivilgesellschaft als "Terrororganisationen" eingestuft (
BIP-Aktuell #193).

Der israelische Verteidigungsminister Benny Gantz behauptete, die Organisationen, sechs der größten und angesehensten Organisationen in Palästina, dienten lediglich als „Frontorganisationen für die PFLP“ (Palästinensische Front zur Befreiung Palästinas), eine politische Partei, die der Staat Israel als Terrororganisation definiert. Er behauptete auch, dass die sechs Organisationen illegal Spendengelder zur Finanzierung von Terroraktivitäten gegen den Staat Israel weiterleiten.

Da diese Organisationen einen Teil ihrer Unterstützung von internationalen Gebern, insbesondere von europäischen Staaten und Stiftungen, erhalten, hat die israelische Regierung Druck auf die Geber ausgeübt, die Unterstützung dieser Organisationen einzustellen. Sowohl die EU als auch die USA verlangten Beweise dafür, dass die Organisationen in den Terrorismus verwickelt sind. Daher übermittelte das israelische Verteidigungsministerium ein Dokument mit den so genannten "Beweisen", das umgehend von einem EU-Beamten verbreitet wurde. Dieses Dokument enthält jedoch keinerlei Beweise, die die Entscheidung der israelischen Regierung rechtfertigen würden.  mehr >>>
 

 

Berichte und Reports

UN-Bericht sieht Schuld für Nahost-Konflikt bei Israel - 7. 6. 2022

280-seitigen Bericht -  Amnesty International wirft Israel vor, den Palästinensern ein "Apartheidsystem" aufzuzwingen  Der Bericht
Der Bericht - docx Datei
Der Bericht - pdf Datei
Der Bericht - Übersetzung ins deutsche.

Amnesty - Israel ein Apartheitsstaat

Human Rights klagt Apartheid an

Human Rights Watch klagt Israel an

Dies ist Apartheid - B'Tselem

Wir klagen Apartheid an?

Apartheid

Yes Din - The Occupation of the West Bank and the Crime of Apartheid: Legal Opinion
2017 - UN-ESCWA-Bericht

Al-Haq - The Legal Architecture of Apartheid – by Dr. Susan Power

Gutachten des IGH: Mauer ist illegal - Der Internationale Gerichtshof in Den Haag verurteilt den israelischen Mauerbau -

Gutachten des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag zur israelischen Mauer

Yes Din - The Occupation of the West Bank and the Crime of Apartheid: Legal Opinion

2017 - UN-ESCWA-Bericht

Al-Haq - The Legal Architecture of Apartheid – by Dr. Susan Power

Am 28. 2. 2022 gab die ‚Harvard Law School’s International Human Rights Clinic (IHRC) – Internationale Menschenrechts-Forschungsstätte der Harward Rechts-Schule – einen Bericht heraus, der befindet, dass die Behandlung der Palästinenser in der Westbank durch Israel einem Apartheid-Verbrechen gleichzusetzen ist. Die Studie IHRC-Addameer-Submission-to HRC-Col-Apartheid-in-WB.pdf



(Bild: Symbol der Presbyterian Church der USA)

Die Presbyterianische Kirche erklärt, dass Israels Behandlung der Palästinenser Apartheid entspricht.

PU 571: Gegenstand – Spezialausgabe der Presbyterian Church zu Apartheid, 10. Juli 2022
 

Am Freitag (vermutlich 8. Juli) erklärte die Presbyterian Church entschieden, dass die Behandlung des palästinensischen Volkes Apartheid darstellt.

Die Abgesandten der 225. Generalversammlung der Presbyterianischen Kirche sprachen sich entschieden für die Lösung einer Öffnung in der genannten Sprache INT-02 aus: „In der Erkenntnis, dass die israelischen Gesetze, Politiken und Praktiken Apartheid gegen das Palästinensische Volk einsetzen“ - 266 zustimmende (70 %) und 116 ablehnende (30 %)
Stimmen.

Unter der Lösung versteht das Presbyterium „dass die Gesetze, Politiken und Praktiken der israelischen Regierung gegenüber dem palästinensischen Volk die internationale gesetzliche Definition von Apartheid erfüllen“.

„Apartheid ist gesetzlich definiert als unmenschlicher Akt zum Zwecke der Einrichtung und Aufrechterhaltung der Dominierung einer rassischen Personengruppe über eine andere rassische Personengruppe, die sie systematisch unterdrückt. Das geschieht in Israel/Palästina durch die Einführung von zwei Gesetzeswerken, eines für Israelis und eines für Palästinenser; Enteignung von palästinensischem Land und Wasser für Siedlungen ‚nur für Juden‘; Verweigerung des Rechtes auf Freiheit des Wohnortes für Palästinenser; Teilung der Bevölkerung nach rassischen Linien durch die Schaffung von getrennten Reservaten und Ghettos für die Palästinenser und Verweigerung des Rechtes auf Nationalität für die Palästinenser“, lautet der Text der Resolution.

Die Resolution „drängt Mitglieder, Gemeinden, Presbyterien und Einheiten der bürgerlichen Verwaltung, einschließlich dem ‚Office of Interfaith Relations‘ (= Amt für glaubens-übergreifende Beziehungen), passende Wege zu suchen, um die israelische Apartheid zu Ende zu bringen“.

Hinsichtlich des Zweckes dieser Resolution: „Sie verfolgt die Hoffnung, dass sie zu einer friedlichen Versöhnung für die Menschen in Israel und in Palästina führen wird ähnlich jener, die in Südafrika geschehen ist, als die Apartheid international (als solche) anerkannt wurde.“

Christen haben sich in den 1950ern gegen die Rassentrennung in den Vereinigten Staaten und später gegen die Apartheid in Südafrika ausgesprochen. Sie müssen ihre Stimmen wieder erheben und Israels Diskriminierung der Palästinenser verurteilen und dem Verbrechen gegen die Menschlichkeit einen Namen geben, den diese Diskriminierung verkörpert: das Verbrechen der Apartheid.

Die Presbyterian Church sagte, sie sei nicht die erste gewesen, die Israels Praktiken als der Apartheid dienende benannt hat und erinnerte, dass unter denen, die sie so genannt haben, auch Nobelpreisträger Erzbischof Desmond Tutu, die ‚National Christian Coalition of Christian Organizations in Palästina‘ (NC  COP) und zusätzlich jüdische und israelische Führer
waren.    Quelle   Quelle Update   
(Übersetzung: Gerhilde Merz)

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Gazastreifen | Die humanitäre Folgen der 15jährigen Blockade - Juni 2022

Schlüsselfakten

    Im Juni 2007 intensivierten die israelischen Behörden nach der Übernahme Gazas durch die Hamas die bestehenden Bewegungseinschränkungen und isolierten praktisch den Gazastreifen vom Rest der palästinensischen Gebiete (oPt) und der Welt. Diese Land-, See- und Luftblockade hat die bestehenden Einschränkungen erheblich verschärft und die Anzahl und besondere Kategorien von Menschen und Gütern,  die über von Israel kontrollierte Übergänge hinein durften, begrenzt.

 

    Vor der Zweiten Intifada im Jahr 2000 wurden bis eine halbe Million Ausreisen von Menschen aus Gaza nach Israel, hauptsächtlich Arbeiternehmer, in einem einzigen Monat verzeichnet. In den ersten sieben Jahren der Blockade reduzierte sich die Anzahl auf knapp über 4000 im Durchschnitt und stieg im Laufe der folgenden acht Jahre auf 10.400 pro Monat.

 

    Bis heute in 2022 haben die israelischen Behörden nur 64% der Patientenanträge auf Ausreise aus Gaza hauptsächlich zu einer Spezialbehandlung in der Westbank, einschließlich Ostjerusalems, pünktlich zum vorgesehenen Arzttermin genehmigt. In vorherigen Jahren sind Patienten gestorben, während sie auf eine Beantwortung ihres Antrags warteten.

 

    Die ägyptischen Behörden hielten den Rafah-Grenzübergang nach Gaza eine lange Zeit nach 2014 infolge der politischen Unruhen in Ägypten geschlossen. Rafah ist seit Mitte 2018 meistens in Betrieb und war 95 Tage von 151 in den ersten fünf Monaten von 2022 geöffnet. 

 

    Nach der Blockade sank die Anzahl der LKW-Ladungen an kommerziellen Gütern dramatisch, bis auf zwei Ladungen im Durchschnitt pro Monat in 2009. Nach der Eskalation der Feindseligkeiten 2014 wurden die Transfers von Gaza zur Westbank wieder aufgenommen und seit März 2015 auch die Exporte nach Israel. Im August 2021 steigerten sich die Exporte nach Ägypten zum ersten Mal durchschnittlich auf 787 in den ersten fünf Monaten von 2022. Vor der Blockade betrug das Maximum 961 (Ladungen) im Monat.

 

    Die Menge der LKW-Ladungen, die in Gaza in den ersten fünf Monaten 2022 eingeführt wurden, circa 8.000 pro Monat, lag circa 30% unter dem monatlichen Durchschnitt der ersten Hälfte von 2007, vor der Blockade. Seit damals ist die Bevölkerung um mehr als 50 % gewachsen.

    Die israelischen Streitkräfte haben den Zugang zu Gebieten innerhalb 300 Metern der Gaza-Seite des Grenzzauns mit Israel weitgehend eingeschränkt; Gebiete, die mehrere hundert Meter weiter liegen, gelten als nicht sicher, was landwirtschaftliche Arbeiten verhindert oder erschwert.

 

    Israelische Streitkräfte schränken den Zugang zur Küste von Gaza ein. Zur Zeit erlauben sie Fischern nur einen Zugang zu 50 % der gemäß den Oslo-Abkommen dafür festgelegten Fischereizone.

 

    Die Arbeitslosenquote in Gaza liegt bei den höchsten weltweit: Die Q1 Arbeitslosenquote 2022 betrug 46,6 %, verglichen mit einem Durchschnitt von 34,8 % in 2006. Die Jugend-Arbeitslosigkeit liegt in derselben Zeit (für das Alter von 15 – 29 Jahren) bei 62,5 %.(PCBS)

 

    31% der Haushalte in Gaza fällt es schwer aufgrund fehlender finanzieller Mittel, grundlegende Bildungsmittel, wie Studiengebühren und Bücher, zu finanzieren.

    1.3 Millionen der 2,1 Millionen Palästinenser in Gaza (62%) benötigen Unterstützung mit Lebensmitteln.

 

    Aufgrund ihrer aktuellen Kapazität kann die Gaza-Stromanlage nur bis zu 80 Megawatt (MW) erzeugen, ergänzt durch 120 MW, die es von Israel kauft. Aber das deckt nur circa 50 % des Strombedarfs  in Gaza (400-450 MW). 2021 gab es Stromausfälle von durchschnittlich 11 Stunden pro Tag.

    78% des Leitungswassers in Gaza ist für den menschlichen Bedarf ungeeignet.

 
 

1.    Circa 2,1 Millionen Palästinenser in Gaza sind „eingesperrt“, die breite Mehrheit hat keinen Zugang zum Rest der besetzten Gebiete und der Außenwelt, nur begrenzten Zugang zu medizinischer Behandlung, die in Gaza nicht verfügbar ist, zu höherer Bildung, zur Familie und zum sozialen Leben, und keine wirtschaftliche Chancen. Bewegungseinschränkungen, die von den israelischen Behörden seit den frühen 1990ern verhängt wurden und die nach der Hamas Übernahme von Juni 2007 noch verstärkt wurden, unter Berufung auf Sicherheitsgründe, hatten tiefgreifende Auswirkungen auf die Lebensbedingungen in Gaza und haben die territoriale Einheit und das wirtschaftliche und soziale Gefüge der besetzten Gebiete gespalten. Diejenigen, die für Ausreisegenehmigungen ausgewählt werden, stellen eine winzige Minderheit dar, hauptsächlich Tagesarbeiter, Geschäftsleute, Patienten und Mitarbeiter von internationalen Organisationen. Auch wenn die Isolation von Gaza durch die Wiedereröffnung des Übergangs in Rafah durch Ägypten seit 2018 bis zu einem gewissen Grad entschärft wurde, bleibt die Bewegungsfreiheit durch Rafah weiterhin eingeschränkt und die Auswahlkriterien für Reisende ungewiss.

 

2.    Langjährige, von den israelischen Behörden auferlegte Zugangsbeschränkungen haben Gazas Wirtschaft ruiniert und zu einer hohen Arbeitslosigkeit, Ernährungsunsicherheit und Abhängigkeit von Hilfslieferungen geführt. Das schließt Einschränkungen des Vertriebs von Waren in der Westbank und Israel ein, Einschränkungen der Einfuhr bestimmter Waren in den Gazastreifen und des Zugangs zu landwirtschaftlichen Gebieten sowie Fischereigewässern in Gaza. Die Auswirkungen der Zugangsbeschränkungen werden durch wiederholte Runden der Feindseligkeiten, die zu dem Verlust von Vermögen sowie Menschen mit Langzeitbehinderungen geführt haben, durch eine chronische Energiekrise und durch die anhaltende innerpalästinensische Spaltung der Palästinenser noch verschärft.

 

3.    Im August 2021 erweiterten die israelischen Behörden die Anzahl der Artikel, deren Einfuhr nach Gaza genehmigt ist und hoben die während der Eskalation vom Mai 2021 eingeführten Einschränkungen auf.

 

4.    Die Beschränkungen der Einfuhr von Waren, die von den israelischen Behörden als eine „doppelte Verwendungszweck-Ware“ eingestuft  werden, unter Berufung auf Sicherheitsbedenken, unterminieren die Qualität der Grunddienste und behindern Bemühungen, den Wohnraumbedarf zu decken. Limitierter Zugang für Baumaterialien und wichtige Ausrüstungen seit 2007 haben den Bau, die Reparatur und Aufwertung von Häusern und Infrastruktur verzögert, die für ein hohes Bevölkerungswachstum und die durch die Feindseligkeiten verursachte Verwüstung erforderlich sind. Das hat die Qualität der Gesundheit, der Bildung und der in Gaza verfügbaren Wasser- und Sanitärdienste unterminiert und verlängerte die Vertreibung jener, die ihre Häuser verloren haben. Obwohl nach den Feindseligkeiten von 2014 die Einfuhr von beschränkten Baumaterialien durch den temporären Gaza Wiederaufbau-Mechanismus (GRM), bleibt die Einfuhr von anderen limitierten Artikeln, besonders solche, die für Wasser und Sanitärprojekte erforderlich sind, eine Hauptherausforderung.

 

5.    Die Blockade erregt Bedenken einer kollektiven Bestrafung und anderer möglichen Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte.  Die Blockade gegen Gaza sollte gemäß der Resolution des Sicherheitsrates 1860 vollständig aufgehoben werden. Jedoch können Verbesserungen im Rahmen der Blockade immer noch vorgenommen werden, indem man die Einfuhr- und Ausfuhrbeschränkungen für Personen und Güter lockert.

Einfuhr von LKW-Ladungen über Kerem Shalom und Rafah  (monatlicher Durchschnitt)

 

Ausfuhr von LKW-Ladungen über Kerem Shalom und Rafah (monatlicher Durchschnitt)

Ein- und Ausreise von Personen über Rafah (monatlicher Durchschnitt)

Ausreise von Personen über Erez (monatlicher Durchschnitt)

Quelle  (übersetzt von Inga Gelsdorf)

 

Gaza: Palästinenser werden noch immer von den Erinnerungen an das "Massaker" von Shujaiya 2014 verfolgt

Drei Familien sprechen mit MEE über das anhaltende Trauma der israelischen Angriffe auf das dicht besiedelte Viertel während des Angriffs 2014

Ahmed Al-Sammak in Gaza-Stadt, besetztes Palästina - 23. Juli 2022

Mohammed al-Silk kann sich noch genau an den Moment erinnern, als sein Leben zu bröckeln begann. Es war der 30. Juli 2014. Es war der dritte Tag des Eid al-Fitr und mitten in den israelischen Angriffen auf den Gazastreifen, die Anfang des Monats begonnen hatten. Der 47-jährige Palästinenser verrichtete die Waschung für das al-Asr-Gebet. Seine Frau bereitete gerade das Mittagessen zu.

Vom Dach ihres siebenstöckigen Hauses in Shujaiya im Nordosten des Gazastreifens, wo die drei Kinder des Paares mit ihren vier Nichten und Neffen auf Schaukeln spielten, ertönte Gelächter. Die Kinder waren alle zwischen zwei und neun Jahre alt. In der Nähe fütterte ihr Großvater, Abd Al-Karim, 69, seine Hühner und Enten, während er ein Auge auf seine Enkelkinder hatte. "Es herrschte eine vierstündige Waffenruhe, und die Kinder gingen zum Spielen hinaus, um sich von dem Druck zu erholen, unter dem sie wegen des [israelischen] Angriffs standen", so Silk gegenüber Middle East Eye.

- Mohammed al-Silk
- Was er zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, war, dass das israelische Militär kurz nach Ausrufung der "humanitären Waffenruhe" diese durchbrach. Plötzlich hörte er das Geräusch von Luftangriffen, die so nah waren, dass sein ganzes Haus bebte. Dann hörte er Menschen schreien, dass das Haus von Silk bombardiert worden sei.

Sofort rannten "meine Frau und ich die Treppe zum Dach hinauf... [und] ich fand die Leichen meiner drei Kinder. Auch mein Vater und meine vier Neffen und Nichten waren tot. Drei von ihnen waren kopflos." Silk erstarrte beim Anblick dieser Gräueltat. "Meine Frau schrie: 'Meine Kinder, meine Kinder...' und dann warf sie sich auf den Körper von Omiya, meiner einzigen Tochter. "Der Körper von Abd al-Halim, meinem älteren Sohn, war noch unversehrt. Also eilte ich zu ihm, um nachzusehen, ob er noch lebte. In dem Moment, als ich seinen Kopf vom Boden hob, fiel mir sein Gehirn aus den Händen", sagte er. "Ich trug ihn zu einem Krankenwagen, der vor unserem Haus geparkt war. Sobald der Sanitäter und ich Abd al-Halim in das Fahrzeug gelegt hatten, prasselten weitere Granaten auf uns nieder.

Die Zivilisten
- Der Angriff, der den Palästinensern als "Massaker" auf dem Volksmarkt von Shujaiya bekannt ist, forderte 17 Menschenleben, darunter sieben Kinder, einen Journalisten, zwei Sanitäter und einen Mitarbeiter des Zivilschutzes. Er war Teil der gezielten israelischen Angriffe auf das sechs Quadratkilometer große Viertel, in dem 92 000 Menschen leben, die am 19. Juli begannen. Die israelische Armee behauptete, das Gebiet sei zu einer der Hauptquellen für palästinensischen Raketenbeschuss während des Konflikts geworden, der 11 Tage zuvor begonnen hatte. Allein am 19. Juli tötete Israel rund 75 Zivilisten in Shujaiya, die meisten von ihnen Frauen und Kinder. Umfangreiche Angriffe und schwere Kämpfe hielten 10 Tage lang an.

Augenzeugen berichteten, dass die israelischen Luftangriffe auf den Markt von Shujaiya auf diejenigen abzielten, die den Verwundeten zu Hilfe eilten. Silk war eines der 200 Opfer, die bei dem Angriff verletzt wurden. Er fiel kurz in Ohnmacht, nachdem er von Schrapnellen in mehreren Körperteilen getroffen worden war, darunter Niere, Leber, Bauchspeicheldrüse und Brustkorb. Er wurde in das Al-Shifa-Krankenhaus gebracht, wo ihm ein Bein amputiert wurde. Nach acht Tagen und vier Operationen wachte Silk aus dem Koma auf.

"Als ich meine Augen öffnete, bat ich die Ärzte, mich zu den Gräbern meiner Kinder gehen zu lassen, und dann brach ich in Tränen aus", sagte der trauernde Vater. Aber er lag zu diesem Zeitpunkt auf der Intensivstation und durfte nicht einmal seine Frau sehen. Silk wurde am 20. August von der Intensivstation verlegt und am 13. September aus dem Krankenhaus entlassen, als er in sein Haus zurückkehrte und mit den Folgen der Bombardierung konfrontiert wurde.

"Einer der schwersten Momente, den ich nie vergessen werde, war, als ich mich zum ersten Mal [nach der Entlassung aus dem Krankenhaus] mit meiner Mutter traf. Ich überlegte, ob ich ihr zuerst mein Beileid für meine Kinder oder für meinen Vater oder für meine Neffen und Nichten aussprechen sollte", sagte er. "Nach einigen Tagen ging ich mit meinem Bruder auf den Friedhof. Ich glaubte, meinen zweijährigen Sohn Abd al-Aziz zu hören, der mich rief: 'Baba, ich lebe. Komm herein und hol mich aus dem Grab.' "Ich erzählte das meinem Bruder, der mich umarmte und mir sagte, dass mein Sohn schon vor mehr als 50 Tagen begraben worden war."

Silk und seine Frau beschlossen, aus ihrem zerbombten Haus im Osten des Gazastreifens auszuziehen und bei seiner Mutter und seinen drei Schwestern, ebenfalls in Shujaiya, zu leben. "Ich kann nicht in meinem Haus ohne meine Kinder leben. Ich kann es mir nicht einmal vorstellen, ohne ihr Treiben zu leben", sagte er. Silk und seine Frau können keine Kinder mehr bekommen, da einer seiner Hoden aufgrund von Verletzungen entfernt wurde und die Kosten für eine IVF-Behandlung von über 2.500 Dollar für sie unerschwinglich sind.

Im Jahr 2021 wurde bei einem weiteren israelischen Angriff auf den Gazastreifen das Kuhail-Gebäude, in dem Mohammed arbeitete, zerstört. Das sechsstöckige Gebäude beherbergte Büros und Lernzentren, von denen einige mit der nahe gelegenen Islamischen Universität von Gaza verbunden waren.  Nachdem ihm seine Lebensgrundlage genommen wurde, schlägt sich der Amputierte nun als Uber-Fahrer durch. "Sie töteten meine Kinder, bombardierten meine Bibliothek, die meine einzige Einnahmequelle war, und nahmen mir die Möglichkeit, neue Kinder zu bekommen. Das ist in jeder Hinsicht eine Katastrophe. Mehr Leid kann ich nicht ertragen. Alhamdulillah [Lob sei Gott] für alles."

 



Die Sanitäter
- Israels Angriff auf den Gazastreifen im Jahr 2014 dauerte vom 8. Juli bis zum 26. August und tötete 2.251 Palästinenser, darunter 1.462 Zivilisten. In Israel wurden 67 Soldaten und sechs Zivilisten getötet. Neben der Zerstörung von 18 000 Häusern und Hunderten von dauerhaft behinderten Zivilisten erlitt auch die medizinische Infrastruktur des Gazastreifens schwere Verluste: 73 Krankenhäuser und Ambulanzen wurden beschädigt, und eine Reihe von medizinischem Personal wurde getötet.

Als das Haus der Familie Silk bombardiert wurde, war der Sanitäter Ibrahim Abu al-Kas nur wenige Minuten nach seinem Kollegen Abd al-Razak al-Beltagy am Tatort. "Als ich das Gebäude betrat, fingen die Bomben an, auf uns herabzuregnen. Ich versteckte mich mit einem 17-Jährigen unter der Treppe, sprach Gebete und wartete auf mein Ende. "Dann sah ich, wie al-Beltagy und die beiden Krankenwagen direkt vor meinen Augen beschossen wurden", sagte der 45-jährige Vater von sieben Kindern. Der Verlust von Beltagy war für Kas eine unerträgliche Realität, mit der er sich nicht abfinden konnte.

"Er war nicht nur mein Kollege, er war mein Bruder und Vater. Wir haben fast alle unsere Schichten zusammen gemacht, und ich habe ihn auf einen Schlag verloren. Ich konnte nicht einmal an seiner Beerdigung teilnehmen, weil unsere Arbeit so anstrengend war", sagte Kas.

Trotz Hunderter von Hilferufen aus dem bombardierten Viertel hatte das Rote Kreuz Kas mitgeteilt, dass Israel medizinisches Personal nicht in das Gebiet lassen würde, um den Verwundeten zu helfen. "Um 9 Uhr morgens, nachdem wir fast vier Stunden lang auf grünes Licht gewartet hatten, das Israel uns nicht gab, beschlossen wir schließlich, mit zwei Krankenwagen in das Gebiet zu fahren.

Er erinnert sich an den Blutgeruch in der Luft, an schwer beschädigte Häuser und an die Straße, die absichtlich gesperrt wurde, um Krankenwagen am Durchkommen zu hindern. "Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, bis weitere Krankenwagen eintrafen, und wir begannen, die Toten und Verletzten zu transportieren. Inmitten des Chaos und der Hilferufe, auch von seinen eigenen Angehörigen, versuchte Kas, sich an sein Arbeitsprotokoll zu halten und Frauen und Kinder zuerst zu retten.

Dann sah er die toten Körper seines Kollegen Foad Jaber und des Journalisten Khalid Hamad auf der Straße liegen. Hamad hatte neben Jaber gefilmt, der gerade Menschen rettete. Kas sagte gegenüber MEE, dass es ihm zwar gelungen sei, sein Leben trotz der Erinnerungen an den Angriff weiterzuführen, er sich aber immer an den Moment erinnern werde, als er sich unter der Treppe von Silks Haus versteckte und darauf wartete, dass sein Leben zu Ende ging.

Der pensionierte Polizeibeamte
- Zwischen dem 23. und 25. Juli griff die israelische Armee inmitten der Bombardierung von Shujaiya die Stadt Khuzaa östlich von Khan Younis im südlichen Gazastreifen nahe der Grenze zu Israel an. Einige der 10.000 Einwohner der Stadt konnten fliehen, aber andere, wie die Familie Kodeih, saßen fest und mussten sich verstecken.

Wissam Kodeih, ein 44-jähriger pensionierter Polizeibeamter, und seine drei Brüder suchten zusammen mit 13 anderen Männern Schutz im Haus ihres Nachbarn. Im Haus gegenüber versteckten sich seine 59-jährige Mutter Rasmia und sein 67-jähriger Vater Salem mit fast 50 anderen Frauen und Kindern. Es war Ramadan, und am 24. Juli, während Kodeih das Suhoor-Essen vor dem Morgengrauen einnahm, brachte sein 18-jähriger Bruder Ahmed seiner Mutter im anderen Haus etwas zu essen.

Plötzlich schlugen Bomben in der Nachbarschaft ein und trafen auch die beiden Häuser, in denen die Familie Kodeih Zuflucht gesucht hatte.

Kodeih sagte, die israelische Armee habe das Haus, in dem er sich befand, kurz nach dem Bombardement mit Bulldozern umstellt. Dann wurden ihm die Augen verbunden und die Hände gefesselt, und er wurde von seinen Brüdern und anderen Bewohnern des Hauses getrennt. "Ich sagte den Soldaten, ich wolle meine Mutter und meinen Vater sehen, sonst würde ich mich keinen Schritt mehr bewegen. Sie weigerten sich; einer von ihnen schlug mich mit seinem Gewehrkolben und zog mich gewaltsam zu einem nahe gelegenen Haus, in dem sich fast 200 israelische Soldaten versammelt hatten." Die Soldaten zwangen Kodeih, der am Kopf und an der Schulter blutete, einen Tag lang in der Nähe der Eingangstür des Hauses zu sitzen, hinter ihren Militärhunden. "Einer der Hunde versuchte, sich mir zu nähern. Also starrte ich ihm in die Augen, um ihn zu verscheuchen. Aber ein Soldat ... sah mich und schlug mir mit seinen Militärstiefeln auf den Kopf", sagte er.

Als die Nacht hereinbrach, trieb die Armee ihn und seine Nachbarn zusammen und brachte sie in ein Gebiet in der Nähe des Grenzübergangs Beit Hanoun zwischen Israel und Gaza. "Da waren Hunderte von Männern, einige von ihnen verletzt. Wir saßen im Gras, unsere Augen waren verbunden, und unsere Hände waren gefesselt", sagte er. "Wir wurden gezwungen, unsere Köpfe auf die Knie zu senken. Jeder, der versuchte, seine Augenbinde zu lösen, wurde verprügelt. Obwohl ich blutete, bot man mir nicht einmal ein Taschentuch an, geschweige denn einen Verband."

Es waren Hunderte von Männern, einige von ihnen verletzt, wir saßen im Gras, unsere Augen waren verbunden, und unsere Hände waren gefesselt.

 

Ein palästinensisches Mädchen trägt ihre Habseligkeiten aus dem zerstörten Haus ihrer Familie im Stadtteil Shujaiya, 26. Juli 2014


- Wissam Kodeih, Einwohner von Gaza - Kodeih gelang es, einen Blick auf seine Brüder zu erhaschen, als er auf die Toilette ging. Es folgte ein viertägiges Verhör, in dem er über seine Familie, Hamas-Tunnel und Raketenabschussrampen befragt wurde.

"Wir waren im Ramadan. Die Soldaten gaben uns ein Blatt und einen Becher Wasser, um das Fasten zu brechen. Wenn wir auf die Toilette gingen, gaben sie uns nicht einmal Toilettenpapier." Während dieser Zeit machte sich Kodeih Sorgen um seine Familie, vor allem um seine Frau, die nicht wusste, ob er noch lebte oder schon tot war und wie lange seine Verhaftung dauern würde. "Am 29. Juli erlaubten sie Dutzenden von uns zu gehen und sagten uns, welche Straße wir nehmen sollten", so Kodeih.

Nach einer Stunde Fußmarsch traf die Gruppe auf das Rote Kreuz, und ein Krankenwagen brachte Kodeih und seine beiden Brüder ins Al-Quds-Krankenhaus in Gaza, wo ihre Verletzungen behandelt wurden. Im Krankenhaus traf Kodeih einen Verwandten und erfuhr, dass sein Vater bei dem Angriff getötet worden war. Er weigerte sich zu glauben, dass dies wahr sei, bis er nach Hause ging und seine Mutter sah.  Auf das Haus, in dem sich seine Mutter, sein Vater, seine behinderte Schwester und 50 Frauen und Kinder versteckt hielten, waren Drohnenraketen abgefeuert worden. Eine der Raketen hatte seinen Vater direkt getroffen.

Rasmia sagte: "Das Gesicht meines Mannes war völlig verbrannt, und dann wurde er ohnmächtig. Die Granatsplitter trafen meinen Kopf und meine behinderte Tochter, töteten drei und verletzten fünf Frauen und Kinder". Sie selbst wachte vier Tage später im Krankenhaus auf, konnte ihren Mann aber nicht mehr finden. Nachdem sie mit einem ihrer Nachbarn gesprochen hatte, erfuhr sie, dass Salem und möglicherweise auch ihre Tochter vor der Al-Tawhid-Moschee, etwa 800 Meter von ihrem Haus entfernt, "auf einen Wagen verfrachtet" worden sein könnten. Was Rasmia zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, war, dass die Moschee später bombardiert wurde. Die Verletzten auf dem Wagen, darunter auch Salem, wurden unter den Trümmern begraben und blieben dort fast eine Woche lang liegen.

Am 1. August kehrten Rasmia und ihre Söhne in ihr Haus zurück, um nach Salem und dem 18-jährigen Ahmed zu suchen. Sie wurden von Einheimischen zur Moschee geführt und begannen, unter den Trümmern zu suchen. "Bald fanden wir die Überreste des Wagens. Nachdem wir 30 Minuten lang mit den Händen gegraben hatten, fanden wir die verwesten Leichen meines Vaters und meines 80-jährigen Verwandten", sagte Kodeih. Da es keine Spur von Ahmed gab, ging Kodeih nach Hause, um weiter nach seinem jüngeren Bruder zu suchen. Der Gestank von verwesten Leichen und Schießpulver erfüllte sein Viertel, in dem fast alle Häuser zerstört waren. "Als ich unser Haus erreichte, fand ich eine verweste Leiche, dann erkannte ich Ahmeds Unterhose. Das war die schockierendste Szene, die ich je erlebt habe", sagte der ehemalige Polizist.

Bei dem Angriff auf Khuzaa wurden neunzig Menschen getötet und 1.450 Häuser völlig zerstört oder beschädigt. Fast zwei Jahre lang nach den israelischen Angriffen litt Kodeih fast täglich unter Albträumen. "Selbst jetzt, nach acht Jahren, ist jeder Moment des Massakers noch in meinem Gedächtnis verankert, als wäre es gestern gewesen. Ich kann den Anblick der verwesten Leichen meines Vaters und Ahmeds nicht vergessen. Ich kann es nicht vergessen", sagte er.  Quelle

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