
Israel:
Regierung billigt Gesetzentwurf zur Hinrichtung palästinensischer
Gefangener
Februar 27,
2023 - Übersetzt mit DeepL
Israels rechtsextreme Besatzungsregierung
hat am Sonntag einen Gesetzesentwurf verabschiedet, der die Hinrichtung
von palästinensischen Gefangenen erlauben würde, wenn er Gesetz wird,
berichtet Arab48.com. Der Gesetzentwurf wurde vom rechtsextremen
Minister für nationale Sicherheit Itamar Ben-Gvir eingebracht.
"Das Gericht wird die Todesstrafe gegen jeden verhängen können, der aus
nationalen Gründen einen Mord an israelischen Bürgern begeht", erklärten
Ben-Gvir und Premierminister Benjamin Netanjahu in einer gemeinsamen
Erklärung.
Die Palästinensische Autonomiebehörde verurteilte die Verabschiedung des
Gesetzes und erklärte, dass es gegen internationales Recht verstoße.
"Die Todesstrafe verstößt gegen die Grundrechte des palästinensischen
Volkes auf Leben, Nichtdiskriminierung und Selbstbestimmung", erklärte
das Außenministerium der Palästinensischen Autonomiebehörde. "Sie ist
ein grausames, barbarisches und unmenschliches Gesetz, das seine Wurzeln
in der jüdischen Vorherrschaft hat und genau darauf abzielt, dem
palästinensischen Volk sein Existenzrecht und seine Menschlichkeit zu
verweigern".
Das Ministerium fügte hinzu, dass Israel weiterhin unverhältnismäßig und
vorsätzlich Palästinenser tötet und sie nun willkürlich in die
Todeszelle bringen wird. "Der Staat Palästina warnt vor den gefährlichen
Auswirkungen des Gesetzes über die Todesstrafe und macht Israel für
seine kriminelle Politik und seine Gesetze voll verantwortlich." Er rief
die internationale Gemeinschaft auf, dagegen vorzugehen.
Quelle
Tötungen + Massaker in Palästina |

Das Hawara-Pogrom der israelischen Siedler war eine
Vorschau
auf Sabra und Chatila 2
1982 hielt das
israelische Militär die libanesischen Phalangisten nicht davon ab, ein
Massaker an 600 Männern, Frauen und Kindern in einem libanesischen
Flüchtlingslager zu verüben. Diese Woche hielt im Westjordanland niemand
die extremistischen Siedler davon ab, in Hawara Amok zu laufen.
Gideon Levy
28.Februar 2023 - Übersetzt mit DeepL
Am
Sonntagnachmittag brachte der junge Radwan Dameidi seine Frau und
sein Kleinkind von ihrem Haus in der Westbankstadt Hawara zum Haus der
Familie seiner Frau in Nablus. Dameidi besitzt ein Goldgeschäft
in Nablus und wohnt in einem geräumigen Haus in Hawara. Unmittelbar nach
dem Terroranschlag vom Sonntag in Hawara, bei dem zwei Israelis getötet
wurden, erfuhr er aus den sozialen Medien, dass Siedler einen größeren
Racheakt in der Stadt planten, so dass er seine Frau und sein Baby
schnell an einen sicheren Ort brachte.
Die Haaretz-Reporterin Hagar Shezaf wusste, dass die
Siedler einen Rachemarsch planten. Sie hatte am Sonntagnachmittag
während ihres Aufenthalts in Paris davon erfahren. Von Hawara bis Paris
konnte jeder, der es wollte, wissen, dass eine große Racheaktion Hawara
erschüttern würde. Es gab nur einen Akteur, der es nicht wusste, nicht
sah und nicht hörte - oder vielleicht hörte und wusste, es aber
ignorierte: der israelische Verteidigungsapparat.
Die israelischen Armee, die Grenzpolizei und der Sicherheitsdienst Shin
Bet bereiteten sich nicht auf ein Pogrom vor und unternahmen nichts, um
es zu verhindern, sei es aus Apathie und Selbstgefälligkeit oder weil
sie ganz bewusst ein Auge zudrückten. Nach Schätzungen der Armee
stürmten mindestens 400 Siedlerschläger, einige von ihnen maskiert und
bewaffnet, andere mit Knüppeln, Eisenketten und Benzinkanistern, Hawara.
Niemand hat sie aufgehalten und niemand hat es ernsthaft versucht.
Am Montag erklärte die Grenzpolizei, ihre Kräfte hätten die jüdischen
Randalierer tatsächlich daran gehindert, Hawara zu betreten und die
Randalierer seien von einem Ort aus in die Stadt eingedrungen, für den
die Armee zuständig sei. Militärberichterstatter erklärten auch, dass
die Soldaten versucht hätten, die Siedler daran zu hindern, über die
Straßen in die Stadt zu gelangen, und dass sie deshalb von den Hügeln
heruntergekommen seien. Jedenfalls drangen Hunderte von Randalierern,
auf die eine oder andere Weise, in die Stadt ein mit dem Ziel,
Zerstörung zu säen. Niemand hat sie aufgehalten und niemand hat die
Verantwortung dafür übernommen.
Dies hat erneut deutlich gemacht, wie hilflos die Palästinenser sind und
dass es keine Instanz auf der Welt gibt, die ihr Leben und ihr Eigentum
schützt. Am Sonntag kam auch der Verdacht auf, dass das Wegschauen der
Armee keineswegs nur ein Zufall war. Vielleicht wollten die
Armeeoffiziere tatsächlich, dass die Siedler ihre Arbeit für sie
erledigen, indem sie die Palästinenser bestrafen und mit einem Pogrom
Abschreckung erreichen, wie das Knessetmitglied Zvi Fogel von
Otzma Yehudit gefordert hatte.
Ein solches Wegschauen weckt vergessene Erinnerungen. Die israelische
Armee hatte auch 1982 in den palästinensischen Flüchtlingslagern von
Sabra und Schatila im Libanon bewusst weggeschaut und so den
libanesischen Phalangistenmilizen die schrecklichen Massaker dort
ermöglicht. In Hawara gab es kein Massaker, noch nicht, aber niemand
konnte im Voraus wissen, wie sich die Dinge entwickeln würden. Hätten
die Randalierer auch die Bevölkerung massakrieren wollen, hätte sich
ihnen am Sonntag niemand in den Weg gestellt. Niemand hielt die
Phalangisten in Sabra auf und niemand hielt die Phalangisten in Hawara
auf.
Am Sonntag begnügten sie sich damit, Zerstörung zu säen. Aber warten Sie
nur auf ihren nächsten Racheakt, vor allem, wenn niemand vor Gericht
gestellt und für das Pogrom vom Sonntag bestraft wird. Sabra und Chatila
2 ist im Anmarsch, und niemand tut etwas, um es zu verhindern.
Hawara glich am Montag einer Geisterstadt, einer Stadt im
Belagerungszustand. Es war Cherson in Hawara. Die Reporter waren bereits
in Kampfmontur. Alle Geschäfte waren geschlossen und die Straßen leer.
Die Bewohner kauerten zu Hause und nur wenige lugten durch die Gitter,
die aufgrund früherer Pogrome fast jedes Fenster in der Stadt hat.
Die Gesichter der wenigen Einwohner, die auf der Straße waren,
spiegelten ihre Wut und Verzweiflung wider. Nur die Siedler durften am
Montag die Straßen der Stadt befahren, ein weiteres deutliches Zeichen
der Apartheid, und die meisten von ihnen taten dies trotzig und mit
groben Provokationen - Siegeshupen, Fingerzeigen und Rufe wie "Tod den
Arabern", "Schlampen" und anderen Beleidigungen.
Einige hielten an, stiegen unter dem Schutz von Soldaten aus ihren Autos
aus und begannen, die Bewohner aus nächster Nähe an den Türen ihrer
ausgebrannten Häuser und rauchenden Autos zu verhöhnen. Die Bewohner
platzten vor Wut, wagten aber nicht, ein Wort zu sagen. Die leichte
Berührung, die ein bewaffneter Soldat einem der Schläger auf die
Schulter gab, fasste die Situation besser zusammen, als es tausend Worte
könnten.
Als Radwan Dameidi am Sonntagabend aus Nablus zurückkehrte, wo er
seine Frau und sein Kind für die Nacht zurückgelassen hatte, war er
fassungslos, als er Dutzende von bewaffneten Siedlern in seinem Hof
randalieren sah. Sie schlugen Fenster ein und brannten das opulente
Gästehaus der Familie nieder, das erst vor vier Monaten fertiggestellt
worden war. Dieser Abschaum plünderte sein Smart-TV und steckte seinen
Heimtrainer in Brand.
Vier Soldaten standen in der Nähe des Hauses und rührten keinen Finger.
Quelle
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Am Abgrund
Israelische Siedler haben Autos und Häuser in der palästinensischen Stadt Hawara bei Nablus in Brand gesetzt. (Foto: Twitter)
Elf Tote bei Militäroperation in Nablus, Attentat mit zwei Toten in Huwara, Ausschreitungen und wieder ein Toter. Die Geschichte der Gewalt hinter der jüngsten Eskalation im Westjordanland.
Von Riad Othman
Als ich von 2012 bis 2015 das medico-Büro für Israel und die besetzten palästinensischen Gebiete leitete, fuhr ich immer wieder in einem Auto mit israelischen Kennzeichen durch Huwara, auch mit meiner Familie. Der Ort ist nicht für seine Ausflugsziele bekannt und auf den ersten Blick lässt nichts vermuten, dass er schon vor Jahrhunderten urkundlich erwähnt wurde.
Eine meist staubige Straße, die von Autowerkstätten, -wäschereien und Geschäften gesäumt ist, führt durch das Städtchen. Aber es ist nicht irgendeine Dorfstraße, sondern die historische Handels- und Verkehrsroute 60, die vor der israelischen Staatsgründung das Mandatsgebiet Palästina und davor diese Region des Osmanischen Reiches von Norden nach Süden durchzog. Sie war Teil der Handelswege vom Roten Meer in die Levante. Aus Nazareth in Israel kommend, verläuft sie im Westjordanland von Dschenin im Norden bis nach Hebron im Süden und, wieder auf der israelischen Seite der Grünen Linie, weiter nach Bir Sab’a/Beersheva.
Bis zur zweiten Intifada führte die Straße auch durch die palästinensischen Städte Nablus, Ramallah, Bethlehem und Hebron. Die Pläne für Umgehungsstraßen zur Segregation palästinensischer und israelisch-jüdischer Nutzung und der Beginn ihrer Umsetzung waren zwar sehr viel älter, aber ihre Implementierung nahm erst in den frühen 2000er Jahren wirklich an Fahrt auf. Heute müssen die israelischen Siedler:innen also nicht mehr durch die Zentren palästinensischer Städte fahren.
In Huwara aber wurde diese Trennung nicht vollzogen. Die Siedler nutzen die Hauptstraße durch den Ort bis heute. Zu meiner Zeit waren Israelis aus den umliegenden Siedlungen häufig dabei zu sehen, wie sie ihre Autos in Huwara waschen oder reparieren ließen. Sie nutzten die viel billigeren Preise für solche Dienstleistungen bei den Palästinensern. Sie kauften zum Teil auch in den palästinensischen Läden ein, die ebenfalls billiger sind als in Israel oder den Siedlungen.
Routine an der Oberfläche, Gewalt darunter
Von ganz wenigen Zwischenfällen abgesehen konnte man während meiner Jahre vor Ort, was Huwara, aber auch andere Orte angeht, wie Hizmeh, unweit von Jerusalem in direkter Nachbarschaft zur Siedlung Pizgat Zeev gelegen, den Eindruck einer Routine gewinnen, eines eingespielten Ablaufs, der auf der Anerkennung gegenseitigen wirtschaftlichen Nutzens beruhte. Benjamin Netanjahu pries diesen Zustand dem Ausland gegenüber immer wieder als Allheilmittel gegen Terror und Sicherheitsrisiken, als seine Vision zur Konfliktlösung: eine pax oeconomica ohne politische oder bürgerliche Rechte für Palästinenser:innen – als vergäßen Leute gestohlenes Land, nur weil der Sohn eine Arbeitserlaubnis in Israel hat oder der Siedler sein Auto beim Onkel reparieren lässt.
Wer genau hinsah, den konnte die trügerische Ereignislosigkeit dieser Jahre nicht beruhigen. Die Tatsache, dass sich die gegenseitige Ablehnung im Dorf nur selten in Gewalt äußerte, konnte nicht über die rein instrumentelle Natur dieser Beziehungen hinwegtäuschen. Die Routine ökonomischer Kontakte zwischen Israelis und Palästinenser:innen in Huwara und andernorts vermochte es nicht, letztere die tägliche Entrechtung vergessen zu lassen. Denn unter der Oberfläche war diese andere Form der Gewalt, das Privileg der Siedler gegenüber der Diskriminierung der Kolonisierten, immer da. mehr >>> |

Deutsch-israelisches Verhältnis
Schwierige Freundschaft
Daniel Brössler - 28. Februar 2023
Deutsch-israelisches Verhältnis: Außenministerin Annalena Baerbock empfängt mit ihrem Amtskollegen Eli Cohen den ersten Vertreter der neuen rechtsreligiösen Regierung
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat Israels Pläne für eine Justizreform und die Einführung der Todesstrafe kritisiert. Ihr Amtskollege Eli Cohen ist davon wenig beeindruckt. Ihn treibt ein ganz anderes Thema um.
Die Außenministerin kann es nun nicht länger hinauszögern. Soeben hat Annalena Baerbock ihren neuen israelischen Kollegen Eli Cohen empfangen. Nun steht sie mit ihm vor der Presse und muss Farbe bekennen. "Die Sicherheit Israels ist für uns Staatsräson", heißt es im Koalitionsvertrag der Ampel. Ein Rezept aber, wie mit einer nationalreligiösen Regierung in Jerusalem umzugehen ist, die sich an der Rechtsstaatlichkeit des Landes zu vergehen droht, ist dort nicht zu finden - zumal im Umgang mit Israel Sensibilität geboten ist. Baerbock will daher erst erst einmal keine Missverständnisse aufkommen lassen. "Die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind eng und sie sind einzigartig, weil sie untrennbar verbunden sind mit dem einzigartigen Menschheitsverbrechen der Shoah", betont sie. Und: "Uns verbinden heute unsere gemeinsamen Werte."
Sie habe sich gerade "aus tiefer Verbundenheit und Freundschaft nach dem Stand der politischen Diskussionen innerhalb Israels erkundigt", sagt Baerbock schließlich. Sie wolle "nicht verhehlen, dass wir uns im Ausland Sorgen machen über einige gesetzgeberische Vorhaben mehr >>> |

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Foto von Arn Strohmeyer
Besuch auf der Hölleninsel
Wo Nelson Mandela 18 Jahre eingesperrt war
Arn Strohmeyer - 27.02.2023
Robben Island könnte eigentlich eine paradiesische Insel sein – ein kleiner Garten Eden vor der riesigen südafrikanischen Metropole Kapstadt. Wenn man sich mit dem Schiff der Insel nähert, sieht man viel Grün und nach Süd-Westen hin die roten Dächer eines putzigen kleinen Dorfes. Ein beschaulicher Anblick. Und wie der Name sagt, soll es auf der Insel sogar Robben geben. Aber die Idylle täuscht. Auf einer langen weißen Mauer an der Hafeneinfahrt sitzen aufgereiht wie Geier, die auf Opfer warten, große schwarze Vögel und schauen drohend auf die Ankommenden herab. Ein Symbol für den Schrecken, der hier so lange geherrscht hat.
Das alte Eingangstor zur Gefängnisinsel steht noch und erinnert an ähnliche Tore, die in die Todeslager der Nazis führten. Wenn über dem Portal von Auschwitz der zynisch-barbarische Spruch „Arbeit macht frei“ steht, dann haben die weißen Herrscher des Apartheidstaates, die große Bewunderer Hitlers waren, für den Zugang von Robben Island die nicht weniger zynische Parole „Willkommen. Wir dienen mit Stolz“ ausgewählt. Natürlich wollte niemand in der Hölle von Robben Island „dienen“ und das offene Zeigen von“ Stolz“ wäre sicher als Widerstand gedeutet worden und wäre tödlich gewesen.
Auf dieser Insel wurden nicht wie in den NS-Lagern Menschen systematisch und fabrikmäßig physisch vernichtet, aber die Häftlinge, die das Martyrium hier überlebt haben, berichten übereinstimmend: Man wollte uns psychisch vernichten, uns als Menschen brechen, uns die Würde als humane Wesen nehmen. Um das zu erreichen, war den Schergen des Apartheid-Systems jedes noch so grausame Mittel recht.
Auf die Außenseiten der Busse, die am Hafen stehen und auf die Ankommenden warten, um ihnen die Orte des Grauens zu zeigen, sind Fotos des Leidens und der Passion der hier Gequälten projiziert – Arbeitssklaven, Elendsgestalten, die hier ihr Leben fristen mussten, das man Leben und menschliche Existenz nicht nennen konnte. Opfer eines Systems, das sich wie andere im 20. Jahrhundert anmaßte, nach ihrem ideologischen Gusto über Leben und Tod von Menschen zu entscheiden.
Eine schwarze Guide steigt in den Bus und begrüßt uns mit einem lauten Hallo. Dann leiert sie wie ein Sprechautomat – ohne jede Emotion und ohne jede Pause – alles herunter, was die Besucher über Robben Island wissen sollen. Das Meiste weiß man schon. Dann fährt der Bus vorbei an Mauern, Stacheldrahtverhauen, Wachtürmen, einem Friedhof und dem Steinbruch, in dem die Gefangenen – auch Mandela – arbeiten mussten.
Als wir den Gefängniskomplex erreichen, verabschiedet sich die „Fremdenführerin“ von der Gruppe im Bus und ein schwarzer Guide nimmt uns in Empfang. Er spricht langsam, bildhaft, ausführlich und sehr einfühlsam. Er zeigt uns die langgestreckten Zellen, in denen jeweils etwa 20 Häftlinge eingesperrt waren. Auf dem Boden eine harte Bastmatte für den Schlaf, an der Wand darüber ein offener Holzkasten für ein paar persönliche Gegenstände. Das war der ganze „Besitz“ – sieht man von der Sträflingskleidung ab – der hier Internierten.

Foto von Arn Strohmeyer
In einem Raum steht ein Holzgestell mit leiterähnlichen Sprossen, dessen Seitenleisten nach oben spitz zulaufen. Eine Folterbank, wie man sie ähnlich auch im Mittelalter benutzt hat, auf der die Häftlinge festgebunden wurden, um gequält zu werden: mit Tritten, Schlägen, Peitschenhieben und Schlimmerem. Alle Arten der Folter waren möglich. Wie zum Hohn war in Rückenhöhe ein kleines Kissen angebracht, damit die Geschundenen nicht auf dem harten Holz liegen sollten, sondern es bei ihren Qualen ein bisschen bequemer haben sollten!
Am Ausgang wartet der Guide auf uns und erzählt seine Geschichte. Er war selbst im Widerstand gegen den Apartheidstaat, war bei dem Aufstand im Township Soweto dabei, wurde verhaftet, konnte entkommen, floh nach Angola, kämpfte dort mit der Befreiungsbewegung MPLA gegen die vom Westen unterstützten Partisanen der UNITA von Jonas Savimbi, verließ das Land, kehrte nach Südafrika zurück, wurde erneut verhaftet und landete im Kerker von Robben Island, dessen Zellen er uns gerade zeigt. Jede Guide-Tour muss für den Mann eine furchtbare Reise in die eigene Vergangenheit sein, aber er wirkt selbstbewusst und entspannt, als habe er die eigene Leidenszeit souverän verarbeitet.
Dann führt er uns durch verschlungene Gänge in einen großen Hof. Es gibt alte Fotos, die zeigen, wie die Gefangenen hier aufgereiht vor Steinblöcken saßen und diese kleinklopfen mussten. Wofür diese Arbeit gut war und welchen Sinn sie hatte, wusste vermutlich niemand. Aber Arbeit macht in der Sicht solcher Regime bekanntlich „frei“, und so mussten die Gefangenen hier eben Steine klopfen. Über einem Mauerwerk aus braun-blauen Natursteinen sieht man kleine mit dicken Eisenstäben vergitterte Zellenfenster. Flucht war hier unmöglich, selbst wenn es jemandem gelungen wäre, die Eisengitter zu entfernen. Durch die winzigen Fensterlöcher hätte sich ein Mensch nicht hindurchzwängen können. Und außerdem wären da draußen noch die hohen Mauern des Hofes gewesen.

Foto von Arn Strohmeyer
Der Guide zeigt auf das dritte Fenster von links in der Reihe. In dieser Zelle hat Südafrikas berühmtester Gefangener von 1964 bis 1982 gesessen: Nelson Mandela. Wir steigen in den Flur hinauf. Von einem langen schmalen Gang gehen die Zellen ab, die Türen stehen offen und gewähren den Blick ins Innere. Zweieinhalb Meter mal zweieinhalb Meter mussten für ein Jahrzehnte langes „Leben“ hier ausreichen. Ich blicke in Mandelas Zelle. Ein Hocker, ein Eimer für die Notdurft und eine Bastmatte mit zwei Decken darauf für die Nacht auf dem kalten Steinboden.
Wie kann man eine solche räumliche Folter (auch mit Räumen kann man foltern!) über eine so lange Zeit überstehen, ohne seelisch zu zerbrechen? Und dann diese Zelle nach all den Folterjahren ohne Rachegedanken verlassen und mit einem strahlend-optimistischen, gelösten Lächeln vor die Welt treten, um Freiheit, Frieden und Versöhnung zu stiften? Meine Bewunderung für Nelson Mandela ist grenzenlos.
Vom Schiff aus werfe ich einen letzten Blick auf die Hölleninsel. Die schwarzen Vögel sitzen noch bedrohlich blickend auf der weißen Mauer. Das kleine Dorf mit den roten Dächern liegt friedlich da. Vermutlich haben in dieser Idylle die brutalen Aufseher und Folterschergen sorglos und glücklich mit ihren Familien gewohnt. Robben Island ist eins der unzähligen Beispiele dafür, dass der Mensch seinem Mitmenschen gegenüber ein Wolf sein kann.
PS.
Die Erben des Vermächtnisses von Nelson Mandela – die Führer des ANC – haben das Erbe dieses charismatischen Führers äußerst schlecht verwaltet. Korruption und Selbstbereicherung machen die Regierungszeit dieser Elite aus, die aus einer nationalen Befreiungsbewegung hervorgegangen ist und eigentlich vorrangig die Interessen des Landes (und nicht die persönlichen) im Blick haben sollte. Ich habe auf meiner Fahrt durch das Land überall am Rande der Städte die Townships gesehen, Konglomerate des Elends: Hütten aus Wellblech, Brettern, Pappe und Plastiktüten – ohne Wasseranschluss, draußen ein Dixie-Klo für die Notdurft. Die These der kanadischen Wirtschaftswissenschaftlerin Naomi Klein scheint zu stimmen: Der Kapitalismus macht bestimmte Menschengruppen überflüssig, er braucht sie weder für die Produktion noch für den Konsum. Überflüssige Menschen eben, die man in Townships, Favelas wie in Brasilen oder besetzten Gebieten wie in Palästina abschieben und dort ihrem Schicksal überlassen kann.
Aber wird das gutgehen? Werden diese Elenden und Vergessenen sich nicht eines Tages gegen ihre Peiniger und Unterdrücker erheben? In Südafrika sind die Sympathien für den ANC offenbar auf dem Tiefpunkt angekommen. Ein Ranger in einem Wildpark, mit dem ich ins Gespräch kam, sagte wörtlich: „Wo der ANC ist, herrscht das Chaos!“ Einen Beleg dieser Ansicht fand ich in einem Artikel einer südafrikanischen Zeitung. Da äußerte sich ein Mann namens Busisiwe Mavuso, seines Zeichens „Chief Executive Officer of Business Leadership South Africa“, eine Organisation, die einige der wichtigsten Unternehmen des Landes vertritt.
Dieser CEO sagte eine Revolution in Südafrika voraus, wenn nicht sehr bald diese drei Maßnahmen in Angriff genommen würden: Erstens Abbau der enormen sozialen Kluft ( …. Schwarze leben in Townships, die Arbeitslosigkeit beträgt offiziell 32,9 Prozent, inoffiziell soll sie weit höher sein; ein Viertel der Bevölkerung leidet an Unterernährung). Zweitens fordert Mavuso einen schnellen Ausbau der Infrastruktur. Was er damit meint, ist klar: vor allem ein Ende der täglichen Stromausfälle (sieben bis zehn Stunden) – eine Katastrophe für ein Industrie-, Handels und Tourismusland wie Südafrika. Diese Katastrophe ist eindeutig auf Misswirtschaft, Korruption und Fehlplanungen des ANC in der Energiewirtschaft zurückzuführen. Und drittens fordert der Wirtschaftsexperte eine „Ende der Gesetzlosigkeit, die in weiten Bereichen der Gesellschaft herrscht.“
Der Staat am Kap ist von seiner Beschaffenheit her ein fruchtbares und an Bodenschätzen reiches Land, es hat Arbeitskräfte im Überfluss. Er könnte bei gerechter Verteilung des Reichtums ein Wohlfahrtsstaat für alle sein. Aber angesichts der prekären Lage dort stellt sich die dringliche Frage: Quo vadis, Südafrika? 27.02.2023 |
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