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Der Journalist Arn Strohmeyer hat ein Buch veröffentlicht, in dem es um Israel, Holocaust und deutsche Erinnerungspolitik geht.

 Daraufhin hat man gegen ihn eine Anzeige wegen “Volksverhetzung” erstattet.

Moshe Zuckermann - 5. Juli 2023

Arn Strohmeyer
Falsche Loyalitäten.
Israel, der Holocaust und die deutsche Erinnerungspolitik
ProMedia, Wien 2022, 180 S., 19,90 €

Arn Strohmeyer hat letztes Jahr das Buch “Falsche Loyalitäten. Israel, der Holocaust und die deutsche Erinnerungspolitik” veröffentlicht. Der Untertitel bezeichnet genau, worum es in diesem Buch geht: um Israel, seinen Bezug zum Holocaust und die deutsche Erinnerungspolitik.

Zu einem Vortrag über sein Buch wurde Strohmeyer jüngst vom Nürnberger Evangelischen Forum für den Frieden eingeladen. Im Vorfeld versuchte man die Veranstaltung zu verhindern, was aber nicht gelang. Dennoch wurde gegen den Autor eine Anzeige wegen “Volksverhetzung” erstattet. Während der Vorladung bei der Polizei erfuhr Strohmeyer, was ihm vorgeworfen wird:

1. Er habe in seinem Vortrag referiert, dass nicht nur Juden Opfer unter dem Nationalsozialismus gewesen seien.

2. Er habe behauptet, dass Israel sich auf den Holocaust berufe, um unter diesem Deckmantel die Palästinenser zu unterdrücken.

Es gab Zeiten, da musste man schon Schwerwiegenderes auffahren, um der Volksverhetzung angeklagt zu werden. Aber zunächst zu den Vorwürfen selbst.

Ad 1.: Man weiß nicht, ob es ein Witz sein soll bzw. in welcher Welt der Anzeigenerstatter lebt. Weiß er allen Ernstes nicht, dass auch Nichtjuden Opfer der Nazis waren? Nie was von Sinti und Roma, von Homosexuellen, von Euthanasie-Opfern, von Kommunisten und anderen politisch verfolgten Nichtjuden, von Zivilisten in den von den Nazis eroberten Ländern und von zahllosen anderen “Feinden” gehört? Was will man da in Abrede stellen? Und was genau soll daran Volksverhetzung sein, wenn man das feststellt?

Es scheint dem Anzeigenerstatter um die Singularität der Juden als Opfer der Nazis zu gehen. Dies gemahnt an die Einstellung von Yad Vashem zur Einzigartigkeit des Holocaust – eine alte Debatte, die aber eher etwas mit Politik und Ideologie zu tun hat, als mit einer Wesensbestimmung des von den Nazis an den Juden begangenen Völkermordes. Und ähnlich wie Yad Vashem in einem nahezu Pawlowschen Reflex auf jeglichen Vergleich mit dem Holocaust reagiert (etwa mit dem von den Türken in den Jahren 1915-16 an den Armeniern begangenen Genozid), reagiert auch der empörte Anzeigenerstatter auf die schiere Feststellung, dass auch Nichtjuden Opfer der Nazis gewesen seien. Bei Yad Vashem weiß man ja, warum die Institution die Singularität der Shoah tabuisiert; das Tabu erbringt beträchtliches nationales politisch-ideologisches Kapital.

 Was aber lässt den deutschen Anzeigenerstatter gegen Arn Strohmeyer in solche Aufwallung geraten, dass er ihn der Volksverhetzung zeiht? Schwer zu beantworten. Ich weiß nicht, ob er selbst Jude ist oder nicht. Aber was immer er ist – Jude oder Nichtjude –, er wird sich damit abfinden müssen, dass auch Nichtjuden Opfer der Nazis waren. Wie muss man drauf sein, um das nicht zu wissen bzw. leugnen zu wollen.

Ad 2: Bei der Verteidigung gegen den zweiten Vorwurf beruft sich Arn Strohmeyer darauf, dass auch jüdische Autoren der Feststellung, dass Israel die Holocaust-Erinnerung zu heteronomen Zwecken instrumentalisiere, das Wort reden. Dem ist auch so, aber für sich selbst genommen, ist das kein schlagendes Argument. Denn dafür haben ja Legionen von (deutschen) Sachwaltern der “jüdischen Sache” den Begriff des sich “selbsthassenden Juden” kreiert. So besehen, dürfen auch Autoren wie Dan Diner, Tom Segev, Yehuda Elkana, Moshe Zimmermann und ich (um nur einige zu nennen) der “Volksverhetzung” angeklagt werden.

„Es soll nie wieder passieren“ oder „Es soll nie wieder uns passieren“

Es geht aber um den Inhalt der von Arn Strohmeyer gemachten Feststellung. Die ist zwar mannigfach belegt, kann aber dennoch dem Deutungsdiskurs preisgegeben werden: Man kann die Dinge so sehen oder auch anders. Wer sich aber der Behauptung Strohmeyers (und vieler jüdischer Autoren) verweigert, muss sich fragen lassen, was es damit auf sich habe, dass die Palästinenser von prominenten israelischen Politikern (und ihrer jeweiligen Anhängerschaft) als die Nachfolger der Nazis bezeichnet (und auch als solche behandelt) werden; dass Benjamin Netanjahu behaupten durfte, nicht Hitler, sondern Mohammed Amin al–Husseini sei der eigentliche Initiator des Holocaust gewesen; dass das als Zufluchtsstätte der Juden nach dem Holocaust gegründete Israel in seiner Sicherheit von den Palästinensern bedroht werde, weshalb es gelte, die Palästinenser in Schach zu halten, was nur durch die Okkupation zu gewährleisten sei; vor allem aber, dass der Holocaust-Überlebende Yehuda Elkana angesichts der Brutalität israelischer Soldaten beim Ausbruch der ersten Intifada im Jahre 1988 meinte, schreiben zu müssen: “Symbolisch gesprochen, sind aus Auschwitz zwei Völker hervorgegangen: Eine Minderheit, die behauptet: ‘Es soll nie wieder passieren’, und eine verschreckte, furchterfasste Mehrheit, die behauptet: ‘Es soll nie wieder uns passieren’.”   mehr >>>


Doppelstandards

Die deutsche Politik stellt die Menschenrechte der Palästinenser:innen hintenan.



Riad Othman

Das vergangene Jahr war für Palästinenser:innen im Westjordanland das tödlichste seit fast 20 Jahren. Israelische Besatzungstruppen und Siedler töteten 146 Menschen. Und die Spirale dreht sich weiter: Bis Ende Mai 2023 sind bereits 112 Personen erschossen worden. „Wir als internationale Partner müssen für die Opfer einstehen. Jedes Opfer hat einen Namen. […] Wir müssen ihre Namen aussprechen und ihre Rechte fördern. Und wir müssen die Täter beim Namen nennen“, sagte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock am 27. Februar 2023 vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf. Allerdings ging es da um die Ukraine. Im Zusammenhang mit der Fußball-WM in Qatar erklärte sie: „Unsere Welt basiert auf Menschenrechten und deswegen sind Menschenrechte unteilbar.“

Doch diese Welt der deutschen Außenpolitik scheint Palästina nicht einzuschließen. Der selektive Charakter der moralischen Empörung stellt die viel bemühte Wertebasis fundamental infrage. Als beispielsweise im Mai 2022 ein Scharfschütze der israelischen Armee die palästinensische Journalistin Shirin Abu Akleh erschossen hatte, und zwar mit voller Absicht, wie eine Untersuchung von Forensic Architecture nachwies, reichte es von deutscher Seite nicht einmal für die Forderung nach einer unabhängigen Untersuchungskommission, obwohl der schwerwiegende Verdacht sich früh erhärtete. Menschenrechte verkommen zur Floskel, die man dann bemüht, wenn es gerade passt – oder weglässt, wenn es den eigenen Interessen dienlich ist. Doppelstandards wendet die Bundesregierung gegenüber vielen Ländern an, man denke an den Umgang mit Ägypten oder der Türkei. Hinsichtlich Israel und Palästina sind sie jedoch besonders eklatant.

Repression gegen Zivilgesellschaft

Das langjährige israelische Vorgehen gegen palästinensische Menschenrechtsorganisationen fand im Oktober 2021 einen Höhepunkt, als der damalige Verteidigungsminister Benny Gantz sechs auf einmal zu Terrororganisationen erklärte, darunter zwei Partnerorganisationen von medico. Das Hauptziel war, ihre finanzielle Unterstützung durch internationale Geber, darunter Deutschland, auszutrocknen, die zögerlich auf die Anschuldigungen reagierten und erst einmal keinen entschiedenen Widerspruch einlegten, obwohl keine überzeugenden Beweise vorgelegt wurden. In Israel wusste man die Zeichen zu deuten. Im August 2022 brach die Armee in die Büros der Organisationen ein, nahm deren Computer mit und ordnete ihre Schließung an. Die Repression im Umgang mit der Zivilgesellschaft soll nun auch nach innen ausgeweitet werden: Ein umstrittenes Gesetzesvorhaben, das israelische Organisationen durch die Besteuerung staatlicher Zuschüsse ins Visier genommen hätte, wurde nur nach der Intervention mehrerer Regierungen vorübergehend gestoppt. Auch die Bundesregierung setzte sich bei ihren israelischen Partnern gegen das Gesetz ein.

Dieser Unterstützung von Organisationen vor Ort, die auch im Fall israelischer Verbrechen seit Jahren gegen Straflosigkeit kämpfen, steht ein zunehmend widersprüchliches Handeln der Bundesregierung auf internationaler Ebene gegenüber. Bei der Abstimmung im UN-Menschenrechtsrat zur Einrichtung einer Untersuchungskommission wegen der massenhaften Erschießung von Demonstrierenden im Gazastreifen 2018 enthielt sich Deutschland noch.

Mittlerweile scheint Berlin allerdings gegen multilaterale Mechanismen zur Untersuchung und, falls erforderlich, Verfolgung von Menschenrechts- und Kriegsverbrechen zu opponieren, wenn es um Israel geht. Als die Vorverfahrenskammer des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) prüfte, ob die Situation in Palästina unter die Jurisdiktion des Gerichts falle, versuchte Deutschland dies abzuwenden, indem es der Kammer als „amicus curiae“ seine Sicht der Dinge in einem eigenen Rechtsgutachten übermittelte. Als dieser Weg scheiterte und die Kammer 2021 abschließend und für alle Vertragsparteien die Zuständigkeit des IStGH verbindlich entschied, positionierte sich das Auswärtige Amt öffentlich dagegen. Ein solches Vorgehen von einem Staat, der sich jahrelang für das Römische Statut und die Schaffung des Gerichtshofs eingesetzt hatte, setzt den IStGH politisch unter Druck und beschädigt ihn. Dieser Trend setzte sich Ende 2022 fort: Die Bundesrepublik stimmte in der UN-Generalversammlung gegen die Resolution, die den Internationalen Gerichtshof mit der Ausarbeitung eines Gutachtens zur grundsätzlichen Legalität der Besatzung beauftragte. Eine große Mehrheit der UN-Mitgliedsstaaten stimmte dafür.

Sicherheit versus Menschenrechte

„Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson.“ Als abgewandeltes Zitat wie hier oder in der Urfassung Angela Merkels als „Teil“ deutscher Staatsräson ist dieser Satz Dutzende Male im Mund geführt worden, auch von Politiker:innen wie Olaf Scholz oder Annalena Baerbock. Was ist gemeint, wenn er immer wieder gesagt wird? Wer definiert, worin Israels Sicherheit besteht? Benjamin Netanjahu, der mehrfach gesagt hat, dass er das Jordantal – ein Drittel der Westbank – niemals räumen wird? Der ehemalige Verteidigungsminister Benny Gantz, der vielen hierzulande als gemäßigt gilt, einen palästinensischen Staat unter Verweis auf die israelische Sicherheit aber ebenfalls strikt ablehnt? Ein derart unpräziser und entgrenzter Sicherheitsbegriff erteilt dem palästinensischen Wunsch nach einem Leben ohne Gewalt, in Freiheit und Würde, faktisch eine Absage. Denn am Ende bestimmt alleine   mehr >>>

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Dutzende von Menschen haben am Mittwoch am Potsdamer Platz gegen das Eindringen israelischer Truppen in die Stadt Dschenin protestiert. Auch viele Frauen und Kinder waren anwesend.

„Freiheit für Palästina“: Berliner demonstrieren gegen Israels Militäroperation

05.07.2023

Nach dem Vorrücken israelischer Truppen ins Westjordanland regt sich lauter Protest in der Hauptstadt. Dutzende von Menschen demonstrierten am späten Mittwochnachmittag in Berlin gegen die israelischen Militäroperationen. Auf Plakaten war „Freiheit für Palästina zu lesen“. Teilnehmer der Kundgebung am Potsdamer Platz, darunter auch viele Frauen und Kinder, riefen „Wir lassen uns nicht einschüchtern“ oder „Stoppt den Krieg gegen Palästina.“ Zu der Protestveranstaltung angemeldet waren 100 Teilnehmer, teilweise waren es nach Angaben der Polizei bis zu 140. Die Kundgebung sei friedlich und störungsfrei verlaufen.

Die Polizei hatte allerdings eine Reihe von Auflagen gemacht. So waren beispielsweise Sturmhauben oder Körperprotektoren nicht erlaubt. Bei der Kundgebung war außerdem untersagt, beispielsweise Fahnen zu verbrennen, Gewalttaten zu verherrlichen oder Äußerungen, die eine Vernichtung des Staates Israel propagieren. Eine Polizeisprecherin sagte, es seien Übersetzer anwesend gewesen, um arabische Redebeiträge für die Einsatzleitung zu übersetzen. Insgesamt seien 140 Polizistinnen und Polizisten im Einsatz gewesen.

Dschenin: Israels größte Operation im Westjordanland seit Jahrzehnten

Israel hatte in der Nacht zum Montag eine der größten Militäroperationen im Westjordanland seit Jahrzehnten begonnen. Die Armee rückte mit mehr als Tausend Soldaten in die Stadt Dschenin ein, die eigentlich unter der Kontrolle der palästinensischen Autonomiebehörde steht. In der Stadt, die keine 80 Kilometer Luftlinie von Jerusalem entfernt liegt, lieferte sich das Militär stundenlange Feuergefechte mit bewaffneten Anwohnern. Am Mittwoch wurde der Einsatz offiziell beendet. Alle Soldaten seien aus der Stadt Dschenin abgezogen, erklärte die israelische Armee.

Die Sicherheitslage in Israel und im Westjordanland mit rund drei Millionen Einwohnern ist seit langem angespannt, zuletzt nahm die Gewalt nochmals zu. Seit Beginn des Jahres kamen mehr als zwei Dutzend Menschen bei Anschlägen von Palästinensern ums Leben. Im gleichen Zeitraum wurden rund 150 Palästinenser bei gewaltsamen Zusammenstößen, israelischen Militäreinsätzen oder nach eigenen Anschlägen getötet.

Israel hatte das Westjordanland und Ost-Jerusalem während des Sechstagekrieges 1967 erobert. Dort leben heute mehr als 600.000 israelische Siedler in mehr als 200 Siedlungen.

Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete als Teil eines eigenen Staats. Eine Zweistaatenlösung für den seit Jahrzehnten währenden Nahost-Konflikt scheint jedoch in weiter Ferne. Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern liegen seit 2014 brach.    mehr >>>

 

Wie Israel palästinensischen Kindern ein Trauma zufügt

Dr. Shrin Zarqa-Lederman - Juli 2, 2023

Die andauernde illegale israelische Besatzung und die Kolonisierung Palästinas durch Siedler haben palästinensische Kinder vor einzigartige und systematische Probleme gestellt. Dr. Nadia Shalhoub-Kevorkian, eine palästinensische Feministin, Aktivistin und Wissenschaftlerin, hat den Begriff "Unchilding" eingeführt, um die Folgen der israelischen Besatzung für palästinensische Kinder zu beschreiben. Unchilding bezeichnet die absichtliche und systematische Beseitigung von Kindheitserfahrungen, Unschuld und Verspieltheit durch den Siedlerkolonialismus. Im Folgenden wird das Phänomen des "Unchilding" untersucht, indem untersucht wird, wie die Besatzung Gewalt, willkürliche Verhaftungen, Inhaftierungen, Hauszerstörungen und Bewegungseinschränkungen einsetzt, um das "Unchilding" der palästinensischen Kinder im besetzten Palästina zu fördern.

Gewalt und Trauma für palästinensische Kinder
Die andauernde illegale militärische Besatzung hat palästinensische Kinder traumatischen und gewalttätigen Ereignissen wie Bombenanschlägen und Schießereien ausgesetzt, die sich nachteilig auf ihre psychische Gesundheit und Entwicklung auswirken können. Die sinnlose Hinrichtung eines 16-jährigen palästinensischen Mädchens durch einen israelischen Scharfschützen im Jahr 2022 ist ein Beispiel für die Anwendung von übermäßiger Gewalt gegen palästinensische Kinder.

Jennah Zakarneh wurde im Dezember 2022 von israelischen Streitkräften auf dem Dach ihres Hauses im Westjordanland erschossen, als sie versuchte, ihr Kätzchen zu retten. Die israelischen Behörden behaupteten, sie habe versucht, einen Messerangriff zu verüben, aber Augenzeugenberichte und Videobeweise deuten darauf hin, dass sie zum Zeitpunkt ihres Todes keine Gefahr darstellte.

Die Auswirkungen solcher gewalttätigen und unprovozierten Todesfälle haben sich auf die gesamte Gemeinde ausgewirkt und dazu geführt, dass sich andere Kinder ohnmächtig und ängstlich fühlen und so ihrer Kindheit beraubt werden.

Nach den von Defense for Children International - Palestine (DCIP) gesammelten Unterlagen wurden im Jahr 2022 im besetzten Westjordanland 53 Kinder, darunter 36 palästinensische Kinder, von israelischen Streitkräften oder Siedlern angeschossen und getötet.

Auswirkungen von Verhaftung und Inhaftierung auf palästinensische Kinder
Die israelischen Behörden sind dafür bekannt, palästinensische Minderjährige ohne Rechtsbeistand oder ein ordentliches Verfahren für längere Zeit festzunehmen und zu inhaftieren. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen wie DCIP werden jedes Jahr zwischen 500 und 700 palästinensische Kinder verhaftet und vor israelischen Militärgerichten angeklagt, oft wegen Steinewerfens oder anderer kleinerer Vergehen. Kinder, die erst 12 Jahre alt sind, werden inhaftiert, und viele von ihnen werden während der Verhöre körperlich und psychisch misshandelt und sogar gefoltert.

Ahmed Manasra, ein damals 13-jähriger palästinensischer Junge, wurde 2015 schwer verletzt, nachdem er von einem israelischen Siedler überfahren und anschließend von einem Mob israelischer Schaulustiger angegriffen wurde. Obwohl er schwer verletzt war, wurde er anschließend von den israelischen Behörden festgenommen und strafrechtlich verfolgt, weil er angeblich einen Messerangriff verübt haben soll. Der Fall von Ahmed Manasra wurde von Menschenrechtsorganisationen stark kritisiert, weil gegen ein Kind übermäßig viel Gewalt angewendet wurde und ihm keine angemessene medizinische Versorgung zuteil wurde. Außerdem hat er die meiste Zeit in Einzelhaft verbracht, obwohl es gegen internationales Recht verstößt, Kinder für längere Zeit in Einzelhaft zu halten.

Ahed Tamimi, ein palästinensischer Teenager, wurde zu einem Symbol des palästinensischen Widerstands, nachdem ein Video von ihr, in dem sie einen israelischen Soldaten ohrfeigt, nachdem ihr 15-jähriger Cousin tödlich in den Kopf geschossen wurde, 2017 viral ging. Später wurde sie von den israelischen Behörden verhaftet und angeklagt und verbrachte acht Monate im Gefängnis. Ihr Fall erhielt internationale Aufmerksamkeit und wurde von Menschenrechtsorganisationen wegen der Verletzung ihres Rechts auf ein faires Verfahren und der Anwendung übermäßiger Gewalt gegen ein Kind stark kritisiert.

Im vergangenen Juni berichtete Al Jazeera, dass 80% der Kinder im Gazastreifen nach 15 Jahren Blockade unter Depressionen leiden.

Auswirkungen von Hauszerstörungen und Vertreibung auf palästinensische Kinder
Die israelischen Behörden reißen regelmäßig palästinensische Wohnhäuser ab, was zur Vertreibung und zum Verlust von Gemeinschaft, Kultur und familiären Bindungen führt, was sich negativ auf die Entwicklung und das Wohlbefinden von Kindern auswirken kann.

Rayan Suleiman, ein 7-jähriger palästinensischer Junge, starb im September 2022 an einem Herzinfarkt, als er vor den israelischen Verteidigungsstreitkräften (IDF) floh, die sein Haus gestürmt hatten, nachdem er von israelischen Truppen nach Hause gejagt worden war. Es wurde berichtet, dass Rayan, als sie sein Haus betraten, vor Angst zu schreien begann und in den hinteren Teil des Hauses rannte, wo er einen Herzstillstand erlitt. Sein Vater und seine Verwandten sagten, Rayan sei von den israelischen Soldaten "zu Tode erschreckt" worden.

Seine Erfahrung zeigt, wie sehr sich Hausdurchsuchungen und militärische Gewalt auf das Sicherheitsgefühl palästinensischer Jugendlicher auswirken. Anhaltende Hausdurchsuchungen können sich auf die psychologische und emotionale Gesundheit palästinensischer Kinder auswirken und zum Prozess der Entkindlichung beitragen, indem sie ihnen das Gefühl von Sicherheit, Stabilität und Geborgenheit rauben.

Auswirkungen der Bewegungseinschränkungen auf palästinensische Kinder


Aufgrund von Kontrollpunkten und anderen vom israelischen Militär verhängten Bewegungseinschränkungen können palästinensische Kinder daran gehindert werden, Zugang zu wichtigen Ressourcen wie sauberem Wasser, Gesundheitsversorgung und Bildung zu erhalten. Dies kann ihre Möglichkeiten einschränken und negative Auswirkungen auf ihre körperliche und geistige Gesundheit haben.

Dies zeigt der Tod des erst acht Monate alten Palästinensers Omar Yaghi, der im Juni 2020 an Herzversagen starb, nachdem die israelischen Behörden die Anträge seiner Familie auf eine Genehmigung für die Ausreise aus dem Gazastreifen zur medizinischen Behandlung wiederholt abgelehnt hatten. Der erste Antrag der Familie wurde abgelehnt und sie wurden aufgefordert, erneut einen Antrag zu stellen, aber auch der zweite Antrag wurde ohne jede Erklärung abgelehnt. Der Zustand des Babys verschlechterte sich weiter und es verstarb schließlich in einem palästinensischen Krankenhaus. Dies wirft ein Schlaglicht auf das anhaltende Problem, dass Israel den Zugang der Palästinenserinnen und Palästinenser zu Gesundheitsversorgung und medizinischer Behandlung einschränkt, was zu zahlreichen Todesfällen geführt hat und eine Verletzung ihrer grundlegenden Menschenrechte darstellt.

Das Konzept des "Unchilding" wirft ein Licht auf die Auswirkungen der israelischen Besatzung auf die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden palästinensischer Kinder. Die israelische Besatzung trägt zur Auslöschung des palästinensischen kollektiven Gedächtnisses und der palästinensischen Identität bei, indem sie Kinder durch Gewalt, Trauma und strukturelle Unterdrückung ihrer Kindheitserfahrungen, ihrer Unschuld und ihres Spieltriebs beraubt.

Die langfristigen Auswirkungen der Entkindlichung auf palästinensische Kinder und ihre psychische Gesundheit werden noch untersucht, aber es ist offensichtlich, dass die israelische Besatzung einen tiefgreifenden und vielschichtigen Einfluss auf palästinensische Kinder hat. Es werden Anstrengungen unternommen, um Interventionen und Unterstützungssysteme zu entwickeln, die die Auswirkungen des Entzugs der Kinderbetreuung abmildern und den palästinensischen Kindern die notwendigen Ressourcen zur Bewältigung und Heilung bieten.

Indem wir das Bewusstsein für die Auswirkungen der israelischen Besatzung auf palästinensische Kinder schärfen und uns für ihre Rechte einsetzen, können wir auf eine Zukunft hinarbeiten, in der alle Kinder die Freuden und Möglichkeiten der Kindheit erleben und sich zu gesunden, unverletzten und widerstandsfähigen Erwachsenen entwickeln können.

Referenzen:

Amnesty International. (2016). "Israel/OPT: Hunderte palästinensische Kinder werden misshandelt und gefoltert". Abgerufen von https://www.amnesty.org/en/latest/news/2016/03/israel-opt-hundreds-of-palestinian-children-subjected-to-ill-treatment-and-torture/
Defense for Children International - Palestine (DCIP). (2021). "Kenne deine Rechte: Die Rechte der Kinder im Westjordanland." Abrufbar unter https://www.dci-palestine.org/know_your_rights
Human Rights Watch. (2021). "Israel/Palästina: Stoppt die Angriffe auf palästinensische Kinder." Abrufbar unter https://www.hrw.org/news/2021/03/25/israel/palestine-stop-attacks-palestinian-children
United Nations. (1989). Übereinkommen über die Rechte des Kindes. Abrufbar unter https://www.ohchr.org/en/professionalinterest/pages/crc.aspx
Al-Haq. (2015). Ein Erbe der Ausgrenzung: Israelische Beschränkungen der palästinensischen Bildung. Abrufbar unter https://www.alhaq.org/publications/publications-index/item/a-legacy-of-exclusion-israeli-restrictions-on-palestinian-education
Al Jazeera. (2021). "Palästinensischer Junge stirbt an Herzinfarkt bei anhaltenden israelischen Kämpfen". Abgerufen von https://www.aljazeera.com/news/2021/5/14/palestinian-boy-dies-of-heart-attack-as-israel-clashes-continue
Amnesty International. (2021). "Israel/OPT: Vorsätzliche Tötung von palästinensischen Teenagern muss als Kriegsverbrechen untersucht werden." Abrufbar unter https://www.amnesty.org/en/latest/news/2021/07/israel-opt-deliberate-killing-of-palestinian-teenagers-must-be-investigated-as-war-crimes/
Warten auf eine Ausreiseerlaubnis, die nie kommt: Wie Israels Abriegelung des Gazastreifens palästinensische Kinder tötet https://www.dci-palestine.org/waiting_for_an_exit_permit_that_never_comes
Israel geht mit harten Maßnahmen gegen palästinensische Kinder in Ost-Jerusalem vor https://www.dci-palestine.org/israel_targets_palestinian_children_in_east_jerusalem_with_harsh_policies
Eingekerkerte Kindheit und die Politik des Unchilding, Nancy Shaloub-Kevorkian https://www.palestine-studies.org/en/node/1650366
Israelische Streitkräfte erschießen ein 15-jähriges palästinensisches Mädchen in Jenin-https://www.dci-palestine.org/israeli_forces_shoot_kill_15_year_old_palestinian_girl_in_jenin    Quelle

Michael Sfard ist einer der prominentesten Menschenrechtsanwälte Israels. 2018 erschien sein Buch „The Wall and the Gate: Israel, Palestine, and the Legal Battle for Human Rights.” (Foto: Privat)

Das Interview
Michael Sfard - Anwalt ohne Parkplatz

In Den Haag geht es aktuell nicht nur um russische Kriegsverbrechen: Michael Sfard über Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofs in den besetzten palästinensischen Gebieten.

Interview mit Michael Sfard - 28. 6. 2023

medico: Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag hat im Februar 2021 erklärt, dass sich seine Gerichtsbarkeit auch auf das Westjordanland, den Gazastreifen und Ostjerusalem erstreckt. Damit hat das Gericht den Weg frei gemacht für die Aufnahme einer formalen Untersuchung dort potenziell begangener Kriegsverbrechen. Was bedeutete diese Entscheidung und was ist seitdem passiert?

Michael Sfard: Die Entscheidung hat den Weg dafür frei gemacht, Verbrechen am IStGH zu verhandeln, die in den palästinensischen Autonomiegebieten begangen wurden. Es ging um die Frage, ob Palästina ein Staat nach internationalem Recht ist, und das Gericht entschied mehrheitlich, dass es sich im Sinne des Gerichts um einen Staat handelt. Der aktuelle Stand der Ermittlungen ist allerdings nicht öffentlich. Klar ist, dass die mittlerweile abgelöste Anklägerin eine Voruntersuchung angestellt hatte, die sich bezüglich israelischer Verbrechen auf drei Fälle erstreckt, die aber – wie sie damals sagte – nur Beispiele seien. Dies sind erstens der Einsatz tödlicher Waffen gegen Demonstrant:innen im Gazastreifen beim Marsch der Rückkehr seit März 2018, zweitens die Siedlungspolitik und drittens die Bombardierung ziviler Ziele während des Gaza-Krieges 2014.

Es kann sein, dass der jetzige Ankläger weitere Untersuchungen veranlasst hat und dass vielleicht sogar Untersuchungen wegen des Verbrechens der Apartheid begonnen werden. Im Kontext des israelisch-palästinensischen Konflikts sind jedenfalls Kriegsverbrechen begangen worden. Das Gericht untersucht auch palästinensische Verbrechen, z. B. den Abschuss von Raketen auf israelische Zivilist:innen von Gaza aus, die Selbstmordattentate und Folter in palästinensischen Gefängnissen.

Lassen Sie uns über den Apartheid-Begriff sprechen, und zwar nicht als politischen Kampfbegriff, sondern als juristische Kategorie. Sie selbst haben bereits 2020 in einem ausführlichen Bericht von Apartheid in Bezug auf das israelische Kontrollregime in der Westbank gesprochen. Worin besteht die Grundlage dieser Argumentation?

Es gibt zwei gültige Definitionen im völkerrechtlichen Sinne: Einerseits die von der UN-Vollversammlung 1973 verabschiedete „Internationale Konvention über die Bekämpfung und Bestrafung des Verbrechens der Apartheid“. Sie richtete sich gegen die Apartheid in Südafrika. Und dann gibt es andererseits die Apartheid-Definition des IStGH, die Apartheid als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit fasst. Diese breitere Definition bezieht sich auf das System der Apartheid und ähnelt der Definition von Folter – in dem Sinne: Folter ist das Quälen von Menschen im Namen des Staates, vollzogen von staatlichem Personal. Wenn ich als Privatperson jemanden quäle, ist das ein Verbrechen, aber keine Folter im völkerrechtlichen Sinne. Dasselbe gilt für Apartheid.

Als Apartheid bezeichnet der IStGH einen Vorgang im Rahmen eines Regierungssystems, in dem eine Gruppe von Menschen eine andere systematisch beherrscht und unterdrückt mit der Intention, dieses Unterdrückungssystem aufrechtzuerhalten. Wenn eine herrschende Gruppe Rechte und Ressourcen besitzt, während die andere daran gehindert wird, diese Rechte und Ressourcen zu erhalten, und wenn das nicht nur zeitweilig ist, sondern dauerhaft gedacht ist, dann handelt es sich laut dieser Definition um ein Apartheidregime.

Und diese Realität ist Ihrer Ansicht nach in den besetzten Gebieten gegeben?


Seit 25 Jahren vertrete ich palästinensische Organisationen und Einzelpersonen vor Gericht, die um ihre Rechte gebracht wurden, während die benachbarten israelischen Siedler:innen mit Rechten ausgestattet sind. Alle meine Anwaltskolleg:innen auf der ganzen Welt haben Parkplätze für ihre Klient:innen. Ich habe keine. Warum? Meine Klient:innen können nicht hierher nach Tel Aviv kommen, ich muss zu ihnen fahren. Ich kenne deshalb Ostjerusalem, die Westbank und auch Gaza seit vielen Jahren.

Irgendwann wurde mir klar, dass das Paradigma der Besatzung eine zu enge Beschreibung für das war, was die Realität, die ich dort antraf, ausmacht. Der juristische Begriffsapparat ist nicht nur dafür da, Dinge zu regeln, sondern auch die Wirklichkeit in legalen Begriffen zu beschreiben. Und der Begriff Apartheid erklärt in diesem Sinne vieles von dem, was man in der Westbank und in den palästinensischen Dörfern sowie den Siedlungen antrifft.   mehr >>>

 

Vor allem zivile Ziele

Westbank: Angriff Israels auf Flüchtlingscamp in Dschenin
mit erschreckender Bilanz

Lena Schmailzl - 6. 7. 2023

Zwei Tage hat der Angriff gedauert. Am Mittwoch gegen acht Uhr Ortszeit meldete das israelische Militär offiziell den Abzug seiner Truppen aus Dschenin und dem dortigen Flüchtlingslager in der besetzten Westbank. Was sich zum Ausmaß der Zerstörung durch die Besatzungsarmee angeben lässt, ist noch vorläufig. Mindestens zwölf Palästinenser sind durch Luftangriffe oder Bodentruppen getötet worden, fünf von ihnen waren minderjährig. Bis 22.30 Uhr am Dienstag meldete das palästinensische Gesundheitsministerium 143 Verletzte, 20 davon schweben in Lebensgefahr. Nach Angaben des israelischen Militärs sind 120 Personen verhaftet worden.

Die Luftschläge wurden nach Angaben der UNO auch gegen Wohngebäude im dicht bebauten Zentrum des Camps geführt. Obwohl die Besatzungsarmee angekündigt hatte, »terroristische Infrastruktur« angreifen zu wollen, zerstörte sie beträchtliche Teile der zivilen Infrastruktur. Die Hauptstraßen des Camps wurden durch Bulldozer unbefahrbar gemacht, nur eine Zugangsstraße verblieb, vollständig unter Kontrolle des israelischen Militärs, was die medizinische Versorgung zusätzlich erschwerte. Die drei Haupttrafos sowie die Hauptwasserleitung wurden zerstört, große Teile des Camps sind damit ohne Strom und Wasserversorgung. Nach UN-Angaben mussten etwa 3.500 Menschen ihr Zuhause verlassen. Auch wenn der Angriff vorerst beendet ist, ist noch nicht klar, wann sie in ihre Häuser zurückkehren können. Die UNO geht davon aus, dass zumindest ein Teil der Bewohner aufgrund der extremen Zerstörung dauerhaft aus ihren Häusern vertrieben bleiben werden.

Bewohnerinnen und Bewohner des Flüchtlingslagers Dschenin evakuieren unter Androhung israelischer Bombardierungen
 

Die Nakba wiedergeboren": Was ein palästinensischer Journalist während der Invasion in Jenin sah

Was ich in Jenin sah, war die Wiedergeburt der Nakba. Wir wurden in die Jahre 1948, 1967 und 2002 zurückversetzt, als das Flüchtlingslager Jenin dem Erdboden gleichgemacht wurde. Das war das Schicksal der Menschen im Lager in den letzten 24 Stunden.

Mohammed Abed - 4. 7. 2023 - Übersetzt mit DeepL

Gegen 1:30 Uhr am 3. Juli starteten die Militärdrohnen der Besatzer einen Luftangriff auf eine der Stätten des palästinensischen Widerstands im Flüchtlingslager Dschenin.

Ich zog mir schnell meine PRESS-Jacke an und machte mich auf den Weg zu dem Lager, in dem der Luftangriff stattfand. Auf dem Weg zum fünf Kilometer entfernten Lager erreichte uns die Nachricht, dass die Besatzungstruppen die Militärstützpunkte an den Militärkontrollpunkten Dotan, Jalameh und Salem rund um Dschenin verlassen hatten. Sie waren im Begriff, in die Stadt einzurücken.

In diesem Moment wusste ich, dass die Invasion begonnen hatte.

Journalistinnen und Journalisten in Palästina gehen unglaubliche Risiken ein, um euch die Fakten zu liefern.
Journalisten und Fotografen aus dem Gazastreifen setzen sich weiterhin Gefahren aus, weil wir glauben, dass die Geschichten der Menschen im Gazastreifen mit ihrer Stimme an die Welt weitergegeben werden müssen und nicht von Journalisten ausländischer Medien verzerrt werden dürfen.

Als ich im Lager ankam, war die Armee bereits vor dem westlichen Eingang am Awda-Kreis stationiert. Dutzende von gepanzerten Fahrzeugen strömten heran, verteilten sich und bildeten einen Ring um das Lager.

Wir begannen, die Invasion zu überwachen, während die Armee nach innen drängte. Diesmal war es anders als bei früheren Invasionen - die Armee machte großzügig Gebrauch von Militärdrohnen, um Luftangriffe auf mehrere Orte innerhalb des Lagers zu fliegen, was es seit der Zweiten Intifada nicht mehr gegeben hatte. Die Explosionen hielten mehrere Stunden lang an, während die Armee das Lager weiterhin von oben beschoss. Nach einer Weile wurden die Explosionen seltener und wurden durch ein anderes, vertrauteres Geräusch ersetzt, das von lokal hergestellten Sprengsätzen herrührte, die gezündet wurden.

Wir versuchten einzudringen, um unsere Berichterstattung fortzusetzen, aber die Armee verhinderte unser Vorankommen. Sie hinderte auch Krankenwagen und medizinisches Personal daran, die Verwundeten zu behandeln.

Wir fuhren zum Ibn-Sina-Krankenhaus in Jenin und wurden Zeuge des allmählichen Zustroms von Menschen, von denen viele entweder verwundet waren oder Zuflucht suchten. Wir bemerkten, dass Dutzende von Armeefahrzeugen am Krankenhaus vorbeifuhren, während sich mehr als fünf Konvois, darunter vier D9-Bulldozer, auf das Lager zubewegten.

Es vergingen Stunden, und das Geräusch der Explosionen war aus dem Lager zu hören. Wir begannen, die Fälle der Verletzten und Getöteten zu dokumentieren, die das Krankenhaus erreichten. Krankenwagen trafen vor Ort ein, nachdem sie von den Besatzungstruppen daran gehindert worden waren, die Verwundeten zu behandeln.

Am frühen Morgen begannen die Bulldozer die Straßen von Dschenin aufzureißen und gruben Gräben in den Boden, die bis zu einem Meter tief waren. Es war das erste Mal seit zwanzig Jahren, dass wir diese Bulldozer in Aktion sahen.

Als die Sonne aufging, sahen wir, wie die Militärdrohnen den Himmel über uns füllten und signalisierten, dass die Invasion wahrscheinlich noch einige Zeit andauern würde. Wir machten uns im Laufe des Tages auf den Weg zu verschiedenen Orten, an denen die Armee stationiert war. Der erste Standort war in der Haifa Street, wo viele Militärfahrzeuge stationiert waren. Der zweite Standort befand sich am Kreisverkehr des Innenministeriums, wo ein Konvoi gepanzerter Fahrzeuge das Gebiet absperrte, um die Straßen zum Lager zu sichern. Der dritte Standort befand sich am Kinokreis in der Innenstadt von Dschenin, wo es zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der Armee und den Widerstandskämpfern kam. Die Kämpfer standen an den Straßenrändern und lieferten sich einen Schusswechsel mit der Armee. An einem bestimmten Punkt der Kämpfe begann eine große Gruppe von Widerstandskämpfern plötzlich, auf die Mitte der Straße vorzurücken und feuerte weiter auf die gepanzerten Fahrzeuge. Während wir filmten, drehte sich einer meiner Kollegen zu mir um und sagte, dass ihn das an die heftigen Straßenkämpfe der Zweiten Intifada erinnerte.

Wir wurden Zeuge der Tapferkeit und des Stoizismus der Widerstandskämpfer, als sie sich der Besatzung entgegenstellten und eine zähe Entschlossenheit an den Tag legten, die dich zum Zittern bringen würde.

Diese Szenen der bewaffneten Konfrontation wurden schon früher dokumentiert - seit den jüngsten Ereignissen im Flüchtlingslager Dschenin - aber die Invasionen des letzten Jahres sind nichts im Vergleich zu dem, was wir mit eigenen Augen gesehen haben. Wir wurden Zeuge der Tapferkeit und des Stoizismus der Widerstandskämpfer, als sie sich der Besatzung entgegenstellten und eine zähe Entschlossenheit an den Tag legten, die dich zum Zittern bringen würde.

Der vierte Ort schließlich war der Haupteingang des Flüchtlingslagers Jenin, wo die Kämpfe am heftigsten waren. Brennende Reifen füllten die Straßen, ebenso wie der schwarze Rauch, der in Säulen aufstieg, die als vorübergehender Rauchvorhang dienten, um die Kämpfer zu schützen. Nur wenige Augenblicke nach einem Luftangriff im Lager waren Krankenwagen zu hören, die zahlreiche Verletzte nach Ibn Sina brachten, wo die versammelte Menge dem medizinischen Personal beim Transport der Verwundeten zu Hilfe eilte. So stellen sich die Bewohner des Lagers dieser Situation: Sie helfen sich gegenseitig, ohne Rücksicht auf ihr Fachwissen. Sie wollen einfach nur helfen, wo sie nur können.

Nach kurzer Zeit rollte ein weiterer Krankenwagen mit einer Gruppe von Journalisten an, die aus dem Lager evakuiert worden waren - sie hatten über die Ereignisse vor Ort berichtet, als die Armee sie mit scharfen Kugeln beschoss. Keiner wurde direkt verletzt, aber einige kehrten ohne ihre Ausrüstung zurück, da die Armee absichtlich auf Kameras schoss, die die Ereignisse live übertrugen.


Ich habe mit einem dieser Journalisten, Issam Rimawi, gesprochen: "Ich und eine Reihe von Kollegen - Hisham Abu Shaqrah, Amid Shehadeh, Rabie Munir und Abdulrahman Younis - waren im Lager stationiert, bevor die Besatzungstruppen eindrangen. Plötzlich standen die Besatzungstruppen mitten im Lager, während wir berichteten, und sie ließen uns nicht gehen, sondern eröffneten das Feuer auf uns. Wir gingen in einem der Häuser in Deckung, bis wir von einem Krankenwagen evakuiert wurden. Es war ein schrecklicher Anblick."

So entwickelte sich die Situation in Dschenin bis zum Einbruch der Nacht, als die Armee Tausende von Menschen aus dem Lager vertrieb. Diese Familien flohen, weil ihnen gesagt wurde, dass ihre Häuser bombardiert werden würden, aber viele blieben in ihren Häusern.

Das ist es, was es heißt, ein Flüchtling zu sein. Das ist die Nakba, die Wiedergeburt der Verbrechen der Besatzer. Wir wurden in die gleichen Szenen zurückversetzt, die sich 1948 abspielten, in die gleichen Szenen von 1967 und 2002, als das Flüchtlingslager Jenin dem Erdboden gleichgemacht wurde.

Wir sprachen mit den Familien aus dem Lager. Sie erzählten uns, dass Krankenwagen zu ihnen kamen und ihnen sagten, dass sie ihre Häuser verlassen müssten, weil die Besatzung beabsichtigte, mehrere ihrer Häuser zu bombardieren. Einer der Menschen beschrieb das Ausmaß der Zerstörung, das sie miterlebten:

"Als wir unsere Häuser verließen, waren die Straßen völlig zerstört. Überall im Lager waren Spuren der Verwüstung zu sehen, und wir liefen auf den Trümmern der Luftangriffe und der Bulldozer herum. Nichts im Lager ist so geblieben, wie es vorher war. Alles ist zerstört worden."

So erging es den Bewohnern des Lagers in den letzten 24 Stunden, und vielleicht erwartet sie das gleiche Schicksal in den kommenden 24 Stunden. Die Luftangriffe dauern an, und die Kämpfe haben sich verschärft. Wir können weitere Explosionen hören, und ihre Fortsetzung ist so gut wie sicher.   Quelle

Quelle Facebook - um die Bilder zu vergrößern auf das Bild klicken

 

Nach dem Gemetzel von Jenin trauere ich um die Menschheit, wenn Menschen anderen Menschen so etwas antun können, wie kann die Welt das zulassen?

Ich war im Lager Jenin, es ist bereits eine verarmte Enklave, was für Menschen denken, dass das in Ordnung ist. Was für Menschen denken, dass sie ein Volk durch Angst zur Unterwerfung zwingen können. Was sind das für Menschen, die mit Waffen, Bomben und Bulldozern in eine Enklave eindringen und sie verwüsten?

Sadeel Naghniyeh mit ihrem Vater Ghassan. (Mit freundlicher Genehmigung)

Ihr Lächeln hat ihr Gesicht nie verlassen

Die palästinensische Teenagerin Sadeel Naghniyeh wurde während einer israelischen Razzia im letzten Monat am Eingang ihres Hauses im Flüchtlingslager Dschenin in den Kopf geschossen.


Basel Adra - 5. Juli 2023 - Übersetzt mit DeepL

Am 4. Juli gab die israelische Armee bekannt, dass sie ihren zweitägigen Angriff auf das Flüchtlingslager Jenin im nördlichen besetzten Westjordanland beendet hat. Die Invasion, an der sowohl Bodentruppen als auch Luftangriffe beteiligt waren, endete mit 12 toten palästinensischen Kämpfern, hunderten Verwundeten und einem toten israelischen Soldaten. Die intensive Medienberichterstattung über den Einmarsch überschattete die Tatsache, dass die Armee nur zwei Wochen zuvor bei einer militärischen Razzia in Jenin sieben Palästinenser/innen getötet hatte, darunter die 15-jährige Sadeel Naghniyeh, die laut Zeugenaussagen in den Kopf geschossen wurde, als sie am Eingang zu ihrem Haus stand. Ihr Tod erregte großes Aufsehen, nachdem Bilder von ihren Mitschülern, die ihre Leiche zur Beerdigung trugen, im Internet auftauchten.

Sadeel wurde am 19. Juni erschossen und starb zwei Tage später an ihren Verletzungen. Ihr Vater Ghassan beschrieb die Szene gegenüber +972: "In den Lagern ging der Alarm los, wir hörten Schreie und die Menschen rannten in ihre Häuser. Diese Szene wiederholt sich bei jeder Invasion des Lagers. Israelische Scharfschützen stiegen auf die Dächer der Häuser und Gebäude und begannen zu schießen. Die Zusammenstöße waren nicht in der Nähe unseres Hauses, wir hörten sie nur. Meine Tochter sprach durch das Fenster mit ihren Cousins und sagte mir, dass sie zum Haus ihres Onkels gehen wollte. Ich sagte mir, dass es besser ist, wenn sie geht und nicht durch das Fenster spricht, denn das ist wegen der Scharfschützen gefährlicher."

"Ich ging mit Sadeel zur Tür des Hauses und sie ging die Treppe hinunter", fuhr Ghassan fort. "Sie hielt das Handy in der Hand und machte ein Foto. Ich sagte ihr, sie solle nicht in der Nähe von Fenstern und Balkonen stehen. Ich drehte mich um und ging zwei Schritte ins Haus. Dann kam mein kleiner Sohn zu mir und sagte: 'Sadeel ist hingefallen.' Ich eilte zu ihr und sah, dass eine Kugel ihr Gesicht getroffen hatte und sie blutete. Ich hob sie auf, um sie ins Haus zu bringen. Ein Auto näherte sich und der Fahrer stieg aus und half mir, sie ins Auto zu setzen, um sie ins Krankenhaus zu bringen. Ich ging zurück ins Haus, denn ich hatte Angst, dass die anderen Kinder auf die Straße gehen und ebenfalls verletzt werden könnten.

"Meine Frau und ich kamen nach einer halben Stunde im Krankenhaus an", fuhr Ghassan fort. "Dort gab es viele Verletzte und das Krankenhaus war überfüllt. Ich sah viele weinende und blutende Menschen. Die Ärzte sagten mir, dass Sadeel in einem kritischen Zustand auf der Intensivstation liegt. Wir haben unser einziges Mädchen verloren. Sie liebte es zu fotografieren, sie liebte es zu studieren, sie hatte Ambitionen."

In Ghassans Augen ist Sadeels Ermordung das Ergebnis von Israels Wunsch, "das gesamte Lager zu bestrafen, weil die Bewohner des Lagers es zulassen, dass Kämpfer im Lager bleiben". Er erklärt, dass die Situation in den letzten zwei Jahren besonders beängstigend geworden ist, seit Israel seine militärischen Razzien in den Städten des Westjordanlandes verstärkt hat - vor allem für die Kinder, die mehr als alles andere über israelische Überfälle und den Tod sprechen. "Es war klar, dass ihre Freunde ihre Leiche bei der Beerdigung tragen würden", fügte Ghassan hinzu. "Das ist es, was sie wollten."

Ramzi Fayad, ein politischer Aktivist aus Jenin, sagte gegenüber +972, dass Sadeel das Haus verließ, um die Militärfahrzeuge zu filmen, die auf dem Weg aus dem Lager waren. Fayad sagte, dass die Aufnahmen, die gefunden wurden, nachdem sie ins Krankenhaus gebracht worden war, zeigten, dass sie erschossen wurde, obwohl es in der Gegend keine Zusammenstöße mit palästinensischen Kämpfern gab. "Ein Soldat feuerte eine Kugel aus einem der Jeeps, die auf dem Weg nach draußen waren, ab, die Sadeel in den Kopf traf und sie tötete. Sie lag zwei Tage lang im Krankenhaus, ihr Gehirn wurde nicht mit Sauerstoff versorgt und ihr Herz hörte sieben Minuten lang auf zu schlagen. Sie wurde wiederbelebt und an die Beatmung angeschlossen. Nach 48 Stunden wurde sie zur Märtyrerin erklärt.

"Die Soldaten schießen mit scharfer Munition auf alles, was sich bewegt, wenn sie in das Lager eindringen", so Fayad weiter. "Die Menschen versuchen, sich zu verstecken und in ihren Häusern zu bleiben. Als die Armee im März das Haus meines Bruders umstellte, lag ich 40 Minuten lang auf dem Boden, während ein Scharfschütze mit scharfer Munition in meine Richtung schoss. Ich tat so, als wäre ich tot, bis ein Krankenwagen kam und mich von dort wegbrachte."

Mustafa Sheta, der Generaldirektor des Jenin Freedom Theatre - einer jahrzehntealten Einrichtung im Lager, die palästinensische Jugendliche durch Kunst und Schauspiel den Widerstand lehrt - und die diese Woche teilweise von israelischen Streitkräften bombardiert wurde, kannte Sadeel gut. "Sie ist im Theater aufgewachsen, wurde hier ausgebildet und wurde Teil der Gemeinschaft. Jeder, der im Theater war oder es besuchte, hatte Kontakt zu Sadeel. Sie nahm an den meisten Aktivitäten des Theaters teil. Sie half den kleinen Kindern immer, sich in das Theater einzufügen und an den Aktivitäten teilzunehmen. Ihr Lächeln verließ nie ihr Gesicht."   Quelle

Die abgehärteten Hände eines Arbeiters in Gaza-Stadt, 15. Dezember 2022. Mahmoud Nasser

Die unbesungenen Helden von Gaza: Die Arbeiterklasse

Mahmoud Nasser - 5. Juli 2023 - Übersetzt mit DeepL

Gaza hat 2,1 Millionen Einwohner. Und seine Bevölkerung wächst schnell. Diese 2,1 Millionen Menschen brauchen Platz zum Leben, Platz, der im Laufe der Jahre immer knapper wird.

Die Menschen im Gazastreifen können nirgendwo anders hin, haben kaum die Möglichkeit auszuwandern oder sich innerhalb des besetzten Palästinas zu bewegen, weil Israel sie seit 16 Jahren belagert.

Und obwohl Gaza in vielerlei Hinsicht kaputt ist, wird es nach jeder Zerstörung wieder aufgebaut. Zerstörte und belagerte Länder sollten sich eigentlich nicht weiterentwickeln, aber Gaza ist anders.

Wenn du hier spazieren gehst, siehst du an jeder Straßenecke neue Gebäude, und du kannst dich nur wundern, wie schnell ein Gebäude errichtet und fertiggestellt wird.

Das Gefühl, das man von außen haben könnte, dass Gaza einfach nur zerfällt, ist auf dem Boden nicht so offensichtlich. Diese Gebäude stehen für eine sich entwickelnde Nation, ein konzertierter Versuch, die Krise der Bevölkerungsdichte auf jede erdenkliche Weise zu bekämpfen.

 



Gaza sollte nicht länger als ein Ort der Zerstörung angesehen werden.

Ja, seit Dezember 2008 gab es eine Reihe von großen Angriffen und zahlreiche kleine Eskalationen. Diese könnten jede Nation leicht in die Knie zwingen.

Aber nicht Gaza, nicht das palästinensische Volk.

Ein Hoffnungsschimmer.

Im Januar dieses Jahres startete die von der Hamas geführte Regierung in Gaza ihr Projekt "Bottleneck" im Flüchtlingslager Beach. Das Projekt soll die überlasteten und sehr engen Straßen im Lager, das die südlichen und nördlichen Gouvernements verbindet, verbreitern.

Das Projekt ist nicht unkritisch. Einige Menschen sind wütend, weil sie erneut aus ihren Häusern umziehen müssen, die sie als ihr Zuhause betrachtet haben, selbst in einem Flüchtlingslager.

Ein besser funktionierendes Gaza ist ein wichtiges Ziel, aber diese Bewohner beten, dass dies das letzte Mal ist, dass sie umziehen müssen.

Doch die Menschen im Gazastreifen sind standhaft, und da sie der Krise der Bevölkerungsdichte mit einem Bauboom begegnen, sind neue Helden entstanden.

Diese unbesungenen Helden arbeiten mit ihren Händen. Sie legen die Ziegelsteine, um sicherzustellen, dass jeder einen Platz zum Leben hat.

Leider sind diese Arbeiterinnen und Arbeiter unsichtbar. Niemand schaut sie zweimal an oder zollt ihnen den Respekt, den sie durch ihren Schweiß und ihre Mühe verdient haben.

Ihre Löhne liegen im Durchschnitt zwischen 300 und 500 US-Dollar im Monat. Das reicht kaum aus, um ihre Familien zu ernähren, entspricht aber dem Durchschnittslohn in Gaza von etwa 350 US-Dollar im Monat.

Ich habe einige Monate damit verbracht, eine Gruppe von Bauarbeitern zu fotografieren. Ich habe ihre Geschichten und ihren Kampf gegen das Leben in Gaza kennengelernt.

In der Stadt Beit Hanoun, die im nördlichsten Teil des Gazastreifens liegt, werden im Eiltempo Häuser gebaut. Dort folgte ich einer Gruppe von Arbeitern, mit denen ich unzählige Tassen Kaffee trank.

Das Erstaunlichste war die Geschwindigkeit, mit der sie von einem Haus zum nächsten zogen. In einem Monat bauten sie ein Haus von Grund auf neu, im nächsten waren sie schon mit einem anderen beschäftigt.

Das Thema, über das wir uns am häufigsten unterhielten, war, wie sehr sich die Situation in Gaza verschlechtert hat. Die Löhne sind aufgrund der katastrophalen wirtschaftlichen Lage in Gaza nur noch ein Bruchteil von dem, was sie einmal waren.

Die Arbeitslosigkeit liegt bei 50 Prozent.

Über 50 Prozent der Bevölkerung von Gaza sind von Armut betroffen.

Diese durch und durch gastfreundlichen Arbeiterinnen und Arbeiter schuften den ganzen Tag, um sich von der Realität in Gaza zu erholen.

Das ist der Kampf der Arbeiterklasse in Gaza, ein Kampf, der sich in ihren Gesichtern, ihrer Kleidung und den Schwielen an ihren Händen widerspiegelt.

Mahmoud Nasser ist ein in Gaza lebender Fotograf und Autor.  mehr und viele Fotos >>>


 

Pro-Israel-Lobbyisten haben Anstoß daran genommen, wie Roger Waters sich für die Rechte der Palästinenser einsetzt.

Störer der Roger Waters-Show sammelte Spenden für israelische Militärgruppe

Kit Klarenberg - 5. Juli 2023 - Übersetzt mit DeepL

Es war ein Stunt, der auf Verleumdung abzielte.
Während eines Konzerts von Roger Waters in London im letzten Monat entrollten einige wenige Zuschauer israelische Flaggen.

Yochy Davis versuchte diese Woche bei der Show von Roger Waters in London, eine israelische Flagge zu entrollen.

Davis ist Berichten zufolge Mitglied des Board of Deputies und arbeitete früher für My Truth, eine Propagandaorganisation des israelischen Militärs. pic.twitter.com/xjcHS1jHbu

Der Vorfall wurde von einigen Medien schnell publik gemacht. Sowohl The Jewish Chronicle als auch der Radiosender LBC beschrieben eine Demonstrantin, Yochy Davis, als Tochter eines Holocaust-Überlebenden.

In den Berichten wurde Yochy Davis als beleidigt dargestellt, weil der Rockstar in einem Teil seiner letzten Shows eine naziähnliche Uniform getragen hatte.

Die Empörung war eindeutig konstruiert.

Israel und sein Lobbynetzwerk sind seit langem darüber verärgert, dass Waters sich für die Rechte der Palästinenser einsetzt. In unredlicher Weise haben sie behauptet, dass seine Haltung antisemitisch motiviert ist.

Die Einwände gegen seine eindeutig satirische Kleidung - die er seit Jahrzehnten bei seinen Auftritten trägt - folgten diesem Muster.

Die Medien, die Yochy Davis fördern wollten, wiesen nicht darauf hin, dass sie eine Unterstützerin des israelischen Militärs ist.

Davis hat in den letzten Jahren Spenden für My Truth gesammelt, eine Gruppe, die Propagandatouren für israelische Truppen organisiert.

In einem Beitrag aus dem Jahr 2019 auf der GoFundMe-Website schrieb Davis, dass sie "das Glück hatte, bei einem Besuch von My Truth in Großbritannien in diesem Jahr zu helfen". Die Gruppe habe die Houses of Parliament besucht und Davis sammelte Geld, damit "wunderbare junge Freiwillige" des israelischen Militärs regelmäßige Reisen nach Großbritannien unternehmen konnten.

"Leidenschaftliche" Befürworterin des israelischen Rassismus

Davis bezeichnete sich selbst als "leidenschaftliche" Anhängerin des Zionismus - Israels Staatsideologie. Obwohl es zahlreiche Beweise dafür gibt, dass das israelische Militär Kriegsverbrechen begeht, behauptet Davis, dass die Streitkräfte "hohe moralische Standards" erfüllen wollen.

Die von Davis geleistete Arbeit blieb von der israelischen politischen Elite nicht unbemerkt.

Im Juli 2019 nannte Amir Ohana, der damalige israelische Justizminister, Davis "einen der führenden Basisaktivisten Großbritanniens." Ohana ist jetzt Sprecher im israelischen Parlament, der Knesset.

Im Jahr 2015 bezeichnete Yair Lapid - ein prominenter israelischer Politiker, der später kurzzeitig Ministerpräsident war - My Truth als "eine zionistische Antwort auf radikale Gruppen wie Breaking the Silence". Breaking the Silence wird vorgeworfen, Israel zu untergraben, indem sie Beweise dafür veröffentlichen, dass das israelische Militär schwere Menschenrechtsverletzungen begangen hat.
Obwohl The Jewish Chronicle den Lobby-Hintergrund von Davis nicht erwähnte, als sie über ihren Stunt bei der Roger Waters Show berichtete, war die Zeitung in der Vergangenheit weniger ausweichend.

Im Januar 2021 berichtete The Jewish Chronicle, dass Davis eine "produktive Pro-Israel-Aktivistin" ist.

In dem betreffenden Artikel wurde Davis als Verteidigerin von Donald Trump zitiert, dessen Amtszeit als US-Präsident kurz vor dem Ende stand.

Dem Artikel zufolge wusste Davis, dass einige der Trump-Anhänger, die in jenem Monat das Capitol stürmten, Kleidung mit Slogans trugen, die Gewalt gegen Juden befürworteten. Doch Davis wischte diese Tatsache beiseite, indem sie behauptete, "es gibt in allen möglichen Gruppen Antisemiten".

Ihr Kommentar war bezeichnend. Davis, die Roger Waters zu Unrecht des Antisemitismus bezichtigt hatte, war bereit, den sehr realen Antisemitismus von Trumps Anhängern zu übersehen - zweifellos, weil Trump sich als Israels treuer Verbündeter ausgab.

Es war nicht das erste Mal, dass sie sich auf die Seite von Extremisten oder Rassisten stellte.

Im Jahr 2018 verabschiedete die Knesset ein Gesetz, das Israel als Nationalstaat des jüdischen Volkes definiert. Damit bestätigte Israel, dass es ein Apartheidsystem betreibt, in dem Palästinenserinnen und Palästinenser einen niedrigeren Status haben als Juden.

Zu denjenigen, die mit dem Gesetz nicht einverstanden waren, gehörte Sheila Gewolb, damals Vizepräsidentin der pro-israelischen Gruppe Board of Deputies of British Jews.

Als Gewolb ihre Besorgnis darüber äußerte, dass einige Maßnahmen des "Nationalstaats"-Gesetzes "regressive Schritte" seien, rief Yochy Davis eine Petition ins Leben, die ihren Rücktritt forderte.

Laut Davis sollte der Vorstand niemals Erklärungen abgeben, in denen Israel kritisiert wird, es sei denn, eine überwältigende Mehrheit der Mitglieder der Organisation hat die Kritik zuvor gebilligt.

Davis - selbst Mitglied des Vorstands - bezeichnete die Position von Gewolb als "tendenziös".

Davis vertrat die Ansicht, dass sich niemand über Israels Entscheidungen beschweren sollte, unabhängig von deren Folgen.

Es ist bezeichnend, dass sie keine Opposition gegen Israel duldet - selbst wenn dessen Rassismus immer offenkundiger wird. Die Medien, die ihre Verleumdungen über Roger Waters gerne verbreiten, haben ihre Unterstützung für einen Apartheidstaat ignoriert.  Quelle



Das Haus von Lana al-Shalabi trägt die Narben der ersten israelischen Luftangriffe (zur Verfügung gestellt)

 

Mit israelischer Waffengewalt vertriebene Bewohner von Jenin kehren zurück und finden ihre Häuser in Trümmern vor

Mehr als 800 Häuser wurden während des zweitägigen israelischen Angriffs beschädigt oder zerstört
Gesamtansicht des Flüchtlingslagers Jenin nach dem zweitägigen Angriff israelischer Truppen auf die besetzte Stadt im Westjordanland am 5. Juli 2023 - Alejandro Ernesto


Fayha Shalash - 5. Juli 2023 - Übersetzt mit DeepL

Lana al-Shalabi wachte am Montag nach Mitternacht auf und hörte Granaten.

Ihr Haus im Herzen des Flüchtlingslagers Dschenin lag in der Nähe der ersten Luftangriffe, die das israelische Militär zu Beginn seines zweitägigen Angriffs auf die besetzte Stadt im Westjordanland flog.

Inmitten der Panik und des Chaos zog sie sich mit ihrer Familie in den Keller zurück, um in Deckung zu gehen. Doch schon bald kamen der Beschuss und die Schüsse immer näher. Israelische Soldaten drangen in das Haus ein, durchsuchten die Personalausweise aller Bewohner und zwangen sie zurück in den Keller.

"Plötzlich hörten wir Explosionen, während wir im Keller zusammengepfercht waren", sagte Shalabi gegenüber Middle East Eye.

"Wir fingen alle an zu weinen, Kinder und Frauen. Wir hatten das Gefühl, dass das Haus über uns zusammenbrechen würde."

Das obere Stockwerk des Gebäudes war ohne Vorwarnung beschossen worden, während die Familie unten eingeschlossen war.

Inmitten des Schreckens, den die Flammen und der von den Explosionen aufsteigende Rauch auslösten, fand die Familie einen Weg, das Haus schnell zu verlassen.

Als Shalabi einen letzten Blick auf ihr Haus warf, stand es in Flammen und Splitter flogen aus dem Inneren. Dann explodierten die Fenster.

"In diesen Momenten war unsere größte Sorge, dem Tod zu entkommen. Wir wollten an einen sicheren Ort fliehen, während [unsere] Kinder die ganze Zeit weinten. Wir liefen mit anderen Familien einem Krankenwagen hinterher, um sicher aus dem Lager zu kommen", erinnert sie sich.

Tausende Bewohnerinnen und Bewohner des Lagers mussten diese Szene während des israelischen Angriffs miterleben.

Nach Angaben der Stadtverwaltung wurden mehr als 4.000 Bewohner vertrieben und 800 Häuser beschädigt oder zerstört.

Für viele brachte die Vertreibung die bittere Erinnerung an die Nakba, die Katastrophe, zurück - die ethnische Säuberung Palästinas durch zionistische Milizen, um Platz für die Gründung Israels im Jahr 1948 zu schaffen.

Im Lager Jenin leben fast 14.000 Flüchtlinge, darunter viele, die 1948 aus ihrer Heimat vertrieben wurden, und ihre Nachkommen.

"Das Lager zu verlassen, hat uns nicht aus dem Herzen gerissen", sagt Shalabi.

"Wir verfolgten weiter, was dort geschah und versuchten herauszufinden, was mit unserem Haus passiert ist, das unvergessliche Erinnerungen birgt."

Schwierige Fragen

Shalabi suchte mit ihrer Familie Zuflucht in einem Krankenhaus in der Stadt, das später von der israelischen Armee angegriffen wurde, was sie zwang, erneut zu fliehen, diesmal in eine Stadt in der Nähe der Stadt.

Während sie auf das Ende der Razzia warteten, suchte Shalabis sechsjährige Schwester weiter nach Antworten, die ihre Familie nicht hatte.

"Sie fragte meine Mutter nach ihren Spielsachen in ihrem Zimmer und was mit ihnen passiert ist", sagte Shalabi.

Am Dienstagabend zogen sich die israelischen Streitkräfte nach zwei Tagen schwerer Angriffe aus Dschenin zurück und hinterließen eine Spur der Verwüstung.

Als Shalabi in ihr Haus zurückkehrte, fand sie es halb zerstört, die Wände eingestürzt und die Möbel verbrannt.

Die Spielsachen ihrer Schwester waren unter den Trümmern begraben.

"Wegen der Schwere der Bombardierung hat meine Schwester ihre Katze im Haus gelassen. Wir wissen nicht, was mit ihr passiert ist", sagte sie.

26 Stunden lang gefangen

Enas Abahreh, eine palästinensische Frau mit besonderen Bedürfnissen, die mit ihrer Familie in einem Gebiet oberhalb des Lagers Jenin lebt, kam zum Haus ihres Bruders zurück und fand es in Trümmern vor.

Am ersten Tag des israelischen Angriffs stürmten Dutzende von Soldaten das Wohnhaus, in dem sie lebten.

Ihr Bruder, seine Frau und seine Kinder, die im zweiten Stock wohnen, wurden mit vorgehaltener Waffe in Abahrehs Wohnung im ersten Stock gebracht.

"Die Soldaten hielten meinen Bruder fest, fesselten ihn und verbanden ihm die Augen", so Abahreh gegenüber MEE.

"Dann brachten sie sie in unsere Wohnung, schlossen die Tür ab und nahmen die Schlüssel mit. Wir hörten ihre Stimmen im Haus meines Bruders über uns, ohne eine Ahnung zu haben, was sie taten", sagte sie.

 



Israelische Streitkräfte haben ein Loch in die Wand eines palästinensischen Hauses in Jenin gegraben, das von Scharfschützen genutzt werden kann (bereitgestellt)


Die beiden Familien, darunter vier Kinder unter sechs Jahren, waren 26 Stunden lang in der Wohnung gefangen.

Alles, was sie hören konnten, war das Graben und Bohren der israelischen Soldaten im Obergeschoss.

Nachdem sie die Soldaten gedrängt hatten, jemanden nach oben gehen zu lassen, um Milch für die weinenden Kinder zu holen, war Abahrehs Schwägerin schockiert über das, was sie sah.

Die Soldaten hatten Löcher in die Wände gegraben, um Scharfschützengewehre zu platzieren, die auf palästinensische Kämpfer zielen sollten.

Als sich die Armee schließlich zurückzog, erfuhr Abahreh von ihren Nachbarn, dass fünf Scharfschützen in dem Haus stationiert waren.

"Es war zerstört, als wir es inspizieren wollten", sagte sie.

"Die Fliesen waren von ihrem Platz entfernt, die Wände waren offen und mit hebräischen Symbolen beschriftet, alle Möbel standen auf dem Kopf. Wir haben Spuren der Soldaten gefunden, darunter Lebensmittel, Wasser, Landkarten und die Überreste medizinischer Geräte", fügte sie hinzu.

Hassan al-Amouri, Leiter des People's Services Committee im Lager Jenin, erklärte gegenüber MEE, das Ausmaß der Zerstörung sei enorm.

Er sagte, das Abwasser-, Wasser- und Stromnetz sei "völlig zerstört".

"Die meisten Straßen wurden vandalisiert und alle Fahrzeuge wurden von israelischen Panzerfahrzeugen zerstört", fügte er hinzu.

Was die vertriebenen Familien angeht, so sind die meisten von ihnen in ihre Häuser im Lager zurückgekehrt, obwohl einige nach einem Schlafplatz für die Nacht suchen, da viele Gebäude nicht mehr bewohnbar sind. Quelle

Junge Palästinenser bringen sich während einer israelischen Militäroperation in der Stadt Dschenin im besetzten Westjordanland am 3. Juli 2023 in Sicherheit. # Jaafar Ashtiyeh

Zwei Stunden mit der israelischen Armee in Dschenin während ihrer größten Militäroperation im Westjordanland seit 20 Jahren

In einer zweitägigen Operation glaubt das Militär, die letzte große Hochburg der Aufständischen im Westjordanland geschwächt zu haben, auch auf die Gefahr hin, die Wut der Palästinenser zu schüren.

Louis Imbert in Dschenin  « LE MONDE » 5-07-2023 

Am Dienstag, den 4. Juli, treffen sich israelische Kommandeure der Division "Judäa Samaria" (das besetzte Westjordanland) am Kontrollpunkt Salem, dem israelischen Eingangstor zur großen palästinensischen Stadt Dschenin. Dort führen ihre Männer seit Montag die größte Armeeoperation im Westjordanland seit 20 Jahren durch. In wenigen Stunden wird Israel seinen Rückzug melden. Die Bilanz: zwölf getötete Palästinenser und fünfzehn Schwerverletzte. Am Dienstagabend wurde auch ein israelischer Soldat in Dschenin während des Rückzugs getötet.

Als die Kommandeure am Dienstag den gelben Salem-Zaun überqueren, sind sie stolz auf ihre neue Errungenschaft, einen kleinen, gepanzerten, wendigen  und klimatisierten Tigris-Truppentransporter, der gerade aus den Fabriken des Kibbuz Sasa in Galiläa gekommen ist, der in den 2000er Jahren ein Vermögen damit gemacht hat, die US-Armee mit Panzerungen für ihre Kriege im Irak und in Afghanistan zu beliefern.

Sie bringen israelische Journalisten und, was selten vorkommt, drei Ausländer - zwei Briten und einen Franzosen - in zwei kleinen Konvois nach Dschenin. Die israelische Armee lädt die Presse normalerweise nie ein, ihre Soldaten bei Einsätzen zu begleiten. Im Frühjahr 2022 tötete einer seiner Scharfschützen die  Al-Jazeera-Journalistin in Dschenin, Shireen Abu Akleh. Er wurde nicht strafrechtlich verfolgt.

Die Armee will heute beweisen, dass das Flüchtlingslager in Dschenin keine Festung mehr ist, sondern ein Zufluchtsort für Aufständische aus dem gesamten Westjordanland und das Herz eines Aufstandes, der angesichts der seit zwei Jahren andauernden Repression  langsam erschöpft sei.

Tausend Mann wurden entsandt

Die Straße zwischen Salem und Dschenin ist von Dörfern gesäumt. Die gesamte Region hatte sich ab Montag in ihren Häusern eingeschlossen. Einige Geschäfte haben inzwischen wieder geöffnet, Autos fahren im Slalom durch Reifenfeuer und über die Straße verstreute Schotterhaufen. Am Ortseingang von Silat Al-Harithiya haben kleine Jungs  die Tigris mit Steinen beworfen. Die Soldaten sind ausgestiegen und haben sie  mit Blendgranaten vertrieben.

Weiter hinten explodiert eine selbstgebastelte  Bombe unter der Stoßstange eines leichten israelischen Panzerfahrzeugs  und beschädigt dessen Vorderreifen. Ein weiterer Halt, bevor das Fahrzeug auf seinen Felgen weiterfährt. Oberstleutnant Richard Hecht, der seit einem Jahr in völliger Ergebenheit  die schwierige Aufgabe übernommen hat, das Wort der Armee auf Englisch ins Ausland zu tragen, scheitert daran, seinen Helm zuzuknöpfen, und verzweifelt: "Ich habe einen verdammt zu großen Kopf."

Als die Panzer durch die Haifa-Straße in Dschenin eindringen, stoßen sie auf Dutzende palästinensische Jugendliche: Straßensperren, Steine, Müll und Öl, einige Schüsse. Der israelische Überfall bedroht sowohl die Bewohner des Lagers, wo die Kämpfe schnell erloschen sind, als auch diejenigen, die auf den Fahrspuren der Panzer im Herzen der Großstadt und in den Gassen leben, durch die diese sich im Slalom durchschlängen. Ein verängstigter palästinensischer Erwachsener kauert hinter einem Blechzaun, in der Hoffnung, sich dort unsichtbar zu machen.

Unter dem improvisierten Hauptquartier der Kommandos, zwei Blöcke vom öffentlichen Krankenhaus entfernt, sind zwölf Panzer am Haupteingang des Lagers  stationiert. Als der uns begleitende hochrangige Offizier - die Armee schreibt Anonymität vor- aus seinem Fahrzeug steigt, fallen Schüsse, die ihn zwingen, kurz hinter einem Panzer Deckung zu suchen. Israel startete seinen ersten Drohnenangriff auf das Lager am Montag gegen 01.00 Uhr morgens. Dann entsandte es eine große Streitmacht aus der Nordbrigade, tausend Aktive auf schweren vierachsigen  Geländefahrzeugen. Die 200 bis 300 Aufständischen im Lager verschwanden nach vierstündigen Kämpfen und überraschten  so  das Militär, das angeblich  mit einem echten Widerstand gerechnet habe.

"Die wichtigeren 15 bis 20 haben das Lager wahrscheinlich verlassen. Die anderen haben ihre Waffen zurückgelassen", schätzte Konteradmiral Daniel Hagari, der  ranghöchste Sprecher der Armee vor Ort. Nur junge Militante kämpften und wurden getötet: sie waren Bewohner eines Lagers, das seit 2022 wöchentlich von der Armee überfallen wird. Israelische Drohnen warfen dieses Mal mehr als zehn Bomben mit einem jeweiligen Gewicht von 15 bis 20 Kilogramm ab.

Endloser Zyklus von Operationen in Dschenin

Am Dienstag beendeten die Soldaten die Durchsuchung des einen halben Quadratkilometer großen Viertels. In seinem Zentrum zeigte uns die Armee, begleitet von Mitgliedern der Kommandotruppe, ein unterirdisches Waffenlager in einem zerstörten Haus sowie die Überreste des Videoüberwachungssystems dieser unauffälligen Kommandozentrale. Die Soldaten behaupten, sie hätten Hunderte von improvisierten Sprengstoffen, Gewehren und Geld beschlagnahmt. Sie behaupten, sie hätten "Labore" zerstört, in einer Stadt, in der der Widerstand nach Angaben der Armee mit Angriffsdrohnen und rudimentären Raketen experimentiert hatte.

Die Armee geht davon aus, dass sie die Fähigkeiten der Aufständischen nachhaltig geschwächt hat. Sie wirft ihnen vor, im Jahr 2023 fünfzig Angriffe auf Israelis in den Siedlungen und in Israel verübt zu haben. Sie hofft, dass Angreifer aus anderen Städten nach ihren Anschlägen nicht mehr  versuchen werden, sich in Dschenin  zu verstecken. Sie nahmen nach ihren Angaben 200 Personen fest, von denen 28 in Haft verbleiben.

Diese Machtdemonstration ist zugleich auch eine Feststellung des Scheiterns. Ziel der Operation ist es, die Verteidigung des Lagers zu brechen und der Armee zu ermöglichen, es in Zukunft nach Belieben zu betreten. Die Armee lässt damit ihre Behauptung fallen, sie werde mittelfristig die ohnehin schwache Souveränität der Palästinensischen Autonomiebehörde und ihrer Sicherheitskräfte in Dschenin respektieren. Der Staat Israel verleugnet damit ebenso  seine vagen Zusagen an Washington, das seit Anfang 2022 hunderte palästinensische Stoßtruppen ausgebildet hat, in der Hoffnung, dass sie hier eingesetzt werden.

Die israelische Armee befindet sich in einem endlosen Zyklus von Militäroperationen in Dschenin,. Diese werden  von Kommandeuren durchgeführt , die zum Teil inzwischen Generalstabschefs und Verteidigungsminister geworden sind. Die Offiziere vergleichen die aktuelle Operation mit der von 2002, bei der in einer Woche 53 Palästinenser und 23 Israelis getötet wurden - ein Preis, der damals als unverhältnismäßig hoch angesehen wurde. Die Armee war damals fälschlicherweise davon ausgegangen, dass die Zerstörung des Lagers den Widerstand brechen würde. Eine falsche Vorhersage. Heute rühmt sie sich, eine „gezielte Operation“  durchgeführt zu haben.

Notwendigkeit einer politischen Lösung

Die  Bulldozer der Armee verwüsteten ganze Straßenzüge. Das Militär behauptete, es habe damit versucht, selbstgebaute Bomben zu entschärfen, die manchmal von den Gebäuden aus über meterlange Drähte aktiviert wurden. Die Armee verhängte keine Ausgangssperre, aber die Stadt schottete sich angesichts des Angriffs  selbst ab. Die israelische Armee bestreitet auch, dass sie die Bewohner des Lagers vertrieben habe, obwohl doch mehrere Tausend Palästinenser  das Lager  während der Kämpfe verlassen hatten. Die Armee schloss am Montagmorgen die Zugänge von Israel nach Dschenin, ließ aber in Gegenrichtung etwa 4000 Einwohner, die eine Arbeitserlaubnis für Israel haben, passieren.

Diese Unterscheidung zwischen Zivilisten und Kämpfern ist zum Teil rhetorisch: Seit zwei Jahren zählen die rund 14.000 Bewohner des Lagers ihre Toten und verlieren jede Hoffnung. Der Überfall signalisiert ihnen, dass die Armee jederzeit in der Lage ist, nach eigenem Gutdünken in das Lager und die gesamte Stadt zurückzukehren.

Konteradmiral Hagari gibt zu, dass "eine Armee den Terrorismus nicht besiegen kann" - eine in Israel seltene Aussage, die die Notwendigkeit einer politischen Lösung des Konflikts impliziert, während gleichzeitig die Regierung  für  die schlichte Annexion der Gebiete eintritt. Der Offizier versichert, dass ein Rückgang des bewaffneten Kampfes den Bewohnern von Dschenin Arbeitsplätze in Israel einbringen würde.

Die Armee hofft, dass die Militäroperation die Aufständischen in den Flüchtlingslagern von Nablus und Tulkarem dazu bringen wird, sich fortan zurückzuhalten. Sie beabsichtigt, ihre "regelmäßigen" Razzien  im Zuge der  seit Frühjahr 2022 andauernden  massiven Repression fortzusetzen. In Nablus verhaftet sie jede Woche immer noch sieben bis zehn Personen. Die Militärhierarchie ist zufrieden, dass ihr Überfall  weder im Westjordanland noch anderswo zu größeren Protestkundgebungen geführt habe. Bei einem Anschlag in Tel Aviv wurden acht Personen verletzt und aus Gaza wurden einige Raketen abgefeuert.

Übersetzung  DeepL  / verbesserte zweite Fassung   Quelle

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