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Die verdrehte israelische Logik der Ermordung palästinensischer Kinder und was können wir tun, um sie zu stoppen?

Ramzy Baroud  - 9. September 2023 - Übersetzt mit DeepL

Israel tötet palästinensische Kinder aus Prinzip. Diese Behauptung lässt sich leicht nachweisen und wird durch die jüngsten Ergebnisse eines Berichts von Human Rights Watch gestützt.

Die Frage ist: Warum?

Wenn die Polizei oder das Militär irgendwo auf der Welt ein Kind erschießt, kann man, obwohl es äußerst tragisch ist, zumindest theoretisch argumentieren, dass es sich um einen bedauerlichen Fehler handelt.

Wenn jedoch innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums Tausende von Kindern in einer systematischen, "routinemäßigen" und vergleichbaren Methode getötet und verwundet werden, muss die Tötung von Kindern vorsätzlich erfolgen.

In einem kürzlich veröffentlichten Bericht mit dem Titel "West Bank: Spike in Israeli Killings of Palestinian Children" kommt HRW zu einer eindeutigen Schlussfolgerung, die sich auf eine umfassende Untersuchung medizinischer Daten, Augenzeugenberichte, Videoaufnahmen und Feldforschung stützt - letztere in Bezug auf vier konkrete Fälle.

Einer davon ist der von Mahmoud al-Sadi, einem 17-jährigen palästinensischen Jungen aus dem Flüchtlingslager Jenin. Er wurde im November letzten Jahres 320 Meter von den Zusammenstößen zwischen den einmarschierenden israelischen Streitkräften und den Kämpfern von Jenin entfernt getötet.

Mahmoud war auf dem Weg zur Schule und trug nichts bei sich, was aus der Sicht der Soldaten als bedrohlich oder verdächtig angesehen werden konnte.

Die Geschichte des Jungen aus Jenin ist typisch und wiederholt sich oft im gesamten Westjordanland, manchmal sogar täglich. Das vorhersehbare Ergebnis ist, wie HRW es ausdrückt, dass diese Tötungen "praktisch nicht zur Rechenschaft gezogen werden können".

Bis zum 22. August wurden 34 palästinensische Kinder im Westjordanland getötet, eine weitere tragische Zahl in einem Jahr, das das bisher gewalttätigste seit 2005 zu werden verspricht.

Dieses Jahr "übertrifft bereits die Jahreszahlen von 2022 und die höchste Zahl seit 2005", was die Zahl der Opfer angeht, berichtete Tor Wennesland, der Sonderkoordinator der Vereinten Nationen für den Nahen Osten, während eines UN-Briefings am 21. August.

Diese Zahlen und andere Faktoren - darunter die Ausweitung der illegalen israelisch-jüdischen Siedlungen im Westjordanland - "drohen die Notlage der schwächsten Palästinenser zu verschlimmern", so Wennesland.

Diese "am meisten gefährdeten Palästinenser" existieren jedoch nicht nur in Zahlen. Als israelische Soldaten am 5. Juni das zweijährige Kleinkind Mohammed Tamimi töteten, wurde der Name des kleinen Jungen einer immer länger werdenden Liste von Zahlen hinzugefügt.

Die Erinnerung an den Säugling hat sich jedoch wie die Erinnerung an alle anderen palästinensischen Kinder in das kollektive Bewusstsein aller Palästinenser eingebrannt. Sie vertieft ihren Schmerz, zwingt sie aber auch zu ihrem Kampf und ihrem Widerstand.

Für die Palästinenser ist die Tötung ihrer Kinder kein zufälliger Akt eines Militärs, dem es an Disziplin fehlt und das keine Konsequenzen fürchtet. Die Palästinenser wissen, dass der israelische Krieg gegen Kinder ein fester Bestandteil des größeren israelischen Krieges gegen alle Palästinenser ist.

Israel erklärt nicht offiziell, dass es absichtlich palästinensische Kinder ins Visier nimmt. Das wäre eine Katastrophe für die Öffentlichkeitsarbeit. Einige israelische Beamte haben jedoch in der Vergangenheit ihre Deckung fallen lassen und eine seltsame und beunruhigende Logik an den Tag gelegt.

Palästinensische Kinder seien "kleine Schlangen", schrieb die israelische Politikerin Ayelet Shaked im Jahr 2015. In einem Facebook-Post, der von der Washington Post veröffentlicht wurde, erklärte Shaked allen Palästinensern den Krieg und forderte die Tötung der "Mütter der (palästinensischen) Märtyrer".

"Sie sollten ihren Söhnen folgen", schrieb sie, "nichts könnte gerechter sein." Kurze Zeit später wurde Shaked ironischerweise Israels Justizministerin.

Aber nicht alle israelischen Beamten sind offen über die Tötung palästinensischer Kinder und möglicherweise auch ihrer Mütter.

Die von internationalen Rechtsgruppen gesammelten Daten lassen jedoch keinen Zweifel daran, dass die Art der Tötungen Teil einer umfassenden Strategie des israelischen Militärs ist.

"In allen Fällen", so die jüngste Untersuchung von HRW, "schossen die israelischen Streitkräfte auf die Oberkörper der Kinder". Dies geschah ohne "Warnungen auszusprechen oder übliche, weniger tödliche Maßnahmen anzuwenden".

Insbesondere die Tötung palästinensischer Kinder ist eine zentrale und bewusste israelische Militärstrategie.

Die gleiche Logik, die jetzt auf das Westjordanland angewandt wird, wurde bereits im belagerten Gazastreifen angewandt. Nach UN-Zahlen wurden im israelischen Krieg gegen den Gazastreifen 2008/9 333 palästinensische Kinder getötet - andere Schätzungen gehen von 410 aus; 2012 waren es 47 Kinder, 2014 578, 2021 66, 2022 17 usw.

Zwischen 2018 und 2020 wurden 59 palästinensische Kinder beim so genannten "Marsch der Rückkehr" getötet, einem Massenprotest am Zaun, der Israel vom belagerten Gazastreifen trennt. Alle Kinder wurden aus der Ferne von israelischen Scharfschützen getötet.

Die Zahl der getöteten und verwundeten Kinder geht in die Tausende - nach Angaben der UNO sind zwischen 2015 und 2022 8.700 palästinensische Kinder ums Leben gekommen.

Selbst die gefühllose und oft entmenschlichende Logik der "Kollateralschäden" kann solche Zahlen nicht rechtfertigen. Obwohl der Krieg gegen palästinensische Kinder vorsätzlich, langwierig und andauernd ist, wurde kein einziger israelischer Militär- oder Regierungsbeamter jemals vor einem internationalen Gericht zur Rechenschaft gezogen.

Selbst die UN-Liste der Schande für die Tötung von Kindern" hat Israel nie gebrandmarkt, obwohl andere Länder für weitaus weniger Verbrechen gegen Kinder gebrandmarkt" wurden.

Da die Tötung von Kindern - nach der verdrehten Logik von Leuten wie Shaked - als funktional für Israel angesehen wird und da es keine Rechenschaftspflicht gibt, sieht Israel keinen Grund oder keine Dringlichkeit, seinen Krieg gegen palästinensische Kinder zu beenden.

Angesichts der ständigen Lockerung der Regeln für militärische Einsätze in Israel und der erschreckend völkermörderischen Sprache, die von Israels rechtsextremen Ministern und ihrer massiven Wählerschaft verwendet wird, werden in naher Zukunft wahrscheinlich noch mehr palästinensische Kinder ihr Leben verlieren.

Doch das Einzige, was UN-Beamte und Menschenrechtsgruppen derzeit zu tun scheinen, ist, die alarmierenden Opferzahlen zu zählen. Leider ist keine Zahl groß genug, um Israel vom Töten der Palästinenser abzubringen.

Das Problem für die Palästinenser ist nicht nur die israelische Gewalt, sondern auch der fehlende internationale Wille, Israel zur Verantwortung zu ziehen.

Rechenschaftspflicht erfordert Einigkeit, Entschlossenheit und Handeln. Diese Aufgabe sollte für alle Länder, denen die Palästinenser und die allgemeinen Menschenrechte wirklich am Herzen liegen, eine Priorität sein.

Ohne ein solches kollektives Handeln werden palästinensische Kinder weiterhin in großer Zahl und auf brutalste Weise sterben, eine Tragödie, die uns weiterhin schmerzen wird - ja, die uns alle beschämt.  Quelle

Der palästinensische Präsident Yasser Arafat bei seinem historischen Händedruck mit dem israelischen Premierminister Yitzhak Rabin 1993 vor dem Weißen Haus, zusammengebracht von US-Präsident Bill Clinton.

30 Jahre Oslo: Die Zeit steht still – und schreit laut

Palästinensische Künstler*innen reflektieren den gescheiterten Friedensprozess in Videoclips

Katja Hermann - 4.09.2023

Im September 2023 jährt sich die Verabschiedung der israelisch-palästinensischen Prinzipienerklärung zum 30. Mal. In der Erklärung von September 1993, die als Oslo-I-Abkommen bekannt wurde, bestätigte Israel die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) als Vertreterin der Palästinenser*innen, während die PLO ihrerseits den Staat Israel anerkannte. Man verständigte sich auf den Aufbau einer palästinensischen Selbstverwaltung sowie auf den schrittweisen Abzug Israels aus den besetzten palästinensischen Gebieten, Westjordanland und Gazastreifen, innerhalb von fünf Jahren. Während dieser Übergangszeit sollten die besonders umstrittenen Themen wie die Grenzziehung zwischen Israel und dem palästinensischen Gemeinwesen, die Flüchtlingsfrage, der Status Jerusalems, die Zukunft der Siedlungen sowie Fragen der Sicherheit geklärt und ein abschließender Status auf der Grundlage der UN-Resolutionen 242 und 338 festgelegt werden.[1] Es waren hoffnungsvolle Zeiten, trotz aller Skepsis: Das Ende der seit 1967 währenden völkerrechtswidrigen Militärbesatzung und ein freies Palästina, schienen damals zum Greifen nahe.

Bekanntlich verstrich die fünfjährige Übergangsperiode, ohne dass die sogenannten Endstatusthemen geklärt wurden und spätestens mit der erfolglosen Verhandlungsrunde von Camp David im Jahr 2000 musste der Oslo-Prozess als gescheitert gelten. Verschiedene Gründe auf Seiten der Beteiligten haben zum Scheitern beigetragen und einige Aspekte wogen so schwer, dass sie den Prozess und auch alle anschließenden Versuche, die Verhandlungen wiederaufzunehmen bzw. andere Konfliktlösungsansätze zu finden, ad absurdum führten: Ungeachtet der Abkommen hat Israel über Jahre hinweg Vereinbarungen und Zeitpläne blockiert und ignoriert. Es hat stattdessen systematisch den Bau von Siedlungen, Straßennetzen und Sperranlagen auf palästinensischem Gebiet fortgesetzt und ausgebaut. Damit wurden von Anfang an zentrale Grundlagen der Oslo-Abkommen, die besagen, dass während des Verhandlungsprozesses der Status des Verhandlungsgegenstandes nicht verändert werden dürfe, verletzt.[2] Es wurden Fakten geschaffen, die die Entwicklung eines palästinensischen Gemeinwesens verunmöglichte und das Szenario einer Zwei-Staaten-Lösung zunehmend unrealistisch werden ließ. Ein Konstruktionsfehler von Oslo war darüber hinaus, dass das Macht- und Kräfteverhältnis des Besatzungskontextes nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt wurde. Es gab weder Monitoring- noch valide Sanktionsmechanismen für den Fall, dass Zeitpläne nicht eingehalten oder Vereinbarungen torpediert werden. Damit ignorierte man aktiv den Umstand, dass Verhandlungen in asymmetrischen Konfliktverhältnissen, wie hier zwischen einer Besatzungsmacht und einer Bevölkerung, die unter militärischer Besatzung lebt, ohne solche Mechanismen nicht funktionieren können.

30 Jahre später dauert die Besatzung an und die Palästinenser*innen leben immer noch in einer völlig prekären Situation. Auch Millionen palästinensischer Geflüchteter und ihren Familien in der Diaspora fehlen jegliche Zukunftsperspektiven. Mehr noch: Die völker- und menschenrechtlich legitimen Ansprüche der Palästinenser*innen sind international weitgehend marginalisiert. In einigen Kontexten, vor allem in Deutschland, sind Palästinenser*innen mit einem gruppenbezogenen Rassismus konfrontiert, der ihre soziale und politische Teilhabe, ihre beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten sowie ihr Alltagsleben massiv behindert.

Die Entwicklungen in Palästina nach dem Scheitern von Oslo sind ausführlich analysiert worden. Zusammenfassend stellt sich die heutige Situation in den besetzten Gebieten wie folgt dar:   mehr >>>

Newsletter 139/2023

Oslo ist längst passé dank der
„aktiven Sterbehilfe“ Israels


Wer erinnert sich noch an den 13.9.1993, an dem im malerischen Garten des Weißen Hauses Yitzhak Rabin und Yasser Arafat, wohlwollend begleitet von Bill Clinton, ihre Unterschriften unter den sogenannten „Oslo Akkord“ gesetzt haben? Drei Friedensnobelpreisträger (zusätzlich wurde noch – am meisten unverdient – Außenminister Shimon Peres geehrt), die für Verdienste ausgezeichnet worden sind, die sie – auf den Punkt gebracht – eigentlich nie in die Tat umsetzen konnten/wollten(?). Die damals beschworene historische Aussöhnung zwischen dem palästinensischen und dem israelisch/jüdischen Volk ist heute, 30 Jahre nach dieser Inszenierung, weiter von ihrer Realisierung entfernt als je zuvor. Selbst wenn man eine gewisse Mitschuld der Palästinenser am kompletten Scheitern des sogenannten „Nahostfriedensprozesses“ einräumt, so liegt die überwiegende Verantwortung dafür ohne Wenn und Aber auf der Seite Israels. Denn dieser und die darauffolgenden weiteren Verträge haben die bestehenden eklatanten ungleichen Machtverhältnisse zwischen den beiden Vertragsparteien ignoriert, teilweise sogar noch verschärft. Diese Kritik wurde auch von manchen Experten und Beteiligten bereits unmittelbar vor 30 Jahren geäußert, z.B. von Teilen der palästinensischen Seite, welche von Arafat und seinem Verhandlungsteam mehr oder minder bewusst von den Oslo-Verhandlungen fern gehalten worden waren. Hanan Ashrawi und Haider Abdel Shafi, welche Verhandlungen im Zusammenhang mit der internationalen Madrid Konferenz führten, haben bereits frühzeitig ihre Kritik an Format, Inhalt und Ergebnissen von Oslo geäußert. Ihre Kritik hat sich in den Jahrzehnten danach mehr als gerechtfertigt, da die völlige Ungleichheit der beiden Parteien nicht zu übersehen war. Dass die USA de facto bei allen wesentlichen Konfliktsituationen Israel unterstützt haben (was man ja immer wieder bei entscheidenden UN-Abstimmungen sehen konnte) und auch Europa trotz verbaler Bekenntnisse zur Zweistaatenlösung sowie Verurteilungen der Siedlungspolitik nicht willens und in der Lage waren und sind, diese fundamentale Chancenungleichheit infrage zu stellen, geschweige denn zu ändern, lässt die Mitverantwortung der „wertegeleiteten“ Demokratien klar zutage treten. Insofern kann man es durchaus in gewissem Maße als realpolitischen Zynismus bezeichnen, dass vor allem die EU aber auch die USA mit ihren massiven finanziellen Unterstützungen zur Aufrechterhaltung dieses absolut ungleichen System beigetragen haben, ja es eigentlich erst ermöglichen. Wobei im Falle der USA die realen Verhältnisse ohnedies andere sind, denn alleine die laufenden Rüstungshilfen der USA für Israel übertreffen die den Palästinensern zukommenden Leistungen bei weitem. Im Falle der EU ist das nicht ganz so eklatant, obwohl auch die verschiedenen Kooperationsprojekte im Bereich der Rüstung und der Forschung sehr wohl das bestehende, von Vielen bereits als Apartheid bezeichnete, israelische System massiv unterstützen.

Besonders unverständlich und absolut inakzeptabel ist die Haltung der westlichen Staaten zu Israel seit der Machtübernahme einer rechtsradikalen Regierung, welche sich völlig offen und weitgehend unwidersprochen gegen sämtliche völkerrechtliche Bestimmungen und politische Vereinbarungen ausspricht. Dass diese Regierung de facto aber die bereits in den vergangenen Jahrzehnten verfolgte Politik der Verleugnung der legitimen Rechte des Palästinensischen Volkes fortsetzt, scheint nicht zur Kenntnis genommen zu werden. 30 Jahre nach Oslo sollte es doch inzwischen völlig klar sein, dass Israel, und damit meine ich – von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen – einfach nicht bereit war und ist, mit den Palästinensern auf gleicher Höhe zu verhandeln und eine faire, vor allem auch dem Völkerrecht entsprechende, Lösung des israelisch-palästinensischen Konfliktes zu erreichen.

Es wäre noch viel zu sagen und zu schreiben, ganze Bibliotheken sind voll davon. Ich darf auf zwei aktuelle Analysen verweisen. Abschließend nehme ich mir noch die Freiheit auf zwei Publikationen, welche ich selbst herausgebracht habe, zu erinnern, in denen bereits vor längerer Zeit und von recht unterschiedlichen und kompetenten Autor*innen die Skepsis über die falsche Euphorie des „Durchbruches von Oslo“ geäußert worden ist. Leider hat der „realpolitische Opportunismus“ bislang über Legalität, Völkerrecht und Fairness gesiegt. Es ist höchste Zeit für einen Wandel.


Mit besten Grüßen!
Fritz Edlinger
Herausgeber und Chefredakteur

 

Fritz Edlinger (Hg.): „Palästina – Hundert Jahre leere Versprechen. Geschichte eines Weltkonflikts“ Promedia 2017
Fritz Edlinger (Hg.): „Befreiungskampf in Palästina. Von der Madrid-Konferenz zur Al Aqsa-Intifada“ Promedia 2001
 

Links:

https://www.fr.de/politik/konflikt-abkommen-von-oslo-der-irrtum-vom-frieden-israel-palaestina-nahost-92513596.html

https://www.rosalux.de/news/id/50946/30-jahre-oslo-die-zeit-steht-still-und-schreit-laut


 

Das widersprüchliche Nachleben von Oslo

Ein Weg zum Frieden. Ein blasphemischer Verrat. Ein Deckmantel für die Besatzung. Wie konnten sich die Osloer Abkommen in solch unendlich biegsame Bedeutungen verwandeln?

Dahlia Scheindlin - 12. September 2023 - Übersetzt mit DeepL

Für jeden, der auch nur annähernd mit dem Nahen Osten vertraut ist, ist Oslo mehr als nur die Hauptstadt Norwegens. Seit 30 Jahren steht der Name als Metonym für eine Reihe von Abkommen, die in den 1990er Jahren zwischen Israel und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) unterzeichnet wurden. Von der 1993 verkündeten Grundsatzerklärung bis hin zum Wye-River-Abkommen von 1998, dem letzten formellen Abkommen im Rahmen dieses Prozesses, wurden in Oslo politische Konturen und eine Machtdynamik geschaffen, die Israel und Palästina bis heute prägen. Oslo wurde auch zu einem Paradigma, einem festen konzeptionellen Rahmen mit den dazugehörigen Annahmen und Erwartungen, um darüber nachzudenken, wie Israelis und Palästinenser eine Lösung des Konflikts erreichen sollten.

Aber in klassischer postmoderner Manier wurde Oslo als eine atomisierte Idee geboren. Alle relevanten Parteien sahen in den Abkommen etwas, was die anderen nicht sahen, und jede versuchte, sie auf bestimmte - oft divergierende oder widersprüchliche - politische Ziele auszurichten.

Was von Oslo bleibt, abgesehen von der Politik, die es hervorbrachte, sind diese fragmentierten Vorstellungen darüber, wohin jede Seite zu gehen gedenkt. Die Verwendung und manchmal auch die Ausbeutung des Konzepts Oslo hat ein Eigenleben entwickelt; die Entschlüsselung seiner Bedeutung in den Köpfen der jeweiligen Parteien verrät viel darüber, wo sie hinwollen.

Vor Ort ist die Politik, die von Oslo übrig geblieben ist, ziemlich klar, auch wenn bestimmte Aspekte nicht immer mit dem bloßen Auge erkennbar sind: Israels übergreifende Militärherrschaft über das Westjordanland und den Gazastreifen (selbst die Teile der Gebiete A und B, die nominell von der Palästinensischen Autonomiebehörde verwaltet werden, werden regelmäßig von den IDF überfallen, was im Wesentlichen durch Oslo erlaubt wurde); seine umfassende zivile Kontrolle und sein Siedlungswachstum über den Großteil des Westjordanlandes, das als Gebiet C bezeichnet wird; die wirtschaftlichen Beschränkungen der palästinensischen Gesellschaft durch das Pariser Protokoll, die Koordinierung mit den palästinensischen Sicherheitskräften, die im Wesentlichen als Hilfstruppen des israelischen Militärs fungieren, und die kollektiven Beschränkungen der physischen Bewegungsfreiheit der Palästinenser durch ein unverständliches, koloniales Erlaubnis-(Pass-)System.

Israelische Soldaten sprechen mit einem palästinensischen Mann in der Altstadt von Hebron im Westjordanland, 14. Januar 2018. (Wisam Hashlamoun/Flash90)
Israelische Soldaten sprechen mit einem palästinensischen Mann in der Altstadt von Hebron im Westjordanland, 14. Januar 2018. (Wisam Hashlamoun/Flash90)
Im Gegensatz dazu stagnierte der Oslo-"Prozess" selbst - Verhandlungen über vorläufige bedingte Vereinbarungen für eine begrenzte palästinensische Autonomie ohne endgültige Statusentscheidungen - vor 25 Jahren. Und obwohl er Anfang der 2000er Jahre und erneut 2008 durch Gespräche über eine umfassende Zweistaatenlösung abgelöst wurde, scheiterten auch diese Verhandlungen. Aber das Bild von Oslo - die vielfältigen Bedeutungen, die bei der Verwendung des Namens entstehen - lebt weiter.

Die großzügigste Bedeutung liegt sicherlich in den Augen seiner Architekten. Wie mir der ehemalige israelische Unterhändler Yossi Beilin im Vorfeld des 20-jährigen Jubiläums sagte, wurde Oslo als sicherer Weg zu einem umfassenderen Abkommen angesehen. Sowohl auf israelischer als auch auf palästinensischer Seite mischten sich Spoiler ein, aber Beilin war der Meinung, dass der Prozess zu Verhandlungen über den endgültigen Status und schließlich zu einem Friedensabkommen geführt hätte, wenn Premierminister Yitzhak Rabin 1995 nicht ermordet worden wäre (durch den rechtsextremen israelischen Extremisten Yigal Amir).

Die palästinensischen Architekten hatten ein großzügigeres Verständnis und projizierten ihre Sehnsucht nach nationaler Selbstbestimmung in Form eines Staates auf ein Abkommen, in dem die palästinensische Staatlichkeit nie erwähnt wurde. Im ersten Jahr von Oslo befürworteten die Palästinenser, die zu dem Prozess befragt wurden, diesen als einen ersten Schritt in Richtung Unabhängigkeit. Doch ihre Hoffnungen und ihre Umfragewerte sanken bald; im Sommer 1995 trauten über 80 Prozent den Absichten Israels nicht.

Als das erste Osloer Dokument 1993 unterzeichnet wurde, betrachtete die israelische Rechte es bereits als eine Katastrophe. Die säkulare Rechte - und, wie wir kürzlich erfuhren, Rabins eigene Regierung - befürchtete, dass die neue palästinensische Behörde die terroristischen Aktivitäten nicht eindämmen würde. Und tatsächlich verübten die Hamas und andere Gegner Terroranschläge, insbesondere nach dem Massaker des amerikanisch-israelischen Extremisten Baruch Goldstein an Palästinensern in der Ibrahimi-Moschee/Grab der Patriarchen in Hebron 1994.

Die Position der nationalistisch-religiösen Rechten Israels darf nicht vergessen werden. Dieses Lager vertritt die Ansicht, dass das Wort der Bibel buchstäblich und historisch wahr ist: dass Gott dem jüdischen Volk das gesamte Gebiet des heutigen Westjordanlandes (und darüber hinaus) zugesprochen hat. Es lohnt sich kaum, über diesen Punkt zu streiten. Aber für diese Hardliner-Minderheit war Oslo ein Verrat am göttlichen Willen, der das Kommen des Messias vereiteln könnte. Alle anderen Erwägungen - Demokratie, Völkerrecht, Menschlichkeit - waren Nebensache.

Die Realität anerkennen
Dreißig Jahre später sind sowohl die gefährliche als auch die blasphemische Bedeutung von Oslo für den rechten Flügel Israels im Wesentlichen unverändert. Was sich geändert hat, ist, dass die Sicherheitsfanatiker mit der Politik von Oslo völlig zufrieden sind. Es ist Oslo, das Israels tiefes Eindringen in das palästinensische Leben ermöglicht, durch physische, militärische, bürokratische und Cyber-Überwachungsmechanismen. Es ist Oslo, das die militärische Kontrolle Israels über das gesamte Westjordanland und über den Gazastreifen formell aufrechterhält, indem es die Grenzen, den Luftraum und die Seehäfen kontrolliert, und nicht direkt durch Truppen. Es erübrigt sich zu erwähnen, dass in der religiösen Sichtweise das Recht Gottes auf das Land weiterhin Vorrang vor dem palästinensischen Recht auf Selbstbestimmung und dem Verbot der Eroberung von Gebieten im Krieg hat.

Für die israelische Rechte hat sich nur der Appetit geändert. Anstatt zu versuchen, Oslo daran zu hindern, "Land zu verschenken", hat die Rechte die Abkommen als Versprechen umgedeutet, das ganze Land zu besitzen. Jetzt benutzt der rechte Flügel die von Oslo geschaffenen Bezeichnungen der Gebiete A, B und C, um die Palästinenser zu beschuldigen, in das Gebiet C einzudringen und es zu übernehmen - obwohl das gesamte Siedlungsprojekt, ein ungesunder Moloch ohne jegliche Sicherheitsberechtigung, ausschließlich in dieser Zone existiert.

Die israelische Linke hielt jahrzehntelang an der Vision der Osloer Architekten fest. Sowohl Politiker als auch Friedensaktivisten sahen in dem Prozess ein Zuggleis in die Zukunft. Als die politische Landschaft Israels durch die Ermordung Rabins und den Aufstieg des Oslo-feindlichen Benjamin Netanjahu auf den Kopf gestellt wurde, waren die Begriffe "entgleist" und "wieder auf dem richtigen Weg" allgegenwärtig. Für die Linke war das Ziel von Oslo richtig; Israel musste nur wieder auf den Weg zurückkehren.

Schließlich klammerte sich die internationale Gemeinschaft an das Bild von Oslo, um das aufrechtzuerhalten, was sogar der Kolumnist der New York Times, Thomas Friedman, kürzlich als "die gemeinsame Fiktion, dass Israels Besetzung des Westjordanlandes nur vorübergehend war" bezeichnete. Nicht nur die Regierungen, sondern auch die multinationalen Unternehmen kamen aufgrund von Oslo ins Geschäft, da die arabischen Länder ihre Boykottdrohungen unter der Voraussetzung eines künftigen Endes der Besatzung aufhoben.

Bis heute investieren europäische Regierungen und Institutionen Geld in die sagenumwobene Komponente "von Mensch zu Mensch" des Osloer Paradigmas. Zwar sind Gespräche zwischen Palästinensern und Israelis an sich nichts Schlechtes, doch die Vorstellung, dass dieser wohltuende Dialog dem Moloch der israelischen Expansion, den täglichen Ungerechtigkeiten der Besatzung oder den Flutwellen von Militäraktionen standhalten könnte, war völlig falsch.

Wie Maja Sojref, Geschäftsführerin des New Israel Fund in Deutschland, feststellte, "ist das Machtungleichgewicht seit den 1990er Jahren so sehr gewachsen und physische Begegnungen können nicht stattfinden, weil Palästinenser keine Genehmigungen erhalten, dass [Palästinenser] sagen: 'Warum sollten wir uns treffen, wenn unsere Situation nur noch schlimmer geworden ist' ... und dann sagen die Israelis, dass es auf der anderen Seite niemanden gibt - während die Institutionen immer noch so tun, als ob wir nur mehr Geld für mehr Treffen geben müssten." Das ist ein Teil der Osloer Fiktion, und vielleicht fühlt sich jemand dadurch gut. Aber es bringt sicherlich keinen Frieden.

Wie konnte sich ein politisches Konzept in unendlich biegsame Bedeutungen verwandeln? Der Oslo-Prozess basierte auf der "konstruktiven Ambiguität", einem Ansatz, der einst als clevere Verhandlungsstrategie galt. Schließlich handelte es sich bei Oslo nicht um ein Friedensabkommen, wie es in der Karikatur dargestellt wird, sondern um eine Vertagung der Kernfragen des Konflikts, ohne jemals das endgültige politische Endspiel für eine Lösung zu nennen. Wenn ein palästinensischer Staat als Endstatus nicht erwähnt wurde, wie konnte dann der israelische Siedlungsbau das Ergebnis der Teilung vorwegnehmen? Wenn es keine klare Entscheidung zur Teilung Jerusalems gab (die ich persönlich inzwischen ablehne), warum sollte Israel dann nicht die beiden Teile der Stadt für immer unter seiner ausschließlichen Kontrolle festhalten?

Ich kann nicht leugnen, dass ich am Anfang zu den begeisterten Fans von Oslo gehörte. Ich war 21 und lebte noch in Nordamerika, als sich Oslo an uns heranschlich. Es wurde sofort zu einem Leuchtturm, der mich in die Region zog, von der ich dachte, dass ich in ihrem Rahmen zum Frieden beitragen könnte.

Es dauerte Jahre, in denen ich hier lebte, lernte und forschte, um mir einzugestehen, was Oslo für den Frieden tat. Ich beobachtete, wie die Politik von Oslo vor Ort die immer stärkere Verfestigung der israelischen Besatzung und die Verschlechterung des physischen und politischen Lebens der Palästinenser ermöglichte. Es stellte sich heraus, dass meine persönlichen Träume der gelebten politischen Realität nicht gewachsen waren; ich konnte mich entweder von dieser Realität abkoppeln oder sie zugeben. Doch Israel, die Palästinensische Autonomiebehörde und internationale Akteure hielten an ihrem fiktiven Bild von Oslo als einem lebendigen Prozess fest und verschleierten damit die Wahrheit, die jeder sehen konnte, der nah genug dran war.

Heute, drei Jahrzehnte später, denke ich, dass sich Oslo am besten mit dem berühmten Dialog aus Lewis Carrolls "Alices Abenteuer im Wunderland" zwischen einem vermeintlich unsicheren Protagonisten und einer schelmischen Grinsekatze zusammenfassen lässt:

"Würdest du mir bitte sagen, welchen Weg ich von hier aus gehen soll?", fragte Alice.

"Das hängt sehr davon ab, wohin du willst", sagte die Katze.

"Es ist mir ziemlich egal, wohin -"

"‍Dann ist es egal, welchen Weg du gehst.‍"

"‍- so lange ich irgendwo ankomme."

"‍Oh, das schaffst du bestimmt,‍ ‍wenn du nur lange genug gehst.‍"  Quelle


Oslo-Abkommen: Warum sich palästinensische Jugendliche, die zum historischen Händedruck eingeladen waren, betrogen fühlen

Sie wurden als eine Generation dargestellt, die in einer neuen Ära des Friedens aufwächst. Doch 30 Jahre später sagen die "Jungen von Oslo", sie seien Kinderdarsteller in einem großen Stück diplomatischen Theaters gewesen


Safaa Khatib - 12. September 2023 - Übersetzt mit DeepL

In der Luft lag eine Atmosphäre der Freude und Euphorie. Yitzhak Rabin und Jassir Arafat tauschten Witze und Lachanfälle aus.

Als der 14-jährige Iyas Ashkar, ein palästinensischer Junge aus der Stadt Baqa al-Gharbiyye, im Rosengarten des Weißen Hauses in der ersten Reihe saß, schien es ihm, als würde er die Geburt eines neuen Nahen Ostens miterleben.

Es war ein Ort, an dem im blühenden Optimismus der ersten Tage von Bill Clintons Präsidentschaft viele glaubten, dass alle Probleme eine Lösung finden könnten.

Als die Formalitäten abgeschlossen waren, traten die Unterzeichner des Abkommens von Oslo von der Bühne und begannen, die Hände der vor ihnen stehenden Personen zu schütteln.

Ashkar hielt eine Broschüre über seine Heimatstadt in der Hand, die er Arafat überreichen wollte.

Er ging davon aus, dass der sagenumwobene Führer der Palästinensischen Befreiungsorganisation diesen Ort nicht kennen würde, da er innerhalb der Grenzen Israels von 1948 liegt.

Doch als er Arafats Hand ergriff, drängte sich eine dringende Frage in Ashkars Gedanken.

"Wie konnte es sein", erinnerte sich Ashkar, "dass dieser Mann, der ein militärisches Gewand trug und zahlreiche Kriege geführt hatte, so weiche Hände besaß?"

Das war nicht die einzige Frage, die Ashkar beschäftigte. Er wurde 1979 in einer Familie geboren, die ursprünglich aus Jaffa stammte und deren Flüchtlingsweg sie nach Baqa al-Gharbiyye im damaligen Israel geführt hatte.

Sie wurden von ihren Großeltern und Verwandten getrennt, die in Flüchtlingslagern in Jordanien, dem Westjordanland, Kuwait und Saudi-Arabien verstreut waren.

Es war jedoch die erste und unschuldigste in einer Reihe von Fragen, die er sich in den nächsten drei Jahrzehnten stellen würde.

Mit der Zeit entwickelten sich diese Fragen weiter und gipfelten in der heutigen dringlicheren Frage: Was genau macht die Palästinensische Autonomiebehörde mit den Überresten des Landes, das Israel ihr nach dem Osloer Abkommen überlassen hat?

Und eine weitere Frage folgt: Was hatte ein Junge in seinem Alter dort überhaupt zu suchen?

Die Saat des Friedens

Im Sommer 1993 erließ die israelische Regierung eine Anweisung an lokale Beamte in einigen palästinensischen Städten des Landes, um Jungen im Teenageralter zu finden, die sich in der Bildung auszeichnen und Hebräisch und Englisch beherrschen.

Nach zweimonatigen Interviews und Workshops im Außenministerium in Jerusalem wurden vier Jungen ausgewählt, darunter Iyas Ashkar.

Diese Jungen wurden in eine israelische Delegation aufgenommen, der 16 Studenten aus der jüdischen Gemeinde angehörten, die aus angesehenen Kreisen des israelischen Militärs, der Politik und der Gesellschaft stammten.

Diese Delegation wurde schließlich Teil der ersten Auflage der Initiative "Seeds of Peace", an der auch Jugendliche aus den besetzten palästinensischen Gebieten und Ägypten teilnahmen und die im Sommer 1993 mit einem internationalen Camp im idyllischen US-Bundesstaat Maine begann.

Ziel der Initiative war es, eine neue Generation aus konfliktreichen Regionen heranzuziehen, um Wege für eine friedliche Koexistenz und Konfliktlösung zu finden.

Auf der anderen Seite koordinierte die PLO, die damals ihren Sitz in Tunesien hatte, die Auswahl der palästinensischen Delegation mit Beamten in Ramallah.

Sie wählten 11 Schüler aus, von denen zwei von der angesehenen, von Quäkern geführten Ramallah Friends School kamen.

Zu ihnen gehörte der 13-jährige Firas Hashem Ashayer.

Ashayer wuchs in einer Familie auf, die sich stark in der palästinensischen politischen und religiösen Landschaft engagierte.

Fünf Tage vor der Unterzeichnung des Osloer Abkommens traf Hillary Clinton, die amerikanische First Lady, bei einem vorher vereinbarten Besuch im Weißen Haus auf eine Delegation von Seeds of Peace und lud sie ein, an der Zeremonie teilzunehmen.

In der ersten Reihe sitzend und in ihren unverwechselbaren blaugrünen T-Shirts in die Kameras blickend, war die Symbolik der Generationen, die sie verkörperten, kaum zu übersehen.

Für die zuschauende Welt bedeutete die Anwesenheit der Kinder nicht nur das Ende eines belastenden Kapitels, sondern auch den hoffnungsvollen Beginn eines anderen, in dem die Feindseligkeiten zwischen den sich bekriegenden Völkern endlich ungerechtfertigt erschienen.

Über sein erstes Zusammentreffen mit der israelischen Delegation sagte Ashayer gegenüber Middle East Eye: "Unsere Vorstellungskraft als Kinder war einzig und allein von der Umgebung geprägt, in der wir aufgewachsen waren - dem historischen Palästina, das sich vom Fluss bis zum Meer erstreckt.

"Der Dialog erwies sich als aussichtslos; jede Seite negierte die Legitimität der anderen. Dennoch brachen wir das Brot und spielten Spiele, um einen Raum für die Koexistenz zu schaffen, auch wenn dieser Raum recht eigenartig war.

Über den entscheidenden Moment der Unterzeichnungszeremonie reflektiert er: "Wir waren zwar nur Kinder, aber selbst in diesem Alter konnten wir die Schwere dessen, was sich vor uns abspielte, begreifen - auch wenn es fast zu surreal war, um zu glauben, dass es wahr war.

Tiefgreifende Entbehrungen

In den Sekunden, in denen Arafat dem israelischen Premierminister Rabin die Hand reichte, flackerte in Ashayers Gedächtnis etwas auf, das er heute als "eine Montage der großen Opfer der Palästinenser" bezeichnet.

"In diesem Moment fragte ich mich fast ängstlich, ob die sich entfaltende Szene in irgendeiner Weise dem Ausmaß dessen entsprach, was er ertragen musste", sagte er.

Danach schüttelte Ashayer Clinton, Rabin und Arafat die Hand. Er erinnerte sich daran, dass Arafat müde und erschöpft aussah - aber Ashayer fühlte sich nur euphorisch, in der Gegenwart eines Mannes zu sein, der an diesem Tag als Vertreter seines Volkes angesehen wurde.

"Wir stammten aus einem Milieu, das bis dahin weitgehend abgetan worden war, und standen nun im Zentrum des Weißen Hauses, bestätigt durch den Präsidenten der Vereinigten Staaten selbst.

"Arafats Keffiyeh symbolisierte für mich einen grundlegenden Wandel - eine Anerkennung der palästinensischen Rechte, die bis zu diesem entscheidenden Moment systematisch negiert worden waren."

Diplomatisches Theater

Als palästinensisches Mitglied der offiziellen israelischen Delegation, die in die USA entsandt wurde, musste Iyas Ashkar eine zweimonatige Vorbereitungszeit über sich ergehen lassen.

In dieser Zeit wurde versucht, ihn von seiner Zugehörigkeit zu Israel zu überzeugen, indem man ihm die Anziehungskraft der israelischen Demokratie vor Augen führte und betonte, wie wichtig es sei, die verbleibende palästinensische Gemeinschaft als Minderheit im Land zu vertreten.

Diese Erfahrungen ließen Ashkar mit unangenehmen Gefühlen des Unbehagens und der Entfremdung kämpfen.

Zunächst bemühte er sich, den Konfrontationen, Debatten und politischen Dialogen aus dem Weg zu gehen, die die Initiative auslösen sollte.

Doch schließlich wurde ihm klar, dass er nur eine kleine Rolle in einem großen Stück diplomatischen Theaters spielte.

Dieses Spektakel, das unter norwegischer Schirmherrschaft begonnen und mit amerikanischer Billigung seinen Höhepunkt erreicht hatte, sollte sich innerhalb von nur vier Monaten entfalten, beginnend mit dem Abzug der israelischen Truppen aus Gaza und Jericho.

Je mehr sich das erste Jahr dem Ende zuneigte, desto deutlicher wurde den Palästinensern aus allen Gesellschaftsschichten, dass die Ereignisse für die Israelis nichts Geringeres als einen eklatanten diplomatischen Triumph darstellten.

Dies stand in krassem Gegensatz zu dem Ergebnis für die Palästinenser.

Arafat schien seine Unterschrift unter ein Abkommen gesetzt zu haben, das viele als unzureichend ansahen und dessen einziges Ziel darin bestand, die Rückkehr der PLO aus dem tunesischen Exil zu erleichtern, koste es, was es wolle.

Das Abkommen schien auch dem Bestreben der PLO zu dienen, ihre schwindende Autorität gegenüber einer palästinensischen Bevölkerung wiederherzustellen, die nach Ansicht vieler die traditionellen Führungsstrukturen umgangen hatte, indem sie während der ersten Intifada die Zügel selbst in die Hand nahm.

"Die israelische Strategie ist von der ersten zionistischen Konferenz im Jahr 1897 bis zur Unabhängigkeitserklärung auf palästinensischem Boden, über die Osloer Abkommen und bis heute konstant geblieben", so Ashkar.

"Diese Strategie ist gekennzeichnet durch die anhaltende Belagerung des Gazastreifens und den unaufhörlichen Siedlungsbau, der unter eklatanter Missachtung bestehender Verträge und Abkommen durchgeführt wird.

"Das übergeordnete Ziel ist die maximale territoriale Ausdehnung. Die Osloer Verträge lieferten Israel den effizientesten und wirtschaftlichsten Entwurf für eine solche Expansion."

Für Ashkar haben die Abkommen durch die Schaffung der Palästinensischen Autonomiebehörde auch die Saat für die anhaltende Zwietracht unter den palästinensischen Politikern gelegt, indem sie diejenigen, die sich den strikten Vorgaben widersetzten, neutralisierten und diejenigen belohnten, die sich ihnen anschlossen.

"Es ist, als ob man ihnen einen großen Kuchen vorsetzt und sie einlädt, ihn unter sich aufzuteilen", sagte er.

In der Zwischenzeit haben die Abkommen Israel die Möglichkeit gegeben, sich nach und nach von anderen internationalen Vereinbarungen zu verabschieden, wie z. B. vom Recht auf Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge, das in den Genfer Konventionen garantiert ist.

1998, fünf Jahre nach der Zeremonie in Washington, wurden Ashayer und andere Mitglieder der palästinensischen Delegation erneut zu einem Treffen mit Arafat eingeladen, dieses Mal in Ramallah.

"Er teilte uns mit, dass er gerade ein Treffen mit einer amerikanisch-jüdischen Delegation abgeschlossen hatte, das angeblich dazu dienen sollte, die Spannungen zwischen ihm und dem israelischen Premierminister Netanjahu abzubauen", so Ashayer.

"Arafat sagte uns: 'Sie bringen mir eine Handvoll Lügen und sagen mir, ich solle geduldig sein!'"

Aber, so Ashayer, als er am nächsten Tag überschwängliche Zeitungsberichte über Arafats herzliches Treffen mit der amerikanischen Delegation las, dämmerte ihm eine Erkenntnis.

"Ich verstand, dass palästinensische Politiker, einschließlich Arafat selbst, einen doppelten Diskurs führen: einen, der sich an die eigene Bevölkerung richtet, und einen anderen, der auf die internationale Bühne zugeschnitten ist. Das brachte mich dazu, die gesamte geopolitische Landschaft in Frage zu stellen.

Unermüdliche Anstrengungen

Als die Mitglieder der palästinensischen Delegation nach den Osloer Abkommen volljährig wurden, verstärkten sich die Enttäuschung und das Gefühl der Entmündigung ihrer Generation.

Iyas Ashkar war keine Ausnahme von dieser Enttäuschung, und wie jeder Palästinenser trug er die Last seines Heimatlandes mit sich, wohin er auch ging.

Ashkar reiste nach Italien, um dort zu studieren und schließlich einen medizinischen Abschluss zu machen. Er ließ sich in Brescia nieder, einer Stadt im Norden, die mit Bethlehem verschwistert ist.

Seit 22 Jahren prägt Ashkar das politische und kulturelle Leben in Brescia, was durch seine Wahl in den Stadtrat anerkannt wurde.

Kurz nach seiner Ankunft in Brescia half er bei der Gründung des italienisch-palästinensischen Freundschaftsvereins, der seinerseits ein jährliches Palästina-Festival in der Stadt ins Leben gerufen hat.

Ashkar weihte das erste palästinensische Restaurant der Stadt ein. Das "Dukka" bietet nicht nur Essen an, sondern ist auch zu einem Ort für Aktivitäten und Gemeinschaftsveranstaltungen geworden, die die palästinensische Sache zum Leben erwecken.

Als die Pandemie ausbrach, gründete Ashkar Cibo per Tutti - Essen für alle - eine wohltätige Initiative, die er zunächst aus eigener Tasche finanzierte und später mit Hilfe von Freunden ausbaute.

Mit solchen Bürgerinitiativen wirbt Ashkar weiterhin für die Unterstützung der palästinensischen Sache, indem er sich für einen Boykott gegen Israel einsetzt und Verbindungen zwischen der Universität Brescia und der al-Quds-Universität in Abu Dis herstellt.

"Der Einsatz für Palästina erfordert konsequente, unermüdliche Bemühungen vor Ort", sagte er.

Ashkar beklagte, dass die Palästinensische Autonomiebehörde es versäumt habe, über ihre diplomatischen Vertretungen die Aktivitäten der palästinensischen Diaspora in Europa zu unterstützen oder Boykottbewegungen oder rechtliche Schritte gegen Israel zu fördern.

"Die Palästinensische Autonomiebehörde hat seit den Osloer Verträgen versagt und tut dies auch heute noch", sagte er.

Für Ashayer würde die Erfahrung des Programms Seeds of Peace auch eine Plattform bieten, um sein Heimatland zu verlassen.

Er lebt jetzt in den Vereinigten Arabischen Emiraten und hat einen Master-Abschluss in Wirtschaftsrecht von der University of the West of England in Bristol.

Überflüssig geworden
Drei Jahrzehnte später ist Ashayer der Ansicht, dass das schwer fassbare Versprechen des Osloer Abkommens - und die Aussicht auf eine Zweistaatenlösung, die es in Aussicht stellte - verblasst ist und nicht mehr zeitgemäß ist.

Er räumt ein, dass er sich nach wie vor Sorgen um die Führung der Palästinensischen Autonomiebehörde und ihr Engagement für die Sache der Menschen macht, in deren Namen sie zu regieren vorgibt.

"Ich mache mir Sorgen, dass ich eines Tages aufwache und erfahre, dass die Palästinensische Autonomiebehörde sich mit nur 22 Prozent des historischen Palästinas begnügt, um die von ihr angestrebte Selbstverwaltung zu erhalten", sagte er.

Doch für viele derjenigen, die diesen Moment im Rosengarten miterlebt haben, ist er eine prägende Erfahrung, die sie in ihrer Entschlossenheit bestärkt hat, weiter für ihr Heimatland zu kämpfen.

"Palästina besteht weiter, getragen von einer Generation, die im unerschütterlichen Glauben an die Rechtschaffenheit ihrer Sache aufgewachsen ist", sagte er.

"Unter diesen Jugendlichen sind Rechtsgelehrte, Politiker und einflussreiche Medienvertreter hervorgegangen, die alle von Häusern in Eilat und Haifa träumen. Quelle


 

 Bericht über den Schutz von Zivilpersonen

22. August - 4. September 2023


Letzte Entwicklungen (nach der Berichtszeit)

Dieser Abschnitt basiert auf den Anfangsinformationen von verschiedenen Quellen. Weitere bestätigte Einzelheiten werden im nächsten Bericht bereitgestellt.

Am 5. September erschossen israelische Streitkräfte einen Palästinenser im Nur Shams-Flüchtlingslager (Tulkarm) bei einer Fahndungs- und Verhaftungsoperation, bei der es zu einem Schusswechsel zwischen israelischen Streitkräften und Palästinensern kam.

Wichtige Geschehnisse aus der Berichtszeit

Die israelischen Streitkräfte töteten zwei Palästinenser, darunter ein Kind, und ein weiterer Palästinenser erlag seinen Verletzungen, die er bei Operationen erlitten hatte, die die israelischen Streitkräfte in der gesamten Westbank durchführten, darunter auch einige, die Schusswechsel beinhalteten.

Am 22. August erschossen israelische Streitkräfte ein 17-jähriges palästinensisches Kind in Az Zababida (Jenin) bei einer Fahndungs- und Verhaftungsoperation, bei der sie scharfe Munition einsetzten und die Palästinenser ihrerseits Sprengkörper geworfen haben. Am 25. August erlag ein Palästinenser aus Jaba' (Jenin) seinen Verletzungen, die er erlitt, als er von israelischen Streitkräften bei einer Operation im Jenin-Flüchtlingslager vom 2. - 4. Juli 2023 angeschossen wurde. Die Gesamtzahl der getöteten Palästinenser erreichte durch diese Operation 13, die höchste Anzahl an bei einer einzigen Operation in der Westbank getöteten Palästinenser seit 2005.  Am 1. September drangen israelische Streitkräfte in Aqqaba (Tubas) ein und umzingelten ein palästinensisches Haus. Ein Schusswechsel mit Palästinensern folgte. Israelische Streitkräfte feuerten scharfe Munition ab, wobei ein unbeteiligter Palästinenser getötet und ein anderer verletzt wurde. 33 weitere Palästinenser erlitten Verletzungen bei demselben Zwischenfall. Der örtlichen Gemeinde zufolge setzten die israelischen Streitkräfte von der Schulter abgefeuerte Explosivgeschosse ein und verhafteten zwei Personen. Sanitäter wurden eine Stunde lang daran gehindert, zu dem Verletzten vorzudringen, und ein Krankenwagen wurde durch gummi-ummantelte Stahlkugeln beschädigt. Zehn Personen, darunter sechs Kinder, wurden vertrieben, da ihre Häuser beschädigt wurden.

Bis heute in 2023 töteten israelische Streitkräfte 17 Palästinenser in der Westbank oder Israel. Das übersteigt bereits die Gesamtzahl der durch die israelische Armee in der Westbank pro Jahr getöteten (Palästinenser) seit 2005.  

Ein Palästinenser wurde bei einem Schusswechsel zwischen palästinensischen Sicherheitskräften und anderen Palästinensern im Tulkarm-Flüchtlingslager erschossen. Am 30. August begannen palästinensische Sicherheitskräfte im Tulkarm Flüchtlingslager mit der Beseitigung der Straßenhindernisse, die von Palästinensern errichtet worden waren, um israelische Militärfahrzeuge vom Eindringen in das Lagers abzuhalten. Bei der Operation fand ein Schusswechsel zwischen palästinensischen Streitkräften und weiteren Palästinensern statt. Ein Unbeteiligter erlitt Verletzungen und wurde später für tot erklärt. Außerdem wurden acht weitere Personen bei diesem Zwischenfall verletzt. 

Ein israelischer Soldat wurde getötet und vier Israelis und zwei Palästinenser bei zwei verschiedenen -, versuchten -, oder angeblichen Angriffen in der Westbank verletzt, die von Tätern ausgeführt wurden, von denen man annimmt oder weiß, dass es sich um Palästinenser handelt. Dabei wurden zwei Palästinenser, darunter ein Kind, von israelischen Streitkräften und einem Mitglied der israelischen Streitkräfte außer Dienst getötet.

Am 31. August fuhr ein Palästinenser am Maccabim-Kontrollpunkt an der Straße 443 in der Nähe von Ramallah in eine Menschenmenge, bevor er vom Tatort entfloh. Ein israelischer Soldat wurde getötet und vier Israelis und ein palästinensischer Junge wurden verletzt. Kurz danach schossen die israelischen Streitkräfte den Täter an und verhafteten ihn am Ni'lin-Kontrollpunkt. Stunden später wurde er in einem israelischen Krankenhaus für tot erklärt. Am 30. August rammte ein Palästinenser sein Auto in israelische Soldaten, die den Kontrollpunkt in der Nähe der Beit Haggai-Siedlung (Hebron) bewachten, verletzte einen von ihnen, bevor er selbst angeschossen und verhaftet wurde. Daraufhin schlossen die israelischen Streitkräfte die beiden südlichen Haupteingänge der Straße 60 von Hebron, wodurch ein schwerer Verkehrsstau sowie Verspätungen für Reisende erzeugt wurden, die den Zugang zu Lebensgrundlagen und Dienste unterminieren. Am selben Tag erschoss ein Mitglied der israelischen Streitkräfte ein 14-jähriges palästinensisches Kind an einer Stadtbahnhaltestelle im Gebiet von Al Musrara, zwischen Ost- und Westjerusalem. Israelischen Quellen zufolge hatte das Kind auf einen Israeli eingestochen und ihn verletzt. Daraufhin schoss ein Mitglied der israelischen Streitkräfte außer Dienst in Zivil auf das Kind, während es anscheinend bewegungsunfähig war und keine Gefahr darstellte, wie Videoaufnahmen zeigten. Infolge des Zwischenfalls drangen israelische Streitkräfte in das Haus der Familie des Kindes im Gebiet Beit Hanina in Ostjerusalem ein, verhafteten dessen Eltern, Bruder und Schwester. Israelische Streitkräfte feuerten gummi-ummantelte Stahlkugeln und Tränengaskanister auf die Palästinenser ab, die in der Nähe des Hauses zusammenkamen, was zu 18 Verletzten führte, darunter vier Kinder und zwei Frauen. 

In der Berichtszeit wurden 282 Palästinenser, darunter mindestens 29 Kinder, von israelischen Streitkräften in der gesamten Westbank verletzt, 17 von ihnen durch scharfe Munition. Die meisten Verletzungen (150) wurden bei vier Zwischenfällen berichtet, die sich nach dem Eindringen israelischer Siedler, in Begleitung der israelischen Streitkräfte in Burqa, Qusra und Qaryut (alle in Nablus) und in Josephs Grab in Nablus Stadt, ereigneten.

Bei den Zwischenfällen im Dorf Burqa warfen israelische Siedler Steine auf palästinensische Häuser und Fahrzeuge, wobei drei Fahrzeuge beschädigt wurden. Palästinensische Bewohner warfen daraufhin Steine, und israelische Streitkräfte feuerten Tränengaskanister ab. Bei dem Vorfall von Qusra griffen Siedler palästinensische Bauern brutal an und warfen Steine auf sie, während sie ihr Land bearbeiteten. Daraufhin warfen die palästinensischen Bauern Steine, und die israelischen Streitkräfte schossen Tränengaskanister und gummi-ummantelte Stahlkugeln ab. Bei dem Vorfall in Nablus Stadt feuerten die israelischen Streitkräfte scharfe Munition und gummi-ummantelte Stahlkugeln, Blendgranaten und Tränengaskanister auf die Palästinener, die ihrerseits Steine und Sprengkörper warfen. Das israelische Militär berichtete, dass vier Mitglieder der israelischen Streitkräfte durch einen Sprengkörper verletzt worden seien. Weitere 44 palästinensische Verletzungen wurden bei zwei Demonstrationen gegen die Erweiterung der Siedlung in Beit Dajan (Nablus) und die siedlungsbedingten Zugangsbeschränkungen in Kafr Qaddum (Qalqilya) verzeichnet. Weitere 86 Verletzungen gab es bei 11 Fahndungs- und Verhaftungs- und anderen Operationen, die von israelischen Streitkräfte in der gesamten Westbank ausgeführt wurden. Zwei weitere Palästinenser wurden an israelischen Militärkontrollpunkten in  Qalqiliya Stadt und A Seefer (Hebron) verletzt. In Qalqiliya veranstalteten Hunderte von palästinensischen Arbeitern eine Demonstration, die die Straße 55 als Protest gegen die israelischen Streitkräfte blockierte, die die Busse zurückhielten, die sie zu ihren Arbeitsplätzen in Israel transportieren. Israelische Streitkräfte feuerten Blendgranaten, Tränengaskanister und Schallgranaten, wodurch einer der Arbeiter verletzt wurde. In A Seefer (Hebron), am Beit Yatir-Kontrollpunkt, verletzten israelische Streitkräfte ein Mitglied der palästinensischen Sicherheitskräfte. Insgesamt wurden  211 Palästinenser wegen der Einatmung von Tränengas behandelt. 17  wurden mit scharfer Munition beschossen,  34 verletzt durch gummi-ummantelte Stahlkugeln, sieben durch Schrapnell, einer durch eine Schallgranate und 12 wurden tätlich angegriffen.

Seit Jahresanfang wurden  722 Palästinenser durch scharfe Munition der israelischen Streitkräfte in der Westbank verletzt, fast die doppelte Anzahl der in der gleichen Zeitspanne Verletzten im Jahr 2022 (432). Elf Palästinenser, darunter ein Kind und zwei Frauen, wurden von israelischen Siedlern verletzt;  und Personen, von denen man annimmt oder weiß, dass sie Siedler sind, beschädigten palästinensisches Eigentum bei weiteren 15 Fällen in der gesamten Westbank. Diese kommen zu den palästinensischen Opfern der oben genannten siedlerbedingten Vorfälle in Nablus hinzu.

 Am 22. August wurden drei Mitglieder der selben Familie, darunter eine Frau, verletzt, nachdem eine Gruppe israelischer Siedler, angeblich aus der Nof Nesher-Siedlung, Pfefferspray versprühte, sie brutal angriff und sich an ihren Sachen in ihrem Haus zu schaffen machte, in der Tuba-Hirtengemeinde von Masafer Yatta, im südlichen Hebron. Am 26. und 31. August wurden insgesamt fünf Palästinenser verletzt und ihre Fahrzeuge erlitten Schäden, als israelische Siedler Steine in der Nähe des Beit El DCO-Kontrollpunktes am Eingang von Ramallah warfen. Am 30. August griff eine Gruppe Israelis, vermutlich aus der Maskiyot-Siedlung und deren zugehörigen Außenposten, einen palästinensischen Hirten an, während er sein Vieh in der -Ein al Hilwa-Gemeinde, im nördlichen Jordantal, Tubas weidete. Die Siedler setzten Stöcke ein, um den Mann brutal anzugreifen und zu verletzen. Am 3. September wurde ein Palästinenser verletzt und sein Fahrzeug beschädigt, als israelische Siedler Steine in der Nähe des Eingangs des Dorfes Majdal Bani Fadil, im Südosten von Nablus, warfen. Am 4. September griff eine Gruppe Israelis einen Palästinenser an und stahl seinen Esel in der Halawh-Gemeinde von Masafer Yatta (Hebron). Außerdem wurde laut Gemeindequellen vor Ort an mehr als 350 Bäumen und Setzlingen Vandalismus auf palästinensischem Land in der Nähe von israelischen Siedlungen, in fünf Fällen in Madama (Nablus), Tuqu’ (Bethlehem), Al Mughayyir (Ramallah), Azzun (Qalqiliya) und Ni’lin (Ramallah) verübt. Be drei Zwischenfällen in Fer'a (Hebron), Al Baqa'a (Jerusalem) und Wadi as Seeq (Ramallah) waren Siedler involviert, die in Gemeinden eindrangen und Schäden an Vieh-Unterkünften und Teilen des Wassernetzwerkes erzeugten und außerdem Vieh verletzten.

Elf israelische Siedler wurden bei fünf Zwischenfällen in der gesamten Westbank verletzt. Diese beinhalten die oben genannten Messer- und Rammattacken in Jerusalem und Ramallah, wobei drei Israelis verletzt wurden. Außerdem wurden bei zwei verschiedenen Zwischenfällen am 29. August und 2. September sechs Siedler verletzt, als sie in palästinensische Gemeinden, Wadi As Seeq (Ramallah) und Qusra (Nablus) eindrangen, wobei über Steinewürfe zwischen palästinensischen Bewohnern und Siedlern berichtet wurde. Bei einem weiteren Zwischenfall am 31. August wurde ein Siedler verletzt und Eigentum beschädigt von Personen, von denen man annimmt oder weiß, dass es Palästinenser sind, die Steine auf israelische Fahrzeuge warfen, die auf den Straßen der Westbank fuhren. Mindestens drei Fahrzeuge mit israelischen Kennzeichen wurden israelischen Quellen zufolge beschädigt.

Die einzige noch in der Hirtengemeinde von Al Baqa’a (Jerusalem) verbliebene palästinensische Familie verließ diese und nannte als Grund die Gewalt von Israelis einer Siedlungsfarm, die in der Gemeinde kürzlich errichtet wurde. Am 1. September verlor die Gemeinde den verbleibenden palästinensischen Haushalt, der aus acht Menschen bestand, darunter fünf Kinder. Sie verließen die Gemeinde nach einer Reihe von Siedlerangriffen, darunter einer am 26. August, als 13 Tiertröge   und weitere Sachen von israelischen Siedlern gestohlen wurden. Zuvor, im Juli, lösten acht Haushalte, die aus 43 Personen bestanden, darunter 25 Kinder, derselben Gemeinde ihre Häuser und Existenzgrundlagen auf und zogen in sicherere Orte um. Der Siedlungsaußenposten wurde von den israelischen Behörden am 18. Juli aufgelöst, aber wurde sofort danach wiederhergestellt und blieb auch weiterhin eine Quelle der Gewalt für die nun vollständig verlassene Hirtengemeinde.

Zwischen 2022 und 2023 verzogen circa 500 Menschen, darunter 267 Kinder, aus den Gemeinden Ras al Tin, Wadi as Seeq, Ein Samiya (alle in Ramallah), Al Baqa’a (Jerusalem), Lifjim (Nablus) und Wedadie und Khirbet Bir al ‘Idd (beide im südlichen Hebron), indem sie Siedlergewalt und fehlenden Zugang zu Weideland als erste Gründe angaben. Das Ergebnis ist, dass vier dieser sieben Gemeinden nun gänzlich leer sind, während nur ein paar Familien in den anderen blieben.

Die israelischen Behörden zerstörten, beschlagnahmten oder zwangen Menschen, 14 Strukturen in Ostjerusalem und Gebiet C der Westbank, darunter sieben Häuser, aufgrund fehlender von Israel ausgestellter Genehmigungen, die fast unmöglich zu bekommen sind. Das Ergebnis ist, dass neun Palästinenser, darunter fünf Kinder, vertrieben wurden und die Lebensgrundlagen von mehr als 50 weiteren beeinträchtigt waren. Acht der betroffenen wurden im Gebiet C zerstört, darunter fünf landwirtschaftlich bezogenen Strukturen, die in At Taybeh (Hebron) zerstört wurden. Bei demselben Zwischenfall wurde ein Wassertank zerstört, und neun Bäume wurden ausgerissen. Die verbleibenden sechs Strukturen wurden in Ostjerusalem zerstört. Das führte zur Auflösung von zwei Haushalten, die aus neun Personen bestanden, fünf von ihnen Kinder. Fünf von sechs zerstörten Strukturen in Ostjerusalem wurden von ihren Eigentümern selbst zerstört, um die Zahlung von Abrissgebühren an die israelischen Behörden zu vermeiden. 

Die israelischen Streitkräfte schränkten die Bewegungsfreiheit der Palästinenser an mehreren Orten in der gesamten Westbank ein. Nach der Ermordung von drei israelischen Siedlern am 19. und 21. August in Nablus und Hebron verschärften die israelischen Streitkräfte die Bewegungseinschränkungen um Nablus und Hebron Stadt und blockierten den Verkehr von Hunderttausenden von Palästinensern in und außerhalb von Nablus und Hebrons Städten.

 Am 25. August schlossen die israelischen Streitkräfte das Metalltor, das am westlichen Eingang von Husan (Bethlehem) errichtet wurde, so dass die Bewegungsfreiheit von über 7.000 Palästinensern eingeschränkt wurde. Am 29. August schlossen die israelischen Streitkräfte das Zauntor von Al ‘Isawiya, das auf der Westbank-Seite des Zauns ist. Dieses Tor ist der Hauptzugangspunkt für circa 100 Palästinenser, so dass sie gezwungen waren, längere Umwege zu nehmen, und der Zugang zu ihren Lebensgrundlagen und Dienstleistungen behindert wurde.

Im Gazastreifen eröffneten die israelischen Streitkräfte in mindestens 25 Fällen ein “Warnfeuer” in der Nähe von Israels Trennzaun oder vor der Küste. Dabei wurden zwei Fischer verletzt, fünf weitere verhaftet und zwei Fischerboote beschlagnahmt. In drei Fällen führten die israelischen Streitkräfte Landeinebnungen in der Nähe des Trennzauns, im Osten von Gaza Stadt, Khan Younis und dem mittleren Gebiet aus. Außerdem wurden vier Palästinenser von israelischen Streitkräften verhaftet, als sie versuchten, den Trennzaun in Israel zu überqueren.

Auch im Gazastreifen nahmen Hunderte von Menschen an Protesten in der Nähe von Israels Trennzaun mit Gaza teil. Demonstranten setzten Reifen in Brand und warfen Steine auf die israelischen Kontrollposten, und die israelischen Streitkräfte schossen scharfe Munition und Tränengaskanister, was zu 18 verletzten Palästinensern führte, darunter vier Kinder.

Am 1. September stellte das Gaza-Kraftwerk seine vierte Turbine ab, die seit dem 1. August nach der Kraftstofflieferung der Regierung von Katar in Betrieb war. Dadurch wurde die Stromerzeugung der Anlage von 95 auf 65 Megawatt reduziert. Im August erreichte die tägliche Stromzufuhr 13 Stunden im Durchschnitt, im Vergleich zu 11 Stunden im Durchschnitt im Juli. Diese Reduktion der Stromzufuhr seit 1. September  behindert das tägliche Leben und die Gesundheits-, Wasser- und Hygiene-Versorgung sowie Sanitär-Dienste

Fußnoten

1  Palästinenser, die getötet oder verletzt wurden durch Personen, die nicht zu den israelischen Streitkräften gehören, d.h., von israelischen Zivilpersonen oder durch palästinensische Raketen, die ihr Ziel verfehlten, als auch solche, deren Todesursache oder Täteridentität umstritten, unklar oder unbekannt sind, werden separat erfasst. In dieser Berichtszeit wurde ein Palästinenser von einem israelischen Siedler getötet, der separat erfasst wird.

2  Israelische Opfer in diesen Schaubildern schließen Personen ein, die verletzt wurden, als sie in Schutzräume bei palästinensischen Raketenangriffen liefen. Ausländer, die bei palästinensischen Angriffen getötet wurden und Personen, deren Todesursache oder Täteridentität umstritten, unklar oder unbekannt sind, werden separat erfasst.

OCHAs Angaben über den Schutz von Zivilpersonen enthalten Vorfälle, die außerhalb der besetzten palästinensischen Gebiete (oPt) geschehen, nur dann, wenn Bewohner der besetzten palästinensischen Gebiete entweder als Opfer oder Täter involviert sind.
 

Dieser Bericht enthält die Informationen, die zur Zeit der Veröffentlichung verfügbar waren.

Die aktuellsten Daten und mehr Zwischenfälle sind verfügbar unter: ochaopt.org/data.  Quelle

(übersetzt von Inga Gelsdorf)


 

Arna's Kinder. Ein Film von Juliano Mer Khamis

(7.04.2011 - Führender palästinensischer Friedensaktivist und Theaterregisseur, Juliano Mer-Khamis, in Dschenin ermordet.
http://www.democracynow.org/2011/4/5/... )

JULIANO MER-KHAMIS: Mein Name ist Juliano, und ich bin der Direktor des Freedom Theatre im Flüchtlingslager Jenin. Das Freedom Theatre ist ein Ort, an dem sich das palästinensische Volk in seinem Kampf um Befreiung zusammenfindet. Wir glauben, dass die dritte Intifada, die kommende Intifada, kulturell sein sollte, mit Poesie, Musik, Theater, Kameras und Zeitschriften.

Dieser Ort hatte nie ein Theater. Dieser Ort war nie mit diesen Künsten konfrontiert. Wir bauen also alles von Grund auf neu auf. Wir bauen Kapazitäten auf, wir bauen Schauspieler auf. Wir bauen Kapazitäten auf, Leute aus dem Publikum. Wissen Sie, manchmal ist es einfacher, Schauspie#ler als Publikum zu schaffen. Wir beschäftigen uns mit der jungen Generation, um sie mit diesen Künsten vertraut zu machen.

Der Standort des Freedom Theatre - und lassen Sie sich von diesem Anblick nicht täuschen - befindet sich inmitten des am stärksten angegriffenen und ärmsten Flüchtlingslagers in Palästina: dem Flüchtlingslager von Dschenin. Wir sprechen von fast 3.000 Kindern unter 15 Jahren, die an einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden. Das bedeutet, dass sie sich mit 11 Jahren in die Hose pinkeln. Es bedeutet, dass sie sich nicht konzentrieren können. Sie können nicht ohne Gewalt miteinander umgehen.

 



ARNA'S CHILDREN erzählt die Geschichte einer Theatergruppe, die von Arna Mer Khamis gegründet wurde. Arna stammt aus einer zionistischen Familie und heiratete in den 1950er Jahren eine palästinensische Araberin, Saliba Khamis. Im Westjordanland eröffnete sie ein alternatives Bildungssystem für Kinder, deren normales Leben durch die israelische Besatzung gestört wurde. Die von ihr gegründete Theatergruppe engagierte Kinder aus Jenin und half ihnen, ihre alltäglichen Frustrationen, ihre Wut, ihre Bitterkeit und ihre Angst auszudrücken. Arnas Sohn Juliano, der Regisseur dieses Films, war ebenfalls einer der Leiter des Theaters in Jenin. Mit seiner Kamera hat er die Kinder während der Proben von 1989 bis 1996 gefilmt. Jetzt kehrt er zurück, um zu sehen, was mit ihnen geschehen ist. Yussef verübte 2001 ein Selbstmordattentat in Hadera, Ashraf wurde in der Schlacht von Dschenin getötet, Alla leitet eine Widerstandsgruppe. Juliano, der heute zu den führenden Schauspielern der Region gehört, blickt in Jenin in die Vergangenheit zurück und versucht, die Entscheidungen der Kinder zu verstehen, die er liebte und mit denen er arbeitete. Vor acht Jahren wurde das Theater geschlossen und das Leben wurde statisch und gelähmt. Indem der Film in der Zeit vor- und zurückspringt, enthüllt er die Tragödie und das Grauen von Leben, die durch die Umstände der israelischen Besatzung gefangen sind.  Quelle


 

Die Palästinensische Autonomiebehörde wurde im Rahmen des Oslo-Abkommens als Übergangsbehörde geschaffen und ist für die Aufrechterhaltung der Sicherheit in den palästinensischen Gebieten zuständig. Ihre Aufgabe ist es, palästinensische Proteste und bewaffnete Aktivitäten zu unterdrücken, um den (nie begonnenen) Friedensprozess zu schützen. Als israelische Hilfspolizisten unterdrücken sie den Widerstand gegen diese grausame Besatzung. Sie schützen die Palästinenser nicht vor den Angriffen der Siedler, der IOF.
 

PA erhält mit israelischer Genehmigung gepanzerte Fahrzeuge und Waffen aus den USA

12. September 2023

Informierte palästinensische Quellen haben gestern bekannt gegeben, dass die Palästinensische Autonomiebehörde eine Reihe von gepanzerten Fahrzeugen und Waffen erhalten hat, um ihre Sicherheitsdienste - die Präventiven Sicherheitskräfte, die Nationalen Sicherheitsdienste und die Polizei - zu unterstützen.

Die Quellen erklärten gegenüber der Lokalzeitung Al-Quds, dass die gepanzerten Fahrzeuge und Waffen zur "Durchsetzung von Recht und Ordnung" in den Gebieten unter palästinensischer Sicherheitskontrolle eingesetzt werden sollen.

Die gepanzerten Fahrzeuge wurden der Palästinensischen Autonomiebehörde von den Amerikanern nach Vermittlung durch Jordanien zur Verfügung gestellt und von der rechtsgerichteten israelischen Regierung genehmigt. Damit sollen die Fähigkeiten der palästinensischen Sicherheitsdienste gestärkt werden, damit sie den Widerstand gegen die Besatzung konfrontieren und stoppen können.

Den Quellen zufolge hat die Palästinensische Autonomiebehörde über den Sekretär des PLO-Exekutivkomitees, Hussein Al-Sheikh, gegenüber verschiedenen Parteien bestätigt, dass die Palästinensische Autonomiebehörde nicht in der Lage ist, gegen diese Zellen vorzugehen, die sich in großer Zahl in Dschenin, Nablus und Tulkarm befinden.

Daher hätten die USA der Palästinensischen Autonomiebehörde moderne, mit Lasern ausgestattete automatische Waffen zur Verfügung gestellt, die bei Razzien und Zusammenstößen mit den bewaffneten Zellen zum Einsatz kommen sollen, so die Quellen weiter.

Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas hat in den vergangenen Wochen bei Sicherheitssitzungen die Sicherheitskräfte aufgefordert, mit eiserner Faust gegen alle bewaffneten Zellen vorzugehen, die seiner Meinung nach darauf abzielen, das nationale Projekt zu zerstören, die Palästinensische Autonomiebehörde zu schwächen und sie in den Augen der Amerikaner und Europäer als machtlos darzustellen.

Bewaffnete Gruppen in Dschenin, Nablus und Tulkarm haben kürzlich die palästinensischen Sicherheitsdienste beschuldigt, ihre Mitglieder zu verhaften und die Besatzung zu unterstützen, indem sie versuchen, den Widerstand zu unterdrücken.
Quelle


 

Warum schicken die USA und Israel mehr Waffen an den "Holocaust-Leugner" Abbas?

Ali Abunimah -12. September 2023 - Übersetzt mit DeepL


In der letzten Woche wurde Mahmoud Abbas, der Führer der Palästinensischen Autonomiebehörde, von Israel und seiner Lobby heftig kritisiert, weil er mit seinen Äußerungen den Antisemitismus der christlichen Regime in Europa, die während des Holocaust Millionen von europäischen Juden ermordet haben, fälschlicherweise entlastet hat.

"Sie sagen, dass Hitler die Juden getötet hat, weil sie Juden waren, und dass Europa die Juden gehasst hat, weil sie Juden waren", sagte Abbas in einer Rede, deren Video von der israelischen Propagandaorganisation MEMRI verbreitet wurde.

"Nein", behauptete Abbas und fügte hinzu, dass die Juden wegen "ihrer sozialen Rolle, die mit Wucher, Geld und so weiter zu tun hatte", verfolgt wurden.  Israels UN-Botschafter Gilad Erdan führte die Anklage gegen Abbas an. "Dies ist das wahre Gesicht der palästinensischen 'Führung'", wetterte Erdan. "Die Welt muss aufwachen und Abbas und seine Palästinensische Autonomiebehörde für den Hass, den sie verbreiten, und das daraus resultierende Blutvergießen zur Verantwortung ziehen", forderte der israelische Diplomat. "Es darf keine Toleranz für palästinensische Aufwiegelung und Terror geben".

Es folgte eine Flut von Verurteilungen, die zu umfangreich waren, um sie auch nur ansatzweise wiederzugeben: von Ritchie Torres, einem demokratischen Mitglied des US-Kongresses, bis zu führenden Vertretern der Israel-Lobby wie Jonathan Greenblatt von der Anti-Defamation League.

Deborah Lipstadt, die Sonderbeauftragte der US-Regierung für Antisemitismus, geißelte Abbas für "hasserfüllte antisemitische Äußerungen" und für eine Rede, die "das jüdische Volk verleumdet" und "den Holocaust verzerrt" habe.

Eine ganze Reihe von US-Regierungsvertretern schloss sich Lipstadt an, darunter die UN-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield und die "Beauftragte für Holocaust-Fragen" Ellen Germain. Auch die Europäische Union und ihre Antisemitismus-Koordinatorin Katharina von Schnurbein stimmten in den Chor ein:

Und die wütende Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, schickte einen Brief an Abbas, in dem sie ihm vorwarf, der Führer der Palästinensischen Autonomiebehörde rechtfertige die Ausrottung der europäischen Juden während des Zweiten Weltkriegs mit dem eindeutigen Wunsch, den Völkermord zu leugnen". Zur Strafe entzog sie Abbas eine Medaille, die ihm die französische Hauptstadt 2015 verliehen hatte.

Wiederholung

Wer nicht genau aufpasst, dem könnte entgangen sein, dass es sich bei dem jüngsten Sturm der Entrüstung um die Wiederholung eines langjährigen Schauspiels handelt.

Es handelt sich um eine Scharade, die dazu dient, die Fiktion zu fördern, dass Israel und Mahmoud Abbas Feinde sind, obwohl sie in Wirklichkeit in jeder Hinsicht die engsten Verbündeten sind.

Im Jahr 2018 machte Abbas zum Beispiel Kommentare, die fast identisch mit denen waren, die diese Woche den Feuersturm auslösten.

Damals prangerte der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu die "unverschämte Dreistigkeit" von Abbas' "antisemitischer Rede" an. "Offensichtlich ist der Holocaust-Leugner immer noch ein Holocaust-Leugner", sagte Netanjahu über Abbas.

Man sollte also meinen, dass die Vereinigten Staaten, die EU und vor allem der einzige selbsternannte "jüdische Staat" der Welt, wenn die empörte Kritik in gutem Glauben erfolgt wäre, jeden Umgang mit einer so abscheulichen Persönlichkeit ablehnen würden, die derart abstoßende Ansichten vertritt. Aber das ist bei weitem nicht der Fall.

Im Laufe der Jahrzehnte und bis heute genießt Abbas die volle Unterstützung der Vereinigten Staaten, Israels und der europäischen Regierungen, obwohl er vom palästinensischen Volk selbst mit überwältigender Mehrheit abgelehnt wird.

Bewaffnung von Abbas

Am Dienstag berichteten israelische und palästinensische Medien, dass die Vereinigten Staaten mit israelischer Zustimmung erneut Waffen an die Palästinensische Autonomiebehörde geliefert haben, um den palästinensischen Widerstand zu bekämpfen - den Israel und seine Sponsoren als "Terror" bezeichnen.

"Die Palästinensische Autonomiebehörde hat Berichten zufolge eine Lieferung gepanzerter Fahrzeuge und Waffen aus den Vereinigten Staaten erhalten, da die Regierung Biden und Israel Ramallah dabei unterstützen wollen, die Kontrolle über Gebiete im Westjordanland wiederzuerlangen, die zu Brutstätten des Terrors geworden sind", berichtete die Times of Israel.

"Unter Berufung auf informierte palästinensische Quellen berichtete die in Jerusalem ansässige palästinensische Tageszeitung Al Quds am Montag, dass die Lieferung von Jordanien ermöglicht wurde und von mehreren Abteilungen der Sicherheitskräfte der Palästinensischen Autonomiebehörde genutzt werden soll", so die Times of Israel weiter.

"Bemerkenswert ist, dass die Lieferung von der Hardliner-Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu genehmigt wurde, zu der auch Vertreter gehören, die den Waffentransfer an die PA seit langem kritisieren.

Auch die niederländische Regierung, ein weiterer treuer Verbündeter Israels, schickte in dieser Woche ihren Verteidigungsminister nach Ramallah, um ihre Unterstützung für die von den USA ausgebildeten und von Abbas kontrollierten "Sicherheitskräfte" zu bekunden.

Dies sind nur die jüngsten Schritte des Westens und Israels, um Abbas zu stützen, auf den sie sich als ihren einheimischen Vollstrecker gegen den Befreiungskampf des palästinensischen Volkes voll verlassen.
"Er erledigt den Job für uns"
Erst im Juli hatte Netanjahu bekräftigt: "Wir brauchen die Palästinensische Autonomiebehörde. Wir können nicht zulassen, dass sie zusammenbricht."

"Wo sie erfolgreich arbeitet, erledigt sie die Arbeit für uns", fügte der israelische Regierungschef hinzu und versprach sogar israelische Finanzhilfe, falls dies nötig sein sollte, um Abbas' kollaboratives Regime über Wasser zu halten.

In der Tat war Israel so sehr darauf bedacht, Abbas und seine Clique an der Macht zu halten, dass es 2021 den Chef seiner Geheimpolizei Shin Bet nach Ramallah schickte, um Abbas anzuweisen, die geplanten Parlamentswahlen der Palästinensischen Autonomiebehörde abzusagen, da Israel befürchtete, Abbas' Fatah-Partei würde gegen die Hamas verlieren.

Abbas fügte sich natürlich.

Dies ist die Wahrheit: Netanjahu hat, wie andere israelische und zionistische Führer seit den Anfängen der zionistischen Bewegung, keine Skrupel, eng mit denjenigen zusammenzuarbeiten, die sie als Antisemiten und sogar als Nazis betrachten, wenn dies ihrem Ziel der Eroberung Palästinas und dem Diebstahl des Landes von der einheimischen palästinensischen Bevölkerung dient.

Während sie Nazis und Antisemiten nachgeben, nutzen Israel und seine Verbündeten zynisch den Vorwurf des Antisemitismus, um Unterstützer der palästinensischen Rechte zum Schweigen zu bringen und zu verleumden, deren Solidarität tief im echten Antirassismus verwurzelt ist.

Seit ihrer Gründung - unter dem Dach der Osloer Abkommen, die diese Woche vor 30 Jahren unterzeichnet wurden - wurde die Palästinensische Autonomiebehörde so konzipiert, bewaffnet und finanziert, dass sie nicht im Namen des palästinensischen Volkes, sondern zum Schutz und zur Verteidigung des Besatzers und seiner kolonialen Siedler handelt.

Diese kollaborative Rolle hat Abbas selbst öffentlich als "heilig" bezeichnet und verfolgt sie mit unvermindertem Elan weiter.

Palästinensischer "offener Brief"

In diesem Zusammenhang zirkulierte ein "offener Brief", der von fast 200 Palästinensern unterzeichnet wurde, darunter einige bekannte Aktivisten und Akademiker, die sich dem Chor der Verurteilung der beleidigenden Äußerungen von Abbas durch die Israel-Lobby anschlossen. In dem Brief verurteilen die Unterzeichner "unmissverständlich die moralisch und politisch verwerflichen Äußerungen des Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde Mahmoud Abbas über den Holocaust".

Sie beschuldigen die Palästinensische Autonomiebehörde einer "zunehmend autoritären und drakonischen Herrschaft, die sich unverhältnismäßig stark auf diejenigen auswirkt, die unter der Besatzung leben" - als ob die Autonomiebehörde nicht genau für diese Aufgabe gegründet worden wäre, die sie seit dem Einmarsch von Abbas' Vorgänger, PLO-Führer Jassir Arafat, in den Gazastreifen im Jahr 1994 hervorragend erfüllt hat.

In jenem Jahr begannen seine Sicherheitskräfte mit der Anwendung tödlicher Folter, verhafteten Mitglieder des Widerstands und ermordeten bei einem ersten schrecklichen Vorfall 13 Palästinenser, die gegen Arafats Herrschaft protestierten.

Die Unterzeichner des offenen Briefes stellen die verwerflichen Handlungen der Palästinensischen Autonomiebehörde jedoch in erster Linie als ein jüngeres Versagen der palästinensischen Selbstverwaltung dar.

Vielleicht liegt es an dieser impliziten Selbstbeschuldigung, dass viele überzeugte Unterstützer Israels, darunter auch die deutsche Regierung - einer der unerbittlichsten Feinde der palästinensischen Freiheit und Selbstbestimmung - den Offenen Brief der Palästinenser mit gutem Gewissen unterstützten.

In dem offenen Brief wird zwar eingeräumt, dass Abbas "von westlichen und israelfreundlichen Kräften unterstützt wird, die die israelische Apartheid aufrechterhalten wollen", und es wird festgestellt, dass er und sein Gefolge "jeden Anspruch verwirkt haben, das palästinensische Volk zu vertreten". Der Punkt ist jedoch, dass Abbas, selbst als er für eine fünfjährige Amtszeit gewählt wurde, die offiziell 2009 auslief, nicht das palästinensische Volk vertrat, sondern einen kleinen Teil, der für ihn im Westjordanland und im Gazastreifen gestimmt hat, die zusammen etwa ein Drittel des palästinensischen Volkes ausmachen - abgesehen davon, dass dies das einzige Drittel ist, das Israel und seine westlichen Sponsoren als das gesamte "palästinensische Volk" bezeichnen.

Dass viele der Unterzeichner Diaspora-Palästinenser sind, die Abbas nicht einmal zu vertreten behauptet, macht es umso merkwürdiger, dass die Unterzeichner glauben, Abbas würde sie überhaupt vertreten.

Besonders eklatant ist, dass der offene Brief völlig unerwähnt lässt, dass die Hauptaufgabe der PA darin besteht und immer bestanden hat, den legitimen Widerstand des palästinensischen Volkes mit Waffen, Gefängnissen, Folter und Mord zu bekämpfen.

Einige der Unterzeichner des Briefes - vor denen ich großen Respekt habe - haben über die Jahre hinweg konsequent die Kollaboration der PA mit den Besatzern verurteilt und das Recht des palästinensischen Volkes auf Widerstand verteidigt.

Aber andere, das muss gesagt werden, waren äußerst zurückhaltend, wenn nicht sogar völlig schweigsam, wenn es um die Verbrechen von Abbas und der PA gegen das palästinensische Volk und seinen Widerstand und seinen Verrat daran ging.

Andere wiederum haben zuweilen den Widerstand inmitten existenzieller Kämpfe angegriffen, die vom palästinensischen Volk zutiefst und weitgehend unterstützt werden.

Dies wirft die Frage auf, warum irgendein Palästinenser einen Brief gegen Abbas initiieren oder unterstützen würde, weil er westliche liberale und zionistische Empfindungen beleidigt hat, nicht aber für seine andauernden Verbrechen gegen das palästinensische Volk und seinen Widerstand, die man nur als Verrat bezeichnen kann.

Wer sollte sich entschuldigen?

Wenn sich Palästinenser für Abbas entschuldigen - selbst wenn dies als Verurteilung formuliert wird -, übernehmen sie damit implizit die Verantwortung für ihn.

Der palästinensische Autor Ramzy Baroud bezeichnet Abbas als "Kollaborateur" und als "Marionette in den Händen Israels" und der Vereinigten Staaten.

"Indem Sie Mahmoud Abbas verurteilen, ohne einen angemessenen politischen Kontext zu bieten, wer Mahmoud Abbas ist und wer die Marionettenspieler von Abbas sind, erweisen Sie dem palästinensischen Volk wirklich einen Bärendienst", so Baroud in einer Antwort auf den Brief.

"Sie bringen uns wieder einmal in eine defensive Position, als müssten wir uns wieder einmal gegen den Vorwurf des Antisemitismus verteidigen. Mahmoud Abbas repräsentiert nicht die Palästinenser".

Wenn überhaupt, so Baroud, sind es Abbas' Marionettenspieler, die sich entschuldigen sollten, nicht die Palästinenser.


Zu den vielen glühenden Zionisten, die Abbas diese Woche kritisierten, gehörte auch der deutsche Botschafter in Tel Aviv, Steffen Seibert. Seibert bezeichnete die Äußerungen von Abbas als "Beleidigung des Gedenkens" an Millionen von Juden, die von der deutschen Regierung ermordet wurden, und behauptete, dass "die Palästinenser es verdienen, von ihrem Führer die historische Wahrheit zu hören".

Aber Seiberts Behauptung, Abbas sei der Führer der Palästinenser, ist ebenso eine Lüge wie alles, was Abbas gesagt hat. Abbas ist genauso wenig der palästinensische "Führer", wie die von den Nazis in Norwegen, den Niederlanden, Frankreich und anderen von Deutschland besetzten Ländern während des Zweiten Weltkriegs eingesetzten Marionettenherrscher die legitimen "Führer" dieser Nationen waren.

Abbas wird unter den Palästinensern weithin als Quisling des Westens und Israels angesehen, nicht als Führer der Palästinenser.

Und als solcher tragen die Palästinenser absolut keine Verantwortung für seine Worte oder Taten.   mehr >>>

 



Quelle

Palästinensische Künstlerin Nadine Muhib Toukan

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