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Bildung in Palästina - Schulbücher + mehr...

   
 

Die Debatte um israelische und palästinensische Schulbücher

TRAUGOTT SCHÖFTHALER


Setzen Palästinenser und Israelis auch Schulbücher zur ideologischen Mobilisierung und damit als Waffe in den seit zwei Jahren anhaltenden erbitterten Auseinandersetzungen ein? Dies war eine zentrale Frage eines Symposiums des Georg-Eckert-Instituts für internationale Schulbuchforschung in Braunschweig vom 8. bis 10. Dezember 2002.

Die Schulbuchinhalte wurden trotz der so genannten Zweiten Intifada auf israelischer und auf palästinensischer Seite enorm verbessert. Dennoch werden einzelne Schulbuchzitate zum politischen Argument, mit dem die eine Seite der anderen den ernsthaften Willen zum Frieden abspricht. Selbst die EU, das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinensische Flüchtlinge (UNWRA) und die Weltbank mussten sich des Vorwurfs erwehren, sie förderten Unfrieden durch Finanzierung palästinensischer Schulbücher, die in Teilen nicht den Standards der UNESCO entsprächen.

Ein kurz vor dem Abschluss stehendes Forschungsprojekt des Georg-Eckert-Instituts trägt dazu bei, schon jetzt wichtige Voraussetzungen für die Gestaltung einer Nachkriegszeit im Nahen Osten zu schaffen. Es geht nicht nur um den gegenseitigen Verzicht auf Aufstachelung zum Hass, sondern auch um das Verstehen unterschiedlicher Interessen und Perspektiven.

Die vom Auswärtigen Amt geförderte Tagung war geplant als vorläufiger Schlusspunkt des seit 1990 laufenden Projekts einer vergleichenden Untersuchung zur Darstellung des israelisch-palästinensischen Konflikts in palästinensischen und israelischen Schulbüchern. Die Hauptautoren Dr. Ruth Firer, Hebrew University Jerusalem, und Prof. Dr. Sami Adwan, Bethlehem University, waren jedoch an der Teilnahme verhindert. Die Realisierung des Projekts zog sich wegen der laufenden Neuproduktion von Schulbüchern weit länger als geplant hin. Zur Tagung wurden die noch nicht endgültig von den Autoren gebilligten und daher noch nicht zitatfähigen Vorabdrucke der Studien vorgelegt.

Die erste Studie enthält neben sorgfältigen und aktuellen Analysen zwei gänzlich neue Elemente: eine vergleichende Bewertung der sehr konträren palästinensischen und israelischen geschichtlichen Selbstvergewisserungen ("narratives") samt Empfehlungen für künftige Schulbuchgestaltung.

Die zweite Studie enthält internationale Diskussionsbeiträge, die sich um Versachlichung der Debatte bemühen. Seit der regelmäßigen Verbreitung von Zitaten aus palästinensischen Schulbüchern durch das vom ehemaligen Sprecher Benjamin Netanjahus, André Marcus, geleitete israelische Zentrum für das Monitoring der Wirkungen des Friedensprozesses (CMIP) war diese Debatte stark politisiert worden. (CMIP im Internet
www.edume.org)

Die CMIP-Reports waren Gegenstand eines öffentlichen Vortrags im Rahmen der Tagung, in der ein seit Jahren international ausgewiesener Spezialist in Sachen Nahost-Schulbücher, der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Nathan Brown von der George Washington University, Washington D.C., eine Analyse vorlegte, die die neuen palästinensischen Schulbücher als Belege für signifikante Bemühungen der Palästinensischen Autonomiebehörde um die Entschärfung des Konfliktpotenzials im Bildungswesen würdigt.

Es sei jedoch völlig unrealistisch, von palästinensischen Schulbüchern Werbung für den Verzicht auf palästinensische Ansprüche zu erwarten: Diese Forderung sei hinter zahlreichen Kritiken verborgen. Beide Seiten sollten stattdessen Anstrengungen unternehmen, ihrer Jugend die unterschiedlichen Perspektiven von Israelis und Palästinensern zu vermitteln und damit einen unverzichtbaren Beitrag zur Verständigung zu leisten.

Rund 25 Experten aus Deutschland, Israel und Palästina sowie aus Belgien (die belgische Regierung gehört zu den größten Förderern des palästinensischen Bildungsministeriums), Großbritannien (Nordirland), Österreich und den USA erörterten auf Grundlage mündlicher Vorstellungen der wesentlichen Inhalte der beiden Studien sowie weiterer Berichte die aktuelle Lage und die sich hieraus ergebenden Optionen für die kommenden Jahre. Das Gesprächsklima zwischen den israelischen und palästinensischen Experten - einschließlich der Vertreter der staatlichen Lehrplaninstitute - war bemerkenswert sachlich.

Auf dem Weg zur Multiperspektivität

Die neuesten Schulbücher und Lehrpläne sind als erheblicher Fortschritt auf dem Weg zu einer Bildung zu werten, die mehr der Verständigung als der Anstachelung zum Hass dient. Die israelische Schulbuchkommission hat jetzt unter Beteiligung der israelischen Palästinenser erstmals das Ziel "Multiperspektivität" im Lehrplan festgeschrieben. Sowohl israelisch-palästinensische als auch israelisch-jüdische Sichtweisen sollen allen Jugendlichen vermittelt werden.

Auf palästinensischer Seite korrespondiert damit die sehr weitgehende Tilgung von Negativwertungen der jüdischen Religion und Israels. Damit sind jeweils unilateral Grundlagen für weitergehende Bemühungen um eine Erziehung zur Verständigung geschaffen.

Bilaterale Kooperation erscheint jedoch auf absehbare Zeit nicht möglich. Sowohl die israelischen als auch die palästinensischen Experten haben daher die Notwendigkeit einer Einschaltung dritter und vierter Parteien sowie des multilateralen Rahmens der UNESCO nachdrücklich betont.

Die weitere Herausarbeitung der unterschiedlichen israelischen und palästinensischen Perspektiven wurde hierbei als Priorität gewertet. Ein wichtiger Anstoß wird von dem an der Talitha Kumi-Schule in Beit Jala angesiedelten Friedensforschungsinstitut für den Nahen Osten (Peace Research Institute for the Middle East PRIME) erwartet, das derzeit eine Publikation vorbereitet, in der israelische und palästinensische Experten die unterschiedlichen Sichtweisen zu den aus ihrer Sicht sechs wichtigsten Streitfragen herausarbeiten.

Von Jugendbegegnungen in Nahost rieten unter gegebenen Umständen die meisten Teilnehmer ab. Hingegen wurden pädagogische Lehrerseminare unter Einschaltung von Schulbuch- und Lehrplanexperten als besonders wichtig bewertet. Sie müssten jedoch außerhalb der Region stattfinden, zum Beispiel in Braunschweig. Auch das Internet sollte mehr als bisher zur Präsentation von Texten und zur Bereitstellung von Unterrichtsmaterialien genutzt werden. Dabei sollte auch das Potenzial einer Darstellung vergleichbarer Bemühungen um Konfliktbewältigung im Schulbuch aus anderen Regionen mehr als bisher verfügbar gemacht werden (Nordirland, deutsch-polnische Schulbuchkommission, Bosnien-Herzegowina). Alle Teilnehmer befürworteten den Aufbau einer starken Nahostkomponente in dem zur Zeit zur Beratung anstehenden neuen UNESCO-Programm zur Schulbuchforschung und -verbesserung.

Neuere Forschungsberichte aus dem Georg-Eckert-Institut geben Hinweise auf Probleme arabischer Schulbücher, die tiefer liegen als die Zitatensammlungen des CMIP. Sie tragen noch die Erblast eines christlichen Antijudaismus. Formulierungen wie "Jesus war Opfer einer jüdischen Verschwörung" haben in Europa vor 1945 zum Holocaust beigetragen. Deutsche Fachinstitute könnten wichtige Ergebnisse der Neugestaltung des christlichen Religionsunterrichts in den letzten Jahrzehnten und frühchristlicher Geschichtsschreibung an Lehrplangestalter und Schulbuchautoren im Nahen Osten übermitteln.

Von den zehn eingeladenen Experten aus Palästina konnten nur fünf nach Braunschweig kommen. Fünf weitere palästinensische Experten wurden infolge neuer verschärfter Einreisebedingungen trotz gültiger Schengen-Visa an der jordanischen Grenze gestoppt. Hintergrund ist offenbar die zunehmende Besorgnis der jordanischen Behörden, angesichts der Erschwernisse würde es zu einer Massenflucht von Palästinensern aus der Westbank nach Jordanien kommen. Angeblich haben in den letzten Monaten bereits 125.000 Palästinenser - überwiegend illegal - Zuflucht in Jordanien gesucht.

DR. TRAUGOTT SCHÖFTHALER ist Generalsekretär der Deutschen UNESCO-Kommission.

http://www.unesco-heute.de/0303/gei-symposium.htm

 

 

 

Frankfurter Rundschau vom 01.10.2001
Palästinensische Schulbücher
Nahost-Konflikt wird differenzierter dargestellt

now BERLIN, 1. Oktober. Das Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung hat in einer vergleichenden Studie Fortschritte bei der Gestaltung von Schulbüchern festgestellt, mit deren Hilfe palästinensische Kinder und Jugendliche Geschichte und Sozialkunde lernen. Zwar werde Israel in den Lehrmaterialien weiterhin als Aggressor, aber nicht mehr länger als Bandit oder Schurke hingestellt, sagte Professor Sami Adwan (Bethlehem) am Montag in Berlin
bei der Präsentation der Studie. Häufig werde der aktuelle Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern ganz ausgespart, stellte die erste vergleichende Studie von israelischen und palästinensischen Geschichts- und Sozialkundebüchern für das erste bis sechste Schuljahr fest. Anlass dafür waren Vorwürfe, palästinensische Schulbücher verbreiteten antisemitische Klischees.

Propagiert werde in den aktuellen Lehrmaterialien meist das Bild einer "sauberen, homogenen palästinensischen Gesellschaft", sagte Götz Nordbruch von der Berliner Humboldt-Universität. Als abschreckendes Beispiel "westlicher Dekadenz" sei an einer Stelle das Foto zweier Punks dem Bild einer palästinensischen Familie gegenüber gestellt.

Auch israelische Schulbücher würden den Palästina-Konflikt wesentlich differenzierter darstellen, erläuterte Professor Yoshua Mathias von der Universität Tel Aviv. Die überwiegende Mehrheit der Bücher spreche heute auch die "dunklen Seiten" der zionistischen Geschichte an, wie die Vertreibung palästinensischer Bewohner.

 

 

Erklärung des Erziehungsministeriums –Palästina zum Palästinensischen Curriculum und zu den Schulbüchern - 12. Mai 2001

Einleitung

Das palästinensische Ministerium für Erziehung (MOE) wurde Ende 1994 gegründet. Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, daß es einen jämmerlichen Bildungszustand in der Westbank und in Gaza von den israelischen Besatzungsbehörden übernahm. Seitdem hat sich das palästinensische Erziehungsministerium außerordentlich darum bemüht, der Verschlechterung in konkreten Schritten entgegenzuwirken, die das Bildungssystem während der Besetzung erlitt.

Ernste Probleme wie z. B. die Schulen, in denen in drei Schichten unterrichtet werden muß, die mangelnde Lehrerausbildung und die schrecklichen Folgen der Rekrutierungspraktiken etc. charakterisierten die Bildung in der Besatzungszeit. So spürte das Bildungsministerium die Notwendigkeit, ein Curriculum zu entwickeln, das den Schülern entspricht, um die Dualität der Curricula in der Westbank und in Gaza zu ersetzen und um das Bildungssystem konsequent zu vereinen. Der Plan enthält gegenwärtige Themen in Bereichen der Demokratie, Menschenrechte, Rechte von Kindern, Stärkung der Frauen, Pluralität und Toleranz.

Die neue Vision enthält auch neue Themenbereiche: Gesundheit, Umwelt, Christliche Erziehung und Informationstechnologie, zusätzlich zu Verbesserungen und Änderungen im Bereich der Lehre der Fremdsprachen etc. Schon bald nach seiner Gründung bat das MOE die UNESCO und Geberländer um Hilfen für die Errichtung eines „Palestinian Curriculum Development Center“s (PCDC), das jetzt vollauf damit beschäftigt ist, das allererste palästinenische Curriculum der Geschichte zu entwickeln.

Bis jetzt hat es nur palästinensische Schulbücher für zwei Klassenstufen veröffentlicht: Für die 1. Klasse (Kinder im Alter von 6 Jahren) und für die 6. Klasse (Kinder im Alter von 11 Jahren). Aus pädagogischen Gründen wird geplant und erwartet, daß die palästinensischen Schulbücher für die restlichen 10 Klassen in Etappen bis zum Jahr 2004/2005 angefertigt werden. Solange benutzen diese Klassenstufen die jordanischen Schulbücher in der Westbank und die ägyptischen Schulbücher in Gaza, was bereits seit 1950 der Fall ist.

Viele in der internationalen Gemeinschaft unterschätzen die Schwierigkeit und Sensibilität, die es bedeutet, ein nationales Curriculum und Schulbücher für ein Volk anzufertigen, das so lange Jahre gelitten hat unter brutaler Besatzung und das sich in sehr komplizierten und frustrierenden Verhandlungen engagierte, die sein Schicksal und seine Grenzen bestimmen werden. Viele unterschätzen die Komplexität und den Zeitbedarf der Versöhnung und des Heilungsprozesses.  ..... Quelle und mehr >>>

 

 

Eine Besatzung die Kinder dazu bringt sich umzubringen  - von Leah Tsemel  - ZNet 03.12.2003

(Leah Tsemel ist eine israelische Anwältin die in Jerusalem arbeitet. Das ist eine Fassung ihrer Rede über Kinder und Menschenrechte bei der Giorgio Cini Gesellschaft in Venedig.)

Meine Eltern verließen Europa knapp vor dem Holocaust und sie verloren durch diesen die meisten ihrer Familienmitglieder. Um mir ein besseres Leben und die Sicherheit eines eigenen Staates zu versprechen kamen sie in jenen Teil der Welt welcher heute Israel genannt wird, und einmal Palästina genannt worden ist. Nach fast 60 Jahren kann ich nicht behaupten, dass sie dies erreichten; im Gegenteil. Es scheint, dass meine Eltern und andere welche den israelischen Staat bauen wollten nicht verstanden haben, dass es unmöglich ist eine neue Zukunft auf dem Fundament von Unterdrückung zu bauen.

Ich habe 30 Jahre lang die PalästinenserInnen in israelischen Gerichtshöfen verteidigt und habe es trotz meiner Anstrengungen nicht geschafft die Richter, ob nun in Militärtribunalen oder im Höchstgerichtshof, dazu zu bringen diese einfache Wahrheit zu verstehen. Sie Situation verschlechtert sich und letztes Jahr machte ich zwei Schritte rückwärts für jeden vorwärts, wie in den letzten 25 Jahren.

Der bekannte israelische Autor David Grossman hat über die Reinwaschung der Sprache durch die israelische Besatzung geschrieben. „Besatzung“ wurde in Hebräisch zu „Entlassung“ oder „Rettung“. „Kolonisation wurde zu „friedlicher Lösung“. „Töten“ wurde zu „anvisieren“. Die PalästinenserInnen antworteten auf diese Euphemismen durch die Radikalisierung ihrer Sprache. Früher kamen meine Klienten in mein Büro in Jerusalem und sprachen über SoldatInnen oder SiedlerInnen. Heute sprechen sie über al-yahud – die Juden. „Die Juden haben mir meine ID-Karte weggenommen“, „die Juden haben mich geschlagen“, „die Juden haben dieses oder jenes zerstört“. Das erschreckt mich. Wenn der israelische Staat mit allen Juden der Welt identifiziert wird und alle Juden auf der Welt als SoldatInnen oder SiedlerInnen betrachtet werden, müssen wir sehr vorsichtig sein.

Ein palästinensisches Kind welches heute al-yahud sagt, was „die Juden“ bedeutet, und damit die Leute in Uniform meint, wird fanatisch werden und einen nationalistischen Fanatismus entwickeln, neben einem jugendlichen religiösen Fanatismus. Aber ein ähnliches Problem, vielleicht sogar schlimmer, ist, dass der religiöse Fanatismus auf der jüdischen Seite zu wachsen beginnt. Die jüngere Generation der israelischen Juden und Jüdinnen wollen die AraberInnen verbannen. An den Mauern in israelischen Städten sehen wir hebräische Slogans wie „Araber aus dem Land“ oder „Tod den Arabern“. Wir erreichen einen Zustand, in welchem die israelische Regierung offen darüber debattiert, was sie mit Yasser Arafat machen wird, dem gewählten Präsidenten der PalästinenserInnen: soll man ihn töten? Ihn abschieben? Die Wahl eines anderen, entgegenkommenderen Präsidenten für die PalästinenserInnen arrangieren, der schwach genug ist um uns alles zu geben was wir wollen?

Die hauptsächlichen Opfer der Besatzung und der Unterdrückung sind Inder. In Israel sind die alten Gesetze Aus der Zeit des britischen Mandats vor der Unabhängigkeit noch immer in Kraft, welche es der Besatzungsmacht erlauben kollektive Strafen durchzuführen. Kürzlich verlor ich einen Fall. Ich hatte versucht die Zerstörung des Hauses eines jungen Mannes zu verhindern, eines palästinensischen Selbstmordattentäters der sich selbst und acht andere in der Nähe eines militärischen Camps außerhalb Tel Avivs umgebracht hatte. Gemäß dem Gesetz aus der britischen Mandatszeit soll das Haus von jemandem der einen terroristischen Angriff durchführt zerstört werden. Als ich die Familie anrief um ihnen zu sagen, dass ich verloren habe, sagte die Mutter des Selbstmordattentäters „Ich wußte, daß wir keine Hoffnung haben. Wir haben das Haus bereits evakuiert.“

Nur selten haben wir in solchen Fällen die Zeit vor Gericht zu gehen. [Haus-]Zerstörungen bestrafen normalerweise nicht die Verbrecher sondern ihre Familien. Sehr oft werden sie ohne Vorwarnung durchgeführt. „Sie haben fünf Minuten um das Haus zu verlassen!“ ist die ganze Zeit die man [ihnen] gibt. Die Zerstörer zertrümmern alles – die Einrichtung und das Gewand. Ich frage die Familien oft was sie in diesen fünf Minuten schnell mitnehmen und sie sagen „die Zeugnisse der Kinder“. Ihr Optimismus ist wunderbar.

Die Kinder von KämpferInnen, also von „palästinensischen TerroristInnen“, werden für immer gebrandmarkt sein. Unter der militärischen Besatzung wird ihnen nicht gestattet das Land zu verlassen, die Stadt zu wechseln oder woanders zu studieren. Sie können ihre Eltern nicht im Gefängnis besuchen.

Die letzte Bestrafung für „terroristische“ Familien ist es sie zu zwingen umzuziehen. Seit dem Beginn der letzten Intifada gab es in jeder palästinensischen Stadt in den besetzten Gebieten eine totale Ausgangssperre, während israelische Panzer hinein und hinausfahren wie es ihnen passt. Es ist ein Hobby palästinensischer Kinder auf Hügel, Berge und die Zäune und Hindernisse zu klettern, die Israel aufbaut um die Bewegung zwischen den Dörfern und Städten zu verhindern.

Jetzt baut Sharon einen Zaun – oder nein, eine Mauer – zwischen Israel und Palästina. Dieser Zaun ist keine Grenze; er verläuft nicht entlang der Grenzen von 1967. Das ist eine Mauer die eine Apartheid zwischen der jüdischen und der palästinensischen Bevölkerung schaffen soll, und welche die PalästinenserInnen von den kleinen Stücken bebaubaren Landes in den besetzten Gebieten trennen soll welche noch nicht von den jüdischen SiedlerInnen genommen worden sind, und um dieses Land in den israelischen Staat zu integrieren.

Manchmal sieht man lustige oder berührende Szenen. Mütter die auf Betonmauern oder Zäune klettern. Öfter hört man traurige Geschichten, wie jene über die jungen israelischen Soldaten welche eine palästinensische Frau welche im Begriff war zu gebären nicht durchließen. Das Kind starb.

Die Unterdrückung und die Erniedrigung sind schwere Bürden. Um zu einem Doktor in einem Krankenhaus zu kommen muss ein Kind aus der Nähe von Ramallah stundenlang mit seinem Vater gehen, nur um auf eine Straßenblockade zu stoßen. Die Kultur des Vaters hat ihm gelehrt, dass er ein Patriarch sein sollte, und es kränkt ihn tief vor den Augen seines Sohnes die SoldatInnen anbetteln und anflehen zu müssen, sie durchzulassen. Was für ein Bild bekommen diese Kinder von ihren Ältern?

Dann gibt es die Ermordungen von Kindern. Kürzlich warf ein zehnjähriges Kind einen Stein auf einen Soldaten in der Nähe einer Straßenblockade außerhalb Jerusalems und wurde erschossen. Ein Ein-Tonnen Bombe die von einem israelischen Flugzeug auf Gaza abgeworfen worden ist, die dichtest besiedelste Stadt in der Welt, tötete 16 Kinder. Mohammed Dura, das Kind welches zu Beginn der Intifada vor drei Jahren in den Armen seines Vaters gestorben ist, ist mehr als ein Symbol: er ist eine alltägliche Realität.

Ein Teil dieser großen Tragödie stammt von der Ähnlichkeit zwischen den PalästinenserInnen und den Israelis. Ein europäischer Freund sagte mir vor kurzem: „Ich verstehe das nicht; alle sind sich so ähnlich. Wie erkennen die SoldatInnen wer arabisch und wer jüdisch ist?“ und ich sagte ihm was ich gehört habe: „Die SoldatInnen starren in die Augen einer Person, und wenn sie jüdische Augen hat, sind sie sicher arabisch.“

An einem anderen Tag sah ich an der Grenze zwischen Ost- und Westjerusalem 150 ältere palästinensische Männer in einem Park. Sie waren alle aus dem Westjordanland und die Polizei ließ sie nicht in die Stadt hinein – entweder hatten sie keine Passierscheine oder die Polizei weigerte sich die Scheine anzuerkennen die sie hatten. Ich ging dort mit meinem üblichen Optimismus hin, und dachte, dass ich eine Frau bin, weiß bin, jüdisch bin, eine Anwältin bin, ich alle Probleme lösen kann, und ich versuchte mit den SoldatInnen und mit der Polizei zu reden. Die Männer standen einfach stumm da. Ihnen war befohlen worden die Akkus aus ihren Mobiltelephonen zu nehmen und nicht zu sprechen. Ich fühlte mich dumm. Sie hatten ihre Situation viel besser verstanden als ich. Sie wußten, dass sie einen hohen Preis zahlen würden, wenn sie mir antworten würden; sie wußten bereits, dass mein Einschreiten sinnlos war. Die willkürlichen Befugnisse der SoldatInnen und der Polizei sind viel größer als jedes legale System das ich repräsentiere. Ich dachte: was hätte Primo Levi empfunden wenn er diesen Moment gesehen hätte, in dem andere Menschen von JüdInnen unterdrückt werden?

Die frühere israelische Premierministern Golda Meir sagte, dass sie Albträume hatte, weil die PalästinenserInnen sich so schnell vermehren: vor 20 Jahren verursachte diese Bemerkung einen Skandal. Aber am 29. August 2003 beschloss die israelische Knesset folgendes Gesetz: „Wenn es zu einer Heirat zwischen einer israelischen und einer palästinensischen Person aus den besetzten Gebieten kommt, wird die [palästinensische] Person nicht nach Israel kommen dürfen, und jedes Kind einer solchen Ehe wird nicht im israelischen Geburtenregister verzeichnet werden, wenn es nicht innerhalb eines Jahres nach seiner Geburt registriert wird.“ Wir versuchen angestrengt diese Politik zu bekämpfen, welche ich nur rassistisch nennen kann.

Die palästinensischen Kinder, bilden als Ergebnis dieses Krieges ein Potential an Selbstmordattentätern. Ich vertrete jene welche nicht sterben konnten und ich weiß von jenen die starben, also spreche ich aus Erfahrung. Sie sterben nicht für die 70 Jungfrauen die ihnen versprochen werden wenn sie Shahids (Märtyrer) werden und sie werden nicht gezwungen oder einer Gehirnwäsche unterzogen. Diese Jungen Menschen kommen von allen teilen der Bevölkerung, und sterben aus Verzweiflung freiwillig. Sie fühlen, dass sie wenig zu verlieren und nur Ruhm zu gewinnen haben. Es ist furchtbar, wenn eine Gesellschaft Kinder dazu bringt sich umzubringen; es ist furchtbar, wenn unsere jüdische israelische Gesellschaft Siedler produziert die ein Auto vollgepackt mit starken Sprengstoffen vor einer palästinensischen Mädchenschule in Jerusalem stehen lassen, wie jetzt enthüllt worden ist. Die Polizei fand es nur zufällig. Die Ermordung von Kindern ist zu einer Besessenheit geworden. Seit der letzten Intifada bis heute sind 700 palästinensische und 100 jüdische Kinder unter 16 Jahren gestorben. In den letzten drei Jahren sind 382 palästinensische Kinder von der Armee oder von SiederInnen umgebracht worden, und auch 79 israelische Kinder starben. Es ist ein Albtraum ein israelisches Kind zu sein – sich davor zu fürchten zum Bus zu gehen, zum Markt, in das Geschäft. An jedem Tor stehen Wachen die deine Taschen öffnen und dich durchsuchen. mehr >>>

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