(Die israelische Politik des Zurückweisens)
Ludwig Watzal
(Zalman
Amit/Daphna Levit: Israeli Rejectionism. A Hidden Agenda in the
Middle East Peace Process, Pluto, London-New York, pp.208)
Nachdem die palästinensische Führung 20 Jahre lang mit verschiedenen
israelischen Regierungen über eine Lösung des Nahostkonflikts
verhandelt hat, ist sie von der Scharade, die die USA, der übrige
Westen und sogar die besetzten Palästinenser unter der Führung von
Mahmud Abbas "Friedensprozess" nennen. Abbas bittet die Vereinten
Nationen, dem "Staat Palästina" den Status eines Vollmitglieds zu
gewähren. Die israelische Regierung widersetzt sich diesem Antrag
heftig, und so machen es auch die USA. Seit 1967, als die
israelischen Verletzungen internationaler Normen immer wieder vor
den UN-Sicherheitsrat gebracht wurden, hat die US-Regierung ihm
(Israel) lässig den Rücken gestärkt. Für die große Mehrheit der
US-Regierungen war Israel immer "the good guy", sogar nachdem es im
Juni-Krieg 1967 die USS Liberty vor der Küste Israels in
internationalen Gewässern angegriffen und 34 US-Marines getötet hat.
In der Frage, wer für den Stillstand in den Friedensverhandlungen in
Nahost in den letzten 80 Jahren verantwortlich ist, ist das Buch
"Israeli Rejectionism" aktuell.
Schon
in der Einleitung zu diesem Buch machen die Autoren die israelische
Führung für ihre Haltung der Zurückweisung gegenüber einem Frieden
verantwortlich. "Unser Standpunkt ist es, dass Israel niemals
vorrangig daran interessiert war, mit seinen Nachbarn Frieden zu
schließen, wenn ein solcher Frieden nicht (einer) gänzlich zu seinen
Bedingungen war." Nach den Autoren hat Israel wiederholt verkündet,
es sei dem Frieden verpflichtet (committed), aber seine reale
Politik war es, jeder realen Chance für Frieden entgegen zu
arbeiten. Seine Führung war immer überzeugt, "dass Frieden nicht im
Interesse Israels ist". Die Geschichte zeigt, dass das bis jetzt
stimmt. Diese einen Frieden zurückweisende Haltung hat sich nicht
erst 1967 mit der Besetzung des übrigen Palästinas, auch nicht mit
der Staatsgründung 1948 entwickelt, sondern kann bis zu den ersten
zionistischen Führern zurückverfolgt werden, wie Theodor Herzl und
besonders David Ben-Gurion, wie die Autoren schreiben. Als ein
vorweggenommenes Resumee der Autoren kann man feststellen: Nicht
Israel hat keinen "Partner für den Frieden", mit man
zusammenarbeiten kann, wie die israelische Propaganda der
Öffentlichkeit erzählt, sondern andersherum: die Palästinenser haben
keinen zuverlässigen "Partner für den Frieden". Um diese Täuschung
zu beweisen, durchlaufen sie eine Skala von Statements vom Slogan
"Palästina – Heimat für die Juden?" über "Barak wirft jeden Stein
zurück" zu "Frieden geht den Bach hinunter". Auf dieser Reise finden
sie die Partei, die sich dem Frieden widersetzt: die verschiedenen
Regierungen Israels.
Diese
Behauptung der Autoren läuft der Propaganda durch die israelische
Hasbara und ihre Freunde in den USA und anderswo zuwider. Beide
Autoren waren anfangs treue Anhänger der sozialistischen
zionistischen Sache, die dem neugeborenen Staat mit der
Kibbuz-Bewegung diente. Über viele Jahre waren sie treue Anhänger
der zionistischen Ideologie. Besonders Zalman Amit war entschiedener
Zionist, der sogar Botschafter der Vereinten Kibbuzbewegung in
Kanada war. Dort hielt er Reden über die Werte des Zionsimus. Auf
einem der jüdischen Treffen, die er organisierte, hielt er einen
Vortrag, den er nach den Normen der Ideologie der linksgerichteten
Zionisten ausgearbeitet hatte. Nachdem er geendet hatte, fragte ihn
ein israelischer Freund, der mehrere Tage lang an den
Zusammenkünften teilgenommen hatte: "Glaubst du das alles wirklich?"
Dann erklärte er ihm, dass Ben-Gurion "niemals Frieden wollte". Die
zionistische Fassade brach langsam zusammen. Beide Autoren waren im
Juni-Krieg 1967 eingerückt. Nach dem Sechs-Tage-Krieg hatten sie
schließlich das Aha-Erlebnis in der Betrachtung der Realität des
Zionismus. Zu diesem Zeitpunkt waren sie bereits erwachsen. Damals
erkannten sie, wie schwierig es war sich selbst einzugestehen, dass
sie einem Luftschloss angehangen waren. Schließlich realisierten
sie, dass Israel immer die Seite war, die Friedenschancen mit den
Arabern sabotiert hatte. Moshe Dayans berühmte "Telefonstrategie"
war für ihn eine Ausrede "nichts zu tun". Israel wartete auf einen
Telefonanruf von den Arabern, aber der Anruf kam nie!
Viele
Historiker und Politiker schätzen den ersten israelischen
Premierminister David Ben-Gurion hoch. Aber das Bild, das die
Autoren von seiner Politik zeichnen, zeigt ihn als bloßen Neinsager
(rejectionist); er tat alles, um jeden Kompromiss mit der arabischen
Seite zu sabotieren. Seine Politik war es nach den Autoren, so viel
Territorium wie möglich mit einem Minimum an arabischen Bewohnern zu
erlangen. Wie seine Schriften zeigen, waren seine politischen
Optionen Transfer und Vertreibung. Als Israel 1956 gemeinsam mit
Frankreich und England den Sinai eroberte, sprach er vom "Königreich
Israel" mit biblischen Grenzen, aber er vermied jede konkrete
Festlegung (commitment), wo Israels Grenzen verlaufen sollten. Einen
Tag vor der Gründungserklärung des Staates Israel kam auf einem
Treffen zionistischer Politiker die Frage der Grenzen auf. Laut
Protokoll sagte Ben-Gurion, das sollte den "Entwicklungen"
überlassen werden, ein Euphemismus für spätere Eroberungen. Seit
diesem Tag will die israelische Führung nicht sagen, wo die Grenzen
Israels verlaufen sollen. Die Autoren zeigen, dass der frühere
ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser mehrere Friedensinitiativen
startete, aber umsonst.
Die
zionistische Führung war nicht interessiert und stellte ihn "als
einen Feind des Staates Israel" dar. Ben-Gurion intrigierte auch
gegen seinen Nachfolger Moshe Sharett. Er war auch gemeinsam mit den
Kolonialmächten Frankreich und England eine treibende Kraft in der
Konspiration von 1956 gegen Ägypten, um Nasser im Krieg von 1956 zu
stürzen. Obwohl dieser Angriff militärisch erfolgreich war, wurde
er, besonders für Ben-Gurion, zum Pyrrhus-Sieg. Die USA versuchten
Israel im UN-Sicherheitsrat als Aggressor (zu) verurteilen (zu
lassen). Zum ersten Mal verwarfen England und Frankreich ihr Veto
gegen die USA. Massiver Druck von der Eisenhower-Administration
führte zum Rückzug aller Besatzungstruppen aus ägyptischem
Territorium. Ben-Gurions "Drittes Königreich Israel" war von kurzer
Dauer, es dauerte gerade vier Tage.
Zwischen 1956 und 1967 gab es eine Anzahl militärischer Überfälle
und Provokationen durch Israel gegen seine arabischen Nachbarn, so
auf den Golan und in Gaza. Nach dem Junikrieg von 1967 wurde
Ben-Gurions Traum wahr. Israel hatte Land erobert und berief sich
auf "biblischen Anspruch". Nach den Autoren war Israel "vergiftet"
von seiner Errungenschaft von "messianischem Ausmaß". In dieser Art
"trunkener Euphorie" bezogen sich sogar selbst-ernannte Tauben wie
Abba Eban auf die Waffenstillstandslinie als auf die
"Auschwitz-Linien", und der Nationalist Menachem Begin rief nach der
vollständigen Annektion der Westbank und Gazas. Die Autoren zeigen,
dass die israelische Regierung gleich mit seinem kolonialen Projekt
startete, indem es das an die Klagemauer angrenzende Viertel Mugraby
räumte und zerstörte. Zu dieser Zeit verfasste Yigal Alon seinen
berühmten "Alon-Plan", der noch immer als Blaupause für Israels
expansionistische Politik dient.
Nach
den Autoren – Zalman Amit und Daphna Levit – gibt es keine großen
Unterschiede zwischen Labor-, Kadima- oder Likud-geführten
Regierungen in Bezug auf die Kolonisierung der besetzten Gebiete.
Was die drei politischer Lager voneinander trennt, ist nur eine
Sache der Rhetorik. Zwischen dem Junikrieg 1967 und dem Yom
Kippur-Krieg von 1973 gab es mehrere Friedensinitiativen von
Präsident Nasser und seinem Nachfolger Anwar al-Sadat, aber Israel
war nur gewillt "Frieden" zu seinen eigenen Bedingungen zu machen.
Die "expansionistischen Positionen" in der führenden politischen
Klasse Israels dauerten an, wie das "Galilee document" enthüllt, das
Israel Galili, ein Vertrauter von Premierministerin Golda Meir
verfasste. "Es gab keinen entgegenkommenden Schritt in Richtung
Frieden, und (das) stärkte wieder die Bereitschaft Ägyptens und
Syriens zu einem Krieg."
Obwohl der Staat Israel die Oberhand hatte, beschädigte der
plötzlich ausbrechende Yom Kippur-Krieg das Gefühl von
Unbesiegbarkeit und ließ Israel mit einem Nach-Kriegs-Trauma zurück.
Einige israelische Politiker realisierten, dass der Nahostkonflikt
nicht mit militärischen Mitteln gelöst werden kann, sondern nur
durch ein Friedensabkommen. Der Grund, weshalb der Friedensprozess
nirgendwohin geführt hat, liegt nach den Autoren in der Unwilligkeit
des Landes, die besetzten Gebiete aufzugeben und die nationalen
Bestrebungen des palästinensischen Volkes anzuerkennen. Der
israelische Starrsinn setzte sich unter der Regierung von Menachem
Begin fort, auch wenn er Frieden mit Ägypten schloss. Nach dem
Fiasko im Libanon wurde er 1983 durch Yitzhak Shamir abgelöst.
Shamir "war der Meinung, die einzig akzeptable Position für Israel
sei auf keinen Fall ein Rückzug, und Frieden stand nicht oben auf
seiner Agenda". Als Shamir bei den Wahlen von 1992 Yitzhak Rabin
unterlag, machte er klar, "seine Absicht sei gewesen, die
Verhandlungen mindestens zehn Jahre lang hinzuziehen". Die
Friedenskonferenz 1991 in Madrid kam überein, dass alle
Konfliktparteien unter der Schirmherrschaft von Washington
verhandeln sollten.
Aus
Raumgründen kann nicht jedes besondere historische Ereignis, über
das die Autoren schreiben, kommentiert werden. Eine Periode ist es
aber doch wert erwähnt zu werden. Es ist die kurze Amtszeit von
Premierminister Ehud Barak... Er ist einer der israelischen
Politiker, die am meisten (alles) zurückweisen, auch wenn er sich
bis 2011 im Labor-Gewand verstellte, der Partei, die von ein paar
"gelehrten" Politikern noch immer als "linksgerichtet" betrachtet
wird. Er kommt aus der zionistischen Kibbuz-Bewegung, als Rabins
Innenminister stimmte er gegen die Oslo-Verträge, und als Israels
Premierminister machte er nicht nur die Überreste des sogenannten
Friedensprozesses zunichte, sondern auch die sogenannte
Zionistische Linke. Seine Rolle in Camp David im Jahr 2000 war nur
destruktiv. Er spielte nicht nur mit den Amerikanern, sondern auch
mit Arafat und der israelischen Öffentlichkeit. Er und Clinton
schoben die Schuld für den Mißerfolg in Camp David auf Arafat. In
Wirklichkeit war er es, der alle täuschte, um seine ablehnende
Haltung zu verschleiern. Die Autoren beweisen das, indem sie
Personen zitieren, die diesem Treffen beiwohnten, das zu einem
Frieden hätte führen können, wenn die USA die Rolle eines "seriösen
Maklers" gespielt hätten.
Nachdem 2001 Ariel Sharon nach Ehud Barak die Wahlen gewann, sein
"Jünger im Geist", hatte Frieden überhaupt keine Chance. Der Vorfall
von 9/11 gab Sharon den willkommenen Vorwand, Arafats Administration
in den Autonomiegebieten zu demontieren und in den besetzten
Gebieten Greueltaten zu begehen. Die Schilderung der Regierung
Olmerts durch die Autoren gibt keine Hoffnung für die Zukunft, gar
nicht zu sprechen von der rechtsgerichteten Regierung Netanyahu/Liebermann.
Sie kommen zu dem Schluss, dass ein Friedensabkommen niemals eine
beschlossene Sache war, da es "nie Israels oberste Priorität" war.
Israels militärische Stärke ist einer seiner größten Trümpfe, "aber
Israel hat sich praktisch in eine Armee entwickelt, die ein Land
hat". Für die Autoren ist Israels Führungsklasse deshalb so
erfolgreich, weil sich das israelische Volk selbst als "beschützte
Macht" sehen will, und die Siedlungsbewegung ist deshalb so
erfolgreich geworden, weil sie sich selbst als rein jüdisch,
authentisch und als eine Graswurzel-Macht darstellt. Amit/Levit
benennen viele Verzerrungen: Israel ist eine starke Nuklearmacht mit
einem mächtigen Militär; das israelische jüdische Volk lebt in einem
"selbst-auferlegten Ghetto" und nährt sein eigenes Gefühl, Opfer zu
sein, und klagt, dauernd von außen bedroht zu sein. Die Autoren
sehen während ihres Lebens keine Aussicht auf Frieden.
Der
besondere Wert des Buches liegt darin, dass es aufzeigt, dass nicht
die Araber diejenigen waren, die niemals eine Gelegenheit versäumten
eine Gelegenheit zu versäumen, wie Abba Eban zu sagen pflegte. Die
wirklichen Neinsager waren die israelischen Eliten, die weiter Land
für ihr "Eretz Israel" auf Kosten eines anderes Volkes suchen. Dass
"Israel kein Partner für den Frieden" ist, ist eine kühne, aber gut
begründete Schlussfolgerung, die von allen gründlich nachgeprüft
werden sollte, die in die Nahostpolitik involviert sind.
Quelle:
http://www.palestinechronicle.com/view_article_details.php?id=17132
aus dem Englischen übersetzt von K. Nebauer
Homepage Dr. Ludwig Watzal