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Mag sein,
dass ich bau in der Luft meine Schlösser.
Mag sein,
dass mein Gott ist im ganzen nicht da.
Im Traum
ist mir heller, im Traum ist mir besser,
im Traum ist der
Himmel noch blauer als blau.
Mag sein, dass ich
werd’ mein Ziel nicht erreichen.
Mag sein, dass mein
Schiff wird nicht kommen zum Steg.
S’geht mir nicht
darum, ich soll was erreichen.
S’geht mir um den
Gang auf einem sonnigen Weg.
Josef Papiernikoff, 1924
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Reuven Moskovitz,
vardamos@hotmail.com
Liebe Freundinnen und
Freunde,
Münster, Dezember 2008
In den letzten Wochen wurde
mein 80. Geburtstag an vielen Orten gefeiert, in
der Familie, in Newe Shalom /
Wahat Al Salam, mit Freunden, auch in Deutschland. Hunderte
kamen oder schrieben, musizierten oder dichteten, wünschten
mir Glück und ein noch längeres Leben, Gesundheit und
Tatkraft und ein fröhliches Herz. Ich danke ihnen allen, die
mich so froh machten und mir das Gefühl gaben, Freund zu
sein, Gesprächspartner und Mahner.
In diesen schönen Novembertagen
bin ich zutiefst beeindruckt von den bunt-goldenen Farben
der Ahorn-, Ginko- und Buchenblätter, die mich an die bunten
Herbstjahre meines Lebens erinnern. Mit beklommenen Herzen
nur merke ich, wie die schönen bunten Blätter von Wind und
Regen weggetragen und von Passanten mit Füßen getreten
werden. So denke ich an die vielen Hunderttausenden von
Menschen überall in der Welt, Friedensarbeiter, die den
bunten Traum von Frieden und Menschlichkeit träumen und die
Verleumdungen, Gleichgültigkeit und Beschimpfungen
ausgesetzt sind. Für sie möchte ich ein Hohes Lied der Liebe
und Dankbarkeit anstimmen - während doch ihre Würde und ihr
Glaube weiter mit Füßen getreten werden.
Ich habe leider keine tröstende Botschaft für diese Menschen
und Freunde, außer den Trost sich selbst treu geblieben zu
sein. Ihren - unseren - Feinden aber, die mit Bosheit und
Menschenverachtung unablässig Gewalt schüren und die
Menschen mit Friedlosigkeit infizieren, auch in meinem
Land, möchte ich zornig eine Jeremiade entgegenschleudern.
80 Jahre...
Als ich mit 19 Jahren ins Land
kam, war ich durchdrungen von der Vision einer neuen
Gesellschaft, eines neuen Himmels und einer neuen Erde. Ich
kam mit Träumen, und jetzt, mit 80 Jahren, als "Kind mit
Falten", träume ich weiter und weiß dabei, dass wir nicht
einen neuen Himmel und eine neue Erde brauchen, sondern ein
neues Verhältnis der Menschen untereinander. Die andauernde
Eskalation von Gewalt und Hass hat viele Menschen stumpf
gemacht. Was wir brauchen ist ein neues Herz, das sich
öffnet für Liebe, Frieden, Barmherzigkeit und Verzeihung. Im
Sinne des großen islamisch iranischen Dichters Omar Chayyam
(der Zeitmacher) zitiere ich hier seine Zeilen:
„Beurteile niemanden und
versuche zu verstehen und verneige dich wehmütig vor dem
Schmerz der ganzen Welt“.
Im Laufe der Jahre musste ich
viele Enttäuschungen einstecken und erfahren, dass sich
Träume in Alpträume verwandelten. 60 Jahre habe ich mich
geweigert, von der Hoffnung zu lassen, dass meine
Vorstellungen Wirklichkeit werden könnten, auch wenn nicht
das Reich Gottes auf dem Boden des gelobten Landes daraus
werden würde. Aber schließlich haben sich nur manche
zionistischen Visionen erfüllt und gezeigt, dass es nicht
nur viele Steine und wenig Brot dort gibt, sondern Milch und
Honig fließen können. Leider ergab sich aber, dass bei der
Umsetzung in die Realität überwiegend Hass, Gewalt und
Menschenverachtung entstehen.
Meine innere Zerrissenheit hat
auch hiermit zu tun. Mir persönlich geht es gut, aber: Ich
habe zwar zahlreiche Freunde gewonnen und Neve Shalom/Wahat
al Salam als Modell eines friedlichen Zusammenlebens von
Palästinensern und Israelis mitbegründet, aber ein
durchschlagender politischer Erfolg hat sich nicht
eingestellt. Noch länger als 60 Jahre ist der Weg der
realpolitischen Strömung der zionistischen Politik, die die
Weichen gestellt hat zu der fast unheilbaren Friedlosigkeit
auf beiden Seiten. Es ist mir nicht gelungen, die Menschen
in meinem Land und in Deutschland davon zu überzeugen, dass
diese politische Weichen Israel und Palästina in dieselbe
Richtung führen, die schon das 20. Jahrhundert verwandelt
haben in das blutigste der menschliche Geschichte – mit 133
Millionen Toten.
Die verklärten Israel-Anbeter,
die sich blind mit der israelischen Kriegspolitik
identifizieren, mögen mich weiter als Antisemit und
Nestbeschmutzer anprangern. Das ändert nichts an der
Tatsache, dass in den vergangenen 60 Jahren die israelische
Regierung konsequent den Frieden verweigert hat. So weit
überhaupt ein Frieden erreicht worden ist, geschah es nur,
weil ein mutiger amerikanischer Präsident – Jimmy Carter -
sie am Kragen gezogen hat.
Die Entscheidung, Krieg oder
Frieden mit den Palästinensern zu machen, darf man auf
keinen Fall nur der gegenwärtigen oder zukünftigen
israelischen Regierung überlassen. Ein Schimmer von Hoffnung
kommt von der Wahl Barack Obamas. Eine Mehrheit des
amerikanischen Volkes hat in 6 Jahren gelernt, was die
Mehrheit der israelischen Bevölkerung in 60 Jahren nicht
gelernt hat. Jetzt kommt es darauf an, ob Obama und seine
Berater die Erkenntnis verinnerlichen, dass der Frieden im
Nahen Osten, ja, vielleicht der Weltfrieden, nicht nur
über Kabul, Bagdad oder Teheran zu erreichen ist, sondern
über Jerusalem.
Es muss aber auch ein Ruck
entstehen im Bewusstsein von Israel, Palästina und
Deutschland in bezug auf die Geschichte und die
Vergangenheit .Es muss ein Ende haben damit, dass der
Auschwitzkult eingespannt und in Dienst genommen wird als
Rechtfertigung der Gewaltpolitik im Nahen Osten.
Mit meinen herzlichen Wünschen
für die Feiertage und das Neue Jahr
Reuven
P.S. Da ich als Friedensarbeiter eine Art
„Einmann-Betrieb“ bin, bitte ich alle, die das noch nicht
getan haben, mir für Porto und Spesen einen Betrag nach
eigenem Ermessen zu erstatten. Auch über eine Spende für
mein Projekt "Versöhnungswege und Versöhnungsräume“ würde
ich mich sehr freuen. Ich danke allen herzlich, die bereits
gespendet haben.
KONTO Verein der Freunde von Newe Shalom /Wahat
Al Salam e.V.
Kreissparkasse Köln
BLZ 37050299
Kto-Nr.:
32000986
Stichwort: „Friedensräume“
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Spendenquittung
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€ gilt der Überweisungsdurchschlag als Spendenquittung.
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