Verhängnisvolle Fusionen
Reuven
Moskovitz 19.4.2004
Ich schreibe die Zeilen am 19 ten April "Iom Hashoa", auf Deutsch Tag der
Erinnerung des Holocaustes. Am 19.4.1943 ist der jüdische Aufstand im
Warschauer Ghetto ausgebrochen. Dieser dramatische Aufstand hat die
Gestalter von Israelischem Geschichtsbewusstsein veranlasst, den Begriff
von "Shoa vegwura" - Holocaust und Heldentum - zu prägen. Wenige haben die
Tatsache wahrgenommen, dass im Bewusstsein der Gründer des Staates Israel
die zwei Begriffe nicht zueinander passen. Auch wenn die schrecklichen
Nachrichten über die Ausrottung der Juden in Europa erschütternd und
entsetzlich waren, wurden die Holocaust – Überlebenden von o. g. als
"Schwächlinge" stigmatisiert: diejenigen, die sich widerstandslos, wie
Schafe, in die Schlachthäuser treiben liessen. Die "Gwura", das Heldentum,
hat nicht nur die Ehre des Volkes gerettet, sondern auch das Ausmass der
Ausrottung wäre nicht so gross gewesen, hätten die Juden in Europa mehr
Widerstand geleistet. Dass diese Behauptung historisch nicht zu belegen
ist, hat keine Bedeutung. Wichtig ist der Mythos: Wir Juden in Palästina (Eretz
Israel) sind der Ausrottung deshalb entronnen, weil wir widerstandsfähig
waren. Wichtig ist, dass in der schrecklichen Lage, in der sich das
überlebende Europäische Judentum befand, sich der Zionismus, der zur
"Selbstemanzipation" durch der Errichtung eines jüdischen Staates strebt,
als die "auschliesslich" realistische Lösung der Judenfrage
behauptet hat. David Ben-Gurion, der mit gewissem Unrecht als der Gründer
des Staates Israel bezeichnet wird, kam auf die "geniale", eigentlich
verhängnissvolle Idee, diese Behauptung durch die bewusst
instrumentalisierte Fusion von Holocaust und Heldentum zu untermauern.
Diesem zweifellos genialen aber auch rücksichtslosen Politiker kann man
die Prägung vom Israelischen Sicherheitskonzept zuschreiben, das Israel,
seit der Gründung in eine eskalierende Spirale von Gewalt verstrickt hat.
Als Politiker hat Ben-Gurion die Gründung eines Jüdischen Staates auf
einem Teil des Territoriums von Palestina befürwortet. Aber - noch im Jahr
1947 in seiner Rede beim 20sten Zionistischem Kongress - hat er das
Folgende gesagt: "Nachdem wir auf einem Teil von Eretz-Israel einen Staat
gegründet haben, werden wir eine starke Armee schaffen. Ich habe keinen
Zweifel daran, dass diese Armee eine der besten in der Welt sein wird.
Dann werden wir, sei es durch Gewalt oder andere Mittel, den anderen Teil
annektieren. Das Ziel ist nicht ein jüdischer Staat in Eretz-Israel,
sondern ‚Eretz-Israel‘ als jüdischer Staat". Die rechtsorientierte
politische Szene, vertreten von Begin`s terroristischer Gruppe "Etzel",
hat die Teilung des Landes, auch als nur ersten Schritt, heftig
zurückgewiesen. Eine bestimmte Zeit nach der Staatsgründung hat sich
Ben-Gurion mit der Teilung abgefunden und sich damit begnügt, der
Entstehung eines Palästinensischen Staates durch die Annektion der
Westbank von Jordanien auszuweichen. Er hat aber die politischen und
militärischen Weichen so gestellt, dass es unausweichlich zu der Fusion
mit den entsprechenden Auffassungen der rechten Szene kommen musste. Die
Losung der rechten Szene war: "Durch Blut und Feuer ist Jehuda gefallen,
durch Blut und Feuer wird Jehuda wieder auferstehen". Abgesehen von Moshe
Shareth, einem der Mitgründer des Staates und zweiter Ministerpräsident
Israels, haben alle Machthaber Israels bewusst und zielstrebig die Politik
von Blut, Boden und Feuer praktiziert. Moshe-Shareth, der offensichtlich
Zurückhaltung gegenüber Gewalt und Vergeltungsaktionen zeigte, wurde kurz
nach seinem Amtsantritt von Ben - Gurions Camarilla beseitigt, um den
schmutzigen Sinaikrieg vorzubereiten.
Um die Situation anschaulicher zu machen, möchte ich eine zutreffende
Anekdote erzählen: Ein berühmter Wunderrabbi, Mystiker und Menschenheiler,
hat tagsüber Menschen geheilt und ihnen geholfen, nachts studiert und
gebetet, um die Erlösung zu beschleunigen. Mit vielen guten Taten und
schon sehr betagt hoffte er, in den Himmel zu kommen und dort das
Angesicht der "Shechina" und das göttliche Licht - fuer Gerechte
aufbewahrt - zu geniessen. Als er starb und in den Himmel kam, war er
überrascht, dass anstatt strahlenden und göttlichen Lichts er düsteren
Nebel und Rauch sah, einen beissenden Schwefelgeruch, jammernde Stimmen
und Geschrei vernahm, alles anders, als er erwartete. Entsetzt und
erschrocken schrie er: Gott, mein Vater, wo bin ich?! Darauf erschien ein
grosses schwarzes Wesen mit Hörnern und sagte: "Da bin ich, mein Sohn!"
"Wieso, sagte der Gerechte, ich dachte, dass ich verdient hätte, im Himmel
zu sein! "Eben, war die Antwort, du bist im Himmel, aber wir haben
fusioniert".
Die Entstehung des Staates Israel war für uns Juden und viele unserer
Freunde wie eine göttliche Erscheinung und erfüllte Verheissung. Viele
erkennen in den demokratischen, sozialen, wirtschaftlichen und
Rechtsstrukturen die verkörperte Vision unserer Propheten und
Gerechtigkeitsträumer in der ganzen Welt. Wieso hat sich im Laufe der Zeit
dieses versprochene Paradies in eine Hölle verwandelt? Die Fusion ist die
Antwort. Die israelische Politik hat in der Fusion mehr Raum für den
Teufel der Gewalt und des Todes als für den Gott des Lebens, des Friedens
und der Liebe gelassen, und wenn es so weiter mit der Sicherheitspolitik
geht, lauert hinter dem teuflischen Gesicht der uneingeschränkten
Gewaltausübung, des Hochmuts und der zynischen Verlogenheit der sichere
Untergang.
Reuven Moskovitz
ist Historiker und Mitbegründer des Friedensdorfes Neve Shalom/Wahat Salam
in Israel, eine Siedlung in der israelische Juden und Palästinenser
zusammenleben. Er war Sekretär der Bewegung für Frieden und Sicherheit in
Israel. Seit mehreren Jahrzehnten ist er aktiv in der Friedensbewegung und
um die Verständigung und Aussöhnung zwischen Palästinensern und Israeli,
aber auch um die deutsch-israelische Versöhnung bemüht. Er ist Preisträger
des Mount Sion Award 2001 und Preisträger des internationalen Aachener
Friedenspreises 2003. Von seinem Buch "Der lange Weg zum Frieden" gibt es
die vierte Auflage.
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Reuven Moskovitz
Verhängnisvolle
Fusionen Der Holocaust im
Dienst der Gewalt und des Todes
Ich schreibe diese
Zeilen am 19. April, an "Iom Hashoa", auf Deutsch Tag der
Erinnerung des Holocaustes. Am 19. April 1943 ist der jüdische
Aufstand im Warschauer Ghetto ausgebrochen. Dieser dramatische
Aufstand hat die Gestalter von israelischem Geschichtsbewusstsein
veranlasst, den Begriff von "Shoa vegwura" - Holocaust und Heldentum
- zu prägen. Wenige haben die Tatsache wahrgenommen, dass im
Bewusstsein der Gründer des Staates Israel die zwei Begriffe nicht
zueinander passen. Auch wenn die schrecklichen Nachrichten über die
Ausrottung der Juden in Europa erschütternd und entsetzlich waren,
wurden die Holocaust-Überlebenden von o. g. als "Schwächlinge"
stigmatisiert: diejenigen, die sich widerstandslos, wie Schafe, in
die Schlachthäuser treiben ließen. Die "Gwura", das Heldentum, hat
nicht nur die Ehre des Volkes gerettet, sondern auch das Ausmaß der
Ausrottung wäre nicht so groß gewesen, hätten die Juden in Europa
mehr Widerstand geleistet.
Dass diese
Behauptung historisch nicht zu belegen ist, hat keine Bedeutung.
Wichtig ist der Mythos: Wir Juden in Palästina (Eretz Israel) sind
der Ausrottung deshalb entronnen, weil wir widerstandsfähig waren.
Wichtig ist, dass in der schrecklichen Lage, in der sich das
überlebende europäische Judentum befand, sich der Zionismus, der
nach "Selbstemanzipation" durch die Errichtung eines jüdischen
Staates strebt, als die "auschließlich" realistische Lösung der
Judenfrage behauptet hat. David Ben-Gurion, der mit gewissem Unrecht
als der Gründer des Staates Israel bezeichnet wird, kam auf die
"geniale", eigentlich verhängnissvolle Idee, diese Behauptung durch
die bewusst instrumentalisierte Fusion von Holocaust und Heldentum
zu untermauern. Diesem zweifellos genialen aber auch rücksichtslosen
Politiker kann man die Prägung des israelischen Sicherheitskonzepts
zuschreiben, das Israel seit der Gründung in eine eskalierende
Spirale von Gewalt verstrickt hat.
Als Politiker hat
Ben-Gurion die Gründung eines jüdischen Staates auf einem Teil des
Territoriums von Palästina befürwortet. Aber - noch im Jahr 1947 in
seiner Rede beim Zwanzigsten Zionistischem Kongress - hat er das
Folgende gesagt: "Nachdem wir auf einem Teil von Eretz-Israel einen
Staat gegründet haben, werden wir eine starke Armee schaffen. Ich
habe keinen Zweifel daran, dass diese Armee eine der besten in der
Welt sein wird. Dann werden wir, sei es durch Gewalt oder andere
Mittel, den anderen Teil annektieren. Das Ziel ist nicht ein
jüdischer Staat in Eretz-Israel, sondern ‚Eretz-Israel‘ als
jüdischer Staat". Die rechtsorientierte politische Szene, vertreten
durch Begins terroristische Gruppe "Etzel", hat die Teilung des
Landes, auch als nur ersten Schritt, heftig zurückgewiesen. Eine
bestimmte Zeit nach der Staatsgründung hat sich Ben-Gurion mit der
Teilung abgefunden und sich damit begnügt, der Entstehung eines
palästinensischen Staates durch die Annektion der Westbank von
Jordanien auszuweichen. Er hat aber die politischen und
militärischen Weichen so gestellt, dass es unausweichlich zu der
Fusion mit den entsprechenden Auffassungen der rechten Szene kommen
musste.
Die Losung der
rechten Szene war: "Durch Blut und Feuer ist Jehuda gefallen, durch
Blut und Feuer wird Jehuda wieder auferstehen". Abgesehen von
Moshe
Shareth, Mitgründer des Staates und zweiter Ministerpräsident
Israels, haben alle Machthaber Israels bewusst und zielstrebig die
Politik von Blut, Boden und Feuer praktiziert. Moshe Shareth, der
offensichtlich Zurückhaltung gegenüber Gewalt und
Vergeltungsaktionen zeigte, wurde kurz nach seinem Amtsantritt von
Ben-Gurions Camarilla beseitigt, um den schmutzigen Sinaikrieg
vorzubereiten.
Um die Situation
anschaulicher zu machen, möchte ich eine zutreffende Anekdote
erzählen: Ein berühmter Wunderrabbi, Mystiker und Menschenheiler,
hat tagsüber Menschen geheilt und ihnen geholfen, nachts studiert
und gebetet, um die Erlösung zu beschleunigen. Mit vielen guten
Taten und schon sehr betagt hoffte er, in den Himmel zu kommen und
dort das Angesicht der "Shechina" und das göttliche Licht - für
Gerechte aufbewahrt - zu geniessen. Als er starb und in den Himmel
kam, war er überrascht, dass anstatt strahlenden und göttlichen
Lichts er düsteren Nebel und Rauch sah, einen beißenden
Schwefelgeruch, jammernde Stimmen und Geschrei vernahm, alles
anders, als er erwartet hatte. Entsetzt und erschrocken schrie er:
Gott, mein Vater, wo bin ich?! Darauf erschien ein großes schwarzes
Wesen mit Hörnern und sagte: "Da bin ich, mein Sohn!" "Wieso, sagte
der Gerechte, ich dachte, dass ich verdient hätte, im Himmel zu
sein! "Eben, war die Antwort, du bist im Himmel, aber wir haben
fusioniert".
Die Entstehung des
Staates Israel war für uns Juden und viele unserer Freunde wie eine
göttliche Erscheinung und erfüllte Verheißung. Viele erkennen in den
demokratischen, sozialen, wirtschaftlichen und Rechtsstrukturen die
verkörperte Vision unserer Propheten und Gerechtigkeitsträumer in
der ganzen Welt. Wieso hat sich im Laufe der Zeit dieses
versprochene Paradies in eine Hölle verwandelt? Die Fusion ist die
Antwort. Die israelische Politik hat in der Fusion mehr Raum für den
Teufel der Gewalt und des Todes als für den Gott des Lebens, des
Friedens und der Liebe gelassen, und wenn es so weiter mit der
Sicherheitspolitik geht, lauert hinter dem teuflischen Gesicht der
uneingeschränkten Gewaltausübung, des Hochmuts und der zynischen
Verlogenheit der sichere Untergang.
Der Holocaust im Dienst der Gewalt und des Todes
Nach dem zweiten
Weltkrieg war ein Teil der Welt erschüttert über die Folgen des
bestialischen Nationalsozialismus. Angesichts der einmalig
schrecklichen Situation herrschte ein fast einheitlicher Aufschrei:
"NIE WIEDER"! Es darf der Menschheit nie wieder Ähnliches passieren.
Wesentlich anders war die Schlussfolgerung der führenden
israelischen Politiker. "Es darf uns Juden nie wieder passieren.
Damit es nie wieder passiert, müssen sich alle Juden in einem
jüdischen Staat konzentrieren und dafür sorgen, sich stark und
gewalttätig wehren zu können. Die Welt hat gleichgültig und herzlos
zugeschaut, wie die Juden abgeschlachtet wurden, und nur wir, der
zionistische und demokratische Staat Israel, entscheiden, was
richtig für unsere Sicherheit ist. Für diesen Zweck sind alle Mittel
heilig“.
Außer der
militärischen Stärke, die Israel zur regionalen Supermacht
umwandelte, ist der Holocaust das wichtigste Mittel zum Zweck. Diese
Auffassung ist in der israelischen Öffentlichkeit heftig umstritten
gewesen. So zum Beispiel haben Martin Buber, Akiba Ernst Simon und
viele andere noch vor fünfzig Jahren vor der Gefahr gewarnt, Sparta
oder Preußen zu werden.
Neulich erschien in
deutscher Sprache das Buch von Idith Zertal "Nation und Tod. Der
Holocaust in der israelische Öffentlichkeit". Zertal ist in einem
Kibbuz geboren und zionistisch-sozialistisch erzogen worden. Sie
schließt sich der Kritik von Hannah Arendt an, die die
"Germanisierung der israelischen Politik" durch Einspannen des
Holocaustes in den Wagen der nationalistisch-militaristischen
Politik Israels mit Sorge verfolgt hat. Ein kurzes Zitat aus ihrem
Buch : "Mit Hilfe von Auschwitz - Israels ultimativer Trumpfkarte
bei seinen Beziehungen zu einer Welt, die immer wieder aufs Neue als
antisemitisch und auf ewig feindselig definiert wurde - immunisierte
sich Israel selbst gegen jedwede Kritik und genehmigte sich einen
quasi sakrosankten Status, verschloss sich einem kritischen,
rationalen Dialog mit seiner Umwelt".
Dieser Satz
erläutert das Wesen der israelischen Politik seit der
Staatsgründung. Die Fusion zwischen Holocaust und aggressivem,
expansionistischem Militarismus, die Einbahnstraße einer Politik,
die nur in eine Richtung führt: Möglichst viele
Palästinenser zu vertreiben, viel Land mit der zynischen Behauptung,
es sei öffentliches Land, zu enteignen, viele uralte Weinberge und
Olivenhaine für Straßen zu entwurzeln, auf denen nur die
gewalttätigen Siedler fahren dürfen, um sich auf den
"befreiten"Gebieten unserer Vorfahren vor Jahrtausenden
niederzulassen. Diese Schandtat - als neue Siedlungen bekannt -
bezeichnet eine andere Fusion: Nämlich die Fusion zwischen
Nationalismus und faschistischem Klerikalismus. Bis 1977 herrschte
ununterbrochen eine säkulare Regierung mit einer
zionistisch-sozialistischen Mehrheit. Sozialisten, die mehr und mehr
nationalistisch werden und den Staat teilweise klerikal prägen,
fördern die Ansiedlung von einem fanatisch überhitzten Messianismus,
der das Leben von armen und schwer schuftenden Bauern zu einer Qual
und Hölle macht.
Die
"Einbahnstraßenpolitik" findet auch ihren Ausdruck in der
scheinheiligen Behauptung, dass – n a c h Hitler - diejenigen, die
sich weigern, das Recht von Juden anzuerkennen, sich in irgendeinem
Teil von Eretz-Israel niederzulassen, die antisemitische und
rassistische "Judenreinpolitik" untermauern. Warum eigentlich auch
sollten Juden nicht in der Westbank als friedfertige Nachbarn leben?
Warum aber dürfen von Israel vertriebene Palästinenser nicht in
Israel leben? Ein Recht, das nicht nach zweitausend Jahren verjährt,
verjährt nicht nach fünfzig Jahren. Nun zeigt sich aber der
rassistische Haken: Eine Rückkehr von Palästinensern wird
unausweichlich die Sicherheit von Israel gefährden. Unausweichlich
aber kommt die Frage: Und was ist mit der palästinensischen
Sicherheit? Denn die meisten Siedler haben das Leben in der Westbank
zu einer Hölle gemacht. Kein Palästinenser heute ist sich seiner
Freiheit, seines Olivenhains, seines Hauses, seines Vermögens und
seines Lebens sicher. Eine die Menschen liebende und Freiheit
achtende Welt hätte längst diese gewalttätige Bande von Rowdies als
Verbrecher angeprangert. Wir aber sind ewige Opfer, ewig gefährdet
durch diese „ewig wilden Tiere, die man, wenn man sie nicht los
werden kann, hinter Mauern und Zäunen einsperren muss“.
Die Schilderung aller Ungeheuerlichkeiten der
"Einbahnstraßenpolitik" sprengt den Rahmen dieses Artikels. Mit
Bertolt Brecht kann man behaupten, dass nur Menschen mit glatter
Stirn, mit tauben Ohren, mit geblendeten Augen und mit stumpfen
Gefühlen es noch nicht ehrfahren haben. Die "ultimative
Auschwitz-Trumpfkarte" funktioniert ausgezeichnet. Sie schließt
zauberhaft den Mund und das Gewissen von vielen anständigen Menschen
in Deutschland, die mit ehrlicher Sorge und Kummer verfolgen, wie
Israel mit dieser "Trumpfkarte" sich in den Abgrund steuert.
Man kann in
Deutschland die Hände in Unschuld waschen und das abgedroschene "Mantra"
wiederholen: "Was können wir schon mit unserer Vergangenheit tun"?
Die Achse aber von Bush / Sharon arbeitet, und das sehr wirksam. Der
neuer Spin - von Sharon und von Bush genehmigt - heißt "einseitiger
Rückzug aus Gaza". Er fegt alle UNO-Beschlüsse samt der "Roadmap" in
den Papierkorb. Mehr als drei Millionen Palästinenser werden in eine
riesigen Käfig gesperrt, mit Sicherheit aber nicht der Terror.
Der fusionierte
Terror von "el-Kaida" und" Hamas" bleibt nicht vor den Toren Europas
stehen. Sagt bitte bloß nicht wieder, es nicht gewusst zu haben.
Die
Frankfurter Rundschau hat den Text vom 19.April 2004 abgelehnt. Er
wurde redaktionell geringfügig überarbei tet.
T:I:S, 15. Mai
2004
*
Reuven Moskovitz wollte den Text
veröffentlichen mit dem Untertitel Der Holocaust im Dienst der
Gewalt und des Todes. Die Frankfurter Rundschau wollte nicht,
und so erschien der Artikel hier.
Inzwischen hat Moskovitz an der
Kölner Aktion „Stop the wall“ teilgenommen. Gleichzeitig hat die
Frankfurter Rundschau Moskovitz’ Artikel redaktionell überarbeitet
und mit einem Monat Verspätung im Juni
veröffentlicht. Den Untertitel, der sagt, was im Artikel steht,
hat sie ersetzt durch: Die Instrumentalisierung des Holocaust für
Israels Sicherheit.
Moskovitz spricht nicht von
israelischer Sicherheit. Er meint: "Mit Hilfe von Auschwitz -
Israels ultimativer Trumpfkarte bei seinen Beziehungen zu einer
Welt, die immer wieder aufs Neue als antisemitisch und auf ewig
feindselig definiert wurde - immunisierte sich Israel selbst gegen
jedwede Kritik und genehmigte sich einen quasi sakrosankten Status,
verschloss sich einem kritischen, rationalen Dialog mit seiner
Umwelt".
Moskovitz schrieb noch im April,
die jüdischen Siedlungen auf palästinensichem Gebiet bezeichneten
die Verschmelzung von israelischem Nationalismus und faschistischem
Klerikalismus. Die Rundschau fand den israelischen Klerikalismus im
Juni nicht faschistisch und hat das Wort aus ihrer Fassung
gestrichen.
Reuven
Moskovitz ist Historiker und Mitbegründer des Friedensdorfes Neve
Shalom/Wahat Salam in Israel, einer Siedlung, in der israelische
Juden und Palästinenser zusammenleben. Er war Sekretär der Bewegung
für Frieden und Sicherheit in Israel. Seit mehreren Jahrzehnten ist
er aktiv in der Friedensbewegung und um die Verständigung und
Aussöhnung zwischen Palästinensern und Israelis, aber auch um die
deutsch-israelische Versöhnung bemüht. Er ist Preisträger des Mount
Sion Award 2001 und Preisträger des internationalen Aachener
Friedenspreises 2003. Von seinem Buch "Der lange Weg zum Frieden"
erschien die vierte Auflage.
T:I:S, 7. Juni
2004
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