Einwanderer und Einheimische
Meron Benvenisti, Haaretz, 1.6.06
Es ist weniger als
zwei Wochen her, dass der Oberste Gerichtshof seine Entscheidung
veröffentlichte, die den Entzug der Rechte der Palästinenser auf
Familienzusammenführung aufrecht erhält. Und wir haben die
Entscheidung, dass palästinensische Parlamentsmitglieder von Hamas, die
in Jerusalem leben, ausgewiesen werden, wenn sie nicht innerhalb von 30
Tagen auf ihr Amt verzichten.
Der Misstrauische
wird eine Verbindung zwischen den beiden Entscheidungen finden und sich
fragen, ob die Regierung absichtlich versucht, die Geduld des
öffentlichen und rechtlichen Systems auf die Probe zu stellen, was üble
Akte betrifft, die an Rassismus grenzen – womöglich als Vorbereitung für
brutalere Schritte. Nach bisherigen Reaktionen gab es keine bestimmten
Forderungen nach einem Ende dieser Grausamkeit. Die Regierung kann also
auf diesem „lustigen“ Wege weitergehen. Der Sicherheitsvorwand dient
als wirksames Feigenblatt für jede Kritik aus dem Inneren, und Kritik
aus dem Ausland kann immer als eine Art Antisemitismus zurückgewiesen
werden.
Anscheinend gibt es
keine Verbindung zwischen der Verhinderung von Familienzusammenführung
und der Drohung der Vertreibung; aber beides berührt die grundlegende
Auffassung des Status’ der Palästinenser in ihrer Heimat: Es ist kein
Zufall, dass beide Probleme in den Bereich „Einreise nach Israel“
gehören, ob nun im Sinne von „verhindern“ oder „berauben“.
Die Israelis, Kinder
von Immigranten, die im besten Falle nur durch eine Generation vom
Flüchtlingsstatus getrennt sind – entwurzelt und vertrieben – bürden den
einheimischen Palästinensern den Status des Ausländers auf, als ob sie
in einem fremden Land leben würden, zwingen sie, für ihr Recht zu
kämpfen, in ihrem eigenen Hause leben zu dürfen, setzen sie einem
Vertreibungsdekret aus oder verbieten ihnen den „Zutritt“( nach Israel)
mit der Begründung, dass „sie nicht hierher gehören“.
Es ist noch nicht
viel Zeit verstrichen, dass der jüdische Yishuv um seine Rechtmäßigkeit
kämpfte und gezwungen war, sich gegen die Behauptung zu wehren, dass er
nur ein Haufen Immigranten sei, die ein Land nehmen , das ihnen nicht
gehört – bis sich die Situation umdrehte. Nun ist es das
palästinensische Volk, das für die kollektive Rechtmäßigkeit kämpft,
dies sei ihre Heimat und sie nicht irgendein Haufen von Ausländern
seien, die in ein Land einbrechen, das nicht das Ihrige ist, und die
nichts anderes als eine Bande von Terroristen seien.
Die Palästinenser,
die sich um die Familienzusammenführung bemühen und um das Recht, in
Israel zu leben, werden zurückgewiesen, weil sie Fremde seien und ihre
Präsenz hier das „Gesicht der israelischen Gesellschaft verändern“
könnte. Die Jerusalemer Mitglieder des Palästinensischen Parlaments
haben wie alle palästinensischen Bewohner Jerusalems nie um einen Status
als „permanente Bewohner“ gebeten – er wurde ihnen auferlegt.
Als Israel 1967
Ost-Jerusalem eroberte, versuchte es, das Gebiet zu annektieren, aber
ohne Einwohner. Der juristische Trick, der für diesen Zweck erfunden
wurde, und der 70 000 Arabern von Ost-Jerusalem auferlegt wurde, war
der Status „Bewohner mit Daueraufenthaltsgenehmigung“, als ob sie neue
Immigranten wären, die noch nicht als Bürger naturalisiert worden sind.
Aber in diesem Falle waren es nicht die Araber, die nach Israel
auswanderten, sondern Israel, das zu ihnen einwanderte. Unter den
Bedingungen, die damals vorherrschten, war es ein liberaler Schritt,
auch wenn er dem Völkerrecht widersprach, dass ihnen einerseits die
jordanische Staatsbürgerschaft nicht genommen wurde – denn es war für
sie wichtig, da das jordanische Königreich ihr Zentrum war, was
Wirtschaft, Verwaltung, Bildung und auch die Familie betraf – auf der
andern Seite gab ihnen das „permanente Wohnrecht“ das Recht, sich
einiger Begünstigungen von Israels Wohlfahrtssystem, Bewegungsfreiheit
und einer relativ größeren Redefreiheit zu erfreuen als in den besetzten
Gebieten.
Es war keine
besondere Gunst, die von Seiten der israelischen Besatzer kam, weil die
Alternative, die israelische Staatsbürgerschaft zu gewähren, wie den
Arabern im sog Dreieck, das 1949 annektiert wurde, schlechter gewesen
wäre. Und sie ohne einen Status in Israel zu lassen, würde den
Ansprüchen der „vereinigten Stadt“ widersprechen und hätte die
Besatzung in ihr verewigt.
Deshalb ist die
Prahlerei des Innenministers, dass er ihnen eine Gunst erweise, wenn sie
der Nationalversicherung, angeschlossen seien , Kindergeld und
Krankenversicherung erhalten – nur hohl und gönnerhaft. Diese
Einrichtung ist 40 Jahre alt und lässt Leute wie Ehud Olmert und Ronni
Bar-On stolz über die „Vereinigung Jerusalems“ sein und die „Linken
verurteilen, die Ost-Jerusalem vernachlässigen, weil sie die Stadt
teilen wollen.“
Der Verdacht macht
sich breit, dass der Akzent auf der Ablehnung des „permanenten
Wohnrechts“ ( und der Ablehnung der Rechte, die damit zusammenhängen)
die Grundlage für ähnliche Schritte gegenüber 230 000 palästinensischen
Bewohnern der Stadt vorbereiten, die auf der westlichen Seite der Mauer
ein- bzw. ausgesperrt sind. Wenn die Wahl einer Person bei
demokratischen Wahlen und nach einem öffentlichen Forum eine
Entschuldigung sein kann, ihr den „permanenten Status“ zu nehmen und
sie damit aus ihrem Haus vertreibt, und wenn die Definition eines jeden
Palästinensers als „Ausländer“ und als „feindliches Subjekt“ ist, dann
heißt das, sie ihres Rechtes des „permanenten Wohnsitzes“ zu berauben –
was bedeutet das für alle Einwohner Ost-Jerusalems?
Ist dies die
Botschaft, die die Regierung auszusenden wünscht: wir sind in der Lage,
das Wohnrecht, in Jerusalem zu leben, zu streichen? Es wäre eine
Botschaft, die Vertreibung heißt oder Raub der Rechte, die bewilligt
worden sind, oder von Vorgehensweisen, die 40 Jahre lang bestanden
hatten?
Dann sind wir über
wachsende Proteste weltweit schockiert, die Israel als Apartheidstaat
verurteilen. Diejenigen, die Mohammed Abu-Ter aus seinem Haus vertreiben
wollen, verdienen berechtigt Verurteilung und Verachtung.
(dt. Ellen Rohlfs)
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