Rebelion.org_21.02.2012
Wirtschaftliche Normalisierung
Shir Hever/Centro de
Informacion Alternativa (AIC), Jerusalem/07.02.2012
Die Diskussion über die Normalisierung
und die Möglichkeiten der Abschwächung des Kampfes gegen die
Besatzung dreht sich hauptsächlich um Fragen wie Treffen zwischen
den (beiden) Völkern, Konferenzen, Jugendlager für Israelis und
Palästinenser und andere Aktivitäten der "Koexistenz", aber es wurde
bisher sehr wenig über die wirtschaftliche Seite der
"Normalisierung" gesagt oder geschrieben.
Seit Beginn der Oslo-Verhandlungen
entsteht in Israel ein neuer Wirtschaftsektor, (es bildet sich) eine
Gruppe von Personen, die Einkünfte aus der Promotion von
Normalisierungs-Projekten mit Geldern aus Europa und den Vereinigten
Staaten erzielen. Diese Israelis und eine kleinere Gruppe von
Palästinensern wiederholen immer wieder das Ritual der Organisierung
gemeinsamer Aktivitäten von Israelis und Palästinensern und schaffen
damit die Illusion, dass solche Veranstaltungen dazu beitragen, den
Konflikt zu verkleinern, ohne seine wirklichen Gründe in Betracht zu
ziehen. Viele Spender tragen gerne etwas zu diesen Projekten bei,
weil sie annehmen, dass sie damit etwas zum "Friedensprozess"
beitragen ohne kontroverse Themen angehen zu müssen. Die Leute, die
diese Projekte organisieren, haben damit eine Karriere gemacht, auch
noch lange nachdem der aktuelle "Friedensprozess" gescheitert ist.
Das Peres Center for Peace, eine
israelische NGO mit einem Namen wie dem des israelischen Präsidenten
Shimon Peres, ist die bekannteste NGO für Normalisierung. Sein
opulentes Gebäude in der Stadt Jaffa ist ein perfektes Beispiel
dafür, dass die Organisation eine gigantische, wunderbare Struktur
darstellt (mit ausländischem Geld finanziert), umgeben von der Armut
der enteigneten Palästinenser, während sie vorgibt, die
Palästinenser als "gleiche Partner" einzubeziehen und ihnen zu
helfen, gleichzeitig aber die ganze Geschichte der Ungerechtigkeit
ignoriert, die die aktuelle Situation in Jaffa oder in den besetzten
Gebieten geschaffen hat.
Die israelische Regierung ist schnell
dabei, die Projekte der Normalisierung zu kapitalisieren und zitiert
sie in den Berichten des Außenministeriums für das Quartett als Teil
seiner Propaganda-Strategie ("hasbara").
Die aktuelle wirtschaftliche Bedeutung
dieser "Professionellen im Friedensprozess" ist nicht groß. In der
wirtschaftlichen Normalisierung stecken tiefere wirtschaftliche
Interessen, die eine Auswirkung auf die wirtschaftliche Zukunft der
Region haben können.
Das beste Beispiel ist der Plan
"Korridor des Friedens". Der Plan hat viele Komponenten, und solange
die Verhandlungen laufen, ist nicht klar, welche durchgesetzt werden
und welche nicht. Zu diesen Komponenten gehört ein Kanaldurchstich,
der das Rote Meer mit dem Toten Meer verbinden soll, um den
Wasserpegel im Toten Meer anzuheben und aus dem Wasser Elektrizität
zu gewinnen, die vor allem für die Wasserentsalzung gebraucht wird.
Eine andere Komponente ist eine Eisenbahn, um Rohstoffe aus
Jordanien zu bringen, die in der Gegend von Jenin im besetzten
Westjordanland von palästinensischen Arbeitern bearbeitet und dann
über den Hafen von Haifa/Israel nach Europa exportiert werden
sollen.
Andere Komponenten sind touristische und
landwirtschaftliche Attraktionen, die an der israelisch-jordanischen
Grenze entwickelt werden sollen.
Das Projekt präsentiert sich als
israelisch-jordanisch-palästinensisches. Jordanien ist wegen der
internationalen Investitionen Teil dieses Projekts, Israel soll
dadurch eine Belebung seiner Exporte nach Europa erfahren (ebenfalls
mit Hilfe ausländischer Investitionen) und die palästinensischen
Repräsentanten würden zumindest für die Vorhaben des Projekts als
Repräsentanten eines Staates behandelt. Israel würde noch einen
weiteren Nutzen haben. Projekte wie diese gewähren den israelischen
Unternehmen Zugang zu arabischen Märkten, die ihnen sonst
verschlossen blieben (wie die der Golfstaaten), da die Produkte mit
dem Etikett "made in Jordan" oder "made in Palestine" versehen
werden, auch wenn israelische Unternehmen daraus Gewinn schöpfen.
Es ist kein Zufall, dass das Peres
Center for Peace hart an der Durchsetzung des Projekts arbeitet. Die
Japanische Agentur für Internationale Zusammenarbeit hat das Projekt
schon als eines von hoher Priorität eingeschätzt (und ist trotz der
erst kurze Zeit zurückliegenden japanischen Tragödien bereit zu
investieren). Israelische Billionäre wie Yitzhak Tshuva haben
bereits Interesse an dem Projekt gezeigt.
Viele Aspekte des Plans "Korridor des
Friedens" könnten sinnvoll und aus einer wirtschaftlichen Sicht
beachtenswert sein. Aber die ungleichen Machtverhältnisse in den
Verhandlungen bedeuten, dass die Möglichkeit, dass die Palästinenser
ihren gerechten Anteil an den Gewinnen aus dem Projekt erhalten, bei
Null liegt, und solange die Palästinenser nicht aus einer starken
Position heraus verhandeln können, können die Abkommen – die mit der
Illusion normaler Beziehungen zwischen Palästinensern und Israelis
geschlossen werden, die Ungleichheiten auf Grund von Enteignung und
Besatzung aber ignoriert werden - auf lange Sicht der
palästinensischen Wirtschaft schaden, was sie nicht verhindern
werden können. Das verweist ganz klar auf ein wesentliches Problem
aller Formen der Normalisierung, einschließlich der symbolischen
Projekte wie das "Peres Center for Peace", nämlich dass die
ungleichen Machtverhältnisse ignoriert und den Verhandlungen ein
Anschein (von Normalität) gegeben, den palästinensischen Interessen
aber Schaden zugefügt und ihre Fähigkeiten, ihr Schicksal in die
eigene Hand zu nehmen, zum Scheitern verurteilt werden.
Quelle: http//www.rebelion.org/noticia.php?id=145014&titular=normalizacion-economica
aus dem Spanischen übersetzt von K.
Nebauer
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