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Lektionen für
den nächsten Aufstand
Mazin Qumsiyeh 11. 2. 13
Mein Buch über den
„Volkswiderstand in Palästina: eine Geschichte der
Hoffnung und Bevollmächtigung/ Ermächtigung“ war in
der Absicht geschrieben, um den Lesern Lektionen
über unsern 130 Jahre langen Widerstand zu geben.
Doch selbst dieses 300seitige Buch gibt nur eine
kleine Ahnung von dem, was die Menschen hier vor
Ort täglich durchmachen. Der fünfte Versuch, unsere
Präsenz auf dem bedrohten palästinensischen Land
sichtbar zu machen, wurde noch brutaler begegnet
und zwar im Raum Yatta südlich von Hebron. Ich
sage sichtbar , weil natürlich Bauern aus der Gegend
dies tun und erfolgreich an ihrem Land hängen,
allein durch reine Beharrlichkeit und
Unverwüstlichkeit und dies 24 Stunden am Tag und
seit mehreren Jahrzehnten israelischer Besatzung
und Kolonisierung. Die Palästinenser lernen aus
diesen Aktivitäten für die 14. oder 15. Welle von
Widerstand (Aufstand): Das schließt folgende 7
Punkte mit ein:
1.
Wir brauchen keine
Menge Geld: Viel wurde in Bab al Shams mit vielen
Zelten, Bettzeug, Lebensmittel etc. verbraucht …
und alles wurde von Israelis genommen bzw.
gestohlen. Beim letzten Versuch wurde nur ein Zelt
benützt und die Leute begannen eine Steinhütte zu
bauen, was genau so wirksam war. Man stelle sich
nur vor, wir würden alle Steinhütten bauen oder
Bunker/Höhlen in die Abhänge. Dazu braucht man nicht
viel (meistens freiwillige Unternehmen). In dem
Prozess, das Land zu halten und darauf zu wohnen
wird jetzt, wenn der Frühling kommt, möglich sein.
Unser Land ist sehr produktiv und noch
produktiveres Land kann beansprucht werden.
2.
Wir benötigen
Mechanismen, um Teilnehmern über ihre Rechte
aufzuklären und ihnen zu sagen, was sie erwartet.
Dies ist besonders der Fall, wenn es um ihre legalen
Rechte geht (Einschließlich des Völkerrechts.) Wenn
die palästinensische Führung nicht bereit oder nicht
in der Lage ist, legale Unkosten zu übernehmen,
müssen wir etwas finden, um dies zu tun. Eine
richtige medizinische Versorgung muss für die da
sein, die verletzt werden.
3.
Palästinensische
Politiker versuchen unterschiedlich, sich
irgendeiner Aktivität anzuschließen, um auch ihre
politische Agenda voran zu bringen. Dies ist
natürlich, aber Aktivisten müssen darum wissen und
versuchen, dies höflich aber fest zu managen. (Jeder
sollte natürlich willkommen sein, teil zu nehmen,
aber die Botschaft nicht entführen.) Außerdem
sollte eine „Führung“, die nur daran interessiert
ist, Privilegien und Positionen zu behalten,
herausgefordert werden, sich entweder zu reformieren
oder aus dem Weg zu gehen.
4.
Wir müssen von
Fehlern lernen. Zum Beispiel bei der ersten
Presseverlautbarung, die uns vom Ban al Shams-Event
von den Organisatoren gesandt wurde, wurde uns
erzählt: „Seit Jahrzehnten hat Israel neue Fakten
vor Ort geschaffen, da die internationale
Gemeinschaft auf all diese Verletzungen (der
Menschenrechte) schwieg. Nun ist die Zeit gekommen,
um die Spielregeln zu ändern: Es ist jetzt an uns,
neue Fakten vor Ort – auf unserm eigenen Land zu
ändern.“ Meiner Meinung nach ist dies kein gutes
Statement. (Ich war in den USA 25 Jahre lang
Medienaktivist und organisierte Medien-Teams, die
z.B . in der Lage waren, Hunderte von Geschichten in
die Hauptmedien der USA zu bringen, was keine
leichte Aufgabe war, wenn man an ihre zionistische
Haltung denkt.) Aber dieses Gebiet ist schon
bewohnt und wir sind sicher keine (mimicking?)
Siedler, die neue Fakten vor Ort schaffen. Wir sind
Palästinenser, die versuchen, andern Palästinensern
zu helfen (von Al-Zaim, Al-Ezeriya/Bethany, und
Eisawia) , die an ihrem Land festhalten. Israel hat
schon Hunderte von Olivenbäumen zerstört, Menschen
vertrieben, ihr Land konfisziert etc. Diese Fakten
wurden einfach nicht und schon gar nicht effektiv
in den Medien gebracht. Es war auch sehr
enttäuschend, dass mit den Mengen von Medien rund
um den Abend (?) die Organisatoren nicht eine
Pressemappe brachten, in der wenigstens eine
Landkarte und wesentliche Fakten der Gegend gezeigt
werden. (die liegen bereit, einschließlich einer
guten palästinensischen Quelle wie Applied Research
Institut von Jerusalem. (s. Beispiele)
5.
Wir müssen in
größerem Umfang die sozialen Medien für die Werbung
und Ausbildung von Aktivisten benützen. Aktivisten
müssten vorher einiges Training durchmachen.
6.
Wir müssen die
israelische Kontrollpolitik unterwandern. Die
israelischen Planer haben über das Oslo-Abkommen ein
System entwickelt, um die Kontrolle über die
Palästinenser (die Gefängnisinsassen!) sicher zu
stellen und zwar durch ein systematisches Entfernen
unserer Rechte, um sie in winzigen Portionen dann
zurückzugeben, wenn wir uns gut benehmen. Z.B. die
Anwendung der Passierscheine, um unsere eigenen
Städte wie Jerusalem zu betreten oder das
Zurückhalten unserer Steuergelder (Diebstahl).
Während es schwierig ist, einiges davon rückgängig
zu machen (Würde es leichter gewesen sein, von
Anfang an, sich einfach zu weigern, einzuwilligen.
Es ist nicht unmöglich, die ganze Dynamik zu ändern
. Wo ein Wille ist, da ist ein Weg. Aber noch
wichtiger ist, dass es nicht möglich ist, den Status
quo aufrecht zu erhalten.
7.
Wir müssen dafür
sorgen, dass die Besatzung für die Besetzer zu
teuer wird. Was dies betrifft, können wir von andern
Ländern lernen, wo die einheimische Bevölkerung in
der Lage war, die Fortsetzung der Besatzung/ der
Kolonisierung herauszufordern: Süd-Afrika,
Algerien, Vietnam etc.
Andere Polizeistaaten benützen
Wasserkanonen, um Demonstrationen auseinander zu
treiben. Aber meiner Erkenntnis nach erfand nur der
Apartheidstaat Israel die stinkende chemische
Waffe, um sie gegen friedliche Bauern einzusetzen,
die an ihrem Land festhalten. Die Mischung von
giftigen Substanzen und Extrakten aus Fäkalien
bleiben an der Haut und in den Kleidern kleben und
es ist sehr schwierig, dies Zeug wieder raus zu
bekommen, selbst wenn man nicht bewusstlos wird oder
durch die hohe Kraft verletzt wird. Dies war das
Schicksal der Bauern heute in Yatta und auch von
uns, die wir ihnen unsere Solidarität zeigen
wollten. Israelische Soldaten begannen tatsächlich
ihren Angriff mit dem Kidnappen von vier
Journalisten. Das war ziemlich schockierend,
besonders für die vielen Internationalen, die
niemals Aktionen von solcher Brutalität gesehen
hatten. Unsere kollektive Botschaft für die fünfte
direkte Aktion , um einheimische Bauern zu
unterstützen, die auf ihrem Land bleiben wollen,
war „Es ist unser natürliches Recht, auf all unsern
Land zu leben, es zu entwickeln, zu kultivieren, zu
verbessern und zu gebrauchen und zwar frei und ohne
Drohungen von Seiten der Besatzer.“
Die ersten drei Zelte wurden von
der Besatzungsarmee sehr früh um 6 Uhr abends
gestohlen. Wir gingen dann zurück zu einem etwas
anderen Ort und begannen damit , eine einfache
Steinhütte zu bauen und ein Zelt aufzuschlagen. Aber
die etwa 70 schwer bewaffneten rassistischen
Apartheidsoldaten kamen her, kidnapptem Leute und
benutzten dann die scheußlich stinkende
Wasserkanone auf friedliche Zivilisten. Trotz der
israelischen Versuche uns daran zu hindern, machten
wir eine Menge Bilder und Videos.
Am Freitag wurde eine
Abendandacht von über 100 Christen aus dem Raum
Bethlehem abgehalten, um das Land in der Nähe des
Cremisan-Klosters davor zu bewahren , dass es von
den kolonialen Siedlungen übernommen wird.
Bethlehem hat schon das Meiste seines Landes an die
wachsenden Siedlungen – nur für Juden – verloren .
Eine Person beklagte sich bei diesem Ereignis laut
über die Gegenwart des britischen Konsul
(schließlich hatte Großbritannien geholfen, den
zionistischen Staat auf Palästina zu errichten.)
Schweigen ist Mittäterschaft.
Aber ich würde noch weitergehen und mit einem großen
Denker überein stimmen, der einmal sagte, wer in
einer Situation von Ungerechtigkeit neutral
danebensteht, steht auf Seiten der Unterdrückung.
Wir wurden jeden Tag daran erinnert, als wir in den
besetzten Gebieten herumreisten und das Leiden
sahen, aber auch die inspirierende Hartnäckigkeit
und Unverwüstlichkeit der lokalen Bauern, die an
ihrem Land hängen , den Kindern, die weiter zur
Schule gehen, den Lehrern, die weiter unterrichten,
von Sanitätern und Ärzten, die sich um ihre
Patienten kümmern und Künstler, die weiter ihre
Kunst betreiben etc. Kurz gesagt, wenn wir sehen,
wie die Palästinenser in Palästina in Würde leben
und zum größten Teil sich weigern, sich dem Diktat
des rassistischen Regimes zu unterwerfen.
(dt.
Ellen Rohlfs)
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