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Wir Israelis haben nicht das Recht, den Palästinensern ihr Recht auf
Freiheit zu nehmen
Noam Sheizaf
Der Konflikt ist
tatsächlich ein israelisches Problem – ein Regime, das verschiedene
Arten von Rechten für verschiedene ethnische Gruppen verwalten. Die
Palästinenser sollten es nicht nötig haben, von israelischen
Konzessionen abhängig zu sein , was ihre eigenen Rechte betrifft.
Wenn man ausländische
Nachrichten über den Konflikt hört, könnte man denken, es besteht ein
souveränes Palästina, das einigen territorialen Streit mit dem Staat
Israel hat. Immer wieder wird eine der beiden Parteien gewalttätig; in
andern Zeiten reden sie mit einander, aber mit wenig Erfolg. Vermittler
mit guten Absichten kommen und gehen und suchen nach einer Formel, mit
der die Feindseligkeiten beendet werden können. Der durchschnittliche
Nachrichtenleser fragt sich, wie kommt es, dass dies Problem nicht
gelöst wird.
Die Antwort ist die: Die
Geschichte hat sehr wenig mit der Realität vor Ort zu tun. Es gibt kein
Palästina. Israel ist der einzige Herrscher zwischen dem Jordan und dem
Meer. Israel kontrolliert alle Grenzen; die Währung ist der Neue
Israelische Schekel und die Zentralbank ist israelisch. Israel
kontrolliert die Registration der Bevölkerung, die Häfen und den
Luftraum, selbst die palästinensische Polizei besteht, um Israel zu
schützen, nicht die Palästinenser.
Unter israelischer
Herrschaft haben Juden alle Rechte – die Palästinenser nicht. Diejenigen
von ihnen, die westlich der Grünen Linie geboren wurden, haben (fast)
volle Rechte, aber sie werden schwer überwacht und diskriminiert. Etwa
300 000 Palästinenser in Ost-Jerusalem sind „residents“. Sie können
nicht an den allgemeinen Wahlen teilnehmen; sie können kein Staatsland
kaufen und ihr Status kann ihnen genommen werden – entweder als
Individuen oder auch als Kollektiv, wie Israel es im Augenblick mit
einigen Gebieten vorhat, die unter der Kontrolle des Militärregime und
die gar nicht vom israelischen System vertreten sind und seit fast einem
halben Jahrhundert unter militärischem Gesetz leben .
Der „Konflikt“ ist
tatsächlich ein internes israelisches Problem – ein Regime, das
verschiedene Arten von Rechten von verschiedenen ethnischen Gruppen
verwaltet.
Anstelle von rassischer
Trennung arbeitet das System nach Klassen der Bürgerschaft, aber das
Ergebnis ist nicht so anders. Es ist keine vorläufige Situation. Es ist
die Realität, wie diese die meisten Israelis und Palästinenser ihr Leben
lang kennen.Solch eine komplizierte, getrennte Systemstruktur aufrecht
zu halten, ist eine schwierige Aufgabe. Da die meisten Palästinenser
daran gehindert werden, an dem System teilzunehmen, gibt es nur einen
Weg, sie zu kontrollieren: mit Gewalt.
Auf einander folgende
palästinensische Aufstände sind die Folgen in der Westbank und im
Gazastreifen, die wie Freiluftgefängnisse aussehen: mit 9m hohen Mauern
und Wachtürmen. Israel ist ein Weltführer in der Überwachung geworden,
auch für gezielte Morde und in der Technik Menschenmengen zu
kontrollieren
Seit den späten
70er-Jahren wurden fast alle Kriege Israels gegen die Palästinenser
geführt. Israel kämpfte diese Kriege mit einem Ziel: den Status quo
innerhalb seiner Grenzen zu bewahren. Die einzige Ausnahme - der
Krieg von 2006 mit der Hisbollah – war sehr eine Folge des Einfalls in
den Libanon, der ein Krieg gegen die PLO war.
Doch Israels wirklicher
Erfolg - die Folge von einem überwältigen Ungleichgewicht von Macht –
es ist seine Fähigkeit das „diplomatische“ Narrativ von zwei Regimes
aufrecht zu halten und so den Grenzstreit zu lösen .
Aus den diplomatischen
Reden entstehen eine Reihe von Forderungen und Erwartungen, die alles
einbeziehen Zum Beispiel: Wenn Israel den Palästinenser gewisse
Rechte zuspricht – Reisefreiheit; rechtlich einwandfreie Verfahren,
begrenzte Teilnahme bei einigen Zusammenkünften– dann wird dies als
„Geste“ und Beweis des guten Willens der Regierung verkauft, an statt
dies als willkürlichen Gnadenakt eines autoritären Regimes zu sehen,
das dafür-berüchtigt ist , genau diese angeblichen Zustände lediglich
wie Spielgeld in einem Casino zu sehen.
Nichts, was Israel
anzubieten wäre. Das wiederholte Reden über die israelischen
Zugeständnisse gegenüber den Palästinensern unterhöhlt die eigentliche
Bedeutung des Begriffs „Recht“ bzw. Menschenrecht, das jedem Menschen
von Geburt an zusteht. Stattdessen werden die Rechte der Palästinenser
wie eine politische Währung gesehen, die benützt wird, um die
Aufmerksamkeit der Welt zu erheischen und um die politischen Ziele
Israels zu rechtfertigen. Die Siedlungen sind dafür das beste Beispiel.
Es ist wegen der
diplomatischen Rede, dass die Jahrzehnte lange israelische politische
Debatte – ob man die Besatzung beenden soll –als ein Zeichen dynamischer
Demokratie ansehen soll, während jede palästinensische Bemühung, einige
ihrer Rechte zu erhalten (einschließlich zu internationalen
Institutionen zu gehen, die genau für diesen Zweck aufgebaut wurden) als
„schädigend“, nutzlos oder einfach als „Terror“ bezeichnet werden.
Der diplomatische
Prozess misslingt, weil dies kein diplomatisches Problem ist.
Friedensgespräche sind ohne Bedeutung, weil die Palästinenser wie jede
andere rechtlose Bevölkerung,, Israel nichts anzubieten hat: weder Land
noch Ressourcen. Sie haben nicht einmal eine Armee, die Israel
benötigt, um sich mit ihr anzulegen, wie es die Ägypter tun.
Deshalb ist
Unterstützung für den Friedensprozess so gering: Die israelischen Juden
verstehen, dass jede größere Veränderung – entweder in Form einer
Zwei-Staatenlösung oder Ein-Staaten-Lösung oder jede andere Regelung –
die Dinge in der Tat schlimmer macht. Sie werden Besitz aufgeben müssen
und erhalten nichts dafür. Also wählen sie den Führer, der verspricht,
alles in seiner Macht stehende zu tun, um die Dinge so zu erhalten wie
sie sind. Und nachdem er sich mit dem Friedensprozess auseinander
gesetzt hat - wie versprochen – wird er von einer noch größeren
Mehrheit wiedergewählt.
Leider ist das einzige,
das Israelis in der Vergangenheit zum Nachdenken bringt, die Besatzung
mit der palästinensischen Gewalt ist. Die erste Intifada führte nach
Oslo; die zweit zur Gaza-Abtrennung. Umfragen fanden heraus, dass auf
der Höhe der Terrorangriffe die Unterstützung für die Zwei-Staatenlösung
einen Höhepunkt hatte. Dies ließ nach, als die Gewalt nachließ.
Es ist für die
israelischen Juden und die Palästinenser eine schreckliche Dynamik. Wenn
wir mehr Gewalt vermeiden würden, sollten wir die „Konflikt-Resolution“
und die diplomatischen Reden beenden und zur Realität vor Ort
zurückkehren. Die einfache Wahrheit wäre, dass wir Israelis nicht das
Recht haben, den Palästinensern ihre Freiheit zu nehmen;
selbst wenn wir entscheiden würden, dies „demokratisch“ zu tun.
Für die internationale
Gemeinschaft wird es Zeit, eine Forderung zu stellen. Dies wird nicht
notwendigerweise eine Ein-Staat-Lösung bedeuten, weil Israel noch in der
Lage ist, sich aus den besetzten Gebieten zurück zuziehen – mit oder
ohne Abkommen. Aber es wird bedeuten, dass der Status Quo keine Option
mehr ist. Dies ist die einzige verfügbare Alternative zur Gewalt und der
erste notwendige Schritt auf dem langen Weg zum Frieden.
Noam Sheizaf ist Journalist und der
erste Herausgeber des +972-Magazins. -
http://www.haaretz.com/peae/1.688182
(dt.
Ellen Rohlfs)
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