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»Wo ist der Aufschrei der Christen geblieben?«

 

Die christliche Palästinenserin Faten Mukarker berichtet in Pfullingen vom Leben in Gefahr und Entbehrung

Von Magdalena Kablaoui

Pfullingen. (GEA) »Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, kommt der Berg zum Propheten.« Ihren Humor hat die christliche Palästinenserin Faten Mukarker behalten - trotz ihrer Sorge um die aktuelle Situation in ihrer Heimat. Früher kamen deutsche Pilger und Touristen in ihr Heimatdorf Beit Jala bei Bethlehem, um etwas über das Leben in Palästina zu erfahren. Heute muss sie nach Deutschland reisen, um in Vorträgen und Interviews über die erschütternden Lebensbedingungen in ihrer Heimat zu berichten und um Unterstützung zu werben für Frieden und Gerechtigkeit an den heiligen Stätten der Christenheit. Jetzt war sie auf Einladung der evangelischen Kirchengemeinde in Pfullingen.

Enttäuschung und Sorge sind der 46-Jährigen ins Gesicht geschrieben: Seit 19 Tagen herrscht Ausgangssperre in Bethlehem. Das bedeutet Lebensgefahr für jeden, der sich vor die Haustür wagt, denn israelische Panzer patrouillieren durch die Straßen. Und das bedeutet keine Arbeit für die Männer, keine Schule für die Kinder. Alle paar Tage wird die Sperre für zwei Stunden aufgehoben, damit man sich mit Lebensmittel versorgen kann.

 

Keine frische Luft

Nach Deutschland konnte Faten Mukarker nur deshalb kommen, weil sie das Einreisevisum vor der Ausgangssperre bekommen hat. Seit zwei Jahren, seit dem Beginn der zweiten Intifada im Herbst 2000, sind die Menschen in Bethlehem und Umgebung immer wieder von Ausgangssperren betroffen. Tage- und wochenlang sind Großfamilien auf engstem Wohnraum zusammengepfercht, Kinder können nicht an die frische Luft. Die Männer fühlen sich entmündigt und gedemütigt, weil sie keiner geregelten Arbeit mehr nachkommen können, ihre Familie nicht mehr versorgen können, erzählt Mukarker: »Jeder muss büßen für etwas, was einige wenige getan haben.« Und manchmal gäbe es auch Ausgangssperren ohne ersichtlichen Grund.

Ihre beiden Söhne sind in dieser Zeit in die USA ausgewandert, ihre ältere Tochter studiert in Deutschland und der größte Wunsch des zwölfjährigen Nesthäkchen sei es, wieder in die Schule gehen zu können. Auch ihr Ehemann würde am liebsten auswandern wie so viele christliche Palästinenser, erzählt Mukarker. Doch das kommt für die resolute Frau nicht in Frage: »Es hat seinen Sinn, dass ich als Christin in Bethlehem geboren bin. Was wären die heiligen christlichen Stätten ohne die Christen, die dort leben?«

Faten Mukarker hat ihre Kindheit und Jugend in Deutschland verbracht, ist erst nach der Heirat in ihren Geburtsort zurückgekehrt. Da sie weder arabisch lesen noch schreiben kann und somit keine Aussicht auf einen Job hatte, begann sie 1997 damit, Pilger- und Touristengruppen zu sich nach Hause einzuladen. Bei einem arabischen Essen schilderte sie ihnen das Leben in Palästina. Und stellte enttäuscht fest, dass viele noch nicht einmal wussten, dass es überhaupt christliche Palästinenser gibt.

Seit dem 28. September 2000 kommen keine Pilger mehr ins Land. Dabei hatte man gerade zum »Heiligen Jahr« Millionen von Pilgern erwartet: Nicht nur die Bewohner Bethlehems hatten sich darauf vorbereitet, viele Länder hatten geholfen, der verfallenen Stadt Bethlehem ein neues Gesicht zu geben.

»Bethlehem glänzte in einer Pracht wie nie zuvor«, erzählt Faten Mukarker. »Dann kamen die Panzer.« Gerade zu Beginn der Touristensaison im Herbst. Statt der geplanten Feierlichkeiten wurden die neuen Gebäude und Plätze von der israelischen Armee größtenteils wieder zerstört, die Universität, Schulen und Geschäfte schwer beschädigt. »Hier wurde nicht Terrorismus bekämpft, sondern die Infrastruktur zerstört«, so Mukarker.

 

Gleiche Kultur

Was sie am meisten getroffen hat, sind die Ereignisse um die Geburtskirche. Über 200 Menschen, darunter Kinder und Jugendliche, hatten sich dorthin geflüchtet in der Hoffnung, hier geschützt zu sein. Stattdessen mussten sie hungern, die Kirche wurde beschossen, sieben Menschen ermordet. Unfassbar für die Palästinenserin: »Für uns Christen waren sie an einem heiligen Ort.« Sie kann nicht verstehen, wo der Aufschrei der Christen bei diesen Ereignissen geblieben ist: »Wenn wir Christen den heiligen Stätten keinen Respekt geben, wie sollen es die anderen tun?«

Großen Wert legt Mukarker darauf, dass die Palästinenser ein Volk seien. Auch wenn die Religion im Vorderen Orient eine große Rolle spiele: palästinensische Christen und Moslems hätten die gleiche Kultur. Der autonome palästinensische Staat, den sie sich für die drei Millionen Palästinenser erhofft, soll demokratisch und weltlich sein. Ein palästinensischer Staat neben dem israelischen - das ist die einzige Friedenslösung, die sie sieht. Seit zwei Jahren befinde man sich in einem Teufelskreis von Gewalt und Gegengewalt. Ihre Hoffnung setzt sie auf eine neue israelische Regierung nach den Wahlen im Januar.

 

Von Faten Mukarker ist im Jahr 1999 im Thoma-Verlag das Buch »Leben zwischen Grenzen« (Edition Zeitzeugen) erschienen

 

Quelle: Reutlinger General-Anzeiger

 

 

 

 
 

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