Frieden
ist die Frucht der Gerechtigkeit
Ismail Haniyeh, 19.4.06;
PalestineChronicle.com
Da das palästinensische Volk seinen langen und schmerzlichen Weg zur
Freiheit und Unabhängigkeit weitergeht, sehen wir mit Hoffnung und
Optimismus in die Zukunft. Tatsächlich ist es diese Hoffnung, dieser
starker Glaube an die Gerechtigkeit unserer Sache, der uns all diese
Jahr weitergehen und all das Leiden und die Brutalität, die uns eine
üble und entmenschlichende israelische Militärbesatzung zugefügt hat,
durchhalten ließ.
Seit undenklichen
Zeiten war Palästina friedliche Heimat von alt eingesessenen Muslimen,
Christen und Juden, die hier im Frieden und in Harmonie zusammen
lebten, die eine gemeinsame Geschichte und Kultur teilten. Erst nachdem
Palästina nach dem 1. Weltkrieg unter britisches Mandat kam und die
britischen Kolonialbehörden anschließend entschieden, Palästina, die
Heimat unserer Vorfahren, dem Zionismus zu übergeben, war diese
inter-kommunale und inter-religiöse Harmonie gestört.
Als Folge dieser
willkürlichen Ungerechtigkeit finden wir uns heute als Gefangene in
unserm eigenen Lande wieder, versklavt und gequält von einem illegalen
und unmoralischen Besatzer, der unser Volk wie Kinder eines geringeren
Gottes behandelt oder als ob wir Tiere wären.
Tatsächlich
übertrifft das kriminelle Wesen der Besatzung die Realität. Die
hässlichen Szenen des Mordes, die Hauszerstörungen und die
Erniedrigungen, denen unsere Leute im täglichen Leben unterworfen sind,
und das, was Leute außerhalb Palästinas am Fernseher beobachten, ist nur
ein kleiner Teil dessen, was vor Ort wirklich geschieht.
Selbstverständlich
würden die israelischen Besatzer ihre Verbrechen gegen ein hilfloses
Volk, dessen einziges Verbrechen es ist, sich nach Freiheit und
Gerechtigkeit zu sehnen, nicht begehen, wenn es nicht die schimpfliche
Gleichgültigkeit der internationalen Gemeinschaft gegenüber der Notlage
meines Volkes gäbe.
Deshalb rufe ich die
internationale Gemeinschaft auf, auf den israelischen Staat Druck
auszuüben, damit es seine systematische Unterdrückung und
institutionalisierte Verfolgung meines Volkes beendet.
Indem wir den
unerträglichen Schmerz und das Leiden durchstehen, sind wir sicher,
dass diese brutale Besatzung meines Volkes und meines Landes eines Tages
enden wird und die Völker dieses Landes wieder in Frieden und Harmonie
leben werden.
Ich wage sogar zu
sagen, dass der Frieden in Palästina sich dann über die ganze Welt
ausbreiten wird und eine neue Ära des Frieden beginnen wird.
Ich weiß, dass es
viele Leute gibt, die verlogen und böswillig oder vielleicht auch aus
Unwissenheit uns als gewalttätig und gegen den Frieden eingestellt
darstellen. Aber das stimmt nicht. Wir sehnen uns nach Frieden wie jeder
andere auch, ja vielleicht sogar noch mehr, denn wir sind die ersten
Opfer von Gewalt und Krieg .
Frieden ist ein
unschätzbarer Wert, ohne den der ganzen menschlichen Erfahrung das
Wesentliche fehlen würde.
Doch Frieden, wenn
er wirklich, dauerhaft und bedeutsam ist, muss sich auf Gerechtigkeit
gründen.
Wir, das
palästinensische Volk, schauen ernsthaft nach einem echten Frieden, der
aus den Herzen kommt, und wir bitten die Internationale Gemeinschaft
dringend, uns zu helfen, diesen Frieden zu verwirklichen, so dass alle
Kinder in diesem Teil der Welt, arabische und jüdische Kinder ein
normales Leben führen können.
Seit Jahren
verwüstet in diesem gequälten Land ein bitterer Kampf das Leben der
Menschen, zerstört unermesslichen Besitz und verhindert wirtschaftliche
Möglichkeiten. Kriege brüten Hass und üble Taten aus – Frieden aber
bringt Zusammenarbeit und guten Willen. Doch machen wir uns nichts vor.
Gewalt wird solange weitergehen, wie eine Volksgruppe, von ihrer
politischen und militärischen Macht berauscht, das Gefühl hat, das Recht
zu haben, ihren Willen einer anderen Volksgruppe brutal aufzuerlegen.
Ein „Frieden“ wie dieser wäre ein Akt der Vergewaltigung.
Selbstverständlich
muss ein in Palästina sich verwirklichender Frieden von der
Weltgemeinschaft in ehrlicher Weise vorbereitet werden. Wir sagen das so
deutlich, weil wir die Heuchelei und doppelte Moral der
internationalen Gemeinschaft leid sind, wie sie mit diesem Konflikt
umgeht.
Wir würden
tatsächlich gerne wissen, warum die UN es Israel erlauben, mehr als 100
UN-Resolutionen, in denen es um die Beendigung der Besatzung meines
Landes geht, nicht zu erfüllen. Gibt es zwei Arten des Völkerrechts, das
eine für die Schwachen, das andere für die Starken?
Steht Israel über
dem Völkerrecht? Hat Israel ein besonderes Recht von der internationalen
Gemeinschaft erhalten, durch das es ungestraft Kinder töten, ungestraft
unser Land stehlen, ungestraft uns in alle Welt vertreiben darf?
Es ist an der Zeit,
dass alle Männer und Frauen mit Gewissen und Rechtschaffenheit laut und
deutlich für die Gerechtigkeit der Palästinenser eintreten. Wir haben
genug gelitten, und es ist an der Zeit, dass man uns erlaubt, Freiheit
und Würde wieder zu erlangen.
Wir verlangen nichts
Unmögliches. Wir fordern nur die Weltgemeinschaft auf, sich an die
UN-Charta und die Internationalen Konventionen zu halten, die es
verbieten, Land mit Gewalt zu erwerben.
Kurz gesagt: die
Besatzung muss enden – und sie muss jetzt enden.
Der Autor ist
Ministerpräsident der Palästinensischen Behörde ( seit Januar 2006)
(dt. Ellen Rohlfs)
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