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Texte von Johannes Zang

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Heiliges Land und heillose Bürokratie
Die Sperrmauer ist nicht die einzige Hürde für die Kirchen im Heiligen Land
DT vom 05.08.2004
Von Johannes Zang (Jerusalam.info - Die Wort- und Bildwerkstatt)

Seit über zwei Jahren wird im Heiligen Land eine Barriere gebaut, die die einen „Anti-Terror-Zaun“, die anderen „Apartheid-Mauer“ nennen. Wiederholt wurde von den Auswirkungen des Baus auf die palästinensische Bevölkerung berichtet, auf Landwirtschaft, Bildungswesen und medizinische Versorgung. Wie der Bau das kirchliche Leben behindert, wurde jedoch bisher weitgehend ausgeblendet.

„Diese Mauer wird Menschen daran hindern, in die Kirche zu kommen und zu beten. Es ist ein Skandal“, protestiert Pater Claudio, dessen Narbe am Arm von einer Tränengas-Attacke Zeugnis gibt. Der Italiener Claudio Ghilardi ist Passionist im Kloster der „Heiligen Marta dei Padri Passionisti“, das am Schnittpunkt zwischen Ostjerusalem, Abu Dis und Bethanien (Al-azzariye) liegt. Wenige Meter vor dem Kloster ist der Mauerbau zum Stehen gekommen. Auch weil der italienische Konsul und der apostolische Nuntius des Vatikans interveniert haben. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Mauer mitten durch das Klostergelände gehen soll; das aber verstieße gegen die Vereinbarung zwischen dem Staat Israel und dem Vatikan über die Wahrung kirchlichen Eigentums.

Zweitausend Christen verlieren ihr geistliches Zentrum

Durch die Mauer wird nicht nur die Bevölkerung von Jerusalem abgeschnitten, sondern es werden auch zweitausend Christen aus der Nachbarschaft des Klosters ihr geistliches Zentrum verlieren.

„Die Mauer schneidet mitten durch Bethanien (auf arabisch: Al-Azariyeh), und trennt damit die heilige Stätte des Lazarus von der traditionellen Pilgerroute von Jerusalem“, fasst der Franziskaner David Jaeger die Situation im Ort Pater Claudios zusammen. Viele Mitglieder des amerikanischen Kongresses, „traditionell pro-israelisch“, hätten mehrmals gebeten, den Mauerverlauf an dieser Stelle zu ändern. Jaeger hofft aufrichtig, dass Israel noch einmal genau den Mauerverlauf am Ölberg überdenkt, da sind auch die eigenen franziskanischen Grundstücke betroffen. Der amerikanische katholische Journalist Larry Fata befürchtet gar, dass Beit Fage (Bethphage) unzugänglich wird, was die traditionelle Palmsonntagsprozession gefährde.

„Die Mauer in Israel erhöht den Druck auf die Christen im Heiligen Land“, lautete eine Meldung von Radio Vatikan kurz vor Ostern. Der damals noch amtierende Kustos im Heiligen Land, der Franziskaner Giovanni Battistelli erklärte, dass die Mauer christliche Wohnstätten von den Kirchen und Arbeitsplätzen trenne, zudem lasteten Kontrollposten, Arbeitsmangel und der ständige psychologische Druck schwer auf der Bevölkerung. Gerade in der letzten Zeit sei ein auffälliger Anstieg von Scheidungen zu registrieren. Nach palästinensischen Angaben sind seit Ausbruch der Intifada etwa zweitausend Christen aus dem „christlichen Dreieck“ um Jerusalem ausgewandert. Ihr Bevölkerungsanteil sowohl in Israel als auch in den palästinensischen Gebieten ist mittlerweile unter die Zwei-Prozent-Marke geschrumpft. In Palästina geht seitdem ein neues Wort um: „Soziozid“.

Die Sperrmauer hat nach Battistellis Ansicht die Hoffnung auf einen baldigen Frieden weiter gesenkt. Unterdessen hat sein Mitbruder David Jaeger, wie „Zenith“ vermeldete, Stellung zur Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen bezogen. Darin wird Israel aufgefordert, der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag zu folgen und die Trennbarriere niederzureißen. Der jüdischstämmige Franziskaner hofft, dass „die Vereinten Nationen nicht bei dieser Resolution stehen bleiben werden, sondern die Initiative ergreifen, endlich eine Friedenskonferenz zusammenzurufen.“ Damit das Ziel der Vereinten Nationen von 1947 erreicht werde, nämlich zwei unabhängige und miteinander befreundete Nationen im Heiligen Land zu schaffen, gibt sich Pater Jaeger optimistisch.

Als wären die Sorgen mit der Trennbarriere, der wirtschaftlichen Not der Christen und der damit verbundenen Auswanderung nicht schon Last genug, müssen sich die Kirchen mit einem weiteren Problem herumschlagen. Dieses ist bürokratischer Art: Aufenthaltsgenehmigungen für Geistliche. Wiederholt hat es Fälle gegeben, in denen Priestern, Nonnen, Theologiestudenten, kirchlichen und Mitarbeitern im karitativen Bereich das Visum nicht verlängert wurde, im Fall einer Holländerin sogar nach dreißigjähriger Arbeit mit Waisen und bedürftigen Kindern.

Neu ist, dass es jetzt auch bei Touristenvisa Schwierigkeiten gibt. Am 27. Juli wurde vermeldet, dass Priestern und Ordensschwestern afrikanischer oder asiatischer Herkunft kein Touristenvisum für einen Besuch des Heiligen Landes erteilt wurde. Der Grund sei die Furcht der israelischen Behörden, dass sie illegal im Lande blieben. „Christliche Gruppen behaupten, dass das Verhältnis zu Israel schlimmer als je zuvor sei“ – war ein Artikel am 12. Mai diesen Jahres in der israelischen Zeitung „Ha´aretz“ überschrieben, in dem es ebenfalls um Aufenthaltsgenehmigungen geht. Eine Gruppe von fünfzig christlichen Vertretern, darunter auch katholische und protestantische, bat schon im Mai den amerikanischen Präsident Bush, diese „Krise“ zu lösen, die bei einigen Institutionen zu Mitarbeiterknappheit geführt habe. „Da gibt es viel Verzögerung“, berichtet Pater William Shomali, Schatzmeister des Lateinischen Patriarchats von seinen Erfahrungen mit der israelischen Bürokratie; „einigen Personen aus arabischen Ländern wird es ganz verweigert.“ Er will hierbei nicht gleich von Verfolgung reden, sondern vielmehr von „Vernachlässigung“. Ein solches Verhalten sei nicht „im Geiste, in der Haltung von Jerusalem.“

Andere Kirchen im Heiligen Land haben ähnliche und andere Nöte. Die griechisch-orthodoxe zum Beispiel wartet immer noch auf die Anerkennung ihres Patriarchen durch den israelischen Staat. Nach Einspruch des Obersten israelischen Gerichts ist die Anerkennung von Irenäus I. ein weiteres Mal aufgeschoben worden. Palästina und Jordanien, auch im Machtbereich des Patriarchats, haben längst ihre Zustimmung gegeben. Israel hat diese Bestätigung bislang verweigert, weil es Irenäus Antisemitismus und kriminelle Machenschaften vorwirft. Andere Quellen behaupten, der Grund liege woanders: Der Patriarch sei ein Freund Arafats. Israel befürchtet, dass er größere Ländereien an die Palästinenser abtreten könnte.

Der flammende Appell des Jerusalemer Patriarchen

„Ist denn der Herr nicht mehr in Zion?“, fragte der römisch-katholische Patriarch Michel Sabbah mit den Worten des Propheten Jeremias in seiner Pfingstpredigt. Damals sei die Zeit ähnlich hart gewesen „wie die unsere“. Er klagt gemeinsam mit dem Psalmisten: „Hat Gott vergessen, gnädig zu sein? Oder hat er im Zorn sein Erbarmen verschlossen? Hat seine Liebe sich erschöpft?“ (Ps 76, 9f.) Der palästinensisch-stämmige Patriarch versichert den Gläubigen: „Ja, Gott ist noch immer hier, auf diesem heiligen Berg und in diesem heiligen Land, und seine Liebe hat sich nicht erschöpft. Aber man muss es sehen.“ Der Heilige Geist lasse es uns. So möge jeder sehen, was er zu tun habe, fordert er die Gemeinde auf. „Denn es muss etwas getan werden. Die, die getötet werden, das seid ihr, eure Kinder und eure Lieben, seien sie Israelis oder Palästinenser. Die zerstörten Häuser sind eure Häuser. Und daher muss das Übel aufgehalten werden.“

Die Homepage von Johannes Zang: Jerusalam.info - Die Wort- und Bildwerkstatt)

 

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