Aufarbeitung Einsteins: Neues
Buch enthüllt den berühmten Wissenschaftler als Opponenten von
Israel
Von Jaisal Noor
Einstein
über Israel und Zionismus: Seine provokativen Gedanken über den
Nahen Osten
Von Fred Jerome St.
Martin‘s Press, Mai 2009
Zahlreiche Bücher und Artikel
wurden über das Leben des großen Physikers und Denkers Albert
Einstein geschrieben und seit seinem Tod im Jahre 1955 herrschte
die übereinstimmende Meinung vor, dass Einstein ein strenger
Unterstützer des Staates Israels war.
Der Veteran-Journalist Fred Jerome
benutzt 100 von Einsteins eigenen Briefen, Artikeln und
Interviews – viele davon zum ersten Mal veröffentlicht – um
diese These zu wiederlegen.
Es ist wohl bekannt, dass Einstein,
ein deutscher Jude, selbst ein Zeuge des europäischen
Antisemitismus wurde und sich gegen Vorurteile und Nazismus
ausgesprochen hat. Diese Erfahrungen überzeugten Einstein, den
Zionismus und ein jüdisches Heimatland zu unterstützen. Nachdem
er durch seine wissenschaftlichen Durchbrüche großen Ruhm
erlangt hatte, wurde ihm nach dem Tod von Chaim Weizmann, dem
ersten Präsidenten von Israel, im Jahre 1952 die Präsidentschaft
Israels angeboten.
Tatsache ist, dass Weizmann trotz
seiner Sympathisierung mit dem Zionismus wiederholt vor der
Entstehung eines zu "engen Nationalismus" warnte, da bei der
Gründung eines reinen Judenstaates eine friedliche Koexistenz
mit den Palästinensern nicht erreicht werden könnte. Stattdessen
befürwortete Einstein den Kultur-Zionismus – die Gründung von
jüdischen Kultur-und Studienzentren innerhalb eines
Zwei-Nationen-Staates mit gleichen Rechten für beide, sowohl
Araber, als auch Juden.
Als man Einstein die israelische
Präsidentschaft angeboten hat, sagte der israelische
Premierminister David Ben Gurion, " ich mußte ihm den Posten
anbieten, es war nicht zu umgehen, aber, falls er ihn annimmt,
werden wir Probleme bekommen." In einem Brief aus dem selben
Jahr verglich Einstein das Projekt der Zionisten mit dem der
Pilger, indem er schrieb, "wie tyrannisch, intolerant und
aggressiv (sie) nach einer kurzen Zeit wurden." Und in seinem
letztem Medieninterview, das in der New York Post einen Monat
vor seinem Tod veröffentlicht wurde, erklärte Einstein: "Wir
hatten zuerst große Hoffnungen in Israel gesetzt. Wir dachten,
es sei besser als andere anderen Nationen, aber es ist
keinesfalls besser."
Jerome hat zuvor zwei Bücher über
Einstein geschrieben: Der Einstein-Ordner: J. Edgar Hoovers
geheimer Krieg gegen den berühmtesten Wissenschaftler und
Einstein über Rasse und Rassismus, mit Rodger Taylor als
Co-Autor. Diese Bücher sind wichtig, um Einstein zu verstehen,
der sich selbst als Revolutionär beschrieb und öffentlich
erklärte, dass er seinen Ruhm und seinen Prominentenstatus
einsetzen werde, um Dinge ins Rampenlicht zu rücken, die ihm
wichtig sind. Zum Beispiel berichtet Einstein über Rasse und
Rassismus zum ersten Male detailliert über Einsteins 20jährige
Freundschaft mit Paul Robeson. Während die beiden ersten Bücher
die Kenntnislücke in Bezug auf Einsteins radikale Einstellungen
und politischen Aktivismus füllen sollten, dient Einstein über
Zionismus und Israel dazu, den Mythos, dass Einstein ein
Unterstützer Israels war, zu beseitigen.
Dabei enthüllt Jerome viel über die
Natur der Mainstream-Propaganda. Einsteins Opposition in Bezug
auf Israel war weithin bekannt und zu seinen Lebzeiten wurde
darüber auch berichtet. Tatsächlich entstand der Mythos,
Einstein habe Israel unterstützt, am Tag nach seinem Tod durch
den Nachruf in der New York Times, in dem man schamlos schrieb,
dass er die Errichtung des Judenstaates propagiert habe. Dies
widerspricht jahrzehntelangen Berichten des "Paper of Record".
Jerome bietet einige Exemplare an, einschließlich eines Artikels
aus dem Jahre 1930 mit der Überschrift "Einstein attackiert die
britisch-zionistische Politik". Ein Artikel aus 1938 stellte
fest, dass Einstein "gegen den palästinensischen Staat"sei und
ein Artikel aus 1946 besagt "Einstein untersagt einen jüdischen
Staat".
Das Buch endet mit einer Bemerkung
des Autors und Intellektuellen, GoreVidal, "Die einzige Frage,
die wirklich zählt, ist: Warum?" Jerome folgert mit: "Warum
haben wir es nicht gewußt?"
Die New Yorker Society der Ethik
gibt einen Empfang, um die Herausgabe von Einstein über
Zionismus und Israel zu zelebrieren, am 28. Mai um 18:30, 2 West
64th Street, in Manhattan. Die Veranstaltung ist
kostenfrei.
Jaisal Noor vom Indypendent hat
sich mit dem Autor, Fred Jerome, zusammengesetzt und diskutiert,
weshalb man sich an Albert Einstein aufgrund seiner Physik und
nicht aufgrund seiner Politik erinnert.
Jaisal Noor: Was waren Ihre
Beweggründe, dieses Buch über Einstein und seine Einstellung zu
Israel und dem Zionismus zu schreiben?
Fred Jerome: Als Einstein Paul
Robeson im Jahre 1952 traf, hatte er gerade das Angebot,
Präsident von Israel zu werden, abgelehnt. Laut Lloyd Brown (der
bei diesem Meeting zu gegen war) begründete Einstein seine
Absage gegenüber Robeson: Er sei mit Israel nicht einverstanden,
nicht mit dem Nationalismus, nicht mit der Errichtung des
Staates Israels und so weiter. Meine beiden vorherigen Bücher
enthielten eine kurze Diskussion über Israel. Ausserdem ist es
eines der Zentralthemen in der heutigen Welt. Wir können dieses
Thema nicht ignorieren und (gleichzeitig) behaupten, über die
Welt oder Menschen in der Welt besorgt zu sein. Da ich mir
Sorgen über die Ereignisse in Israel machte, insbesondere über
die Unterdrückung der Palästinenser durch Israel... schien mir
ein logischer Schritt zu sein, mehr über das zu schreiben, was
Einstein (darüber) zu sagen hatte. Ich kontaktierte die
Einstein-Archive in Jerusalem, anscheinend dachte man dort, es
sei eine gute Idee, ermutigte mich und sagte, man könne mir
Informationen, die wahrscheinlich nie zuvor veröffentlicht
wurden, verschaffen.
JN: Sie begannen mit den
Einstein-Archiven in Jerusalem – wohin gingen sie sonst noch?
FJ: Einstein hat all seine
Schriftstücke der Hebräischen Universität in Jerusalem
übergeben, weil er zu deren Gründung beigetragen hatte. Als
kultureller Zionist favorisierte er Kulturzentren wie
Universitäten, aber er widersetzte sich sowohl einem jüdischen
Staat als auch einer jüdischen Nation. Ich versuchte mit
möglichst vielen Menschen zu sprechen, die mit Einstein
gesprochen haben, ihn kannten, sich an ihn erinnern. Der
wichtigste war Mohammed Heikel in Kairo, ein bekannter
ägyptischer Journalist. Ich übernahm dieses Interview, das
bisher noch in keinem der über 100 Büchern über Einstein,
veröffentlicht worden war.
JN: Können Sie die Reaktion der
Presse auf ihre vorherigen Werke über Einstein und die zu
erwartende Reaktion auf dieses beschreiben?
FJ: Die Pressereaktion auf das
erste Buch, der "Einstein File (2002) war sehr großes Interesse,
vielleicht, weil J. Edgar Hoover in den letzten 20 Jahre in den
Misskredit der Medien gefallen war. Und so haben Sie nun einen
guten gegenüber einem schlechten Menschen, wobei Einstein der
gute ist. Im Jahr 2000, während ich an meinem ersten Buch
arbeitete, war er gerade vom Time Magazine zum Menschen des
Jahrhunderts ernannt worden,, und ich kam mit diesem Ordner
heraus, den niemand anders kannte – dem gesamten Ordner. So war
es eine Kombination aus einer neuen Information und einer Art
Sexythema. Dann widmete die New York Times eine komplette Seite
seinem Wissenschaftsgebiet, als die Erstausgabe des Buches
stattfand – dies verhalf dazu, dass viele andere Medienstellen
das Buch ebenfalls behandelten.
Als das Buch Einstein über Rasse
und Rassismus (2006) herauskam, wurde in den Mainstream-Medien
praktisch nichts darüber berichtet. In der Schwarzen Presse gab
es einige Berichte, auch in den Amsterdam News, auf einigen
Websites usw. "Publisher's Weekly" führten ein Review durch. Man
schrieb, es sei ein gutes Buch, gut geschrieben, gut
recherchiert, ohne Beschwerden, ohne Kritiken. Einstein war ein
Spitzenmann, also, was? Sechs Monate nach der Herausgabe des
Buches machte die New York Times letztlich ein Review des
Buches, ein sehr günstiges Review, das nur in der New
Jersey-Ausgabe veröffentlicht wurde, die, verglichen mit ihren
anderen Ausgaben, nur sehr wenige Leser hat.
So war der Kontrast beachtlich. Ich
denke zu allererst, weil die Mainstream-Medien in Amerika nicht
über Rasissmus in Amerika schreiben wollen und sicherlich nicht
Einstein mit einer antirassistischen Position zu identifizieren
möchten. Der andere Grund dafür, dass die Medien dieses Buch
ignoriert haben, ist, dass Einsteins Freundschaft mit Paul
Robeson Teil des Buches ist und während sie schließlich Paul
Robeson auf eine Briefmarke abgebildet haben, nach großem Kampf
und Protest, sind die Mainstream-Medien und Unternehmen, deren
Interesse sie vertreten, erschrocken über Paul Robesons links
gerichtete Einstellung, seinen Sozialismus, Aktivismus, den
Widerstand ihnen gegenüber, die er repräsentiert hat. Außerhalb
der Mainstream-Medien gab es jedoch eine sehr positive Reaktion.
(Co-Autor) Rodger Taylor und ich werden noch immer von Studenten
und anderen Gruppen im ganzen Land eingeladen, um über das Buch
zu sprechen, (sogar) fünf Jahre nach dessen Veröffentlichung.
Aber die Medienreaktion war ganz klar "rühr es (das Thema) nicht
an".
Meine Erwartung ist, dass die
größten Mainstream-Medien bei diesem Buch genauso reagieren,
weil ich glaube, dass sie in Bezug auf Israel-Palästina
Washingtons totale Rückendeckung der israelischen Regierung zu
mehr als 150 % unterstützen. In den Mainstream-Medien heißt es,
dass Einstein ein großer Unterstützer Israels war. Seit seinem
Tod wird dies verbreitet, seit nunmehr 60 Jahren. Zu seinen
Lebzeiten haben war nie die Rede davon.
http://www.indypendent.org/2009/05/14/reclaiming-einstein/
(dt.Inga Gelsdorf)
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