PAX CHRIST - ÖSTERREICH
PILGERREISE NACH ISRAEL UND PALÄSTINA
23: BIS 31: August 2008
Machsom
Watch am Checkpoint Qalandia
Donnerstag, 28. August
2008
Beim ersten Blick auf den
Checkpoint denke ich, das ist ja ein Gefängnis – Mauern, Gitter,
Stacheldraht. Mein Magen krampft, Angst schnürt meine Brust ein,
dazwischen wechseln sich Zorn und Betroffenheit ab.
Um zu verstehen, was hier
los ist, begleitet uns Roni Hammermann von der Organisation „Machsom
Watch“ zum Checkpoint Qalandia, im Norden von Jerusalem auf der
Straße nach Ramallah im Westjordanland. Die Aufgabe von „Machsom
Watch“, der heute rund 400 Frauen angehören, ist der regelmäßige
Besuch von Checkpoints, um das Geschehen dort zu beobachten und zu
dokumentieren, es zu veröffentlichen und nötigenfalls auch
einzuschreiten. Sie werden von den Soldaten akzeptiert, wenn auch
nur als „Feigenblatt“, wie Roni sagt. Die grundlegenden Probleme
ergeben sich aus der Einschränkung der Bewegungsfreiheit der
Palästinenser und damit ist für sie ein normales Leben fast
unmöglich. Ob es nun ein Arztbesuch ist, das Erreichen der
Arbeitsstelle, ein Schul- oder Unibesuch, ein Einkauf oder das
Aufsuchen einer Bank, es wird von den Palästinensern immer das
Vorweisen einer Bewilligung verlangt. Diese kann abgelaufen oder
ungültig sein, oder ist in Notfällen überhaupt nicht vorhanden, und
das führt zu Reibereien, Aggressionen und langen Wartezeiten an den
Checkpoints. Kinder und Lehrer können nicht in die Schule, Kranke
kommen zu den Operationsterminen nicht zeitgerecht im Spital an und
Arbeiter verlieren ihre Arbeit, weil sie nicht oder nicht
rechtzeitig zur Arbeit kommen. Die psychische aber auch physische
Belastung an den Checkpoints erleben wir nun hautnah mit.
Um zum Checkpoint zu
gelangen, bringt uns der Bus von Jerusalem vorerst durch ein
Nobelwohnviertel der Israeli – blühende Gärten, schöne Häuser,
saubere Straßen. Dann trennt eine hohe Betonmauer, Stacheldraht
bewehrt und elektronisch gesichert, die vierbahnige Straße. Wir
befinden uns nun auf der palästinensischen Seite – einfache Häuser,
Müllhaufen statt Gärten, schlechte Straßen. Es ist wie der Wechsel
von West-Europa in den Orient, und das innerhalb einer kurzen
Distanz. Wir steigen beim hochtechnisch ausgerüsteten Checkpoint aus
dem Bus, wo uns Tamar Fleishman, unsere andere Begleiterin,
erwartet. Und wir begeben uns wie die Palästinenser zu den
Eingängen. In fünf überdachten Betonkabinen verteilen sich die
Menschen und warten auf Einlass. Von der ersten Kabine, wo wir uns
anstellen, werden wir wieder weggeschickt – es ist der Eingang zur
Bewilligungsstelle, zu der man nur nach vorheriger Anmeldung
gelangen kann. Verunsichert und irritiert stellen wir uns erneut bei
einer anderen Kabine an. Überall Gitterstäbe, hohe Drehkreuze,
Soldaten hinter schusssicherem Glas, lange Gänge. Das erinnert mich
an Laufställe für Tiere oder Gefängnisse und ich atme tief durch, um
die Beklemmung zu vertreiben. Für die Palästinenser scheint das
Handy ein wichtiger Begleiter zu sein, denn ständig telefonieren
sie. Vielleicht, um ihre Ankunft bekannt zu geben, ihren Arbeitgeber
zu verständigen oder sich ein Taxi zu organisieren. Roni erzählt uns
von ihren Erlebnissen an den Checkpoints. Von Willkür und Schikane,
von Frauen, die ihre Kinder hier zur Welt gebracht haben, von
Menschen, die Verletzungen erlitten haben beim Andrang zur
Kontrollstelle. Das erste Drehkreuz öffnet sich für jeweils zwei bis
drei Personen, die zum Sicherheitsglas vorgehen und hier ihre
Bewilligung und ihre Identitätskarte vorweisen und ihre Hand auf
einen Scanner legen müssen. Für uns genügt es, den Pass vorzuweisen.
Mit wenigen Schritten erreichen wir ein zweites Drehkreuz, das die
kontrollierten Personen durchlässt, bevor das erste Drehkreuz die
Nächsten einlässt. Innerhalb des „Betonbunkers“ gehen wir durch
lange Gänge und gelangen durch ein weiteres Drehkreuz ins Freie auf
israelischer Seite. Auf einem großen Parkplatz warten Kleinbusse und
Taxis, um die Menschen weiter zu befördern, denn ihre Autos bzw.
Busse stehen am Parkplatz jenseits der Mauer. Beklommen und
schweigsam treten wir nach einer kurzen Pause den Rückweg an, der
uns durch Drehkreuze und Gänge, jedoch ohne Kontrolle wieder zurück
zu unserem Bus bringt.
Die Westbank ist bereits
mit einem Netz von Straßen überzogen, auf denen die Palästinenser
nicht fahren dürfen und die israelischen Siedlungen weiten sich hier
mehr und mehr aus und werden durch viele Checkpoints, Mauern und
Stacheldrahtzäune gesichert. Es erscheint mir daher fast unmöglich,
hier noch ein geografisch zusammenhängendes Gebiet für die
Palästinenser zu finden.
Die Frauen von „Machsom
Watch“ haben sich die Aufgabe gestellt, die
Menschenrechtsverletzungen und die Demütigungen, welche die
Palästinenser an den Checkpoints erleiden aufzuzeigen und
mitzuhelfen, ihre Lage zu verbessern. Auch wir von Pax Christi
wollen „Machsom Watch“ dabei wirkungsvoll unterstützen.
Christiane Schmid
Nachsatz: Roni Hammermann
hat am 1.9. 2001 in Aachen für Machsom Watch, den Aachener
Friedenspreis entgegennehmen dürfen.
Ihre Rede in Aachen vor
einer betroffenen und begeisterten Zuhörerschaft war sehr
beeindruckend – sie sprach deutlich über die Schikanen, Demütigungen
und die Arroganz der israelischen Soldaten. (Ellen Rohlfs) |