Leserbrief von Günther
Schenk an die Stuttgarter Nachrichten, veröffentlicht in der
Druck-Ausgabe am Samstag, 22. August 2009, Seite 36
zu
Online Stuttgarter
Nachrichten v.
19.08.2009,
Charlotte Knobloch
im Interview „Wir
müssen die NPD
verbieten“
Verdrehte Welt
Wichtiger als Verbote
von Rechtsradikalismus und Rassismus ist beispielhaft
demokratisches Verhalten besonders der in öffentlicher
Verantwortung Befindlichen. Dies jedoch wird gerade von
jener Charlotte Knobloch konterkariert, wenn sie der in
Tübingen lebenden ehemaligen israelischen
Menschenrechtsanwältin die Würde für das kürzlich in
Stuttgart verliehene Bundesverdienstkreuz abspricht. Nicht
nur die für ihr mutiges Eintreten für Gefolterte und für die
universellen Werte der Menschenrechte geehrte Felicia Langer
wird schließlich von Frau Knobloch in ihrer Würde
herabgesetzt, sondern das Staatsoberhaupt.
Was lernen die
StN-Leser von Frau Knobloch? Dass „wir“ (damit meint sie
vornehmlich sich selbst und andere Spitzenfunktionäre des
Zentralrats für Juden in Deutschland) mit der
Nahost-Problematik identifiziert werden? Ist dies nicht eine
gerade von Knobloch u.a. geradezu hervorgerufene
Identifikation, wenn schwerste Menschenrechtsverletzungen
durch den Staat Israel von ihr und ihrer Organisation
relativiert, ja oft sogar legitimiert werden? Wann hat man
je eine Distanzierung Frau Knoblochs vom Massaker gegen die
Bevölkerung Gazas gehört? Von der Ermordung hunderter
unschuldiger Kinder und Frauen? Wann hat man von ihr eine
Forderung nach Freilassung der über 10.000 palästinensischen
Häftlingen aus israelischen Kerkern vernommen?

Collage © Erhard Arendt
Hat Frau Knobloch
jemals darüber nachgedacht, welch verheerende Wirkung für
das Ansehen der offiziellen Vertreter deutscher Juden ihr
Schweigen zu den Verbrechen Israels haben muss? Hat sie
jemals darüber nachgedacht, dass ihre Identifizierung mit
dem „jüdischen“ Staat (zu dessen Bürgern immerhin weit über
20 Prozent Nichtjuden gehören!) fast wie selbstverständlich
zur Folge haben muss, dass man sie und die
Zentralratsmitglieder dann mit diesen Verbrechen
identifiziert?
Wenn sich Frau Langer
für die Entrechteten, die Unterdrückten einsetzt, schweigt
Frau Knobloch. Wenn Frau Langer für ihr Eintreten für die
wichtigsten Werte unserer Demokratie geehrt wird, beklagt
sich Frau Knobloch. Nicht nur das: sie verunglimpft die
Geehrte und damit auch das höchste Staatsorgan. Welch
verdrehte Welt!
Günter Schenk,
membre du collectif
judéo-arabe et
citoyen pour la paix,
Strasbourg