Die 12 Mythen von
Annapolis.
Von Phyllis Bennis*), Institut für Politische Studien, 29. November 2007
Mythos Nr. 1. Die
Annapolis Konferenz war dazu gedacht, ernsthafte neue Verhandlungen zwischen
Israelis und Palästinensern in Gang zu setzen, die darauf abzielten, die
Besatzung zu beenden und einen gerechten, nachhaltigen und umfassenden Frieden
in der Region herzustellen und der auf einer zwei-Staaten Lösung basiert.
Genaugenommen hatten die
zwei Hauptgründe für die Konferenz praktisch nichts mit Israel oder Palästina zu
tun. Die realen Gründe dafür die Konferenz einzuberufen waren
1) die Unterstützung
arabischer Regierungen für die U.S. Strategien im Nahen Osten zu verstärken, den
Krieg im Irak und besonders die Druckzunahme auf den Iran eingeschlossen.
2) Einen Fototermin zu
bieten, um Condoleezza Rices Vermächtnis, nun weitgehend dadurch geprägt, dass
sie 2006 die israelische Bombardierung des Libanon mit offenen Armen begrüßt
hat, zu einem Erbe einer Möchtegern-Friedensstifterin umzuetikettieren.
Mythos Nr. 2. Es ist
der richtige Zeitpunkt für neue Gespräche, weil - wie Präsident Bush sagte -
"Palästinenser und Israelis Führungskräfte haben, die entschlossen sind, den
Frieden zu erreichen."
In Wirklichkeit sind
sowohl die israelischen als auch die palästinensischen Führungskräfte politisch
so geschwächt, so kompromittiert als legitime Führer und so unpopulär unter
ihren eigenen Wählerschaften, dass sie eine geringe oder gar keine andere
Alternative haben, als den Forderungen des Weißen Hauses nachzukommen. Beide,
Premierminister Olmert und der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde
Abbas wurden demokratisch gewählt, aber beide wurden als Ersatz für die
mächtigen und populären Ikonen nationalen Symbolismusses ausgewählt, denen sie
dienten.
Wie sein Amtsvorgänger,
Yasir Arafat, ist Abbas gleichzeitig Präsident der Palästinensischen
Autonomiebehörde und Vorsitzender der PLO; anders als Arafat, wird er nicht als
Held der palästinensischen Nationalbewegung und als Symbol palästinensischer
Einheit gesehen. In seiner Annapolis-Rede erwähnte Abbas zentrale
palästinensische Ziele, darunter die UN Resolution 194 über das Recht auf
Rückkehr, aber seine politische Schwäche, wie auch sein langjähriges Vertrauen
in die Rückendeckung durch die Vereinigten Staaten bedeutet, dass er dafür
unfähig bleibt, auf diesen Rechte auch zu bestehen; es ist unklar, ob er
letztendlich zustimmen wird, das "endgültige" Abkommen zu unterzeichnen, in dem
das zentrale international-mandatierte palästinensische Recht auf Rückkehr, eine
reale Unabhängigkeit in der ganzen West Bank, Gaza und Ost Jerusalem, der
Abbruch der Siedlungen etc. abgelehnt wird.
Olmert ersetzte den
rechts stehenden General Ariel Sharon, bekannt als der Schlächter von Beirut
durch seine Rolle im Sabra/Shatila Massaker 1982 und auch weiterhin ein Held
der israelischen Rechtsstehenden, als Sharon im Januar 2006 ins Koma fiel.
Olmerts Umfrageergebnisse liegen im niederen einstelligen Zahlenbereich und ein
israelischer Richter des Strafgerichts mußte eine besondere Sperre über die
Anklagen wegen Korruption verhängen, die Olmert zu erwarten hat, gerade als
Olmerts Flugzeug diese Woche dabei war nach Annapolis abzuheben.
Mythos Nr. 3. Die
Konferenz von Annapolis wird den PalästinenserInnen in Gaza und der West Bank
Hoffnung verschaffen und so werden die UnterstützerInnen der Hamas dafür
gewonnen, Abbas und den neuen Friedensprozess zu unterstützen.
Der einzige Hinweis auf
den andauernden U.S.-israelischen Boykott und die Isolation von Gaza, die den
Gazastreifen zu einer humanitären Katastrophe, zu einem israelisch
kontrollierten Gefängnis gemacht haben, mit - wie die Weltbank berechnet - 87%
der GazanerInnen, die unter der Armutsgrenze leben, kam von Abbas' Aufruf "An
mein Volk und ihre Angehörigen im Gazastreifen, ihr seid im Zentrum meines
Herzens." Aber gerade er hatte ihnen nichts anzubieten außer der Beteuerung,
dass "die Stunden der Finsternis angesichts eurer Entschlossenheit und
Zielstrebigkeit zu Ende gehen werden. Denn euer Beharren auf der Einheit unseres
Volkes in der West Bank und im Gazastreifen - ohne irgendeine Abweichung - als
einer geographischen und politischen Einheit, wird eurem Leiden ein Ende machen.
Recht und Frieden werden siegen." Olmert bezeichnete Gaza nur als einen Ort des
Terrorismus' und Menschenraubs. Bush beschrieb Gaza als den Ort, an dem sich die
Freiheit erhebt, so wie "wenn die Freiheit Wurzeln schlägt
in
der irakischen Erde der West Bank und Gazas,
wird das Millionen im gesamten Nahen Osten
inspirieren, die ihre Gesellschaften auf Freiheit, Frieden und Hoffnung aufbauen
wollen." [ja, das ist das korrekte Zitat.]
Aber unglücklicherweise können
palästinensische Kinder keine
Freud'schen Versprecher essen.
Mythos Nr. 4. Das
"Engagement" des Präsidenten der Vereinigten Staaten in der Nahost-Diplomatie
ist grundsätzlich nützlich; das bisherige Problem ist Bushs Mangel an Engagement
gewesen.
Seit 1967 sind die
Vereinigten Staaten viel zu engagiert an der israelisch-palästinensischen
Diplomatie gewesen. Die U.S. stellen bereits fast 4 Milliarden Dollar jährlich
an wirtschaftlicher und militärischer Hilfe für Israel zur Verfügung, haben
soeben ein zusätzliches neues 30-Milliarden-Dollar-Geschenk Militärhilfe an
Israel während der nächsten zehn Jahre angekündigt, verwenden regelmäßig ihr
UNO-Sicherheitsrats-Veto, um Israel davor zu bewahren, wegen seiner
Verletzungen internationalen Rechts zur Verantwortung gezogen zu werden (die
Hälfte aller U.S.-Vetos wurden seit 1970 eingelegt) und unterstützt die Polizei-
bzw. Militärassistenz der Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah mit 85
Milliarden Dollar, während das vernichtende vollständige Embargo und Isolation
Gazas beibehalten wird. Das ist Engagement. Die U.S. müssen sich anders
engagieren - nicht mehr.
Mythos Nr. 5. In
Annapolis anerkennen die Vereinigten Staaten sachgerecht Israel und die
Palästinenser als zwei gleichberechtigte Akteure, mit gleicher Verantwortung für
den Konflikt und gleichen Verpflichtungen sich zu einigen.
Dies ist kein Konflikt
zwischen gleichberechtigten Akteuren. Die U.S. bleibt die Schlüsselmacht. Die
"Gemeinsame Übereinkunft" in der Lesart Präsident Bushs in Annapolis legt fest,
[dass die] "Umsetzung des zukünftigen Friedensvertrags von der Umsetzung der
Road Map [des Friedensplans] abhängen wird, so wie es die Vereinigten Staaten
entschieden haben." Tatsächlich, sogar das "Quartett" der Road Map, die
diplomatische Fiktion, die den U.S. politische Deckung verschafften, indem sie
Europa, Russland und die Vereinten Nationen zu Back-Up- Sängern für Washingtons
Solo-Darbietung salbten, wurde in Annapolis aufgegeben.
Israel ist die
Besatzungsmacht, die ihre Besetzung palästinensischen Landes aufrecht hält und
damit viele UN Resolutionen verletzt, die ein sofortiges Ende der Besatzung der
ganzen West Bank, ganz Gazas und des gesamten Ost Jerusalem verlangen. Israel
muss alle Verpflichtungen der Genfer Konventionen und andere internationale
Gesetze einhalten, die Besatzungsmächten auferlegt sind - nicht verhandeln,
sondern einhalten - einschließlich dem absoluten Verbot von Siedlungen, dem
Verbot von Kollektivbestrafungen und mehr. Die PalästinenserInnen sind die
besetzte Bevölkerung, deren Schutz die wichtigste Verpflichtung der
Besatzungsmacht und der internationalen Gemeinschaft ist. 1988 machten die
PalästinenserInnen den historischen (obwohl weitgehend in Vergessenheit
geratenen) Kompromiss, dass sie ihren Anspruch aufgäben und Israel als einen
State auf 78% des historischen Palästina anerkennen würden (als sogar das UN
Teilungsabkommen Israel nur 55% zuteilte). Die Idee, dass jetzt von den
PalästinenserInnen erwartet wird, dass sie zusätzliche bedeutende Teile der
mageren 22% Landes, das ihnen geblieben ist, wegverhandeln und ihre anderen
unveräußerlichen Rechte auf Selbstbestimmung und Rückkehr wegvergleichen sollen,
verhöhnt internationales Recht und die internationale Gemeinschaft.
Mythos Nr. 6. Die
Diskussionen in Annapolis beweisen, dass eine "Zwei-Staaten- Lösung" das einzig
mögliche legitime Ergebnis bleibt.
Die Bildung eines
unabhängigen und souveränen palästinensischen Staates - in der gesamten
West Bank, dem Gazastreifen und Ost Jerusalem - bleibt das Mandat der Vereinten
Nationen und des internationalen Rechts und die offizielle palästinensische
Position. Formelle Unterstützung für die Bildung irgendeiner Art von
palästinensischem Staat sind die offiziellen Positionen von Israel und den
Vereinigten Staaten gemeinam mit vielen anderen Ländern. Aber die Bildung eines
existenzfähigen, zusammenhängenden und unabhängigen Staates auf dem gesamten
Gebiet von 1967, wie es dem Mandat der UNO und dem internationalen Recht
unterstellt wurde, würde den Abriss von gigantischen Blocks von Siedlungen in
Stadtgrösse verlangen und die Räumung von (oder das Einverständnis
nicht-privilegierte, gewöhnliche palästinensische BürgerInnen zu werden von)
über 450.000 israelischen SiedlerInnen in der West Bank und im besetzten Ost
Jerusalem. Das sind nicht bloß "kleine und gegenseitig vereinbarte Anpassungen"
an die Grenze. Die Siedlungen, die sich weiterhin vergrößern, ihre Realität und
jene der Apartheid Mauer machen zunehmend eine reale Zwei-Staaten-Lösung
unmöglich. Was viele israelische und U.S.-amerikanische PolitikerInnen
stillschweigend beabsichtigen, ist die Weihung eines palästinensischen
"virtuellen Staates" - er hätte Pässe und einen vollen Sitz in der UNO, eine
Internet-Identität und einen Telephon-Landes-Code ganz für sich. Aber er würde
aus Gaza und weniger als 50% der West Bank bestehen, in der Form eines Sets von
nicht-zusammenhängenden Bantustans, die durch israelisch-kontrollierte Strassen
und Brücken miteinander verbunden sind und mit Israel, das die Kontrolle der
Grenzen, des Luftraums, der Militär- und Sicherheitskapazität und mehr
behält.
Wenn die Bildung eines
existenzfähigen palästinensischen Staates weniger realistisch wird, beginnt die
Alternative, das gesamte historische Palästina - einschließlich dem, was jetzt
Israel ist, genauso wie die West Bank, den Gazastreifen und Ost Jerusalem - als
ein Land anzuerkennen, mit gleichen Rechten für alle seine BürgerInnen, mehr als
eine realistische Möglichkeit auszusehen.
Mythos Nr. 7. Die
israelische Teilnahme an der Annapolis Konferenz zeigt den Willen, einen
ernsthaften neuen Kompromiss bei den langjährigen Hürden zu einem gerechten und
dauerhaften Frieden einzugehen.
Zu den Siedlungen:
die Worte "Siedler" und "Siedlung" tauchten in Olmerts Rede in Annapolis nicht
auf. Vor seiner Ankunft gab es eine Ankündigung mit großer Öffentlichkeit, dass
Israel es unterlassen werde, irgendwelche "neuen" Siedlungen in der West Bank zu
bauen; das ist komplette Tatsachenverdreherei, seit die reale Expansion der
Siedlerbevölkerung durch die Expansion des Landes stattfindet, das kontrolliert
wird und von der Bevölkerung, die in den vorhandenen Siedlungen lebt, geschieht
dies nicht vorwiegend durch den Bau neuer Siedlungen.
Zu Jerusalem:
wurde nur im Zusammenhang damit erwähnt, weil Olmert aus Jerusalem ankam und
früher Bürgermeister Jerusalems war; kein Hinweis auf ein gemeinsames Jerusalem,
die Beendigung der Besatzung Ost Jerusalems, palästinensischer Rechte auf ihre
Hauptstadt in Jerusalem, etc.
Zu Flüchtlingen:
die Worte "Flüchtling", "Rückkehr", "Rechte", "internationales Recht" oder
"Resolution 194" wurden nicht verwendet. Olmert verwies mit einem absichtlich
undeutlichen Bezug auf "eure Leute, die so lange Jahre gelitten haben" und
PalästinenserInnen, die "seit Jahrzehnten in [Flüchtlings]Lagern gelebt haben,
getrennt von der Umgebung, in der sie aufgewachsen sind…" Doch Olmert sagte
[auch], er "käme heute NICHT hierher, um historische Konten zwischen uns und
euch abzugleichen," er hat die israelische Verantwortung für palästinensisches
Leid nicht anerkannt, ganz zu Schweigen davon, die durch internationales Recht
mandatierte Lösung der Resolution 194 zu akzeptieren, die das Recht der
Flüchtlinge auf Rückkehr sicherstellt. Anstelle davon behauptete er, Israel
würde "einen geeigneten Rahmen für ihre Zukunft finden, in dem palästinensischen
Staat, der auf den Gebieten errichtet werden wird, die zwischen uns vereinbart
sind."
Grenzen:
die Worte "Grenze", "Mauer", "Zaun", "Absperrung" wurden nicht genannt.
Mythos Nr. 8. Die
arabische Beteiligung spiegelt die U.S.-amerikanische und israelische Akzeptanz
der arabischen Friedensinitiative von 2002 als Teil des diplomatischen
Systems.
Eigentlich hat gerade
nur Abbas die aktuellen Voraussetzungen der arabischen Friedensinitiative
beschrieben - Israel beendet die Besatzung in den Grenzen von 1967, Flüchtlinge,
Jerusalem, die besetzten syrischen Golanhöhen. Für Bush und Olmert, war darauf
einzig im Kontext seiner Konsequenzen eingegangen worden: FALLS Israel die
Besatzung beendet, das Recht der Flüchtlinge auf Rückkehr anerkennt, etc., DANN
wäre eine Normalisierung zwischen Israel und der Arabischen Welt möglich.
Olmerts Rede enthielt eine Litanei darüber, was er über die arabische Initiative
denkt: er ist "vertraut mit" ihr, "anerkennt", "schätzt" die Initiative…aber
keine Andeutung, dass er sie annehmen oder einhalten würde. Tatsächlich hat
Olmert die arabischen Diplomaten direkt angesprochen, indem er sie daran
erinnerte, dass welche Ansichten sie auch immer hätten, die arabischen
Regierungen keinen Platz beim Tisch bekämen. "[S]ogar wenn die arabische
Friedensinitiative Prinzipien präsentiert, die auf arabischen Berichten beruhen,
haben sie keine Absicht die PalästinenserInnen in den Verhandlungen zu ersetzen.
Bitte unterstützen sie sie; sie benötigen das. Ohne ihre Unterstützung für
Kompromisse, wird es keinen Frieden geben." Für Olmert war der Job der
arabischen Regierungen bei der Unterwerfung der PalästinenserInnen zu
kollaborieren.
Mythos Nr. 9. Syriens
Teilnahme bedeutet, dass sich Syrien jetzt der pro-westlichen anti-iranischen
Fraktion in der Region anschließt.
Syrien ist ein armes und
verhältnismäßig schwaches Land, dessen Präsident Bashar al-Assad niemals die
Macht und den Einfluß seines Vaters, Hafez al-Assad, beansprucht hat. Ungeachtet
der langjährigen Verbindungen Syriens zum Iran, ist es ein entscheidender Teil
der arabischen Welt und könnte es sich nicht leisten, den Aufruf der Arabischen
Liga in Annapolis teilzunehmen, zu insultieren. Die syrische Teilnahme auf
relativ nachgeordneter Ebene mit teilweiser Brüskierung der U.S. und Israels
(und sogar Mahmoud Abbas') bringt Damaskus weg vom heißen Sitz mit Washington -
das weiterhin hofft, dass es dazu imstande ist, Syrien vom Iran wegzubringen.
Syrien war zumindest dazu fähig das Wort "Golanhöhe" zu erwähnen und die
diplomatischen ZuhörerInnen daran zu erinnern, dass die arabische
Friedensinitiative auch die Beendigung der israelischen Besatzung des Golan als
Vorbedingung für eine Normalisierung enthält. Und die syrische Teilnahme in
Annapolis könnte als Zahlung einer Art Schutzgeld betrachtet werden, die den
Einfluß der "Syrien als nächstes"-Gruppierung in Washington reduziert.
Mythos Nr. 10. Die
Reden, die in Annapolis gehalten werden, werden neue Verbindlichkeiten
inspirieren.
Die Annapolis Konferenz
hat kein großartiges Set an "vertrauensbildenden Maßnahmen" ausgebreitet, um den
Prozess in Gang zu setzen. Die Ankündigungen der israelischen Regierung vor
Annapolis war gekennzeichnet durch eine medienwirksame Verlautbarung der
Freilassung von 450 Gefangenen (weniger als 5% der mehr als 10.000, die Israel
weiterhin illegal gefangenhält) und einem Versprechen keinerlei weitere neue
Siedlungen zu bauen. Das war ein Rückschritt sogar durch den Aufruf an Israel,
den die Road Map geltend gemacht hatte, "sämtliche Siedlungserweiterungen
einzufrieren," was bedeutete keine zusätzlichen Bauten oder weitere neue
SiedlerInnen. Tatsächlich würde reale Vertrauensbildung verlangen, dass
Israel zumindest den Prozess beginnt, tatsächlich existierende Siedlungen
abzubauen. Nicht einfach die winzigen symbolischen "Außenstellen", die Israel
mit kleinen politischen und ohne finanzielle Kosten schließen kann (obwohl sie
nicht - wie in der Road Map versprochen - zugemacht worden sind) - aber eine
tatsächliche Aktion wie der Beginn der Demontage einiger der leeren oder
halbfertigen Apartments, die kürzlich überall in den existierenden illegalen
Siedlungen in Stadtgrösse wie Ariel oder Ma’ale Adumim gebaut werden. Das könnte
ein Schritt in Richtung nicht nur simpler Vermeidung weiterer Verschlechterung
sein, sondern ein Schritt in Richtung ernsthafter Friedensstiftung.
Mythos Nr. 11. Die
Annapolis Konferenz beruhte auf der Umsetzung aller relevanten UNO Resolutionen.
Die Gegenwart dutzender
Regierungen und internationaler Organisationen in Annapolis gaben der Konferenz
das Aussehen eines Vereinten Nationen-artigen Ereignisses. Aber es war nur
stilgerecht - ohne Substanz. Auf diese Weise spiegelte es ein ähnliches Scenario
von 1991 ab, als die Vereinigten Staaten (angeblich mit sowjetischer
Co-Förderung) die Konferenz in Madrid instrumentierten, um neue
Friedensgespräche "in Bewegung zu setzen". Eine enorme glitzernde
internationale Versammlung - aber das offizielle Memorandum der Übereinstimmung
zwischen den USA und Israel, die die Bedingungen für die israelische Teilnahme
festlegen und die garantieren, dass dem einzigen Vertreter der Vereinten
Nationen zu sprechen untersagt werden würde. Während es dem derzeitigen UN
Generalsekretär Ban ki-Moon in Annapolis formal zu sprechen erlaubt war, gab es
dort nicht einmal die Illusion, dass der Weltorganisation, die eigentlich das
Herzstück aller internationaler diplomatischer Anstrengungen in dieser
Angelegenheit sein sollte, eine ernsthafte Rolle erlaubt würde.
Nicht eine einzige UN
Resolution wurde in der gemeinsamen israelisch-palästinensischen Stellungnahme
erwähnt, die Bush zur Eröffnung der Konferenz las. Abbas bezog sich auf die
Resolution 194 (die das Recht der Flüchtlinge auf Rückkehr sicherstellt), doch
sie wurde in den US-amerikanischen und israelischen Reden ignoriert. Olmert
erwähnte 242 und 338, aber stellte die Legitimation der UN Resolution gleich mit
dem Brief, den Präsident Bush am 14. April 2004 an den damaligen Premierminister
Ariel Sharon geschrieben hatte und in dem er die U.S.- Unterstützung sowohl für
die israelische Aneignung eines gigantischen Siedlungsblocks als auch für die
israelische Zurückweisung des Rechts auf Rückkehr versprochen hat. Es gab
selbstverständlich keine Diskussion über Washingtons Verhaltensmuster von
Veto-Drohungen und Verwendungen von Veto im Sicherheitsrat, die Israel
regelmäßig davor bewahrt hat für seine Verletzungen internationalen Rechts zur
Verantwortung gezogen zu werden.
Mythos Nr. 12.
Annapolis war ein Misserfolg.
Wenn wir verstehen, was
Annapolis wirklich war, könnte es sich als grosser Erfolg erweisen. (Siehe
Mythos Nr. 1) Die arabischen Regimes können mit den Abschriften ihrer eigenen
Reden nach Hause gehen, ob Gepolter oder staatsmännisch und ihren Leuten zeigen,
wie sie sich gegenüber Israel und den vereinigten Staaten behauptet haben und
wie sie den PalästinenserInnen geholfen haben. Sie können dann das nächste Mal
grössere Bereitschaft zeigen, wenn Bush sie nach Überflugsrechten, nach Rechten
zur Errichtung einer Basis oder nach politischer Unterstützung fragt. Und
Condoleezza Rice hat ihre Fototermine bekommen. Ihr Vermächtnis, es ist zu früh,
das zu sagen.
Aber bezogen auf seine
realen, doch uneingestandenen Ziele, könnte sich Annapolis als grosser Erfolg
erweisen.
Was bedeutet das nun
alles? Und was machen wir jetzt?
Es gibt einen weiteren
Mythos, der aussagt, dass Annapolis, die jüngste Wiederholung des
U.S.-kontrollierten "Friedensprozesses", das Epizentrum der derzeitigen
israelisch-palästinensischen friedensstiftenden Bemühungen darstellt. Das hat
nie gestimmt. Der Rahmen dieser Konferenz, gestaltet durch die globale Macht und
den Unilateralismus der Vereinigten Staaten; durch israelischen regionalen
Expansionismus, Militarismus und Apartheidpolitik; die Repression und
Militarismus arabischer Regierungen und durch die palästinensische Teilung und
Schwäche, hielt nie grosse Hoffnung für einen gerechten oder andauernden oder
umfassenden Frieden bereit. Aber das bedeutet nicht, dass reale
friedensstiftende Arbeit nicht im Gange ist. Die palästinensische
Zivilgesellschaft, unterstützt durch die globale Zivilgesellschaft, einen
wenigen Regierungen und manchmal den Vereinten Nationen, sind dabei gewaltlose
Bewegungen zu bilden, die die tatsächlichen Gegenheiten herausfordern.
2005 haben die
palästinensische und die globale Zivilgesellschaft zur Bildung einer Bewegung
für Boykott, Divestment und Sanktionen aufgerufen, um internationalen
gewaltlosen wirtschaftlichen Druck auszuüben, damit Israel internationales Recht
befolgt. Diese Bewegung ist gut unterwegs. Die wachsende globale Verwendung des
Rahmens der Anti-Apartheid Bewegung, forderte die israelische Politik der
Diskriminierung heraus und ist sowohl durch Personen wie den ehemaligen
Präsidenten Jimmy Carter und Erzbischof Desmond Tutu als auch Organisationen wie
die U.S.-Kampagne zur Beendung der israelischen Besatzung weitergekommen.
Israels illegale Apartheid-Mauer steht vor Herausforderungen durch globale
Bewegungen und durch die direkte Aktion von PalästinenserInnen, Israelis und
internationalen AktivistInnn an Orten wie dem Dorf Bi'ilin in der West Bank, wo
sich AktivistInnen jeden Freitag gewaltlos versammeln, um gegen die Mauer zu
protestieren. Organisationen wie die U.S.-Kampagne zur Beendung der israelischen
Besatzung, die Stop die Mauer Koalition und BADIL in den besetzten Gebieten, das
'International Coordinating Network on Palestine' und so viele andere bleiben
engagiert bei dieser Aufgabe.
Während die Drohungen
und Vetos der Vereinigten Staaten den Sicherheitsrat weitgehend an der zentralen
Rolle gehindert, die er in dieser Angelegenheit spielen sollte, andere Teile des
Systems der Vereinten Nationen bleiben völlig engagiert. Von den Komitees der
Generalversammlung die, die unveräußerlichen Rechte des palästinensischen Volkes
schützen, zur mutigen Arbeit des Sonderberichterstatters der
UN-Menschenrechtskommission in den Besetzten Gebieten John Dugard, ebenso wie
die Analyse des ehemaligen UN Repräsentanten des "Quartetts" Alvaro de Soto, der
die Unterstützung der Vereinigten Staaten bei der inter-palästinensischen Gewalt
in Gaza aufgedeckt hat, die UN bleibt eine wesentlicher Verbündeter. Es gibt
Kampagnen im U.S., dem Europäischen, Brasilianischen und vielen anderen
nationalen Gerichtshöfen, ebenso wie im Internationalen Gerichtshof, um Israel
für seine Übertretungen zur Verantwortung zu ziehen. Dies sind die Orte, an
denen die tatsächliche Friedensstiftung auf dem Weg ist. Es gibt die
Anstrengungen für reale Gerechtigkeit - anders als jener "Frieden", welcher auch
immer bei Annapolis herauskommen wird, er wird wahrscheinlich weder gerecht noch
dauerhaft sein.
*) Phyllis Bennis ist
Mitglied des Instituts für Politische Studien (www.ips-dc.org)
und des Transnationalen Instituts in Amsterdam. Ihr neuestes Buch ist
Understanding the Palestinian-Israeli Conflict: A Primer. [Den
palästinensisch-israelischen Konflikt verstehen: Eine Einführung.]
Übers.: Tina Salhi
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