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ief-aus-Israel]


 

 From: "Angelika Schneider" <anka.sch(at)gmx.net To: <Brief-aus-Israel(at)yahoogroups.de Subject: [Brief-aus-Israel] Aktuelles aus
den besetzten Gebieten


 

Liebe Leute,

Zunächts können wir uns nur freuen, dass endlich wieder die Massen in Israel auf die Straße gegangen sind - zum ersten mal seit beginn dieser Intifada. 150 000 ist für den kleinen Staat schon eine riesige Menge. Ob das irgendein Einfluss auf die Politik haben wird - und welche - bleibt natürlich noch offen.

Dorothy schickt ein Artikel aus der Washington Post über den gegenwärtigen Krieg - anders kann man ihn nicht nennen, wenn er auch sehr ungleich geführt wird - im Gazastreifen, der ihr bei der Durchsicht etwa eines Dutzend Zeitungen der Sachlage am nächsten zu kommen schien. Welche Zeitung bei uns schreibt mal so anschaulich?

Und wenn schon "mal", warum nicht angesichts der zur Zeit zu himmelschreienden Situation im Gazastreifen?

RAFAH FLÜCHTLINGSLAGER, Gazastreifen

 -- Azizah Abu Anzah schaute gerade eine arabische Seifenoper im Fernsehen, als ein 56 Tonnen gepanzerter Bulldozer sich in ihr Haus hineinfraß, am Rande des Flüchtlingslagers an der südlichen Grenze des Gazastreifens. Die 30- jährige erinnert sich, wie sie ihre Kinder ergriff und sich versteckte hinter einem Haus in der nächsten Gasse. Sie lugte um die Ecke als ein mehr als mannshoher Schieber ihr 3-Zimmer Haus wegrasierte.

"Alle Nachbarn kamen und rannten hinein um meine Möbel zu sammeln - das Bett, den Fernseher, meine neue Waschmaschine, einige Decken -- der Bulldozer hat nicht aufgehört," sagte Abu Anzah. "Wir weinten alle. Es war ein Tag, den ich nie vergessen werde.

Sie und ihr Mann Musa zogen mit der Familie tiefer ins Lager - weiter von den sich nähernden Bulldozern, Schusswechseln und Panzerfahrten.

Aber Die Bulldozer kamen immer weiter und legten die Nachbarschaft, Haus für Haus, flach. Vorige Woche, 16 Monate nachdem ihr erstes Haus zerstört wurde, wurde die zweite Wohnung der Abu Anzah von der israelischen Armee während des neueren Ausbruchs von Kämpfen zwischen dem israelischen Militär und palästinensischen Kämpfern.

Dies ist die Frontlinie des gefährlichsten Kampfbereiches in den palästinensischen Gebieten. Während der letzten Woche sind 14 Palästinenser und sieben israelische Soldaten in den intensiven Kämpfen in Rafah getötet worden....

In den letzten 3 1/2 Jahren haben die israelischen Militärbulldozer 1218 Häuser am nördlichen Stück der Grenze zwischen Gaza und Ägypten zermalmt. Ein eine Meile langer Bereich von bröckelndem Beton, zersplittertem Holz und verzerrtem Metal ist der ganze Rest von einer engen Gemeinschaft von Familien und Nachbarn die sich hier vor einem halben Jahrhundert in einer Gruppe von UN Zelten zusammenfand.

"Sie haben uns getrennt," sagte Abu Anzah vor ein paar Wochen, in einem haus das inzwischen zerstört wurde. "Alle Nachbarn waren meine Verwandte. Nun sind sie überall zerstreut.

Nachdem Israel 80 bis 120 Häuser in dieser Woche zerstört hat, hat der Oberste Gericht eine einstweilige Verfügung gegen die Zerstörung von Häusern hier, auf Antrag von einer palästinensischen Menschenrechtsgruppe. Israelische Militärführer sagen, dass die palästinensische Guerrilla mehr Angriffe gegen israelische Truppen in diesem kleinen Bereich der Grenze als irgendwo anders in den Palästinensergebieten ausführt. Im vergangenen Jahr hat das Militär fast 2000 solcher Angriffe gegen seine Soldaten von Raketen, Granaten, Gewehre und bomben gezählt - doppelt so viele wie in der ganzen Westbank. Innerhalb der Grenze hat das Militär eine über 8m hohe Stahlmauer gebaut, mit kugelsicheren Beobachtungstürme, die technische Überwachunsapparatur und Soldaten mit ferngelenkten Maschinengewehren enthalten.

Die Häuser an der Grenze, behaupten die Israelis, verbergen palästinensische Schützen, die auf Soldaten schießen, und viele Häuser stehen über den Eingängen zu Tunnel, die von Schmuggler benutzt werden, um Waffen und anderes Gut von Ägypten rüber zu bringen. ... Abu Anzah und ihre NachbarInnen sagen, sie sind gefangen zwischen dem israelischen Militär und palästinensischen Guerrilla und Verbrecherbanden. Und sie trauern nicht nur über den Verlust an Leben und Zerstörung der Wohnungen, sondern auch über die Straßenweise Zerstückelung ihrer Gemeinschaft.

Die Nachbarschaften innerhalb des Rafah Flüchtlingslagers - wie Abu Anzahs Block O - behalten die bürokratischen Bezeichnungen, die die UN in den frühen 50ern festgelegt hat, als die Einrichtung für Palästinenser errichtet wurde, die aus dem neuen jüdischen Staat entweder flohen oder vertrieben wurden. Aber sie haben sich entwickelt in intime Enklaven von ein- und zweigeschössigen Betonhäusern und mehrstöckigen Wohnhäusern, wo drei Generationen oft dieselben Wohnungen teilen und Nachbarn untereinander heiraten und so die Gemeinschaftsbanden noch enger ziehen.

Jetzt sind mehr als 11 000 Menschen - etwa einer aus 10 BewohnerInnen in dem ausgedehnten Lager von fast 100 000 Menschen - entwurzelt worden, nach der UN Relief and Works Agency, das Flüchtlingsgemeinden im Gazastreifen verwaltet. In Block O, eines der am schlimmsten verwüsteten Nachbarschaften im Camp, sind mindestens 570 Häuser - fast die halbe Gemeinschaft - vernichtet oder so beschädigt worden, dass sie nicht mehr bewohnt werden können.Unter dem Plan von Premier Ariel Sharon, jüdische Siedler und israelische Soldaten aus dem Gazastreifen zurück zu ziehen, sagen israelische Behörden, können noch mehr Häuser im Block O und angrenzenden Nachbarschaften zerstört werden, um Sicherheitszonen an der Straße zur Grenze, die Philadelphi Road [Straße der Bruderliebe!]. Die Kontrolle über die Grenze zu Ägypten ist eines der kontroversesten Fragen, die gelöst werden müssen, bevor eine Rückzugsplan implementiert werden kann, wegen der komplexen Verhandlungen, die nötig werden um die Autorität von Israel nach Ägypten zu verschieben.

Abu Anzah, deren Augen vom Dunkelbraun herbsüßer Schokolade sind, zog aus Algerien nach Rafah mit ihrem Bruder 1994 in der politischen Ruhezeit nach den Oslo Friedensverhandlungen. In jenen hoffnungsvollen Jahren bedeutete das Flüchtlingslager nicht Vorläufigkeit sondern eine Gemeinschaft in der sie familiäre Wurzeln schlagen konnte.

Am Ende des Sommers, durch ein Familienabkommen, heiratete sie Musa Abu Anzah, eine lebenslanger Bewohner des Lagers. Beide waren 20. Intterhalb eines Jahres wurde die erste Tochter, Jehan geboren. Azizah Abu Anzah war von der verschwägerten Familie umgeben und von einer Nachbarschaft von Großfamilien im block O umfangen.

Als sie ihre 3 Kinder gebar "war ich von Familienmitgliedern umringt," sagte Azizah Abu Anzah. Als das Baby Ola in diesem Jahr geboren wurde, "war keiner bei mir." Sie und ihr Mann, der beim Zollamt am naheliegenden Grenzübergang arbeitet, waren die letzten der Familie, die Block O verlassen haben.

Als die israelischen Bulldozer das Haus platt machten, dass im Zentrum der Nachbarschaft lag, zog die Familie in ein einst elegantes, butterfarbenes Haus, dessen saudi Besitzer es verlassen hatten... Vorige Woche wurde dieses Haus durch das israelische Militär zu Pulver zermalmt.

[Es folgt eine ähnlich ausführliche und anschauliche Geschichte der Leiden einer zweiten Familie, die ich aus Zeitnot überspringe. Der dritte Teil des Artikels wird überschrieben] Faustgrosse Einschüsse

Um 11.15 Uhr an einem Frühlingstag in Block O, saß Jehan Abu Anzah auf der Stufe in ihrer zerknitterten weiß-blauen Schuluniform und wartete, dass ihre Mutter die Tür aufschloss. In der Nähe trat die 2 1/2jährige Hallah nach Zigarettenkippen in der schmalen Gasse. Ein UN-gesponsortes Team von psychologischen Beratern stand in der Nähe, m Hallahs Eltern zu beraten, wie sie reagieren sollten, wenn sie Schüsse hören. Bleibt ruhig, um die Kinder nicht zu alarmieren.

Ohne Warnung krachte Maschinengewehrfeuer durch die Gasse aus Richtung eines Wachturms.

Die Erwachsenen - Eltern, Berater und ein Reporter - erschraken im selben Augenblick und suchten nach dem nächsten Schutz. Hallah mit durch Terror geweiteten Augen, hielt sich an der abgewetzten Hose ihres Vaters fest und wimmerte wie ein Hündchen. Die 9jährige Jehan schmiss ihre Bücher auf den Boden, knallte mit den Fäusten gegen die Metaltür und schrie mit schreckenerhöhter Stimme "Yama! Yama!" - Mama! Mama!

"Wir haben alle Angst," bekannte Bushra Ayyash, einer der Berater, die nervös am schwarzen Burqa zupfete, das ihren Körper bedeckte. Was denken Sie, was dieses Kind fühlte, die am Bein ihres Vaters zerrt?"

"Die Menschen, die noch vor den israelischen Truppen leben, sind wütender als diejenigen, die weggelaufen sind. Sie fürchten sowohl den Verlust ihres Hauses wie den Tot durch Erschießen. Für sie ist ihre ganze Gesellschaft zerstört.

Vor einigen Wochen wurde das zweigeschossige Haus aus Hohlbausteinen, das Shadia und Abdulkarim Hamad mit ihren 7 Kindern teilen von Einschusslöchern bedeckt -- faustgroße Kreise und eckige Löcher, groß genug dass ein Arm durchgeht, dutzende Öffnungen die die Bandbreite der israelischen Feuermacht demonstrieren.

Jetzt steigt die 42jährige Shadia Hamad, deren weiches rundes Gesicht und braune Augen die Erschöpftheit ständiger Müdigkeit widerspiegelt, hinauf in den zweiten Stock und erzählte von ihrem Haus und ihren Ängsten.

Vor kurzem haben Soldaten aus dem Wachturm das Feuer eröffnet, als ihr Sohn Alaa auf das Dach stieg um die Tauben zu füttern. Um 11 Uhr an einem anderen Tag trafen zwei Kugeln einen Spiegel im Schlafzimmer, nur Zentimeter von der 16jährigen Tochter Moha entfernt, die ihr dichtes schwarzes Haar bürstete. An einem anderen Tag flog eine Kugel über die Schulter von Moha als sie sich bückte um ihrem Vater eine Tasse Tee im Wohnzimmer zu reichen. Die 14jährige Walaa stolperte als sie die dunkle, geländerlose Treppe nach unten hinunterstürzte und brach sich die Vorderzähne.

In einem Nachbarhaus, außer Hörweite seiner Eltern räumte Alaa mit niedergeschlagenen Augen ein, "Ich habe Angst." Als er nach seinen Bestrebungen gefragt wurde, sagte er, "Ich hoffe, Arzt werden zu können." Er zögerte einige Sekunden und murmelte dann, "wenn ich noch lebe."

Vorige Woche, als Kämpfe zwischen palästinensischen Guerrilla mit primitiven Raketen getriebenen Granatwerfern und israelischen Soldaten in gepanzerten Truppentransportern und Panzern, evakuierten Alaa und seine Familie ihr Haus, Koffer, die sie für solche Notfälle bereithielten, in der Hand. Am Freitag war ihr von Geschossmalen übersätes Haus mit seinem "Sicherheitsraum" im Erdgeschoss nur noch ein weiterer Haufen zerkrümelter Beton.

c 2004 The Washington Post Company

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Am Sonntag berichtete Ha'arez dass der Oberste Gericht einen Antrag von 13 Bewohner des Rafah Flüchtlingslagers um einen Verbot weiterer Häuserdemolierungen abgewiesen.

Am Wochenende wurden bis zu 88 Häusern nach UNRWA Schätzungen zerstört.





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