Die Neue Israel Lobby
James
Traub, 9.September 2009
Im
Juli traf sich Präsident Obama für 45 Minuten mit den Führern
amerikanisch jüdischer Organisationen. Alle Präsidenten treffen sich mit
Israels Befürwortern. Obama jedoch hat sich Zeit gelassen und
verantwortliche Leute der jüdischen Gemeinschaft brummten; Obamas Kühle
schien ein Teil seiner Bereitschaft zu sein, Israel öffentlich unter
Druck zu setzen, um den Siedlungsbau einzufrieren. Das Elend der
Palästinenser hat ihm anscheinend auch besondere Sorge bereitet. Während
des Julitreffens, das im Roosevelt-Raum stattfand, erzählte Malcolm
Hoenlein, der Exekutivdirektor der Konferenz der Präsidenten der
größeren amerikanischen-jüdischen Organisationen, dass die „allgemeine
Missstimmung zwischen Israel und den USA für keinen günstig ist“ und
dass Differenzen direkt mit den beiden Parteien behandelt werden
sollten. Der Präsident – so Hoenlein - lehnte sich in seinem Sessel
zurück und sagte: „Damit bin ich nicht einverstanden. Wir hatten acht
Jahre lang kein Licht (zwischen George Bush und den auf einander
folgenden israelischen Regierungen ) „ und keinen Fortschritt.“
Man
kann sicher sagen, dass wenigstens ein Teilnehmer des Treffens sich
über diesen Austausch freute: Yeremy Ben-Ami, der Gründer und
Vorsitzende der J street (Jewish street), eine ein Jahr alte Lobbygruppe
mit progressiven Ansichten über Israel. Einige der jüd.
Mainstream-Gruppen protestieren heftig gegen die Entscheidung des Weißen
Hauses, die J Street einzuladen, die sie als marginale Organisation
ansehen und die jenseits des Konsens stünden, den sie zu verteidigen
versuchen. Aber J Street teilt die Agenda der Obama-Regierung. Die
Einladung wurde nicht zurückgenommen. Ben-Ami sagte bei dem Treffen
kein Wort – er war sich bewusst, dass J Street einen Außenseiterstatus
hat. Aber nachher wurde er ausführlich in der Presse zitiert, was die
Mainstream-Gruppen sehr ärgerte. J Street akzeptiert die „allgemeine
Harmonie“-Regel genau wie Obama nicht mehr. Bei einem Gespräch vor einem
Monat vor der Sitzung im Weißen Haus erklärte mir Ben-Ami: „Wir
versuchen neu zu definieren, was es heißt, pro-Israel zu sein. Man muss
nicht unkritisch sein. Man muss nicht die Parteilinie adoptieren . Es
ist nicht unsere Meinung: „Israel, right or wrong“
Es
scheint ein großes Interesse für J Street zu geben. Während des letzten
Jahres hat sich das Budget von J Street auf drei Millionen Dollars
verdoppelt; die Verantwortlichen haben sich auf Sechs verdoppelt. Doch
noch ist sie winzig, verglichen mit der AIPAC, deren Lobby- Fähigkeiten
eine Washington-Legende ist. J Street ist im Internet präsent,
verschickt e-mail-Botschaften en masse …aber sie kam genau im richtigen
Augenblick; denn Präsident Obama entschied sich – anders als seine
Vorgänger – sich von Anfang an für ein Nahostfriedensabkommen zu
engagieren. Er ernannte George Mitchell zu seinem Unterhändler, und
Mitchell versucht, von Israel, den Palästinensern und den arabischen
Staaten schmerzhafte Konzessionen zu bekommen . Im Falle Israel bedeutet
dies das Einfrieren des Siedlungsbaus und die Akzeptanz einer
Zwei-Staaten-Lösung. Obama benötigt den politischen Raum (?) zu Hause
..Er benötigt den Kongress, um Ministerpräsident Netanyahus Appellen
gegenüber standhaft zu bleiben. Was diese Probleme betrifft, die ein
großes Dilemma für die Mainstreamgruppen darstellen, weiß J-Street
genau, wo sie steht. Ben Ami sagte zu mir: „Punkt eins auf unserer
Agenda ist, alles im Kongress zu tun, was wir können, um den Präsidenten
zu unterstützen.“
Der
Gedanke, dass es eine „Israel Lobby“ mit einer doppelten Loyalität gibt,
ist eine kontroverse Vorstellung. Doch die gibt es mindestens schon
seit den frühen 70ern, doch wurde dies erst zu einem wichtigen
Gesprächsthema, nachdem 2006 ein berüchtigter Artikel in The London
Review of Books von den Politikwissenschaftlern Mearsheimer und Walt
erschienen war. Der Artikel, der inzwischen zu einem Buch wurde, machte
viele Leser durch seine Verschwörungsatmosphäre wütend; durch sein
Bestehen darauf, dass jüdische Neokonservative Präsident Bush überzeugt
hätten, den Krieg gegen den Irak zu beginnen, um Israel zu schützen;
durch die scheinbare Ignoranz der Autoren von dem tiefen Gefühl der
Identifizierung vieler Amerikaner – jüdische und andere – mit Israel.
Aber die Autoren stellten auch eine Behauptung auf, die viele
kenntnisreiche Leute bis ins Mark traf: der Israel-Lobby war es
gelungen, fast jede Kritik an Israel auszuschließen, besonders im
Kongress.
Das
Entscheidende ist, dass AIPAC, ein de facto-Agent einer ausländischen
Regierung, den Kongress im Würgegriff hat und zwar mit dem Ergebnis,
dass die US-Politik dort nicht debattiert wird, obwohl diese Politik so
wichtige Konsequenzen für die ganze Welt hat,“ schreiben Mearsheimer
und Walt. Sie schreiben auch, dass es AIPAC und anderen Gruppen gelingt,
hohe Vertreter mit pro-Israel-Einstellung zu wichtigen Positionen zu
verhelfen. Das ist natürlich genau das, was effektive Lobbys tun. Die
Cuba-Lobby z.B. operierte in genau derselben Weise. Aber Israel ist viel
bedeutender als Kuba für amerikanische nationale Sicherheitsinteressen
. Kein Land – ob Israel oder Kuba - hat identische Interessen mit denen
der USA …
George
W. Bush teilte die Ansichten der Mainstreamgruppen über Israel,
Palästina, den Iran und die Bedrohung durch islamischen Extremismus.
AIPAC und andere Gruppen fanden wenig an ihm zu kritisieren, der -
anders als Bill Clinton - nicht glaubte, Jerusalem drängen zu müssen,
ernsthafte Kompromisse zu machen, um Frieden zu erlangen. Präsident Bush
war nach dieser Ansicht der beste Präsident, den sich Israels
Likudführung und die jüdischen Mainstream –Gruppen wünschen konnten.
Und es
war genau dieser Erfolg, als der „Würgegriff“ sich zu lockern begann,
wie ihn Mearsheimer und Walt beschrieben. Martin Indyk, ein früherer
US-Botschafter in Israel, drückt es so aus: „In den Bush-Jahren, als
sich Israel quasi vieler Blanko Schecks erfreute, fragten sich immer
mehr Leute in der jüdischen und pro-Israel-Gemeinde, ob dies wirklich
der beste US-Präsident war, den Israel je hatte. Wie kommt es, dass sich
Israels Umstände so schnell zu verschlechtern scheinen?“ Warum wurde
Israel diplomatisch immer mehr isoliert? Warum hat Israel einen
brutalen und scheinbar vergeblichen Krieg gegen die Hisbollah im Libanon
gekämpft? Warum gewann die islamistische HAMAS die Oberhand über die
moderate Fatah in Palästina? …“Ob ein Blanco Scheck für Israel wirklich
der beste Weg ist seine Langlebigkeit für den jüdischen Staat
abzusichern“, fragt Indyk.
James
Traub wirkt als Schriftsteller am Magazin mit. Er ist Autor des kürzlich
erschienenen „The Freedom Agenda“
(dt.
und gekürzt: Ellen Rohlfs)
http://www.nytimes.com/2009/09/13/magazin/13Jstreet-t.html?_r=1&eme=eta1
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