Wael Taha - der jüngste
Gefangene in den Gefängnissen der Besatzungsmacht
Von Jameel Hamed
Wael Taha
ist knapp 18 Monate alt. Das Licht
der Welt erblickte er im
Gefängnis. Seine Mutter ist Mirwat Taha.
Noor Abu Hijla war zwei Jahre lang gefangen. Sie hat
Mirwat und ihren Sohn
gesehen. Mirwat hat ihr eine Botschaft mitgegeben:
"Sag der Welt da draußen, dass Wael jetzt 18 Monate alt
ist. Uns bleiben
nur noch sechs gemeinsame Monate, dann nehmen sie ihn
mir weg. Wenn sie
mich von meinem Sohn trennen, werde ich sterben."
Mirwats qualvolle Reise durch die Gefängnisse der
Besatzer fing im Juni
2002 in Jerusalem an, als sie drei Monate nach ihrer
Hochzeit verhaftet
wurde. Im Gefängnis klagte sie häufig über Unwohlsein
und Schmerzen. Als
die Schmerzen unerträglich wurden, erbarmten sich die
Betreuer und brachten
sie zur Untersuchung. Dort wurde festgestellt, dass sie
ein Kind in sich
trägt.
Norr berichtet, dass der schwangeren Mutter jede weitere
Untersuchung
verboten wurde. Sie konnte sich nicht über den Zustand
ihres Kindes zu
erkundigen. Eisentabletten bekam sie nicht - wie jede
Mutter weiß, sind die
sehr wichtig für Schwangere und ihr Kind. Hinzu kamen
die schlechten
Haftbedingungen - nährstoffarmes Essen, kalte Räume und
unzureichende
Kleidung.
Kurz vor
der Entbindung wurde Mirwat von ihren Freundinnen
getrennt. Diese
haben daraufhin eine Beschwerde eingereicht und nach
langwierigen
Verhandlungen bei der Gefängnisleitung erreicht, dass
Mirwat eine Frau
auswählen durfte, die sie in den letzten
Schwangerschaftsmonaten begleitete.
Mirwat entschied sich für Frau Kahira al Sadi aus dem
Flüchtlingslager
"Jenin". Kahira ist zu dreimal LEBENSLÄNGLICH
verurteilt. Als Mutter von
vier Kindern ist sie eine erfahrene Frau.
Mirwat hat es grundsätzlich abgelehnt, von den
Gefängnisärztin untersucht
zu werden, weil diese keine Frauenärztin, sondern eine
Suchtberaterin für
Drogenabhängige ist. Die werdende Mutter befürchtete,
dass die Ärztin ihr
falsche Medikamente mit negativen Folgen für Kind
verschreiben würde.
Sie gebar
in Einsamkeit.
Über die Geburt von Wael berichtet die Mutter: "Ich habe
darum gebeten,
dass meine und die Familie meines Mannes bei der Geburt
im Gefängnis von
Ramleh (eine palästinensische Stadt in den besetzten
Gebieten) anwesend
sein durften. Leider wurde das niemandem aus den beiden
Familien erlaubt.
Ich wünschte so sehr einen vertrauten Menschen am meiner
Seite, mit dem ich
mein Leid und meine Schmerzen teilen konnte -
vergeblich.
Ich habe nach einem Gegenstand gesucht, auf den ich
drücken oder beißen
konnte, um die Schmerzen bei der Geburt zu verkraften.
Aber ich hatte nur
die Handschellen, mit denen ich gefesselt war, sonst
nichts.
Die letzten Minuten der Geburt durfte ich in einem
Krankenzimmer
verbringen. Die Einsamkeit, die Fremde und die
Gefangenschaft waren meine
Last. Diese Last ließ mich die Last der eisernen
Handschellen vergessen,
mit denen meine Hände und Beine an das Bett gekettet
waren. So habe ich
meinen Sohn zur Welt gebracht.
Als die
Nachricht von der Geburt die Mitgefangenen erreichte,
haben sie
Freudenlaute von sich gegeben und eine kleine
Willkommenfeier organisiert,
um der jungen Mutter eine Freude zu bereiten.
Die freudige Stimmung hielt leider nicht lange an, der
triste
Gefängnisalltag kehrte zurück.
Vom ersten Tag an musste sich der Säugling an das harte
Leben im Gefängnis
gewöhnen. Er erhielt keine altersgerechte Nahrung. Sogar
der Mutter wurden
Nahrungsmittel mit wichtigen Nährstoffen nicht
zugebilligt. Die Frauen
forderten, ihr eine bessere Milch in der Kantine zu
verkaufen. Sie waren
bereit zugunsten der Mutter und des Kindes dafür zu
bezahlen - leider
erfolglos.
Wael wuchs
und sehr bald war zu sehen, dass er ein fröhliches und
munteres
Kind ist. Es war eine überwältigende Stimmung im
Gefängnis, wenn Wael nach
einer durchweinten Nacht sich bei den ersten
Sonnenstrahlen beruhigte und
friedlich mit seiner Mutter spielte.
Noor
berichtet:
Eines Tages hatten wir keine Windeln mehr. Wir haben die
Betreuer gebeten,
uns welche zu besorgen. Nach langem Warten hat die
Mutter endlich die
Windeln bekommen. Die waren aber schon schimmlig und
nicht zu verwenden.
Als wir das meldeten, hieß es nur: "interessiert uns
nicht"
In den israelischen Gefängnissen werden alle
Palästinenser unwürdig
behandelt, da werden keine Unterschiede zwischen Kindern
und Erwachsenen
gemacht. Das hat Wael als unschuldiger Säugling am
eigenen Leib erfahren
müssen. Impftermine wurden der Mutter nie rechtzeitig
mitgeteilt. So wurde
Wael verspätet geimpft. Diese Schlamperei des
Gefängnispersonals erhöhte
für Wael das Risiko von Erkrankungen.
Als der Winter näher rückte, wurde es in den Zellen
immer kälter. Wir haben
nach einer kleinen Elektroheizung als Wärmespender für
das Baby gefragt,
die Antwort war "NEIN". Wir haben nach einer kleinen
Badewanne gefragt, die
Antwort war "NEIN". Die Mutter hat ihren Kleinen im
Waschbecken in der
Zelle gewaschen, sonst stand ihr nichts zur Verfügung.
Der Kleine war ein sehr aktives und lebhaftes Kinde. Er
hat die Enge nie
akzeptiert und sich den ganzen Tag bewegt, um seine
Umwelt zu erkunden!
Die arabischen Frauen haben darum gebeten, dass Wael mit
den Kindern der
israelischen Häftlinge spielen darf, die Antwort war
"NEIN". Wie die
Erwachsenen darf das Kind nur drei Stunden lang die
Zelle verlassen. Den
Rest des Tages verbringt er mit der Mutter und ihrer
Begleiterin in der
Zelle. Was diesem Kind zugemutet wird ist unmenschlich.
Eines Tages bekam Wael einen Hautausschlag. Er hat vor
Schmerzen den ganzen
Tag und die ganze Nacht geweint. Als hohes Fieber
hinzukam, wurde seine
Situation bedrohlich. Die Gefängnisleitung hat es jedoch
abgelehnt, ihn in
ein Krankenhaus zu bringen. Die Mutter bangte um das
Leben ihres Sohnes und
war verzweifelt. Da hatte eine Frau die Idee, den Körper
des kleinen Jungen
mit Olivenöl einzureiben. Das bewirkte ein Wunder: nach
und nach ging es
Wael besser und seine Lebhaftigkeit kehrte zurück.
Unter diesen Umständen hat Wael seine ersten 18 Monate
verbracht. Heute
spielt er mit den leeren Dosen aus der Kantine und kann
sich nicht von
seiner Mutter trennen, geschweige denn sie von ihm. Die
Gesetze in den
israelischen Gefängnissen sehen jedoch vor, dass ein
Kind nach dem
Erreichen des zweiten Lebensjahres von der Mutter
getrennt werden MUSS!
Wird jemand
einschreiten um dieses zu verhindern?
Hört jemand den Hilferuf der Mutter Mitwat?
Gibt es Menschen auf dieser Welt, die die Situation
dieser beiden Menschen
verstehen?
Aus dem Arabischen: M. Abu Khalaf 18.05.2005
Quelle: www.alsabah.net
http://www.freunde-palaestinas.de/fp/page/bericht/maryam/05/wael.html
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